Da es hier oben nicht unbedingt etwas Intelligentes zu sagen gibt – zweites Kapitel! Ich hoffe, es gefällt euch! Was mir nur gerade noch einfällt: Wahrscheinlich habt ihr's schon gemerkt, aber die kursiven Teile sind jeweils Rückblicke. ;-)

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Disclaimer & Co: siehe Prolog

Lyrics Kapitel 2: Blackmore's Night – Storm

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Right Kind Of Wrong


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Storm


Jay hatte das Gefühl, die vollkommene Stille um sich herum fast mit den Händen greifen zu können, als sich der silberweiße Mond langsam über den Horizont erhob. Vollmond.

Es war erst zwei Tage her, dass die Technos in der Stadt gelandet waren. Bisher war alles nach Plan gelaufen. Sie hatten die Stadt ohne Schwierigkeiten übernommen, auf mehr als den bereits erwarteten – geringen – Widerstand waren sie nicht gestoßen. Und doch hatte Jay das Gefühl, als wäre das nur die Ruhe vor dem Sturm.

Ein leichter Windzug, der durch das halb offene Fenster in sein Zimmer fand, bewegte die Vorhänge, während er noch immer dort stand, die Hände auf die Fensterbank gestützt, unbeweglich nach draußen in die Nacht blickend.

Jay kam es vor, als wären die letzten Tage nur an ihm vorbeigezogen. Die Vorbereitungen, die Invasion selbst, das – bisher kurze – Leben in der Stadt … Er konnte nicht sagen warum, aber sein Instinkt sagte ihm, dass es nun erst richtig begann. Es war wie die Vorahnung, die man in sich trägt, wenn etwas heraufzieht, von dem man weiß, dass es die Grundfesten seines Lebens tief erschüttern wird. Jay konnte nicht sagen, dass er dem gelassen entgegensah.

Eine Wolke verhüllte den Mond und raubte der Stadt das blasse Licht, in das er sie getaucht hatte. Endlich wandte Jay sich ab und ließ sich, inzwischen doch müde geworden, auf das Bett sinken.

Während weitere Wolken heraufzogen und den Himmel verdunkelten, hatte der Schlaf den General der Technos endlich eingeholt.


A timeless and forgotten place
The moon and sun in endless chase
Each in quite surrender
While the other reigns the skies



***

Die friedliche Stille, die über der Stadt lag, wurde von, erst leisen, doch dann immer lauter werdenden Geräuschen eines schweren Flugzeugs gestört. Während unten auf der Erde verwunderte, erschrockene oder auch neugierige Blicke zum Himmel geworfen wurden, sprühte es im Inneren des Flugzeugs vor Leben.

Alles war bereit zum Absprung. Lange hatte Jay Funkkontakt zu den beiden Piloten des Flugzeugs gehalten, bis sie die Rampe geöffnet und grünes Licht gegeben hatten. Der Befehl zum Absprung war schnell gegeben. Jay sah zu, wie der erste Teil der Gruppe, einer nach dem anderen, von der Rampe sprang und mit rasender Geschwindigkeit der Erde entgegen flog.

Das war er also. Der Sprung ins neue Leben wie aus dem Bilderbuch. Jays Blick wanderte für einen kurzen Moment zu seinem Bruder, der, wie die anderen, auf den Befehl zum nächsten Absprung wartete. Und er spürte, dass es nichts brachte, zurück zu blicken. Er hatte zu viel verloren, um in seiner Vergangenheit Trost zu finden. Für Jay gab es nur noch den Weg nach vorne.

Er sah zu, wie der Rest der Technos, seinem Befehl folgend, ebenfalls sprang. Noch einmal holte Jay tief Luft und folgte ihnen.

Das Gefühl des freien Falls raubte ihm für einen Augenblick den Atem. Er schloss die Augen und fühlte, wie Luft an ihm vorbeirauschte; es vergingen einige Sekunden, bis er wieder wagte zu atmen. Jay öffnete die Augen und blickte nach unten, der näher kommenden Erde entgegen.

***


The midnight hour begins to laugh
A summer evening's epitaph
The winds are getting crazy
As the storm begins to rise



Ganz plötzlich wurde Jay aus dem Schlaf gerissen. Etwas verwirrt blinzelte er, hob den Kopf und sah auf die Uhr. Tiefste Nacht.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, was ihn eigentlich geweckt hatte. Die Vorhänge an seinem Fenster wehten in heftigen Windstößen, die an der Außenwand des Gebäudes vorbei pfiffen. Regen peitschte an die halb offenen Fensterscheiben und teilweise ins Zimmer.

Sofort war Jay auf den Beinen. „Na wunderbar …", murmelte er mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme, als er das Fenster erreichte. Aber anstatt es zu schließen und zurück ins Bett zu gehen, blieb er stehen. Was habe ich vorhin über heraufziehende Stürme gedacht?, ging ihm durch den Kopf, als er, seltsam fasziniert von dem Schauspiel, das Wind und Regen boten, nach draußen sah. Für einen Moment kümmerte er sich nicht um die Tropfen, die hereingeweht wurden und er kalt auf der Haut spürte.

Jay zuckte zusammen, als ein Blitz die Nacht für den Bruchteil einer Sekunde fast taghell erleuchtete und fast im selben Moment Donner über die Stadt rollte, so heftig, dass man fast das Gefühl haben konnte, die Erde würde erzittern. Schnell schloss er das Fenster und sperrte den Sturm, der draußen tobte, aus.

