Ich hoffe, ihr seid nicht durch die kleinen Änderungen mit dem Prolog und so sehr verwirrt, für diejenigen, die es so zum ersten Mal sehen – kümmert euch nicht weiter drum. ;-) Mich hat nur wiedermal die Muse gebissen, nachdem ich die ersten beiden Kapitel schon online gestellt hatte und deshalb musste ich den Prolog jetzt hinterher schieben – ich hoffe, es stört niemanden und ihr mögt ihn trotzdem.

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Disclaimer & Co: siehe Prolog

Lyrics Kapitel 1: Avril Lavigne – I'm with you

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Right Kind Of Wrong


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I'm With You


Die Stille des Abends hatte sich auf die Stadt herabgesenkt, die Sonne war untergegangen und hatte rot-gelbe Streifen am Himmel zurückgelassen. Es war kalt geworden.

Ebony zog ihre Jacke ein wenig fester um sich und ging weiter. Sie wusste, dass es höchste Zeit war, zum Hotel zurück zu kehren. Nach Einbruch der Dunkelheit sollte man sich alleine nicht mehr auf der Straße sehen lassen, selbst – oder besonders – als Anführerin der Stadt nicht. Aber sie brauchte frische Luft und sie wusste, dass ihre Wachen immer in der Nähe waren.

Ebony ließ ihren Blick über den längst vertrauten Anblick der Bäume des kleinen Parks schweifen, die Häuserfassade dahinter verschwamm zu einem grau-roten, trostlosen Bild. Als die junge Frau die kalte Abendluft einatmete und schließlich beobachtete, wie sich ihr Atem in einer kleinen Dampfwolke wieder verflüchtigte, regte sich in ihr etwas, ein Gefühl, das sie schon lange unterdrückt oder ignoriert hatte.

Einsamkeit.


I'm standing on the bridge, I'm waiting in the dark
I thought that you'd be here by now
There's nothing but the rain, no footsteps on the ground
I'm listening but there's no sound



Ebony schüttelte leicht den Kopf. Sie dachte sonst nie an so etwas, außerdem war sie nur selten alleine. Ständig waren Menschen um sie; wenn es nicht, wie noch vor wenigen Tagen, die Mall Rats waren, dann heute die Jungs ihrer Wache, die sie, wie sie selbst wusste, brauchte. Dennoch fühlte Ebony sich seit einiger Zeit immer öfter einsam. Am stärksten wurde dieses Gefühl seltsamerweise meist dann, wenn mehr Menschen als gewöhnlich um sie waren. Mit keinem von ihnen konnte Ebony reden, bei niemandem konnte sie einfach sie selbst sein. Und so sehr sie sich geschworen hatte, diese Schwäche abzulegen, so wenig sie es selbst zugeben wollte – sie brauchte es.

Verärgert darüber, dass ihr diese Gedanken gerade jetzt kamen, kickte sie einen kleinen Stein vor sich her. Automatisch erinnerte Ebony sich an das letzte Mal, als sie sich diese Schwäche erlaubt und sich vor jemandem geöffnet hatte. Damals war es Bray gewesen. Ebony wusste, dass sie inzwischen über ihn hinweg war, aber nicht über die Art der Abweisung, die sie erfahren hatte, selbst, als sie ihm gegenüber ehrlich gewesen war. In dem Moment hatte sie das Vertrauen in andere verloren, besonders in Männer. Und Ebony hatte gelernt, dass es weniger weh tat, die Mauer um sich herum aufrecht zu erhalten und nichts mehr an sich heran zu lassen, auch, wenn es manchmal schwer war. So wie an diesem Abend.

Ein Zittern durchlief Ebonys Körper, als es aus dem dunkler werdenden Himmel zu regnen begann.


Isn't anyone trying to find me?
Won't somebody come take me home?


Mit ihren Erinnerungen kamen ungewollt auch die Gedanken an den letzten Tag. Bray und Ambers Verbannung. Ebony war klar, dass die Mall Rats sie deswegen jetzt höchst wahrscheinlich alle hassten, was ihr auch schon deutlich gemacht worden war, aber das war ihr ziemlich egal. Sie hatte ihre erst neu erlangte Stellung gefährdet, und Ebony hatte diese Gelegenheit ohne zu zögern genutzt. Amber hatte ihr – gewollt oder ungewollt – schon immer das Leben schwer gemacht, schon immer war sie jedermanns Liebling gewesen und Ebony die hinterhältige Hexe. Und sie war es leid. Sollten die anderen sie als skrupellos verachten, so viel sie wollten, weil sie Amber in ihrem Zustand verbannt hatte. In der Stadt gab es auch nicht mehr, was ihr helfen konnte; wenn sie es da draußen nicht schaffte, dann hier ebenso wenig. Ob mit oder ohne Bray. Außerdem war die Entrüstung über Ebonys ‚Untat' von der Aufregung über die Ankunft der Technos vollkommen verdrängt worden.

