Lucas Wolenczak- eine alternative Geschichte
Autor: Snuggles
Teil 3/3
Disclaimer: Die Ausschnitte des Liedes "Der Weg"sind von Herbert Grönemeyer. An diesem, sowie an `My heart will go on` aus Titanic habe ich keinerlei Rechte. (Das ich keine Rechte an seaQuest habe dürfte ja bekannt sein, wenn es sich ändert, gebe ich bescheit.)
Info: Ich weiß, dass Roberts Leiche nie gefunden wurde, aber das finde ich einfach zu schrecklich für die Eltern. Auch ansonsten habe ich einiges verändert, aber das werdet ihr schon merken!
@ Kiddo: Danke- und ich freu mich schon! Hoffe du bist auf blaue Flecke oder zumindest Rückenschmerzen vorbereitet, den diesmal werde ich Mona NICHT als erstes nehmen- es sei denn Renke teilt sie mir zu ohne zu fragen. * Seufzt und sich in Gedanken den Igelball einsteckt*
@ Jury: Danke! Und ja, er ist eine untreue Tomate.
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5 Wochen später ist auf der kleinen Insel alles wie immer. Mit Ausnahme von Robert, der vor 3 Wochen einen Job als Ensign auf einem militärischem U- Boot angenommen hatte. Sein Traum, unter Wasser zu arbeiten, scheint sich also zu erfüllen. Die Beziehung zu Chantall hat sich bewährt. Zwar ist sie von seiner Arbeit nicht so begeistert wie er, möchte ihrem Freund aber auch nicht seinen großen Traum zu nichte machen.
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Carol liegt am Strand, genießt die Sonne, krault Pati hinter den Ohren und schaut Nathan und Lucas zu, die gegen die Wellen um die Wette schwimmen. Darwin schwimmt vor und hinter ihnen her. Langsam steht sie auf und geht ins Haus, um Essen zu machen.
Fünfzehn Minuten später klingelt das Vidphone. Mit einem schlechten Gefühl im Bauch geht Carol dran. Seit Robert auf dem U- Boot ist, macht sie sich Sorgen um ihn. „Carol Bridger?"
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„Sag mal, Cap, wann gibt's eigentlich Essen?"Lucas lässt sich erschöpft in den warmen Sand sinken, streckt Arme und Beine aus und blinzelt in die Sonne zu Nathan.
Der lacht und lässt sich neben ihm nieder. „Tja, wenn ich mich recht erinnere, wollte ein bestimmter Teen heute mal kochen."
„Ohh."Lucas grinst schelmisch.
„Hab ich glatt vergessen!"
„So was! Aber wenn du Glück hast, gibt Darwin dir ein paar von seinen Fischen ab."
„Ha, ha!"Lucas rümpft die Nase und Nathan lacht.
„Aber ich glaube, Carol meint es heute gut mit dir. Sie ist vor einer halben Stunde mit Pati rein gegangen und dann kurz wieder raus gekommen."
„Und?"
„Sie hatte eine leere Pommestüte in der Hand."
„Was bist du doch für ein scharfer Beobachter, Cap! Ob sie noch drinnen ist?"
„Ich denke schon."
„Na dann los!"Lucas rappelt sich auf und läuft ins Haus.
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„Dad, komm schnell, Dad!"
Nicht nur der besorgte Ton in der Stimme des Jungen warnt den Captain. In den letzten Jahren hatt Lucas ihn Cap genannt. Nur in besonderen Gefühls- und Angstsituationen verfällt er nach wie vor auf das Dad.
„Carol! Was ist passiert? Carrol, bitte, sag doch was."Nathan hebt die, am Boden in sich versunkene Carol auf und legt sie auf das Sofa. Vorsichtig streichelt und tätschelt er ihre Wangen.
Als sie spricht, ist ihre Stimme heiser, sie muss ich zum reden überwinden. „Robert ist Verunglückt."
Starr vor Schreck starren Nathan und Lucas auf die Frau. Endlich fragt Nathan, und seine Stimme ist nicht weniger belegt als Carols. „Was?"Er schluckt schwer, der Kloß in seinem Hals scheint ihn ersticken zu wollen.
„Admiral Noyce hat eben angerufen. Roberts Boot ist verunglückt. Es hat niemand überlebt."Langsam fängt sie an zu Schluchzten, sie beginnt zu begreifen.
Nathan geht in die Knie. Sein Gesicht wirkt plötzlich leer, der Glanz in seinen Augen ist verschwunden. Noch unfähig zu verstehen und zu weinen, nimmt er seine Frau in die Arme. Leicht wiegt er sie hin und her, hört aber auf, als ihm klar wird, das er dies immer bei Robert getan hatte, wenn er traurig war, oder vor etwas Angst hatte, ihm etwas Kummer bereitete.