Als Jay wieder im Bett lag, musste er aber feststellen, dass er ihn vielleicht aus seinem Zimmer verbannen konnte, nicht aber aus seinen Gedanken.


As the storm begins to rise


***

Nun hatte es wirklich begonnen.

Das Wetter hatte den ganzen Tag gebraucht, um sich zu beruhigen, dafür ging es bei den Technos alles andere als beschaulich zu, als Jay mit drei anderen spät abends das Hauptquartier verließ. Eigentlich war er froh darüber, Rams momentan schlechten Laune aus dem Weg zu gehen. Seit er die Anführerin der Stadt auf den Bildschirmen entdeckt hatte, hatte der Anführer der Technos jeden Sinn für Humor verloren. Und jetzt …

Jay hatte, wie verlangt, ein wenig nachgeforscht und herausgefunden, wo genau diese Anführerin zu finden war. Es war in der Stadt kein Geheimnis. Nur wie sie hieß, wusste er immer noch nicht.

Dunkel ragte das Hotel vor ihnen auf, als die vier Technos sich ihm näherten. Ohne den Blick auf seine Begleiter zu richten, sagte Jay leise: „Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Der kleine Besuch hier sollte möglichst unbemerkt über die Bühne gehen, also seid so leise wie möglich. Wir machen ihr klar, worum es geht und verschwinden wieder." Er spürte das Nicken der anderen mehr als dass er es sah.

Eine einzige Wache war in der Eingangshalle positioniert, was Jay ein wenig überrascht. Er hatte mit mehr gerechnet. Umso besser, dachte er, als er hinter den anderen Technos hereinkam, die alle ihre Zapper auf die völlig überrumpelte Wache gerichtet hatten. Jay konnte, trotz der Dunkelheit, eine Spur Angst in seinen Augen sehen und sagte ruhig: „Wenn du tust, was wir dir sagen, wird dir nichts passieren. Wir sind rein geschäftlich hier."

Die Wache sah langsam von einem zum anderen, bis sich sein Blick wieder auf Jay richtete. „Was wollt ihr hier?"

Bevor er sich fangen konnte, war der Junge ein wenig zurückgewichen, als der große, blonde Techno einen Schritt auf ihn zukam. „Sag mir, wo ich deine Anführerin finde."

***


Wild were the winds that came
In the thunder and the rain
Nothing ever could contain
The rising of the storm



„Bist du sicher, dass du den Kommunikator nicht mehr hast?"
„Ja, wo ist das Problem?"
„Das Problem ist, dass jemand in der Stadt ihn jetzt haben könnte. Das Problem ist, dass ich dir verboten habe, dort hinzugehen. Das Problem ist, dass uns das angreifbar gemacht hat!"
„Komm schon, Jay. Das sind Virts! Die haben keine Ahnung, wie man damit umgeht, ich hätte ihn genauso gut in einen Affenkäfig werfen können."
„Du musst es ihm sagen."
„Was?! Ich soll Ram beichten, dass ich einen seiner wertvollen Kommunikatoren verloren habe? Weißt du, was der mit mir macht?"
„Wo hast du ihn verloren? …
Wo hast du ihn verloren?"
„Bist du jetzt zufrieden,
Bruder?"
„Hey, hey, hey, ein Streit! Dürfen wir zusehen? Worum geht's überhaupt, Jungs?"
„Eine Familienangelegenheit. Wir kommen zurecht."


***

„Kamera drei?"
„Alles ruhig."
„Kamera vier?"
„Nichts zu sehen. Nein, warte … sieh mal!"
„General?!"
„Was ist?"
„Sehen Sie sich das an …"
„ … Curser 1 an alle Außeneinheiten! Vier von euch sofort zum Zentralrechner, da versucht jemand, das Schloss zu knacken. Der Rest von euch verteilt sich. Beeilung, wenn ich bitten darf! … Tja, Ved, sieht so aus, als wären deine Affen schlauer als du angenommen hattest …"


***

„Was ist das bitte?!
„Wo?"
„Da! Bist du blind?! Da waren zwei von ihnen. Zwei! Und wie viele habt ihr geschnappt? Einen!"
„Es tut mir leid, ich werde an dem Platz extra Kameras anbringen lassen."
„Tu das, Jay …"
„Hey, ist das nicht die mit der großen Klappe, die hier neulich mit ihrer Truppe ankam?"
„Du kennst diese Person?"
„Ich … bin mir nicht sicher."
„Großartig! Dann finde sie und stell sie ruhig! Glaubst du … du wirst mit ihr fertig?"
„Selbstverständlich …"



In the wings of ebony
Darkened waves fill the trees
Wild winds of warning
Echo through the air



***

Die Atemzüge der jungen Frau waren tief und ruhig, selbst, als sich die Tür leise öffnete und drei Gestalten das Zimmer betraten. Für einen Moment blieb Jay stehen. Im großen Bett, das mitten ins Zimmer ragte, zeichnete sich im schwachen Mondlicht unter der Bettdecke eine unverkennbar weibliche Gestalt ab.

Nachdem Jays Augen sich ein wenig mehr an die Dunkelheit im Zimmer gewöhnt hatten, trat er näher ans Bett heran und sah auf sie hinunter. Der wütend-entschlossene Ausdruck, den er von ihrer letzten Begegnung in Erinnerung hatte, war aus ihrem Gesicht gewichen und hatte der Entspannung des Tiefschlafs Platz gemacht. Es machte ihr Gesicht seiner Meinung nach noch ein wenig schöner.

