Teil 10

"Masa? Bist du wach?" flüsterte es an das Ohr des Yakuzas.

"Ja." Er war aufgewacht, als der Junge sein Zimmer betreten hatte. Der schwache Lichtschein vom Flur, beim Öffnen der Tür, verriet ihm einen kurzen Augenblick, wer sein nächtlicher Besucher war. `Ich hätte nie gedacht, dass er nach heute Abend noch mit mir spricht.´

Er spürte, wie sich Kais Gewicht auf die Matratze senkte.

"Ich muss mit dir reden!"

"Haben wird das denn nicht gestern getan?" Seufzend richtete Masa sich auf. "Also, was gibt es, Bon?"

"Ich habe nachgedacht. Über das, was du gesagt hast."

"Ach ja?" Gewaltsam zwang Masa sich, nicht die Arme nach Kai auszustrecken.

"Du hattest recht."

"Was?" Nicht ganz die Wendung, die er erwartet hatte.

"Es war falsch von mir, dich zu etwas zwingen zu wollen, was du mir nicht geben kannst. Ich bin zufrieden, wenn wir die Sache... auf den bisherigen Level... fortsetzen können." Verlegen stockte er mehrmals beim Sprechen.

"Bisherigen Level? Ihr meint...?"

Hatte er sich verhört?

"Ja. Es reicht mir, wenn wir nur... äh... Sex haben. Wenn es das ist, was du willst."

`Mein Gott- er sorgt sich... um mich???´

"Warum diese Meinungsänderung, Bon?" Seine Hände fuhren nun doch nach vorne und strich sanft über die Brust des Jungen. Masa musste sich ein Lachen verkneifen, als dessen Atem schneller ging.

"Du... du hast mal von Ehrlichkeit gesprochen, erinnerst du dich?" Das schien schon Jahre her zu sein.

"Wenn ich dir jetzt alles erzähle, bist du dann auch offen zu mir?"

Trotz der Dunkelheit konnte er Kais forschenden Blick auf sich spüren.

"Vielleicht." wich er aus.

"Das ist unfair!" Wütend schlug Kai auf die Bettdecke. Masa rückte vorsichtshalber ein Stück weg, um nicht beabsichtigt oder unbeabsichtigt, getroffen zu werden.

"Bon..."

"Hör auf mit diesem Scheiß! Ich habe einen Namen! Nenne mich wenigstens so, wenn wir alleine sind!"

Lachend fing Masa Kais umher schlagende Fäuste mit seinen Händen auf. Vor Wut zitternd fügte sich der Junge nur langsam seinen Beruhigungsversuchen.

"Ich habe einen besseren Namen für dich." Er grinste leicht.

"Und was für ein Schwachsinn fällt dir denn ein?"

"Wie wäre es mit Koibitu?" flüsterte Masa gegen seinen Mund.

Abrupt hielt Kai in seinem Abwehrversuch ein. Argwöhnisch rückte er ein Stück von Masa ab.

"Ist das dein Ernst?"

"Gefällt dir der Name nicht?"

Unschuldig blinzelte Masa.

Als Kai stürmisch die Arme um ihn warf, und ihn küsste, hatte er seine Antwort.

"Kannst du bitte das Licht anmachen?"

"Warum?"

"Ich will dich bei Licht sehen!"

"Du weißt doch, wie ich aussehe."

"Aber nicht jetzt ! bitte Masa !"

Resignierend streckte der Mann eine Hand aus und zündete die Nachttischlampe an.

"Besser so?"

"Ja, danke!" Kai richtete sich auf seinen Ellenbogen auf. Langsam liess er seinen Blick über Masa schweifen. Geduldig lehnte sich Masa in seine Kissen zurück und liess seinen Geliebten gewähren.

Er konnte sich jedoch ein Zusammenzucken nicht verkneifen, als Kai mit seinen Fingerspitzen über Masas Drachenkopf fuhr.

"Das... das hat doch bestimmt weh getan?"

"Es ging." Masa fühlte sich sichtlich unwohl bei dieser Frage

"Warum magst du nicht, wenn ich sie ansehe oder berühre?", fragte Kai neugierig.

"Sie hat Euch immer Angst gemacht. Es ist ein Zeichen meiner Loyalität Eurem Vater gegenüber."

`Er ist wieder auf Distanz bedacht.´ Kai war der Wechsel in der Anrede zwar aufgefallen, trotzdem fuhr er, ohne sich seine verletzten Gefühle anmerken lassen, fort: "Aber er ist tot. Ist deine Tätowierung jetzt nicht wertlos geworden?" Vorsichtig folgten seine Finger den Muster auf Masas Haut.

"Nicht ganz. Ich liess sie machen, weil Sagano Euer Vater war." Der Finger stoppte.

"Du hast sie für mich gemacht? Ehrlich?" fragte Kai eher ungläubig.

