So, nun doch noch ein Kapitel, obwohl ich eigentlich gar keine Zeit für irgendwelche Schreibereien habe ... Aber wann einen die Muse küsst, kann man leider nicht bestimmen und ich schubse sie sicherlich nicht weg.

Danke, Keeline, ich hatte schon Angst, dass es ein wenig langweilig wirken könnte, so ganz ohne Action. Hier in diesem Kapitel werden noch ein paar essentielle Weichen gestellt und ab nächstem Kapitel gibt es - oh Wunder - auch einige andere Personen, die sich äußern werden. Jaja, in Hogwarts befinden sich nicht nur drei Personen ...

Disclaimer: Kein Geld, nur Spaß. Nix ist meins.

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Severus merkte, wie jemand ihn an seinem Ellbogen berührte und leicht schüttelte. Er blinzelte und als ihm helles Licht fast schon schmerzhaft in die Augen fiel, drehte er sich von der Quelle dieser Störung weg. Er packte die Bettdecke, die ihm bis zum Hosenbund hinuntergerutscht war, und zog sie hoch bis über seine Schultern, als er sich umdrehte und murmelte etwas Unverständliches. Dieses aber in einem deutlich ärgerlichen Tonfall.

"Severus." Das Schütteln hörte nicht auf und wurde jetzt auch noch akustisch begleitet. "Severus, komm' jetzt, wach' endlich auf. Du hast wirklich schon lange genug geschlafen." Wieder ließ er nur ein unwirsches Grummeln hören. Poppy stemmte die Hände in die Hüfte und schüttelte den Kopf. Snape benahm sich wirklich wie ein kleiner Junge, der morgens nicht aus dem Bett zu bringen war. Sie drehte sich um, als sie ein klapperndes Geräusch hinter sich vernahm und sah einen Hauselfen, der ein Tablett balancierte, auf dem hübsch und ordentlich ein kräftiges Frühstück angerichtet war. "Master Dumbledore wünscht, dass Junge isst.", piepste der Elf. "Ist dünn und muss noch wachsen."

Poppy lächelte und ließ den Elfen das Tablett auf den Nachttisch stellen. Schade um das Frühstück, dachte sie, denn so wie sie Snape kannte, würde er ihm keinerlei Beachtung schenken. Nochmals schüttelte sie leicht den Kopf, schaute auf die Gestalt im Krankenbett, die sich so fest in die Decke gewickelt hatte, dass von ihr nur ein Büschel schwarzer Haare zu sehen war, und ließ Snape schließlich allein.

Erst nach einiger Zeit wurde Severus wieder wach. Er blinzelte ein paar Mal, bis er seine Augen richtig öffnen konnte. Eigentlich fühlte er sich, als könnte er ruhig noch ein wenig länger schlafen, aber der Geruch frischen Kaffees drängte sich sanft zwischen ihn und seinen Schlaf. Er richtete sich ein wenig auf und stützte sich auf seine Ellbögen. Kaffee, genau das brauchte er jetzt. Er setzte sich an die Kante seines Bettes und langte zur Tasse. Kurz bevor er den ersten Schluck nahm, schloss er seine Augen und machte einen vorsichtigen Atemzug und inhalierte tief den Duft des frischen Kaffees. Er nippte kurz und verteilte die warme Flüssigkeit mit der Zunge an seinem Gaumen bevor er sie hinunter schluckte. Dann seufzte er, rein aus Gewohnheit, und trank einige größere Schlucke, bevor er die Tasse wieder zurück auf's Tablett stellte. Für einen Außenstehenden schien es, als ob der Junge den ersten Schluck seines Kaffees aus tiefstem Herzen genießen würde, doch in Wirklichkeit war die Motivation für sein Verhalten gänzlich anders.

