Konsequenzen

Disclaimer: Mir gehört gar nichts. Alles gehört Herrn Tolkien.

Für Dirk

Kapitel 1: der Aufbruch

Irgendwann, so dachte er sich, war es Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Er hatte genug. Nicht, dass er einen konkreten Anlass gehabt hätte, alles war wie immer. Und eben das machte es so schlimm. Immer war es das selbe, seit Tausenden von Jahren. Er war immer da, still, freundlich, hilfsbereit. Der Lehrer der Kinder. Der Freund des Hausherrn. Stets war er verlässlich, pünktlich und treu. Konnte man sich einen besseren Freund und Berater wünschen? Sicher nicht! Glorfindel wusste, dass niemand verstehen würde, wie er sich fühlte. Niemand? Nun ja, korrigierte er sich, insbesondere Elrond würde es nicht wissen. Und genau um ihn ging es, wie er, wenn er ehrlich war, zugeben musste.

Glorfindel hatte genug. Er hatte genug davon, wie ein besserer Buchhalter behandelt zu werden. Wie ein Buchhalter, der auch noch Kindermädchen und Lehrer und Kampfausbilder war. Und für welchen Lohn? Kost, Logis und ein paar freundliche Worte. Aber das bekam ein guter Wachhund auch. Er spürte, wie sich die Bitterkeit immer weiter in ihm ausbreitete. Wie ein Hund! Ein possierliches Haustier, aber mit Sicherheit kein Mitglied der Familie! Und damit hatte er eigentlich genau den Punkt seiner Enttäuschung getroffen. Kein Mitglied der Familie. Er gehörte nicht dazu. Elrond, die Kinder: Sie gehörten zusammen. Sogar Celebrian war immer noch ein Teil der Gemeinschaft, obgleich sie doch schon vor so langer Zeit in den Westen gegangen war. Glorfindel aber war alleine. Ein geduldeter Gast. Ein nützlicher zwar, aber nur ein Gast.

Irgendwann, so dachte er sich, war es Zeit zu gehen. War nicht jede Familie froh, wenn der Besuch endlich ging? Und selbst, wenn es noch der freundlichste und bescheidenste Gast war: Eine Familie war eine geschlossene Einheit und musste auch wieder geschlossen werden. Elrond hatte genug andere fähige Elben um sich. Erestor würde ihn hervorragend als Verwalter ersetzen können. Und im Singen und Tanzen war er ohnehin nie herausragend gewesen. Und überhaupt: musste man denn für Freundschaft etwas leisten? Sie erarbeiten? Waren diese ganzen Umstände nicht viel eher ein Beweis dafür, dass Elrond nicht wirklich freundschaftliche Gefühle empfand?

Wann würden sie sein Fehlen bemerken? Wem würde es zuerst auffallen? Und wie würden sie reagieren? Vielleicht wäre Elrond zuerst etwas traurig, dann aber würde die Enttäuschung die Oberhand gewinnen: Enttäuschung darüber, dass er einfach gegangen war, so ganz ohne Lebewohl und ein Wort des Dankes für all die Jahre.

Glorfindel biss, ohne es wirklich wahr zu nehmen, die Zähne aufeinander: Enttäuschung? Stand die ihm nicht besser zu? War er denn als Bediensteter eingestellt worden? Oder war er nicht Elronds Freund gewesen? Freund? Behandelte man einen Freund nicht anders? Er wollte nicht daran denken, er wollte nicht ergründen, was ihn wirklich an dieser ganzen Sache so sehr verletzte. Es tat zu sehr weh.

Er nahm kein Gepäck mit. Er würde es nicht brauchen, da, wo er hinging. Er löste die silbernen Spangen aus seinem taillenlangem lockigem Haar und legte sie auf seine Kommode. Seine Kommode, die ihm nie gehört hatte, die er nur benutzen durfte. Er legte die Kette mit dem geschliffenen Aquamarin ab und hängte die Robe an einen Haken. Er wollte nichts mitnehmen, was ihm nicht gehörte. Bei den Kleidern ließ es sich leider nicht vermeiden, doch wählte er mit Bedacht das Einfachste, was er in seinem Schrank, der doch eigentlich Elronds Schrank war, finden konnte.

An der Tür drehte er sich noch einmal herum und blickte auf das Zimmer. Der frühe Abend war hereingebrochen und die Sonne schickte sich an, unter zu gehen. Alles wurde in gleißendes, warmes Licht getaucht und die Bodenfliesen sahen aus, wie flüssiges Kupfer. Eine tiefe Traurigkeit überkam ihn. Er wusste, er musste gehen, es hinter sich bringen.

Leise schloss er die Tür, um nie wieder zu kommen.

- - - - - - - - - - -

So, dass war das erste Kapitel.
Falls und wenn jemand Interesse an einer Fortsetzung hat und dies mit
einer Review bekundet, dann setzt ich mich dran!