Sofort schüttelte Jay seine Gedanken ab; er war wegen etwas ganz anderem hier. Langsam beugte er sich zu ihr herunter, fast, als wolle er sich zu ihr setzen, doch hob gleichzeitig eine Hand und legte sie ihr auf den Mund.

Noch in der Sekunde, in der seine Hand ihr Gesicht berührte, war sie wach. Jay spürte, wie sich ihre Lippen reflexartig zu einem Schrei formen wollte, es jedoch nicht konnten. Gleichzeitig flüsterte er warnend: „Kein Wort …"

Erschrockene Augen sahen zu ihm auf. Als er sich sicher war, dass sie tun würde, was er verlangt hatte, ließ er seine Hand langsam sinken, ihren Blick immer erwidernd. Unwillkürlich fragte er sich, was sie in diesem Moment in ihm sah. Er wusste nicht warum, aber irgendwie hatte er ein seltsames Gefühl, als er daran dachte.

Eigentlich kann mir doch egal sein, was sie von mir denkt!

Für einen kurzen Moment ging ihr Blick an ihm vorbei zu den beiden anderen Technos, die beide die Waffen auf sie gerichtet hatten und der Schreck in ihren Augen wurde von Furcht verdrängt, als ihr klar wurde, in welcher Situation sie sich gerade befand. Und so kam es, dass Jay einer der wenigen Menschen wurde, der dieses Gefühl bei ihr überhaupt zu sehen bekam.

Angst.

„Wie heißt du?" Obwohl er nur leise gesprochen hatte, verlangte sein Ton unmissverständlich eine Antwort, die sie ihm auch sofort gab. „Ebony."

Hätte Jay gewusst, wie wenig ihr überhaupt Angst einflößen konnte, hätte er sie wahrscheinlich mit anderen Augen gesehen, aber im Moment war ihre Reaktion normal. Er war es inzwischen gewohnt, mit wut- oder angsterfüllten Blick angesehen zu werden, auch, wenn es ihn jedes Mal wieder schlucken ließ.

„Also, Ebony." Er beugte sich ein wenig mehr zu ihr, was sie dazu veranlasste, ein Stück weiter in ihr Kissen zurückzuweichen. „Du und dein Freund, ihr habt einen Fehler gemacht. Hast du wirklich geglaubt, es wäre so einfach?"

„Was habt ihr mit Jack gemacht? Wo ist er?", kam die Gegenfrage mit einer plötzlichen Heftigkeit, die Jay nicht erwartet hatte. Er ließ sich jedoch nichts anmerken und erwiderte leise: „Ich kann dir versprechen, dass du nicht zu ihm willst. Merk dir das: Ihr könnt die Technos nicht besiegen. Also versuche es nicht."

„Und euch dabei zusehen, wie ihr meine Stadt regiert? Das glaubst du doch selbst nicht!" Der Kampfgeist, der anscheinend wieder neu in ihr erwacht war, spiegelte sich in ihrem Gesicht, als sie sich halb aufsetzte und ihm in die Augen sah. Eine Zeit lang erwiderte er ihren Blick, sah dann aber zu seinen beiden Leuten, die halb hinter ihm standen und nickte kurz. Noch während er seinen Blick wieder auf sie richtete, hörte er das leise Summen der Zapper, die geladen wurden. Ebony wusste anscheinend auch sehr gut, was es bedeutete, denn die Angst war plötzlich wieder in sie und in ihre Stimme zurückgekehrt, als sie von Jay zu seinen Männern und wieder zurück sah. „Nein, das könnt ihr nicht tun! Bitte nicht …"

Ein schwaches Lächeln stahl sich auf Jays Lippen, er sah zurück zu den beiden Technos und bedeutete ihnen mit einem weitern kurzen Nicken, ihre Waffen wieder zu entladen. „In Zukunft werde ich dich als Anführerin für alle Schäden an meinen Leuten oder unserer Ausrüstung verantwortlich machen, verstanden?"

„Aber das ist die ganze Stadt da draußen, du kannst mich nicht für alles verantwortlich machen, was sie tun!", flüsterte Ebony erschrocken. Jay konnte sie verstehen, er wollte nicht in ihrer Haut stecken. Trotzdem erwiderte er leise: „Dann wirst du wohl einen Weg finden müssen, deine Leute unter Kontrolle zu halten."

Ebony beobachtete, leicht fassungslos, wie der Techno vor ihr sich wieder aufrichtete und die beiden anderen wie auf ein unsichtbares Zeichen sich umwandten und den Raum verließen. Jay ging jetzt auch zur Tür, wandte sich aber noch einmal zu ihr um. Sein harter Gesichtsausdruck war verschwunden und ein leichtes Lächeln erhellte seine Gesichtszüge, als er, die Warnung offiziell überbracht, sagte: „Du hast noch eine Chance bekommen, also vertu sie nicht leichtfertig." In Gedanken fügte er hinzu: Es wäre schade, wenn die Stadt jemanden wie dich verlieren würde …

Für ein paar Sekunden begegneten sich ihre Blicke noch und weder sie noch er konnten für einen Moment wegsehen. Mit einiger Willensanstrengung wandte sich Jay dann aber doch ab und schloss leise die Tür. Zurück ließ er einen Raum, in dem die Luft noch immer vor Spannung zu knistern schien.