Unglücklich und hilflos steht Lucas neben den beiden. Wie gerne hätte er jetzt jemanden, an dem er sich festhalten kann, wie gerne würde er gerade diesen beiden Menschen helfen, aber er traut sich nicht etwas zu sagen, möchte die fassungslosen Eltern nicht auch noch mit seinen Ängsten und seiner Trauer zu belasten. Also lässt er seine Tränen stumm die Wangen hinunterlaufen.
Nathan streicht Carol über die Haare. Ihr Weinen und Schluchzten wird immer stärker, bis sie kraftlos in Nathans Armen zusammen sinkt. Vorsichtig trägt er sie vom Sofa ins Bett und ruft einen Arzt, der verspricht, sofort zu kommen. Dann lässt er sich in einen Sessel sinken.
Lucas steht noch immer da, alleine, verzweifelt. Er versucht, sein Schluchzen hinunter zu schlucken, schafft es aber nicht ganz.
Nathan schaut auf. Als er Lucas sieht, versetzt es ihm einen Stich ins Herz. „Kiddo!"Mühsam steht er auf, geht zu dem blonden Jungen hin, kniet sich vor ihn, umfasst erst seine Arme und schließt dann den 13 Jährigen in die Arme. So halten sie sich lange aneinander fest und allmählich kommen auch Nathans Gefühle hoch. Langsam beruhigen sie sich, aber das ungläubige Entsetzen weicht auch eine halbe Stunde später, mit eintreffen des Arztes, nicht aus ihren Gesichtern.
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Zwei Wochen nach dem Unglück wird Roberts Leiche gefunden. Die nächste Zeit wird die Schlimmste in Nathans, Carols und Lucas bisherigem Leben. Gemeinsam versuchen sie es zu begreifen, sich an Robert zu erinnern und Abschied zu nehmen. Aber für die Eltern und den Bruder ist es so schwer, nicht nach dem Warum zufragen. Wie soll alles auf der Welt einen Sinn haben, wenn dir das Teuerste und Liebste genommen wird? Dennoch wollen sie Robert in würdiger und liebevoller Erinnerung behalten. Aber noch etwas treibt die Erwachsenen dazu, Stärke und Schwäche gleichermaßen zu zeigen und sich zu bemühen, das Leben weiter zu leben: Sie wissen, das Robert gewollt hätte, das sie es schaffen, gemeinsam mit Lucas. Und dennoch, es würde seine Zeit dauern. Zusammen gestalten sie Roberts Beerdigung, suchen seine Lieblingslieder und Sprüche heraus. Drei Tage vor der Beerdigung sitzen Carol und Nathan im Wohnzimmer. Auf dem Tisch vor ihnen liegt Roberts Gitarre. Vor fünf Jahren hatten Robert und Lucas beide Gitarrenunterricht bekommen. Sie spielten zwar beide sehr gut, aber Robert hatte in dieser Beziehung eine besondere Begabung. Wenn er spielte, konnte sich jeder in die Lieder hineinführen. Auch Lucas hatte eine Gitarre bekommen, die ihm vor einem halben Jahr auf die Steine gefallen und kaputt gegangen war.
Lucas kommt die Treppe hinunter und stutzt. Bevor er etwas sagen kann, steht Nathan auf und nimmt die Gitarre hoch.
„Kiddo, wir möchten, das du sie bekommst."
„Nein!"Lucas geht drei Schritte zurück.
„Das, das geht nicht, sie gehört Robert!"Stottert Lucas.
„Ja, Lucas."Auch Carol steht auf. Noch immer schwerfällig, wie mit einer großen Last auf den Schultern. „Sie hat ihm gehört und er hätte gewollt, dass du sie bekommst."
„Warum?"
„Weist du, bei deiner Geburt, da war er so glücklich. Er hat sich so sehr auf einen kleinen Spielkameraden gefreut. Und du warst mehr als das für ihn. Du bist sein Bruder, und das wirst du immer bleiben. Außerdem spielst du wunderschön!"
Lucas blaue Augen sind feucht, mit Gewalt hält er die Tränen zurück. „Nicht so gut wie er."Lucas nimmt die Gitarre, streicht vorsichtig über die Seiten und läuft dann die Treppen hoch in sein Zimmer.