Jahrelange lebte Snape in einer feindlichen Umgebung, die Menschen mit denen er zu tun hatte, waren grausam und selbstsüchtig. Oft genug musste er erleben, dass jemand nicht mehr auftauchte, weil er auf "mysteriöse" Weise sein Leben verloren hatte. Und einmal konnte er nur durch Zufall einem Anschlag auf sein eigenes Leben entgehen, da er sich während einer hitzigen Diskussion an einem eben servierten Whiskey verschluckte. Noch während er mit hochrotem Kopf die Reste der Flüssigkeit aus seinen Atemwegen auszuhusten versuchte, bemerkte er die verdächtig wirkenden Blicke eines seiner Kontrahenten. Auch konnte seine geschulte Nase, nun da er aufmerksam geworden war, eine subtile Änderung des Aromas erkennen. Wut wallte damals in ihm hoch. Einen Tränkemeister vergiften zu wollen, das war nicht gerade klug und was wirklch schlimm war, war die Tatsache, dass dieses Unterfangen beinahe gelungen wäre.Seit diesem Ereignis konnte er nicht mehr bedenkenlos Nahrung oder Flüssigkeiten zu sich nehmen, alles wollte er zuerst einer unauffälligen Prüfung unterziehen. Snape brauchte bald nicht mehr aktiv darüber nachzudenken, denn es wurde schnell ein fast schon natürlicher Bestandteil seines Verhaltens.

Sein Blick wanderte von der Tasse zu dem danebenstehenden Teller. Severus runzelte die Stirn. Es war ihm ein Rätsel, wie es der Rest der Bevölkerung regelmäßig schaffte, kurz nach dem Aufstehen solche Unmengen in sich hinein zu stopfen. Er stand auf und machte sich auf den Weg in seine Kammern. Als Poppy wenig später nach ihrem Patienten sehen wollte, war er schon längst wieder in den Kerkern. Ärger machte sich in ihr breit und sie verließ zornig das Zimmer.

Wie immer ignorierte dieser Sturkopf ihre ärztlichen Anweisungen. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn vor Jahren mit einem Erstarrungszauber belegen musste, nachdem er in einem fürchterlichen Zustand von einem Todessertreffen zurückgekehrt war. Nachdem sie ihn grob zusammengeflickt hatte, wollte er unbedingt in seine Quartiere zurückkehren und Poppy wagte es, ihn hinterrücks mit einem Zauber zu treffen und für zwei Tage in ein Bett zu verfrachten. Während dieser Zeit konnte sie bei ihren Kontrollbesuchen sehen, wie seine Augen sie wütend anfunkelten. Nach den zwei Tagen konnte sie es nicht länger ertragen und löste den Spruch. Snape war daraufhin aufgesprungen und stürzte sich fast auf sie, dass sie vor Schreck zurückwich. Er zischte ihr zu, dass, sollte sie soetwas jemals wieder versuchen, es das Letzte wäre, das sie in ihrem Leben gemacht hatte. Dann drehte er sich um und stürmte aus der Krankenstation.

Aber das war nicht alles. Am nächsten Tag, kurz nach dem Frühstück, fühlte sie ein seltsames Kribbeln überall auf ihrem Körper, begleitet von einem leichten Kratzen im Hals. Sie schenkte dem zunächst wenig Beachtung, als sich die Symptome schließlich verstärkten und sie den Nachmittag lang wie aufgezogen in der Krankenstation herumlief und sich vor Heiserkeit kaum noch mit den anderen verständigen konnte, war sie schließlich der Verzweiflung nahe. Nach einer schlaflosen Nacht, in der sie es nicht einmal schaffte, sich hinzusetzen, geschweige denn sich hinzulegen, weil ihre ganze Haut so kribbelte und hyperempfindlich war, suchte sie den Schulleiter auf. Dieser schüttelte nur den Kopf und meinte kryptisch, das werde sich bald geben.

Und wirklich. Nach einem weitern, unerträglichen Tag hörte dieser unangenehme Zustand ganz plötzlich auf. Als sie Snape daraufhin in der großen Halle traf, sah er sie nur kurz an und sie merkte, wie er sie voller Genugtuung musterte. Sie sprachen nie über diese Sache, doch sie war sich sicher, dass dies seine Rache für den Erstarrungzauber war, obwohl sie es ihm nie nachweisen konnte, dass und wie er es getan hatte. Natürlich versuchte sie seit diesem Geschehnis nie mehr, ihn mit irgendwelchen Zaubersprüchen zu belegen. Abgesehen natürlich von den üblichen Heilsprüchen bei diversen Verletzungen.

Sie gab dem Schulleiter kurz Bescheid, dass Snape wieder in seine Quartiere zurückgekehrt war. Dumbledore lächelte, denn das hatte er auch ohne hellseherische Fähigkeiten längst vorausgesehen. Zeit für einen kleinen Besuch, dachte er. Severus Privaträume waren ein guter Platz für das nun folgende Gespräch. Der Schulleiter warf eine Handvoll Pulver in das Feuer in seinem Kamin, das sofort grün hochloderte, nannte Snapes Kamin als Adresse und trat in die Flammen.