Wieder lief ihr ein Schauer den Rücken hinunter, aber nicht nur, weil der Regen stärker und es unaufhaltsam dunkler wurde. Die Technos hatten mit ihrer Invasion die Stadt und das Leben der Menschen in ihr völlig auf den Kopf gestellt. Noch wusste niemand wirklich, was sie wollten, sicher war nur, dass seit ihrer Ankunft eine Menge Leute verschwunden waren und es war nur allzu klar, dass sie dahinter steckten. Alle hatten Angst und wollten nur, dass die Technos so schnell wie möglich wieder verschwinden würden. Und das war auch der Grund, weshalb Ebony und die Handvoll verbleibender Mall Rats den Neuankömmlingen am Morgen einen Besuch abgestattet hatten.

Den Regen schon fast gar nicht mehr bemerkend, obwohl er ihre Kleider und Haare inzwischen durchtränkt hatte und ihr übers Gesicht lief, ging Ebony langsam weiter. Mit dem Gedanken an die Technos und das erste Zusammentreffen drängte sich sofort ein Bild in ihr Gedächtnis. Die Gruppe Technos, die ihnen entgegen gekommen war, alle in derselben schwarzen Uniform gekleidet und alle, außer den beiden Blonden, die Metallmaske aufgesetzt. Vorne weg der größere der beiden durch ihre Haare auffälligen Technos.

Je länger Ebony an diese Szene dachte, desto mehr fokussierte sich ihre Erinnerung – ohne, dass sie es selbst merkte – auf den Führer der Truppe.


It's a damn cold night, trying to figure out this life
Won't you take me by the hand, take me somewhere new
I don't know who you are, but I
I'm with you



Regentropfen liefen Ebony über Stirn und Wangen, verklebten ihre Augenlider und suchten sich wie die zärtliche aber flüchtige Berührung von Fingerspitzen einen Weg über ihre Lippen. Sie schloss die Augen.

Noch während sie versuchte, sich zu erinnern, wie der blonde Techno hieß und ob er seinen Namen überhaupt gesagt hatte, kam ihr unwillkürlich der Gedanke, dass die Berührung sich fast echt anfühlte.


I'm with you


Alles, was sie ihm bei ihrer ersten Begegnung entgegengebracht hatte, war Feindseligkeit gewesen, was auch nicht sehr verwunderlich war. Ebony war – wie der Rest der Stadt – alles andere als begeistert gewesen, als die Technos in ihrer Stadt eingefallen waren und das hatte sie ihn und alle anderen deutlich spüren lassen. Doch jetzt, fast zwölf Stunden später, als Ebony alleine durch die vom Regen nassen Straßen lief, hatte sie Zeit, sich all das mit anderen Augen noch einmal zu betrachten. Weit weg von allen Vorurteilen, Feindseligkeiten und Anführerpflichten. Und Ebony konnte als Frau die Anziehungskraft, die von ihm ausging, nicht leugnen.

Nicht nur, dass er gut aussah – in dem Moment fragte die nüchtern denkende Anführerin in ihr, warum sie überhaupt an so etwas dachte, worauf ihre Instinkte antworteten, dass es völlig normal war und es wahrscheinlich jede Frau tun würde – sondern auch, dass er eine unglaubliche innere Kraft besaß, die sich in seinen Augen spiegelte. Bei ihrer Begegnung hatte sie sich dazu gezwungen, es zu ignorieren. Jetzt musste sie wieder daran denken.

Ebony blieb stehen und sah sich um. Erst jetzt merkte sie, dass sie weiter gelaufen war, als sie es vorgehabt hatte. „Hör endlich auf zu träumen!", murmelte sie, verärgert über sich selbst. „Du weißt genau, wohin dich so was bringt …"

Als die junge Frau sich umdrehte, um sich wieder auf den Weg zurück zum Hotel zu machen, dachte sie daran, dass sie sich viel lieber eine Möglichkeit ausdenken sollte, wie sie die Technos so schnell wie möglich wieder los wurden. „Das ist es schließlich, was du willst!", sagte sie sich leise, doch noch während das letzte Wort ihre Lippen verließ, schaltete sich eine leise, hartnäckige Stimme in ihre Gedanken ein.

Wirklich?