Follow the storm now I've got to get out of here
Follow the storm as you take to the sky
Follow the storm now it's all so crystal clear
Follow the storm as the storm begins to rise



***

Manchmal gibt es Tage, an denen alles anders läuft, als man es erwartet hat.
Manchmal gibt es Worte, die gesagt werden müssen.
Manchmal gibt es Dinge, die wahrscheinlich vorbestimmt wurden.
Manchmal gibt es Menschen, die ein Geschenk des Himmels sind.

***

Und manchmal gibt es Menschen, die einen nicht nur anziehen, sondern zu denen man auch noch geschickt wird, ging Jay durch den Kopf. Er hob den Blick und sah zum wolkenlos blauen Himmel auf, aus dem die Sonne heiß auf die Stadt herunter schien, während er versuchte, seinen Kragen ein wenig zu lüften. Manchmal waren die schwarzen Uniformen alles andere als angenehm …

Dieses Mal war Jay alleine auf dem Weg zum Hotel. Zwar war es nicht ganz ungefährlich, besonders weil ihn, den General der Technos, inzwischen jeder kannte und die Technos waren immer noch alles andere als beliebt. Aber selbst wenn die Angst der Leute vor ihnen ihn nicht schützen würde, Jay war ebenso wenig hilflos wie naiv, um sich der Situation nicht völlig bewusst zu sein.

Ohne irgendwelche Zwischenfälle erreichte Jay das Hotel, ein paar misstrauische Blicke waren alles, was ihm entgegengebracht wurde. Er verstand immer noch nicht ganz, warum Ram ihn mit diesem Auftrag hierher geschickt hatte, welche Absichten er damit befolgte. Was zum Teufel gibt es im Hotel, was das Stadion nicht hat?, ging ihm durch den Kopf, als er – schon wieder, diesmal nur bei Tag – vor dem Hotel stand.

Im Gegensatz zu letzter Nacht war das Gebäude nun zum Leben erwacht. Jay sah ein schwarz gekleidetes Mädchen mit pinken Haaren aus dem Hotel kommen, die ihm einen leicht nervösen Blick zuwarf und einen Bogen um ihn machte; am Haupteingang standen zwei Wachen, drei weitere konnte er um das Gebäude verteilt sehen. Wahrscheinlich waren es noch mehr. Jay bezweifelte, dass er so eine Aktion wie in der Nacht noch einmal so problemlos durchziehen könnte.

Feindselige Blicke begegneten ihm, als er zum Haupteingang kam und zu den Wachen sah. „Bringt mich zu Ebony", verlangte er ohne viele Vorworte. Die beiden sahen sich kurz an und Jay fragte sich für einen Moment, ob der Junge von letzter Nacht sein Wort gehalten und nichts von Jays nächtlichem Besuch gegenüber anderen hatte verlauten lassen. „Was willst du von ihr?", fragte einer der Wachen unerschrocken. Jay erwiderte seinen Blick. „Was ich Ebony zu sagen habe, ist nur für sie bestimmt und sonst niemanden. Entweder bringt ihr mich sofort zu ihr oder –" Jay sah kurz hinunter und die beiden folgten seinem Blick auf den Zapper, der an seinem Handgelenk befestigt war, „– ich muss zu ungemütlicheren Methoden greifen."

Die Wachen hatten den Wink sofort verstanden und nachdem sie einen weiteren schnellen Blick getauscht hatten, wandte sich einer der beiden ab und verschwand im Hotel. Jay blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

Er wurde nicht, wie erwartet, wieder die Treppe hoch geführt, sondern fand sich nach kurzer Zeit wieder draußen, auf der anderen Seite des Hotels. Sobald Jay durch die Glastür herausgetreten war, wurde er durch die Wache aufgehalten. „Warte hier." Noch bevor er etwas antworten konnte, hatte sich die Wache umgewandt und war gegangen.

Jay sah sich kurz um. Sie waren im Garten des Hotels, eine Art Terrasse erstreckte sich am Gebäude entlang und begrenzte eine große Rasenfläche. Diese Ecke des Gartens war anscheinend abgeschiedener als der Rest, der sich um die Ecke des Hotels westlich weiter erstreckte.

Sein Blick folgte der Wache und fiel auf den großen Swimming-pool, der an einen Teil der Terrasse angegrenzt war.

Erst hörte er nur das leise Rauschen des Wassers, dann sah er Ebony, die mit kräftigen Zügen im Pool schwamm, dann aber die Wache bemerkte, die an den Rand des Beckens getreten war. Sie kam ebenfalls an den Rand und sah auf. Jay konnte nicht hören, was der Junge sagte, aber nach ein paar Sekunden fiel ihr Blick auf ihn. Ihre Augen verengten sich leicht und ohne wegzusehen sagte sie wieder etwas zu der Wache, die ein wenig überrascht schien. Er drehte sich um und stieß einen kurzen Pfiff aus, worauf aus einigen Teilen des Gartens weitere Wachen auftauchten und sie alle, an Jay vorbei, zurück ins Hotel gingen.