Wie immer saß Severus in seinem Sessel vor dem Kamin, tief in eines seiner Bücher versunken. Als Dumbledore aus den Flammen trat, sah er kurz auf und nickte ihm zu. Er hatte es aufgegeben, den Schulleiter jedesmal darauf hinzuweisen, dass er seine Besuche vorher ankündigen sollte. Dumbledore schaute mehrmals am Tag kurz bei ihm vorbei und Snape fühlte sich anfangs dabei genervt, wie ein Kind, dessen Mutter immer wieder in sein Zimmer kommt und nachfragt, ob noch alles in Ordnung ist. Mit der Zeit gewöhnte er sich allerdings daran und begegnete diesen Überraschungsbesuchen mit stoischer Ruhe.

Dumbledore nahm auf dem zweiten Sessel vor dem Kamin Platz. Er betrachtete den Jungen, der nun wieder in sein Buch vertieft war und anscheinend beschlossen hatte, seinen Gast völlig zu ignorieren. "Severus", fing Dumbledore an und wartete geduldig, bis dieser den Kopf wieder hob und ihm einen gelangweiten Blick zuwarf. "Wie sollten nun über Deine Zukunft sprechen.", fuhr er daraufhin fort. Er konnte sehen, wie Severus seine Gedanken ordnete, bevor er anfing zu sprechen.

"Ich werde in den nächsten Tagen alles für meine Abreise vorbereiten. Rechtzeitig vor Schulbeginn werden diese Quartiere frei sein, bereit für den nächsten Tränkelehrer." Dann widmete sich der Junge wieder seinem Buch. Dumbledore seufzte. Er hatte mit so einer Reaktion gerechnet. Sein ehemaliger Tränkemeister ergriff nun angesichts dieser neuen Situation die Flucht und konnte das alles als ideale Ausrede verwenden, sich endgültig zurückzuziehen. "Ich fürchte, das wird nicht so einfach sein.", antwortete er schießlich und begegnete Severus skeptischem Blick.

"Ich hatte vorgestern ein Gespräch mit der Bank", fuhr der Schulleiter fort. "Es betraf Deinen Nachlass." "Meinen WAS?", fragte der Junge überrascht. "Ich habe Dir gestern erklärt, dass Du offiziell für die Zauberwelt tot bist. Aus diesem Grund wurde Dein Testament geöffnet." Severus blickte nun ungläubig auf Dubledore. Zunächst war er von der Sorge um sein Geld erfüllte, bis er sich an den genauen Inhalt seines Testaments erinnerte. Er fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss und er wich peinlich berührt dem belustigten Blick des Schulleiters aus.

"Ich hatte ja keine Ahnung, dass Du - sagen wir einmal - etwas mehr Geld besitzt, als der Rest von uns.", lachte Dumbledore. "Und, dass Du mich als Deinen Alleinerben eingesetzt hast, ehrt mich natürlich." Severus verspürte das dringende Bedürfnis, einfach nur fortzustürzen, um dieser Peinlichkeit zu entgehen. Als er sein Testament gemacht hatte, schien es ihm vernünfig und das einzig Richtige. Wer denkt schon daran, die Vollstreckung seines Testaments mit zu erleben?

Dumbledore lächelte breit und sah nun aus, wie eine zufriedene Katze. "Allerdings gibt es ein kleines Problem." Er machte eine Pause und wartete darauf, dass der Junge ihn wieder anblickte, doch als der nur krampfhaft in das Feuer starrte, fuhr er fort. "Bei einem Vermögen dieser Größe ist es ein wenig schwierig, das Geld sofort zu übertragen. Die Bank hat mich davon informiert, dass für solche Fälle ein Zeitraum von genau einem Jahr vorgesehen ist, in dem dieses Konto eingefroren wird und während dessen sich mögliche weitere Erben melden können." Severus seufzte. Er kanne dieses Procedere, denn obwohl er bei vielen Verwandten als Alleinerbe eingesetzt war, tauchten während dieser Jahresfrist immer wieder irgendwelche Personen auf und meldeten ihre angeblichen Ansprüche auf das Erbe an. Er konnte sich nur an einen einzigen Fall erinnern, wo diese Person wirklich ein leiblicher, wenn auch unehelicher, Sohn des Verstorbenen war und aus diesem Grund seinen Pflichtanteil zugeteilt bekam.