I'm looking for a place, I'm searching for a face
Is anybody here I know?
Cause nothing's going right and everything's a mess
And no one likes to be alone



Was Ebony wirklich wollte, war etwas anderes. Sie konnte den anderen etwas vormachen, den Leuten in der Stadt, den Mall Rats, sogar denen, die sie ein wenig besser kannten. Aber nicht sich selbst. Oder dieser – meist lästigen – leisen Stimme in ihr, die sich immer dann einmischte, wenn es Ebony am wenigsten passte. Was sie wollte, war jemand, dem sie vertrauen konnte. Jemand, von dem sie wusste, dass er sie fing, wenn sie einmal fallen würde. Obwohl sie nie darüber nachdachte, sich nie auf diese Gedanken einließ, sehnte sie sich danach. Aber sie glaubte nicht mehr daran.

Abwesend fuhr Ebony sich leicht über die Augen, als ihr ein wenig Wasser hineinlief und wurde sich schlagartig wieder ihres Make-Ups bewusst. Erschrocken sah sie ihre Fingerspitzen an, die sich ganz leicht schwarz verfärbt hatten. „Na wunderbar", murmelte sie als sie daran dachte, was der Regen inzwischen bewirkt haben musste. Aber jetzt war es eh zu spät.

Ebonys Gedanken kehrten langsam wieder zu einem Wunsch zurück, von dem sie inzwischen nicht mehr glaubte, dass er sich einmal erfüllen würde. Nur manchmal erlaubte sie sich noch, daran zu denken, was hätte sein können. Wie es hätte sein können, so jemanden zu haben. „Vergiss es, Ebony", murmelte sie und in ihre Stimme mischte sich bitterer Sarkasmus. „So einen Kerl findest du doch nicht."

Vielleicht war es die Wahrheit. Aber Ebony konnte nicht verhindern, dass sie sich nach ihren eigenen Worten noch ein wenig einsamer fühlte.


Isn't anyone trying to find me?
Won't somebody come take me home?


Es dauerte nicht lange, bis Ebony das Hotel wieder sehen konnte. Sie hob zwei Finger an die Lippen und stieß einen kurzen aber durchdringenden Pfiff aus, der den Regen übertönte. Nur wenige Sekunden später erschien einer ihrer Wachen neben ihr. Er war genauso durchnässt wie Ebony und für einen Moment sah er ihr ein wenig entgeistert ins Gesicht, als er nah genug war, sie durch den Regen erkennen zu können.

„Starr mich nicht so an, ich weiß, wie ich aussehe!", fuhr Ebony ihn etwas ungeduldig an, als sie erkannt hatte, dass wohl doch mehr Make-Up verlaufen sein musste, als sie ursprünglich angenommen hatte. Sofort nahm ihr Gegenüber wieder einen gleichgültigen Gesichtsausdruck an und sie fuhr fort. „Bring mir ein Handtuch und sag den anderen dann, dass ich euch heute nicht mehr brauche." Nach einem kurzen Nicken verschwand er und Ebony wartete. Sicher, sie hätte auch einfach so ins Hotel gehen können, aber sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass sie unnötigerweise von noch mehr Leuten so gesehen wurde.

Gerade, als ihre Gedanken drohten, wieder abzuschweifen, kam die Wache mit einem Handtuch zurück, gab es ihr und war nach einem kurzen „Gute Nacht" verschwunden. Vorsichtig begann Ebony, sich das Gesicht abzutrocknen und die Regen- und Maskaraspuren – wenigstens ein bisschen – zu entfernen.

Es war fast stockdunkel draußen, als Ebony endlich das Hotel betrat.


It's a damn cold night, trying to figure out this life
Won't you take me by the hand, take me somewhere new
I don't know who you are, but I
I'm with you



In der Eingangshalle selbst war es nur wenig heller, ein paar Kerzen brannten hier und da, aber sie spendeten nur wenig Licht. Vor der, die auf dem ehemaligen Anmeldeschalter stand, blieb Ebony stehen und sah in die Flamme. Feuer hatte sie schon immer fasziniert; nicht umsonst hatte sie fast immer die rote Flamme auf der Stirn.

Ein paar Sekunden lang verharrte ihr Blick auf dem Feuer, doch als ihr ruhiger Atemzug die Kerze erreichte, flackerte die Flamme leicht. Ohne zu zögern hob Ebony die Hand, löschte sie mit zwei Fingern und beobachtete, wie der Rauch aufstieg und sich dann auflöste.

Unbeständig.


I'm with you, yeah


„Ebony?"

Erschrocken zuckte sie zusammen und drehte sich um. Ein wenig überrascht hob Lex, der in einem der Sessel gegenüber saß, beide Hände in einer abwehrenden Geste. „Hey, ich bin's nur."