Von all dem bekam Jay jedoch nicht wirklich etwas mit, da in dem Moment Ebony aus dem Pool stieg. Die Tropfen auf ihrem Körper glitzerten in der Sonne und man hatte den Eindruck, dass tausende winzige Diamanten auf ihrer Haut lagen; Wasser lief ihr von den Haaren über ihren Rücken und den schwarzen Bikini. Sie war völlig ungeschminkt, und doch war Jay für einen Moment nur von einem einzigen Gedanken erfüllt.

Vollkommenheit.

Jay konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden, als sie, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, zu einer Liege ging, sich bückte und ein Handtuch aufhob, das dort lag. Er wurde aus seiner Trance zurück in die Wirklichkeit geholt, als sie sich das Handtuch um den Körper schlang und sich dann zu ihm umdrehte. Sobald sie ihn ansah, war sein Gesicht wieder ausdruckslos und als er auf sie zukam, war nichts mehr von dem, was vor wenigen Sekunden in ihm vorgegangen war, zu erkennen.

Als Ebony und Jay voreinander standen, sah sie auf, ihm in die Augen. „Was willst du von mir?"

Schon in dem Moment war Jay klar, dass sich einiges verändert hatte. Die Angst war aus Ebonys Augen verschwunden, unerschrocken und stolz sah sie ihn an. Bei seinem ‚Besuch' war sie überrumpelt worden, aber jetzt befand er sich auf ihrem Territorium und Jay spürte, wie sie automatisch die Dinge in die Richtung lenkte, in der sie sie haben wollte. Und in dem Augenblick merkte er, dass er sie unterschätzt hatte. Gewaltig.

Als er ihren Blick erwiderte, stellte er unbewusst fest, dass sie fast dunkelgrüne Augen hatte, was ihn, wie noch einiges mehr an ihr, an eine Katze erinnerte. Nein, eher eine Amazone, flüsterte eine leise Stimme in seinen Gedanken. Eine stolze Amazone, grazil, stark, wild. Und ungezähmt …


She seems to come from everywhere
Welcome to the dragon's lair
Fingers running through your hair
She asks you out to play



Ohne Worte sahen die beiden sich lange an, jeder für den anderen eine noch nie gekannte Herausforderung, bei der keiner sich geschlagen geben wollte. Wäre in dem Moment irgendjemand vorbeigekommen, er hätte sich ernsthaft gefragt, was genau zwischen den beiden vorging.

Schließlich brach Ebony das Schweigen, ohne wegzusehen. „Was willst du von mir?"

Als hätte ihre wiederholte Frage ihn daran erinnert, wieso er eigentlich hier war, warf Jay einen abschätzenden Blick auf die Umgebung. „Nett hast du's hier."

„Du strapazierst meine Nerven", erwiderte Ebony ungerührt. „Sag, was du zu sagen hast und dann verschwinde wieder." Jay verschränkte die Arme vor der Brust, tat aber, was sie sagte. Teilweise jedenfalls. „Ram will das Hotel als Stützpunkt. Vielleicht sogar als neues Hauptquartier." Für einen Moment sah Ebony ihn verständnislos an. „Ram?"

„Unser Anführer", antwortete Jay. Als sie immer noch ein wenig verwirrt aussah, musste er leicht lachen. „Was denn, hast du etwa gedacht, ich wäre der Anführer?"

Vielleicht war das ein Fehler gewesen. Ein mörderischer Ausdruck trat Ebony in die Augen. Sie kam noch zwei Schritte auf ihn zu, bis sie direkt vor ihm stand, hob eine Hand und tippte ihm, unbeeindruckt von seiner Größe, zwei Mal kurz auf die Brust. „Jetzt hör mir mal genau zu, Bleach Boy. Ich lass mir nichts sagen, weder von deinem Anführer, noch von dir. Ihr wollt mein Hotel?" In ihren Augen blitzte es und Jay musste das heftige Verlangen unterdrücken, einen Schritt zurückzuweichen. „Vergiss es."

Jay musste zugeben, dass er nicht wenig beeindruckt war. Obwohl ihr die Konsequenzen dessen, was sie sagte, wahrscheinlich nicht bewusst waren.

Ebony drehte sich um und ging zurück zum Liegestuhl, hielt aber inne, als er wieder sprach. „Es gibt zwei Möglichkeiten für dich. Entweder, du kooperierst, oder du tust es nicht. Die erste Möglichkeit bedeutet, dass du vorerst keine Schwierigkeiten haben wirst. Die zweite Möglichkeit kann dir das nicht garantieren. Aber egal, wie du dich entscheidest …"

Langsam drehte Ebony sich wieder um und sah ihn an. Irgendwie wusste sie genau, was jetzt kommen würde. Jay zuckte leicht mit den Schultern, als er seinen Satz beendete. „… Ram wird sich dein Hotel holen. So oder so."


In all of nature's sorcery
The most bewitching entity
Hell can have no fury
Like the rising of the storm



Das Handtuch landete im Gras, wütend auf den Boden geworfen. Jay zwang sich, ihr in die Augen zu sehen. „Was glaubst du, wie das aussieht, wenn ich euch hier einziehen lasse? Was glaubst du, was die Leute von mir denken?"

„Das interessiert weder Ram noch mich", antwortete er, obwohl es nicht ganz stimmte. Auf ihn bezogen jedenfalls nicht.