"Es gibt keine weitere Erben.", sagte Severus bestimmt. Dumbledore zog fragend die Augenbrauen hoch und blickte ihn über die Gläser seiner Brille an. "Es ist absolut unmöglich, dass es weitere Erben gibt.", bekräftigte der Junge nochmals. "Gut.", antwortete Dumbledore. "Das bedeutet, dass ich Dir nach einem Jahr Dein Vermögen zurückgeben kann. Die Frage ist, was können wir für Dich während des nächsten Jahres machen?"

Die Frage verhallte unbeantwortet im Raum. Severus starrte wieder in das Feuer und Gedanken schwirrten in seinem Kopf. Mit dem Haus am Meer wird es nun vorläufig nichts werden, das war kein Problem, denn er konnte warten. Aber was sollte er dann wirklich im nächsten Jahr machen? Dumbledore unterbrach seine Gedanken, als er wieder anfing zu sprechen: "Du hast vorher gemeint, dass diese Quartiere nicht mehr für Dich zu Verfügung stehen. Damit hast Du leider Recht." Severus sah den Schulleiter fragend an. "Ich habe bereits Ersatz für Dich. Professor Caldrun wird Sonntag Mittags hier eintreffen und ab diesem Unterrichtsjahr Deine Klassen übernehmen." Severus erinnerte sich an Caldrun. Sie hatte einige unspektakuläre Arbeiten zum Thema Heiltränke veröffentlich, hatte es aber dabei geschafft den Eindruck zu vermittelt, fundiertes experimentelles und theoretisches Wissen zu besitzen. Mit seiner Nachfolge hätte Dumbledore auch Schlimmeres erwischen können.

Nur kurz lenkte ihn die Erinnerung an diese Schriften über Heiltränke ab, als ihm wieder bewusst wurde, wie er jetzt vor dem Nichts stand. Er hatte keine Arbeit, keine Unterkunft und auch kein Geld. Eine tiefe Unsicherheit überkam ihn und er fühlte sich ein bisschen schwindlig. Dumbledore bemerkte den Zustand seines ehemaligen Tränkemeisters, er hatte ihn erwartet und wollte ihn seinen Zielen entsprechend ausnutzen. Innerlich kicherte er über seine berechnende Art, wenn Minerva davon erführe, konnte er sich wieder etwas anhören. Seit Jahren bekam er von ihr zu Weihnachten nur noch grün-silberne Socken geschenkt, mit dem ironischen Kommentar, dass dies viel besser zu ihm passte.

Um Severus länger hier auf Hogwarts halten zu können, musste er ihm einen Köder vorwerfen. Etwas, dem er nicht widerstehen konnte. Etwas, das ihn mehr reizte, als nächstes Jahr sein Vermögen zu schnappen und sich damit aus dem Staub zu machen und sich in seine selbstgewählte Isolation zurückzuziehen. "Ich nehme an, dass Du schon Pläne hast, wie Du Dein weiteres Leben gestalten möchtest.", fuhr er unauffällig fort. Severus nickte. "Ich nehme auch an, dass diese Pläne eine spätere Rückkehr zu dener Lehrtätigkeit als Tränkemeister ausschließen." Severus nickte nochmals. "Ich möchte Dir trotzdem ein Angebot machen. Wenn Du es nicht annehmen willst, verstehe ich das, besonders in Anbetracht Deiner zukünftigen finanziellen Situation.", fügte Dumbledore mit einem Zwinkern hinzu. Severus rollte mit den Augen. Wahrscheinlich musste er sich diese Witzchen bis zu seinem wirklichen Tod anhören. "Nun sprich endlich, Albus. Du kannst mit Deinen Spielchen aufhören." warf Severus in genervtem Tonfall ein.