"Shht." Lächelnd drückte Masa ihm einen Kuss auf den Mund.

"Du warst immer für mich der wichtigste Mensch in meinen Leben!"

"Sicher?" Kai war immer noch skeptisch.

"Warum zweifelst du?" Sanft strich Masa über Kais nackte Schulter. "Schau nicht so ängstlich. Du könntest mich erschissen, und selbst dann würde ich niemanden mehr lieben als dich."

"Hm." Gedankenverloren musterte der Junge ihn.

"Was ist los?"

Kai errötete.

"Hast du etwas dagegen, wenn ich dich... nun ja... ganz sehe?"

"Ganz?" Masa hob eine Augenbraue. "Sicher?", scherzte er.

Verkrampft nickte Kai.

"Nur zu!" Einladend deutete Masa auf das Lacken, was seinen Unterleib bedeckte. "Bedient Euch!"

Kai lief noch röter an. Vorsichtig hob er das Lacken und spähte darunter. Blitzschnell liess er es wieder allen.

"So groß?" fragte er entsetzt. "Aber es kam mir gar nicht so vor."

"Vielleicht sollte ich deine Erinnerung etwas auffrischen." Masa langte zu Kai hin und zog ihn eng an sich heran. "Mal sehen, ob du mich immer noch ganz aufnehmen kannst." raunte er.

Der erstarrte Kai blickte kreidebleich auf die Beule, die sich langsam unter dem Lacken abzeichnete. Schließlich nickte er schluckend.

"Mm." Kai kuschelte sich noch etwas enger in Masas Arme.

"Bon!"

"Hm?"

"Ihr müsst aufwachen." Masas Atem strich sanft über Kais Stirn.

"Wieso?" Schlaftunkend wie er war, wollte Kai nichts weniger, als aus seiner momentanen, warmen Zuflucht, zu entfliehen.

"Es wird hell." Kai fühlte Masas Finger auf seinen Kopfhaut, als dieser zärtlich seine Haare zauste.

"Na und?" Immerhin war es noch nachtschlafende Zeit. Welcher vernünftige Mensch stand schon auf, nur wie es hell wurde???!

"Kai. Das Haus erwacht gleich. Ich will nicht, dass du hier gesehen wirst."

"Warum? Ich dachte..."

"Es ist besser, wenn keiner von uns weiß."

"Was?" Schlagartig verschwand Kais Müdigkeit. "Ich habe mich wohl verhört!"

"Das habt Ihr nicht!"

Masa fiel anscheinend immer in diese respektvolle Anrede, wenn er Distanz zwischen Ihnen schaffen wollte. Den ohnehin schon deswegen aufmerksam gewordenen Kai entging dies auch jetzt nicht.

"Masa!" Verzweifelt warf er seine Arme um den Hals seines Freundes.

"Stoss mich nicht weg. Willst du etwa so tun, als wäre nichts passiert?"

"Nein. Aber es ist besser, wenn vorerst niemand davon erfährt."

"Aber warum denn nicht?"

"Es würde... die Dinge nur unnötig verkomplizieren. Bitte Liebster, vertraue mir."

Einen Moment lang schienen die beiden in ihrer Umarmung erstarrt zu sein. Dann atmete Kai tief durch. Langsam stieg er aus dem Bett.

"Also gut. Wenn du mich so bittest.", verabschiedete er sich mit einen bitteren Lächeln. Er war schon auf halben Weg zur Tür, als Masas Ausruf ihn innehalten liess.

"Kai!" Er sprang aus dem Bett und umschlang den Jungen von hinten. "Denk nicht, ich würde bereuen, was geschehen ist."

Kai verharrte mit gesenkten Kopf.

"Koibitu?" Liebkosend strich Masa über sein Gesicht.

"Schon gut. Ich verstehe." "Sicher?" Besorgt registrierte Masa, dass der Junge in seinem Armen zu zittern angefangen hatte.

Zögernd berührte er dessen feuchte Wangen.

"Oh, ihr Götter!" Betroffen zwang er Kai, sich herumzudrehen. Mit sanfter Gewalt hob er dessen Kopf.

Der Junge schloss beschämt seine feuchten Augen.

"Schau mich nicht so an!", flehte er.

"Kai...." Mit seinem Daumen wischte er die Wangen des Jungen trocken. "Wenn dir nicht wohl bei der Sache ist, dann sag es mir. Es gibt nichts, was ich weniger will, als dass du dich zu etwas gezwungen fühlst."

"Sorge dich nicht, Masa. Es ist nichts."

"Lüg mich nicht an. Die Sache belastet dich. Wir sollten sie beenden, ehe es noch schlimmer wird."

"NEIN!" Erschrocken umfasst Kai Masas Schultern. " Tu das nicht!", er presste sein Gesicht gegen dessen Brust. "Bitte... Ich brauche dich!"