Ebony sah ihn mit einer Mischung aus Wut, Unglaube und ein wenig Abscheu an. Als sie schließlich wegsah, bewegten sich ihre Lippen anscheinend lautlos, aber Jay war sich sicher, ein sehr leises „Mistkerl" gehört zu haben. Er beobachtete, wie Ebony verärgert hin und her lief, sichtlich am Nachdenken. Schließlich blieb sie wieder stehen. „Schön. Lauf zurück zu deinem Anführer und sag ihm, dass er tun soll, was er nicht lassen kann. Aber einverstanden bin ich damit ganz und gar nicht."

Damit war für Ebony das Gespräch beendet, sie wandte sich von ihm ab, hob ihr Handtuch wieder auf und ging zurück zu der Liege, breitete es darauf aus und wollte sich darauf legen, als ihr Blick auf Jay fiel, der sich nicht von der Stelle bewegt hatte. „Du bist ja immer noch da."

„Sieht so aus", antwortete er, sah kurz nach unten und kam dann wieder zu ihr an den Rand des Beckens. „Hör zu, ich wollte mich entschuldigen. Wegen gestern Nacht. Ich weiß, dass das nicht der netteste Weg war, dir das zu sagen. Obwohl es der wirksamste war."

Ebony schnaufte leicht, als er das sagte. Sie sah zu ihm auf und meinte leichthin: „Weißt du … vielleicht sollte ich mich dafür ja rächen."

Völlig ernst sah Jay kurz nach oben. „Weißt du …" Er sah wieder zu ihr hinunter und nickte leicht. „Vielleicht solltest du das."

Der zweite Fehler, den er an diesem Tag in ihrer Gegenwart gemacht hatte. Das spürte er sofort, als ein Ausdruck feuriger Wut in ihre Augen trat und sie handelte, ohne viel darüber nachzudenken.

Bevor er wirklich wusste, was geschah, spürte er ihre Hand auf seiner Brust, die ihn nach hinten warf. Jay fiel, seine Hände, die reflexartig zum Abstützen nach hinten schossen, griffen ins Leere – und er wurde von kaltem Wasser in Empfang genommen.


Follow the storm now I've got to get out of here
Follow the storm as you take to the sky
Follow the storm now it's all so crystal clear
Follow the storm as the storm begins to rise



Erschrocken starrte Ebony auf die Wasseroberfläche. Sie hatte überhaupt nicht gewusst, was sie tat, bis sie das Platschen des Wassers hörte und unwillkürlich nur zwei Worte über ihre Lippen kamen. „Oh, verdammt …"

Manchmal ging ihr Temperament ganz schön mit ihr durch, und das wusste sie auch. Aber es war etwas ganz anderes, wenn ihr das passierte und sie dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten kommen konnte. Ebony schluckte, während sie immer noch auf die Wasseroberfläche starrte. Erst jetzt merkte sie, dass Jay immer noch nicht aufgetaucht war. Sie konnte von ihrem Standpunkt aus zwar fast den ganzen Pool überblicken, aber sie sah ihn nicht.

Das aufkommende ungute Gefühl in ihr brachte sie endlich dazu, sich zu bewegen. Innerhalb einer Sekunde kniete sie am Becken und wollte über den Rand hinein sehen, als Jays Kopf direkt vor ihr durch die Wasseroberfläche brach. Vor Schreck setzte ihr Herz fast einen Schlag aus und sie zuckte zurück. Aber nur eine Sekunde später hatte Ebony sich wieder im Griff und atmete tief durch, wobei sie die Augen himmelwärts verdrehte und dann wieder zu Jay sah.

Gerechnet hatte sie mit seinem wütenden Blick, aber stattdessen sah sie verblüfft, wie er sich ein Lachen verkniff. Anscheinend sah man ihr den Schreck, den sie bekommen hatte, sowohl, als sie ihn nicht gesehen hatte, als auch, als er dann doch so plötzlich vor ihr aufgetaucht war, doch noch an.

Jay fuhr sich durch seine blond gefärbten Haare, die sich sofort wieder in alle Richtungen aufstellten und dann kurz übers Gesicht, um das Wasser aus den Augen zu bekommen. „Keine Angst, ich bin nicht ertrunken", sagte er leicht grinsend. Eigentlich hätte Ebony daraufhin wütend auf ihn sein sollen, aber sie war irgendwie erleichtert. Ein winziges Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Und wo warst du so lange?"

Daraufhin hob Jay seine andere Hand und hielt sein Headset hoch. „Das hab ich unter Wasser verloren."

Unmöglich, dachte Ebony leicht grinsend. Laut sagte sie dann: „Und ich dachte schon …"

Jay lachte. „Nie im Leben! Wasser ist mein Element. Ich hatte nicht vor, in einem Swimming-pool zu ertrinken …" Er hatte die Ellenbogen auf den Rand gelegt, das Kinn auf die Hände gestützt und Ebony sah, wie sich seine Beine unter Wasser leicht hin und her bewegten. Anscheinend machte ihm seine momentane Lage lange nicht so viel aus wie es, wie Ebony wusste, bei anderen der Fall gewesen wäre. Jay sah zu seinem Headset, das er auf den Rand gelegt hatte und meinte leicht bedauernd: „Nur meiner Ausrüstung scheint das nicht wirklich gut getan zu haben." Er hob eine Hand an die Stirn und sah dann auf seine Finger, an deren Spitzen jetzt der Rest Farbe seines T's verteilt war. „Hm."