"Ich möchte Dir die Stelle als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste anbieten. Natürlich noch nicht in diesem Schuljahr, aber danach." Pause und wieder Stille im Raum. Das hatte Severus nicht erwartet. Nachdem er sich über ein Jahrzehnt immer wieder erfolglos um diese Stelle beworben hatte, bot Dumbledore sie ihm freiwillig an. Seine Gedanken machten sich selbständig. Nach all den Jahren und der Aneinanderreihung unerträglicher Inkompetenzen könnte er endlich seine Vorstellungen von einer sinnvollen Unterweisung in diesen Künsten umsetzen. Dumbledore sah den Blick in Severus Augen und versuchte nicht zu offentlichtlich zu grinsen. Der Fisch hatte den Köder gepackt, jetzt musste er nur noch darauf achten, dass er ihn nicht wieder ausspuckte.

Dumbledore seufzte auffällig und schüttelte dabei den Kopf. "Du weißt, für dieses Jahr habe ich Moody angestellt, doch er hat mir unmißverständlich seinen Entschluss mitgeteilt, sich nächstes Jahr zur Ruhe zu setzen. Zwar habe ich einige Bewerbungen erhalten, aber ..." und er schüttelte abermals seinen Kopf. Dann blickte er Severus fest in die Augen und sagte: "Es wäre mir wohler, wenn jemand mit Deiner Kompetenz diesen Job übernehmen würde. Aber, wie schon gesagt, ich habe volles Veständnis dafür, wenn Du andere Pläne ausführen möchtest."

Severus wirkte verwirrt. Zunächst hatte er sich auf ein ruhiges Leben gefreut, sich schon gedanklich darauf eingestellt und nun konnte er sein Blut in den Ohren rauschen hören, fühlte, wie sein Herz angesichts dieser Herausforderung in einem längst vergessenen Zustand der Aufregung schlug. Er fühlte, wie er sich über dieses Angebot begeisterte und ärgerte sich, dass er ihm nicht so kühl und berechnend entgegenstellen konnte, wie er es früher getan hätte. Dumbledore beobachtete ihn genau. Er hatte seinen eigenen Plan gut durchgeführt. Zunächst verwirre ihn, dann verunsichere ihn, dann mach ihm ein verlockendes Angebot, appelliere noch ein wenig an sein Pflichtgefühl und hoffe, dass aus dieser Mischung das gewünschte Ergebnis herauskommt. Er sah gewisse körperliche Reaktionen des Jungen, sah wie sich sein Atem beschleunigte, wie sich seine Wangen leicht röteten und schmunzelnd nahm er zur Kenntnis, dass sich sein ehemaliger Tränkemeister nicht nur wieder in einem jugendlichen Körper befand, sondern auch genauso wie ein Heranwachsender reagierte. Das war gut so, denn nachdem Severus seine Gefühle jahrelang auf Eis gelegt hatte, würde es ihm gut tun, sie wieder einmal ausleben zu können. Das war auch ein Teil des innerlichen Heilungsprozesses, wahrscheinlich nicht ohne Komplikationen, aber sicherlich unbedingt nötig.

"Und was mache ich dann während des nächsten Jahres?", fragte ihn Severus endlich. Dumbledore lächelte wieder. Jetzt musste er nur noch den letzten Teil seines Planes durchsetzten, damit er vollends zufrieden mit sich sein konnte. Und es war der schwierigste Teil. "Ich möchte, dass Du hier in Hogwarts bleibst." Severus nickte. Das war noch nicht so schlimm. "Und ich möchte, dass Du während dieses Jahres die Abschlussklasse besuchst." "Ich soll WAS!", kam sofort die empörte Antwort seines ehemaligen Tränkemeisters. "Nicht mich solltet ihr zur Beobachtung auf der Krankenstation behalten. Ich werde mich doch nicht in eine Klasse mit diesen unmöglichen, pubertierenden Albträumen jeden Lehres hineinsetzen! Was ist denn DAS für eine hirnrissige Idee?" Dumbledore lehnte sich lächelnd in seinem Sessel zurück und hörte dem Ausbruch Severus geduldig zu. Als dessen Beschreibungen für den Geisteszustand des Schulleiters in Tierreich wanderten und immer phantasievollere Eigenschaften-Tier Kombinationen annahmen, konnte er sein lautes Lachen nicht mehr zurückhalten. Da hörte Severus mit seinen Anschuldigungen auf und starrte kopfschüttelnd auf Dumbledore. Dieser nahm sich die Brille von der Nase und wischte sich die Lachtränen aus den Augen, bevor er seine Brille wieder an ihren angestammten Platz zurücksetzte. "Also, nach dieser kleinen Demonstration glaube ich nicht, dass Du Schwierigkeiten hättest, Dich in irgendeiner Klasse einzuleben." Severus kroch wieder eine peinliche Röte ins Gesicht. "Ich verstehe schon, dass Du Bedenken dagegen hast. Aber sieh dir diese einmalige Chance doch bitte genauer an." sagte Dumbledore, nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte. "Deine eingene Schulzeit ist lange vorbei und für Dich waren andere Dinge von Bedeutung, als den Unterrichtsstil und die Methodik des Lehrpersonals zu untersuchen. Außerdem, ich glaube jeder Lehrer wünscht sich insgeheim, die Meinung der Schüler authentisch hören zu können, keinerlei falsche Schmeichelei oder nervöses Herumstottern." Severus blickte den Schulleiter immer noch zweifelnd an, fing aber an, diese Idee zu analysieren.