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Am Tag der Beerdigung ist die Kleine Kapelle am Friedhof voll. Und auch draußen stehen Freunde, Verwandte und bekannte von Robert. Ganz vorne, in einer Ecke sitzt Chantall. In den letzten Tagen war sie oft auf der Insel in Roberts Zimmer gewesen. Stunden lang hatte die junge Frau einfach auf Roberts Bett gesessen, hatte sich seine Musik angehört und nachgedacht. Immer wieder waren ihr Bilder in den Kopf gestiegen. Anfangs Bilder von Robert allein, wenn er ihr nahe war, sie berührte. Dann hatte sie immer öfter an Situationen gedacht, an denen sie mit Robert zusammen bei seiner und ihrer Familie war. Daran, wie aufgeregt er anfangs, in den Skiferien, war, wenn er ihren Eltern begegnete. Aber das hatte sich gelegt, sie hatten ihn sehr schnell akzeptiert und auch sehr gemocht. Und dann von den Abenden, an denen Robert, Lucas und des öfteren auch Nathan gemeinsam für sie Gitarre spielten und die Jungen sangen. Wie oft hatte sie darum gebeten, Lucas und Robert hatten warme, zu einender passende Stimmen.
Auch Cynthia ist da. In den letzten Jahren ist sie regelmäßig zu Besuch gekommen, und auch Lucas hat sie besucht. Aber der tiefe Kontakt zueinander ist mit der Zeit etwas verloren gegangen. Sie sind nur Besucher in dem jeweiligen Zuhause des anderen. Cynthia umarmt die drei ohne ein Wort. Aber sie wissen, was sie ausdrücken möchte.
Der Pfarrer beginnt eine kurze Rede, dann kommt Nathan nach vorne. Er schaut in die Gesichter. Chantalls Tränen sind fort, stumm und regungslos schaut sie ihn an. Cynthia hat einen Arm um ihren Sohn gelegt, auch Lucas Augen sind auf Nathan gerichtet. Carol blickt ins Leere.
Mit klaren kurzen Worten beginnt Nathan seine Rede. „Robert hatte zwei ganz besondere Talente."Nathan schluckt. „Das eine ist der Umgang mit Menschen. Er konnte Gefühle zeigen. Ohne zu fragen hat er Liebe und Freundschaft genommen und zurückgegeben."Wieder schweift sein Blick zu Chantall, dann zu Roberts Freunden.
„Seine zweite, große Begabung war sein Gitarrenspiel. Wenn Robbi gespielt hat, wusste jeder, was er ausdrücken wollte."Wieder schluckt er, streicht sich eine Träne aus dem Gesicht.
„Menschen die wir lieben, sind wie Sterne.
Sie können funkeln und leuchten,
noch lange nach ihrem erlöschen."
Er macht eine Pause. „Aber wie sollen wir begreifen, dass unser Sohn gehen musste? So jung und ohne uns? Ich kann es nicht verstehen aber ich weiß, dass Robert immer strahlen wird, solange er in uns ist. Und das wirst du sein mein Junge, weil wir dich lieben."
Lucas geht nach vorne. Nathan streicht ihm ermutigend über die Schulter, dann geht er zu seinem Platz. Lucas beginnt, etwas zögerlich. „Es gibt ein Sprichwort, das sagt, das Wichtigste an einem Lied steht nicht im Text. Robert konnte mit der Gitarre Gefühle ausdrücken. Dieses Lied hier ist für dich, Robbi, obwohl ich es nicht so gut kann wie du."Der Teen lässt die Tränen, für die er sich normalerweise sicher geschämt hätte, laufen und spielt. Niemand gibt einen Ton von sich. Lucas spielt nur eine Melodie, aber sie gibt all seine Gefühle, die Trauer aber auch Freude in den Gedanken an Robert, besser wieder, als er es mit Worten könnte. Als er geendet hat, erheben sich als erstes Carol und Nathan, dann gehen alle hinaus an Roberts Grab.
Bei der Trauerfeier bittet Cynthia Nathan, kurz alleine mit ihr zu sprechen und sie gehen in einen kleinen Nebenraum.
„Nathan, das hier ist alles so schlimm für dich und Carol. Was ich sagen möchte..."
„Ja?"
„Wenn ihr erst mal für euch alleine sein wollt, es ist kein Problem für mich, Lucas eine Zeit zu nehmen, immerhin ist er mein Sohn..."
Lucas, der die Gitarre in den Raum bringen wollte, stockt der Atem.