In dem Moment setzte schlagartig Ebonys schlechtes Gewissen ein. „Jay, das tut mir Leid … wirklich. Ich weiß nicht, was …"

Bevor sie den Satz beendet hatte, wurde sie von Jay unterbrochen, dessen Lachen sich in seinen Augen widerspiegelte und sie funkeln ließ. „Hey, mir ist nichts passiert, oder?" Leicht mit den Schultern zuckend fügte er hinzu: „Mir war sowieso zu heiß. Aber ich hatte nicht mit dieser Art Rache gerechnet …"

Ebony war sich sicher zu spüren, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte, als er lächelte. Oh mein Gott, schoss es ihr durch den Kopf. Mit dem Lächeln würde er sogar die Sonne eifersüchtig machen …

„Sieht so aus, als müsstest du bei mir mit allem rechnen", hörte sie sich selbst sagen, ihm immer noch in die Augen sehend. Jay legte den Kopf leicht schief und erwiderte den Blick.

Nachdem weder sie, noch er sich einige Sekunden lang gerührt hatte, wurde Ebony wieder zurück in die Wirklichkeit geholt, als Jay plötzlich leicht das Gesicht verzog. „Was ist los?", fragte sie sofort.

„Na ja", antwortete er und sah an sich herunter, sein Körper unter der Wasseroberfläche verschwommen, aber die schwarze Uniform deutlich zu sehen.

„Oh …", war alles, was sie herausbrachte. Ebony stand auf und trat zwei Schritte zurück, während sie zusah, wie Jay die Hände auf den Rand stützte und sich in einer fließenden Bewegung aus dem Wasser zog. „Warte, ich hol dir ein Handtuch", sagte Ebony, als sie sah, wie sich dort, wo er stand, eine kleine Pfütze bildete.

„Dafür wäre ich dir wirklich dankbar", erwiderte Jay nach einem weiteren Blick an sich herunter. Ebony lächelte leicht und verschwand im Hotel.

Als sie, mit Handtuch und ihren roten und schwarzen Schminkfarben, zurück in den Garten kam, schnappte sie unwillkürlich nach Luft, als ihr Blick auf ihn fiel. Jay saß, mit dem Rücken zu ihr, auf der Liege. Er hatte die nassen Schuhe und sein Oberteil ausgezogen, das jetzt unschuldig neben ihm lag.

Meine Güte, reiß dich zusammen!, dachte Ebony leicht verärgert, als sie zu ihm ging. Er ist schließlich auch nur ein Kerl …

In dem Moment hörte Jay sie kommen, stand wieder auf und drehte sich zu ihr um. Und diesmal musste Ebony schwer schlucken. Sie hatte alle Mühe, ihm ins Gesicht zu sehen und ihren Blick nicht wieder weiter nach unten gleiten zu lassen. Ihre Gedanken nicht mehr wirklich unter Kontrolle habend, fuhr Ebony sich mit der Zunge unwillkürlich über die Lippen.

… auch noch ein Kerl mit dem verdammt besten Oberkörper, der mir je untergekommen ist …

„Hier", murmelte sie, als sie Jay das Handtuch gab. Sofort zwang sie sich, wieder wegzusehen.

„Danke", antwortete er und begann, sich abzutrocknen. „Was hast du da?", fragte Jay, während er sich mit dem Handtuch durch die Haare fuhr.

„Was?", fragte Ebony ein wenig schnell, merkte dann aber, dass er die Farben meinte, die sie immer noch in der Hand hielt. „Ach so …" Sich endlich wieder vollständig im Griff habend, sah sie leicht grinsend zu ihm auf. „Ich hab gedacht, du könntest damit ein bisschen Hilfe gebrauchen."

Jay lachte wieder. „Um ehrlich zu sein, wäre ich dir wirklich dankbar dafür. Vor allem ohne Spiegel ist das ein bisschen schwierig. Und ganz ohne kann ich auch schlecht zurück gehen." Ebony lächelte und deutete auf die Liege. „Gut. Setz dich."

Als sie gegenüber auf der Liege saßen, sah Ebony ihm ins Gesicht und versucht, sich genau zu erinnern, wie das T auf seiner Stirn ausgesehen hatte. „Also, wie war das? Schwarzes T auf zwei roten Kreisen?"

Jay nickte und fügte hinzu: „Vergiss die drei Streifen nicht." Ebony sah leicht vorwurfsvoll zu ihm auf, ein Lächeln auf den Lippen. „Wie könnte ich … ?"


Follow the storm now I've got to get out of here
Follow the storm as you take to the sky
Follow the storm now it's all so crystal clear
Follow the storm as the storm begins to rise



Es waren nicht wenige, die an diesem Mittag aufhorchten, als das nie gehörte, ehrliche Lachen ihrer Anführerin durch die Luft aus dem Garten herüberhallte, gepaart mit dem dunkleren des Techno-Generals.

Ebony konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so sehr gelacht hatte. Hilflos kicherte sie, sich zwar darüber im Klaren, dass sie sich nicht wie die unnahbare Anführerin benahm, sondern eher wie ein Schulmädchen, aber sie konnte in dem Moment einfach nichts dagegen tun. „Also noch mal, damit ich weiß, dass ich das richtig verstanden habe", brachte sie heraus, nachdem sie wieder nach Luft geschnappt hatte. „Du solltest dir eine Strafe für deinen Bruder ausdenken, weil er seinen Kommunikator verloren hat. Und jetzt sitzt er in eurem Hauptquartier in …" Wieder musste sie ein Kichern unterdrücken. „… Windeln??"