"Aber ein GANZES Jahr!", stieß er trotzig aus. Er starrte wieder ins Feuer und dachte weiter darüber nach, bis er schließlich deutlich ruhiger sagte: "Und ich werde mich sicherlich nicht hinsetzen und Prüfungen ablegen!" Dumbledore lächelte zufrieden. Der Junge hatte den Köder nun endgültig geschluckt. "Das werden wir sicher regeln können.", beruhigte er Severus. Der Blick des Jungen wanderte nun zu seinen geliebten Büchern. "Auch deswegen brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.", meinte der Schulleiter, als er die Besorgnis in Severus erkennen konnte. "Wir werden sie in die Verbotene Abteilung der Bibliothek stellen. Du kannst sie dann jederzeit lesen oder ausborgen." Dumbledore lächelte wieder und das Augenzwinkern dabei war kaum zu übersehen. "Du wirst natürlich eine spezielle Genehmigung dafür brauchen.", sagte er belustigt. "Warum? Ach ja, ich nehme an, dass Madame Pince nicht über meinen Zustand informiert wurde.", antwortete Severus. Dumbledore nickte. "Genauso nicht wie der Rest des Lehrpersonals. Mit Ausnahme von Minerva natürlich, Poppy und mir, weiss niemand von Deiner Verwandlung." Severus nickte. Das konnte wirklich interessant werden. Er begann sich mit dieser Aussicht anzufreunden und plötzlich war es ihm unangehm, dass Dumbledore immer noch bei ihm war und er seinen Gedanken nicht ungestört nachhängen konnte.

"Gibt es sonst noch etwas?", fragte er ein wenig unwirsch. Dumbledore schüttelte den Kopf. Natürlich gab es noch etwas, aber nichts, das Severus jetzt unbedingt wissen musste. Auch Harry hatte gesehen, dass der Tränkemeister noch am Leben war, wurde aber von Dumbledore zu äußerster Geheimhaltung verpflichtet. Und es war - zumindestens momentan - besser, dass Severus nichts davon ahnte. Sein irrationales, fast schon aggressives Verhalten Harry gegenüber war auch eine Folge der seelischen Verletzungen, die er sich in der Vergangenheit zugezogen hatte. Es war eine gute Gelegenheit, endgültig seine Differenzen mit einem "Potter" beizulegen, aber das brauchte Zeit. Ein Jahr könnte dafür ausreichen, dachte Dumbledore lächelnd.

Er stand auf und verabschiedete sich von Severus. "Ich bitte Dich, Sonntag vormittags die Quartiere für Professor Caldrun freizumachen." Severus nickte. Er hatte also noch ein paar Tage, um sich gründlich darauf vorzubereiten. Er sah zu, wie Dumbledore in den grünen Flammen seines Kamins verschwand, konnte aber nicht mehr dessen äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck erkennen. Severus legte das Buch auf den kleinen Tisch, der zwischen den zwei Sesseln stand und ging zu seinem Bücherregal. Er warf einen Blick auf seine umfangreiche Sammlung und seufzte. Er nahm das erste Buch aus dem Regal und wischte fast schon liebevoll über den Einband, um ein wenig Staub davon zu entfernen. Dann öffnete er es, warf einen Blick hinein und las ein paar Zeilen, bevor er es wieder zuklappte. Es würde sicherlich eine ganze Nacht dauern, seine Bücher zu ordnen und für den Transport vorzubereiten und er fühlte sich, als ob er von jedem seiner Bücher und Stück für Stück von seinem alten Leben Abschied nehmen müsste.