Ebony verdrehe die Augen und ließ den Atem, den sie unwillkürlich angehalten hatte, wieder frei. „Lex? Was machst du hier?"

Lex hatte es sich inzwischen wieder in seinem Sessel bequem gemacht. „Weißt du, ich könnte dich dasselbe fragen. Du warst bei dem Wetter draußen?"

„Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte." Ebony setzte ein liebenswertes, aber nicht echtes Lächeln auf. „Und warum treibt sich unser Sheriff um die Zeit noch hier rum?"

„Ganz einfach, ich warte darauf, dass es aufhört zu regnen und ich in die Mall zurück kann", erwiderte Lex und stand auf. Ebony hatte inzwischen die Arme vor der Brust verschränkt und sah nun zu ihm auf, als er sich vor sie stellte und – einfach aus Trotz – dieselbe Position einnahm. Doch noch im selben Moment runzelte er die Stirn und sah genauer hin. „Was ist denn mit dir passiert? Du hast nicht … geweint, oder?"

„Was??", entgegnete Ebony völlig entgeistert. „Natürlich, ich hab ja nichts Besseres zu tun, als mir nachts draußen die Augen auszuheulen, weil ein Haufen Verrückter meine Stadt übernommen hat. Nein, du Idiot, das war der Regen!"

Lex hatte ihrem Ausbruch relativ gelassen gelauscht; wenn man länger mit Ebony zu tun hatte, war man daran gewöhnt. „Aber an die Technos hast du doch gedacht", meinte er jetzt. „Wir sollten uns wirklich mal überlegen, wie wir sie loswerden."

Ja, gedacht habe ich schon an die Technos, dachte Ebony ein wenig zögernd. Mehr oder weniger …


Oh, why is everything so confusing?
Maybe I'm just out of my mind


Unwillig wandte Ebony sich ab, bevor ihre Gedanken wieder an Orte wanderten, die – in ihren Augen – für sie gefährlich werden konnten. „Geh nach Hause, Lex."

„Du bist die verdammte Anführerin dieser Stadt, du bist dafür verantwortlich, dass sie wieder verschwinden!", ignorierte Lex sie, worauf Ebony sich, nun endgültig verärgert, wieder zu ihm umdrehte, so schnell, dass einige ihrer geflochtenen Haarsträhnen hinter ihr durch die Luft flogen.

„Und was bitteschön soll ich machen? Du hast gesehen, zu was sie fähig sind, du hast ihre Technologie gesehen! Das ist kein Priesterverein wie die Chosen es waren oder eine Gruppe Punks wie die Demon Dogs oder …" Noch bevor sie ihren Satz beenden konnte, hatte Lex sie unterbrochen. „Oder ein paar Verrückte mit einem grausamen Anführer wie die Locos?"

Daraufhin war es still, doch als Lex das gesagt hatte, war Ebonys Blick kalt geworden. In ihren Augen funkelte es gefährlich.


It's a damn cold night, trying to figure out this life
Won't you take me by the hand, take me somewhere new
I don't know who you are, but I
I'm with you



Eine Weile hielt Lex ihrem Blick stand, doch nach einigen Sekunden sah er weg.

Ohne sich über den kleinen Sieg zu freuen, sagte Ebony ruhig, aber immer noch mit einem leicht eisigen Unterton: „Die Technos sind gefährlich. Sie haben Waffen, die unseren weit überlegen sind und sie sind durch und durch organisiert." Schon dabei, sich wieder umzudrehen, um endlich in ihr Zimmer zu verschwinden, fügte Ebony, ein wenig verächtlich, hinzu: „Komm wieder, wenn du einen brauchbaren Vorschlag hast."

Missmutig sah Lex ihr hinterher, äffte sie, sobald sie aus seinem Blickfeld verschwunden war, nach und sah dann nach draußen, um nachzusehen, ob es inzwischen aufgehört hatte zu regnen. Wenn nicht, musste er wohl oder übel eine Dusche in Kauf nehmen.


I'm with you


Erleichtert seufzte Ebony, als sie ihre Zimmertür hinter sich schloss. Die Begegnung mit Lex hatte ihre Stimmung nicht gerade gehoben und sie sehnte sich fast schon verzweifelt nach einer Dusche. Aber da sie sich diesen Luxus nicht gönnen konnte, blieb es bei einem kleinen Becken im Bad, das mit kaltem, aber sauberem Wasser gefüllt war. Ebony ließ sich Zeit, während sie sich die letzten Make-Up-Reste aus dem Gesicht wusch, erst, als ihr Gesicht völlig ungeschminkt war, sah sie wieder auf. Ihr Blick fiel auf den Spiegel vor ihr.