„Nein!"Nathans Stimme hat einen festen, sicheren Klang und Lucas atmet auf. „Lucas ist genau so mein Kind wie Robert und sie sind zusammen aufgewachsen."Ein schmerzlicher Ausdruck tritt in seine Augen. „Lucas muss es genauso verarbeiten wie Carol und ich. Es wird für uns alle leichter sein, es gemeinsam durch zu stehen."Cynthia nickt ihr Einverständnis und Lucas geht erleichtert und dankbar wieder zurück.
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Im laufe des Jahres normalisiert sich Carol, Nathan und Lucas Leben wieder. Allmählich finden sie zu einem lockeren und fröhlichen Ton zurück. Der schmerzliche Ausdruck in Nathans Augen tritt nur noch manchmal, mit der Erinnerung an Robert auf. Allerdings hat Nathan Carol versprechen müssen, nie wieder unter Wasser zu arbeiten.
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Doch 5 Monate nach Lucas 14. Geburtstag passiert etwas, das besonders Nathan vollständig aus der Bahn wirft. Carol geht es nicht gut. Über den Tag hinweg wird es schlimmer, sie bricht und fiebert. Nathan wird immer unruhiger, möchte sie ins Krankenhaus bringen oder einen Arzt kommen lassen. Aber es gewittert und der Sturm wird so stark, das die Überfahrt des Meeres unmöglich ist. Als der Arzt am nächsten Morgen kommt, diagnostiziert er einen nicht heilbaren Virus. Carol wird sterben. Carol reagiert relativ ruhig und gefasst. Nathan dagegen kann es nicht glauben. Er weint, schreit, gerät völlig außer sich. Doch dann beruhigt er sich, geht zu Carols Bett, setzt sich neben sie und streichelt ihre Stirn.
„Carol du wirst sehen, wir schaffen dass! Du darfst nicht aufgeben."
Trotz allem lächelt Carol. Sie weiß, dass ihr Mann mehr sich selbst als sie zu beruhigen versucht.
Wieder steht Lucas hilflos daneben. Und er bräuchte Trost. Aber diesmal kann Nathan ihm den nicht geben. Carol streckt die Hand nach dem Jungen aus. „Nathan, las uns bitte einen Moment allein."
„Was?!"Zärtlich berührt sie seine Hand.
„Bitte."
„Also gut."Nathan gibt seiner Frau einen Kuss auf die Stirn und verlässt den Raum.
„Komm her, Kiddo."
Lucas schaut Carol aus seinen großen, verweinten Augen verwundert an. Es ist das erste Mal, das sie ihn so nennt. Der Teenager nimmt ihre Hand und setzt sich zu ihr.
Vorsichtig nimmt sie ihn in die Arme.
„Kiddo. Weist du eigentlich, wie lieb ich dich hab?"Lucas weinen wird heftiger, er schluchzt.
„Hey, schon gut."Sie streicht ihm die Tränen von den Wangen.
„Versprichst du mir was?"
„J- ja?"
„Du musst jetzt stark sein, stark für Nathan. Er braucht dich jetzt. Ich bin mir nicht sicher, wie er damit klarkommt, wenn ich nicht mehr da bin." Erschöpft holt sie Luft. Dieser Ausdruck in ihren Augen, als sie Lucas so anschaut, ist es, den er nie wieder vergessen wird.
„Kiddo, ich weiß, du bist erst 14. Aber du bist der Einzige, der Nathan jetzt helfen kann. Er darf sich nicht vergraben. Er liebt dich. Zeig ihm dass du da bist. Auch wenn er hier weg will, bleibe bei ihm. Versprichst du mir das?"
Lucas Stimme klingt ernst und sicher.
„Ich verspreche es dir."
„Bitte, hol Nathan..."Carols Stimme ist schwach.
Nathan betritt den Raum, die Tränen laufen ihm über die Wangen.
„Carol!"
„Nathan!"Mit aller Kraft, die sie noch aufbringen kann, lächelt ihm Carol zu. „Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich dich liebe, Nathan, es ist..."
„Schon gut. Ich weiß es, weil ich dasselbe für dich empfinde."
„Ich gehe jetzt zu Robert, Nathan. Aber ich warte auf dich. Ich weiß, wir werden uns wieder sehen, aber noch nicht gleich. Kümmere dich um Lucas..." Weiter kommt sie nicht, die Stimme versagt ihr, Nathans Frau stirbt.
Nathan sinkt am Boden zusammen. Er schluchzt, weint, fleht, bittet. Er bittet so sehr. Aber sie stirbt.
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Ich kann nicht mehr sehn
Trau nicht mehr meinen Augen
kann kaum noch glauben
die Gefühle haben sich gedreht
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An die folgenden Tage können sich weder Nathan noch Lucas richtig erinnern. Carols Beerdigung ist für Nathan Trost- und Hoffnungslos. Erneute Umarmungen, Händedrücke, Beileidsbekundungen.