Jay grinste. „Komplett mit Schnuller und Teddybär."

Ebony hatte eine Hand auf den Bauch gelegt. Sie bekam Seitenstechen. „Und das den halben Tag lang? Ich glaube, ich würde dich umbringen …"

„Vielleicht steht mir das noch bevor, wenn ich zurück komme", erwiderte Jay, zwar immer noch lächelnd, aber Ebony war sich fast sicher, dass ein leicht bitterer Ausdruck in seine Augen trat. Sie sah ihn noch einen Moment an und fragte sich, woran das liegen könnte. Dann lächelte sie aber auch leicht und fragte: „Drückst du dich deshalb davor, wieder zurück zu gehen?"

„Nein", erwiderte Jay lachend. „Dass ich nicht gehe, liegt eher daran, dass du es immer noch nicht geschafft hast, meine letzen drei Streifen zu malen."

Jay hatte Recht, Ebony hatte es zwar nach und nach geschafft, ihm das T auf der Stirn und drei seiner Ranganzeigenden Streifen auf der rechten Wange nachzuziehen, aber zu den anderen drei war sie noch nicht gekommen. „Gut, halt still", erwiderte sie, hob die Hand und begann vorsichtig mit ihrer Arbeit, sehr darauf bedacht, Hautkontakt zu vermeiden.

Jetzt, da sie sich darauf konzentrierte, war sie schnell fertig. „Danke", murmelte Jay.

„Kein Problem", erwiderte sie, als sie die Farbe weglegte. Ebony spürte seinen Blick auf sich. Sieh nicht hin, sieh nicht hin!, schrie ihr Verstand, doch langsam, unwiderstehlich, zog es ihre Augen zurück zu ihm. Und wieder fand sie sich gefangen von diesen dunklen Augen, nicht in der Lage, sich gegen die Kraft zu wehren von der sie gezogen wurde …

Und plötzlich machte es in ihr Klick. Erschrocken sprang Ebony auf, als plötzlich die Wirklichkeit zurück auf sie einstürzte. Sie musste vollkommen den Versand verloren haben!

„Ebony, was ist los?"

Sie hatte sich von ihm abgewandt, es nicht wagend, ihn noch einmal anzusehen. „Du gehst jetzt besser." Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren distanziert. Vielleicht war es gut so.

Ebony spürte seinen verwirrten Blick im Rücken, während sie ihre Sachen einsammelte, fast verzweifelt etwas suchend, das sie ablenken würde. Ebony holte Luft und drehte sich wieder zu ihm um. Sie hatte die Kontrolle über sich selbst wiedererlangt; ihr Blick ähnelte ihrer Stimme, distanziert, fast schon kalt. „Wir sind schließlich immer noch Feinde."

Für einen Moment starrte Jay sie an und stand langsam auf. Er war sich nicht ganz sicher, was er davon denken sollte und es war ihm ein Rätsel, wie man sich innerhalb einer Sekunde so ändern konnte. Wirklich überzeugt war er nicht. „Anscheinend."

Automatisch wurde er selbst distanzierter, sein Gesicht unbeweglicher, als er seine Schuhe anzog, sein Oberteil aufhob, es sich überzog und nach seinem Headset griff.

Ohne ein weiteres Wort verließ er das Hotel.

Jay musste ein paar Mal tief durchatmen, als er durch die Straßen zurück in Richtung Hauptquartier ging, ruhelos an seinem Zapper, der anscheinend ebenfalls außer Gefecht war, herumspielend.

Wir sind schließlich immer noch Feinde …

„Verdammt", murmelte Jay und fuhr sich mit einer Hand durch seine Haare. Sie hatte Recht. Trotz allem blieben sie Feinde.

Jay hatte das Gefühl, dass der aufkommende Sturm zu einem Hurrikane werden könnte.


As the storm begins to rise




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Daisuke-chan: Vielen, vielen Dank für dein Review! Hat mich riesig gefreut, besonders, weil es bisher der einzige war. ;-) Ich hoffe trotzdem, dass noch ein paar mehr die Story lesen … Du hast Recht, die Kapitel sind wirklich ziemlich lang, aber aufteilen wollte ich sie nur ungern. Dass es hier zu wenige Tribe-Fanfics gibt, finde ich auch, zumindest auch welche über Jay und Ebony. Aber da das in der Serie ja auch schon Geschichte ist …Danke für dein Vertrauen, ich hoffe auch sehr, dass ich was Besseres draus machen kann. ;-) Ich hoffe, dir hat das zweite Kapitel auch gefallen!

Kristina: Keine Sorge, hierfür muss man nicht alles gesehen haben und wenn du ne Frage hast, stell sie einfach. Aber erstmal auch dir vielen Dank!!! Ich weiß ja, dass Reviews besonders hier eher selten sind und deshalb bedeutet es mir umso mehr. Freut mich sehr, dass es dir so gut gefällt. Und, wie bereits gesagt, die Geschichte, die ich erzähle ich nicht dieselbe wie in der Serie, da haben die Autoren sie leider ein bisschen verkorkst – deshalb tu ich jetzt meinerseits mein Bestes. ;-) Und keine Angst, viele neue Kapitel sind in Planung, das nächste dürfte bald kommen! Ich freu mich auf deine Leserschaft. *g*