"Ach, Bon..." Bekümmert vergrub Masa seinen Kopf an Kais Schulter.

"Es macht dich unglücklich. Irgendwann wird es dich zerstören. Ich bin der letzte, der dich glücklich machen kann."

"Das stimmt nicht. Du bist der einzige.", widersprach Kai heftig. "Ich verstehe nur nicht, warum du es verbergen willst."

"Ist das das einzige, was dich so bekümmert?" Wachsam musterte Masa Kais Gesicht. "Ich will nicht, dass du dich zu etwas zwingst!"

"Das tue ich nicht!"

Masa war immer noch nicht überzeugt. Er schien von seiner einmal gefassten Meinung nicht abweichen zu wollen. Mit einem diplomatischen "Wir werden sehen, was wird." schob er Kai zur Tür hinaus.

"Du tust es schon wieder." murmelte Kai traurig.

"Was?"

"Du flüchtest vor mir."

"Sicher, Bon?" Mit einem traurigen Lächeln schloss er die Tür knapp vor Kais Nase. Der geschockte Junge hörte nur noch, wie der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde.

"Masa? Der ist abgereist!" Besorgt musterte Kyosuke Kais steinernes Gesicht.

`Nanu? Er jammert nicht? Er wird nicht wütend? Er zeigt nur diese seltsame Miene. Haben sie sich etwa wieder gestritten? Der Boss ist ja auch so komisch drauf.´

"Aha. Danke sehr, Kyosuke." Ausdruckslos starrte Kai weiter in den Fernseher.

"Gern geschehen!" Irritiert zögerte Kyosuke. "Soll ich Euch Bescheid sagen, wenn er wieder da ist?"

"Nein, danke!"

Achselnzuckend verließ Kyosuke den Raum. `Sollen sie das unter sich ausmachen´

"Masa?"

"Ja, Bon?" Geschäftig sah Masa kurz von seinem Schreibtisch auf. Es war etwa drei Tage her, seit er von seiner Reise zurückgekommen war. Kai hatte kein Wort über seine fast einen Monat langen Abwesenheit verloren. Ehrlich gesagt, hatten die beiden in den drei Tage jede Art von Konfrontation vermieden. So sehr, dass sie bis zu diesen Moment kein Wort miteinander gewechselt hatten.

"Ich habe eine Bitte!"

"Bon?" Erstaunt hob Masa eine Augenbraue. Kai bat normalerweise nicht, er forderte lieber. Besorgt musterte er dessen schmale Gestalt. War er etwa noch dünner geworden?

"Ich will nach Tokio! Enjoji und Ranmaru sind zurück. Ich würde sie gerne treffen. Ich habe meinen Bruder schon sehr lange nicht mehr gesehen."

"Das ist keine gute Idee." Er bedeutet Kai sich zu setzen.

Standhaft ignorierte dieser seine Aufforderung.

"Warum? Momentan hast du doch alles unter Kontrolle. Du hast in Tokio so aufgeräumt, dass keiner es wagen würde, jemanden aus DEINEM Klan auch nur schief anzuschauen. Selbst wenn man wüsste, dass meine Sicherheit irgendwelchen imaginären Einfluss auf deine Position hätte.", schloss Kai sarkastisch.

"Bon!" Masa atmete empört aus.

"Stimmt es etwa nicht? Diese Sache, von wegen meine Anwesenheit hier sichere deine Position, ist doch nur eine Ausrede. Du wolltest mich doch nur hier haben, damit du mich ficken kannst!" Denn letzten Satz brüllte er fast.

"KAI!" Entsetzt stand Masa auf. Besorgt warf er einen Blick auf die geschlossenen Tür. Dann wandte er sich wieder Kai zu. "Bon. Das stimmt nicht. Das wisst Ihr auch. Die Situation war nur etwas angespannt. Und Ihr habt immer noch Feinde. Ich halte es für keine gute Idee, wenn Ihr nach Tokio fährt."

"Ich habe zwei Jahre ohne deinen Schutz sehr gut alleine überstanden! Dann werde ich ja wohl auch ein paar Tage bei meinen Bruder lebend überstehen!"

"Na ja, bei Eurem Bruder, huh? Da bin ich mir nicht so sicher!" Schelmisch grinste Masa. Dann wurde er wieder ernst. "Wenn Ihr solche Sehnsucht nach Samejima habt, kann er Euch doch hier besuchen."

"Ist es das? Bist du eifersüchtig auf Sempai? Dann brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Für mich gab es nie einen anderen als dich!" Aufgebracht stürmte Kai in Richtung Tür. Kurz vorm Verlassen des Raums drehte er sich noch einmal um.

"Du hast gesagt, du würdest alles für mich tun. Dann halte dein Wort!"

Mit einem lauten Krachen schlug die Tür hinter ihm zu.

Fassungslos starrte ein sehr nachdenklich Masa ihm hinterher.

TBC