Take me by the hand, take me somewhere new
I don't know who you are, but I
I'm with you


Ebony hielt inne, als die völlig ungeschminkte Frau, die sie selbst nicht mehr wirklich oft zu Gesicht bekam, sie aus dem Spiegel aus ernsten, ein wenig traurigen Augen ansah. Sie sah seltsam verloren aus.

„Was willst du von mir?", fragte Ebony die junge Frau im Spiegel leise. „Glaubst du, ich kann dir irgendwas geben, das ich selbst nicht habe?" Als sie keine Antwort bekam, seufzte sie leicht und senkte den Kopf, hob ihn aber nach ein paar Sekunden wieder. Er war immer noch da, dieser leicht vorwurfsvolle und gleichzeitig sehnsüchtige Blick. Lange sah Ebony ihr in die Augen und murmelte dann: „Wer bist du eigentlich wirklich … ?"

Wem von beiden diese Frage gestellt war, ihr oder der Frau im Spiegel, wusste sie selbst nicht.


I'm with you


***

Zwar würde Ebony es nie zugeben, aber sie war nervös. Man sah es ihr auch nicht an, äußerlich erkannte man nichts als die stolze und entschlossene Anführerin der Stadt, als sie und die Mall Rats vor dem Hauptquartier der Technos ankamen.

Sie mussten nicht lange warten. Es wurde still unter den Mall Rats, als eine Gruppe Technos auf sie zukam und wenige Meter entfernt vor ihnen stehen blieb. Für einen Moment blieb Ebony jedes Wort im Hals stecken. Die Metallmasken, die Uniformen, all das war ihr von anderen Tribes fremd, Leute wie die Technos hatte sie vorher noch nicht gesehen. Sie hatte ein seltsames Gefühl bei der ganzen Sache.

Ebony wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie hörte, wie Dee neben ihr murmelte: „Nimm dich vor dem kleinen Blonden in Acht … der ist gefährlich." Noch bevor sie sich den, um den es ging, genauer ansehen konnte, hatte der größere der beiden blonden Technos das Wort ergriffen.

„Das hier ist gesperrtes Gelände. Wieso seid ihr hier?"

„Ich glaube, ich hör nicht richtig!", sagte Lex aufgebracht, noch bevor Ebony die Chance hatte, irgendwas zu sagen. „Das hier ist unsere Stadt, ihr habt hier nichts zu suchen und dann fragt ihr uns, warum wir hier sind?"

Ebony beobachtete, wie sich der Blick des Technos auf Lex richtete, als dieser sprach. Und sie war überrascht, ein leicht amüsiertes Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. „Seid ihr die Stammesführer? Eine nette Truppe seid ihr ja. Cowboys, Indianer … Sieht aus, als könntet ihr euch nicht entscheiden."

Diesmal griff Ebony ein, bevor Lex etwas sagen würde, dass sie zweifelsohne nur mehr in Schwierigkeiten gebracht hätte. „Und was seid ihr? Die Mysteriöse Maskentragende Metallarmee vom Dienst?"

Als seine dunklen Augen sich auf sie richteten, musste sie unwillkürlich schlucken, erwiderte den Blick aber mit derselben Intensität und Unnachgiebigkeit. Es war Ebony, als würde er direkt in sie hineinsehen.

„Da haben wir also diejenige, die hier das Sagen hat …"


Take me by the hand, take me somewhere new
I don't know who you are, but I
I'm with you


***

Ebony erschauderte leicht, als sie – schon wieder – an die Begegnung am Morgen dachte. Woher er gewusst hatte, dass sie wirklich die Anführerin war, war ihr immer noch ein Rätsel. Während sie ihren Schmuck ablegte und sich umzog, zwang sie sich dazu, an alles zu denken, was sie bisher über die Technos wussten, um irgendwie ihre Schwachstellen zu finden. Nur nicht an diese Augen …

Doch als sie endlich im Bett lag und durch das Fenster die Sterne beobachtete, gab die junge Frau auf. Es war einfach zum Verrücktwerden. Ebony kannte ihn gar nicht, hatte ihn vor diesem Tag noch nie gesehen, wusste nicht, wer er wirklich war – und doch waren ihre Gedanken bei ihm.


Oh, I'm with you


Die einzigen Geräusche im Zimmer waren ihre ruhigen Atemzüge, als sie bereits in einen angenehmen Halbschlaf geglitten war. Doch irgendwann tauchte, ganz plötzlich, eine Erinnerung in ihren Gedanken auf. Es war ihr wieder eingefallen.

Ebony lächelte.

Jay.


I'm with you