Vor dem offenen Grab kniet Nathan nieder. „Carol!"
Lucas geht zu ihm. Zaghaft streicht er ihm über die Schulter. Wie gerne hätte er diesen Mann jetzt in den Arm genommen. Aber Nathan steht auf. Gebeugt geht er an den Leuten vorbei. Er möchte jetzt alleine sein, nicht zur Trauerfeier gehen. Aber er muss.
Cynthia geht auf Nathan zu. „Nathan, ich weiß, du möchtest es nicht, aber wenn du erst mal Abstand brauchst, ich kann Lucas jeder Zeit zu mir nehmen."
Lucas, der das gehört hat, kommt zu ihnen.
Langsam schaut Nathan hoch. „Vielleicht währe das erst mal das Beste."
„Wie bitte? Das ist doch nicht dein Ernst! Sag, das dass nicht dein Ernst ist!"Entsetzt schaut Lucas in das bekannte Gesicht.
„Es tut mir leid, Lucas, aber ich glaube nicht, dass ich im Moment der Richtige bin, um für dich zu sorgen."
„Dad, das schaffen wir doch!"Die Tränen treten dem Jungen wieder in die Augen.
„Nein, Kiddo, diesmal nicht. Diesmal bin ich einfach am Ende."Traurig dreht sich Nathan um und geht raus. Er muss jetzt für sich sein.
Lucas steht wie angewurzelt neben seiner Mutter. Mehr zu sich selbst, als zu ihr spricht er.
„Er meint es nicht so. Er beruhigt sich wieder. Er ist noch nie einfach weggelaufen. Ich kann ihn doch jetzt nicht alleine lassen!"
„Lucas!"Cynthia versucht ihren Sohn in die Arme zu nehmen.
„Er muss einfach erst mal trauern, er hat seine Familie verloren."Lucas reißt sich los.
„Und ich? gehöre ich vielleicht nicht zu seiner Familie?"Lucas rennt raus und lässt eine niedergeschlagene Cynthia zurück.
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Bill Noyce tritt von hinten an Nathan heran. „Nathan?"
„Ja?"Nathan wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und dreht sich um.
„Hör mal, ich muss jetzt gehen. Im Auftrag der UEO muss ich dich vorher aber noch um etwas bitten, obwohl ich weiß, das du ablehnen wirst."
„Um was geht es?"
„Ich soll dich wissen lassen, dass die seaQuest noch immer einen neuen Captain braucht, und du der Mann wärst, denn wir bräuchten."
Nathan zögert. „Du weist, was ich meiner Frau versprochen habe..."
„Ja, natürlich. Es war mir klar, das du nicht zusagen würdest. Also dann, Nathan, auf wiedersehen."Der Admiral dreht sich um, aber Nathan hält ihn auf.
„Warte einen Moment, Bill. Ich nehme an."
Sicher, sich verhört zu haben, schaut Bill Noyce den Captain an. „Wie bitte?"
Scheinbar ruhig steht Nathan da.
„Ich nehme das Angebot an. Vielleicht ist es gerade jetzt gut, mich abzulenken."
„Ja, aber was wird aus Lucas?"
„Er wird eine Zeit zu seiner Mutter ziehen. Ich wäre ihm jetzt sicher kein guter Vater."
„Ich weis nicht, Nathan..."
Energisch schaut Nathan Noyce ins Gesicht.
„Was ist, willst du mich nun als Captain, oder nicht?"
„Doch, natürlich."
„Dann wäre das ja geklärt. Wann kann ich anfangen?"
Überrumpelt antwortet Admiral Noyce.
„In zwei Tagen, wenn du willst."Und fügt hinzu:
„Dann dockt die seaQuest hier in der Nähe des Hafens an, da können wir uns treffen."
„In Ordnung, jetzt lass mich bitte noch einen Moment allein, Bill."
„Also gut, dann bis übermorgen."
„Tschüß."
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Ich bin viel zu träge
Um aufzugeben
Es wär auch zu früh
Weil immer was geht
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Zwei Tage später, sehr früh am Morgen, starrt Lucas Nathan an, als wäre dieser nicht bei Sinnen. Der Junge ist noch im Schlafanzug, Nathan hat ihn gerade heruntergerufen und ihm eröffnet, dass er in zwei Stunden am Hafen sein müsste.
„Du gehst weg, jetzt?!"
Cynthia steht neben Nathan und schaut besorgt auf ihren Sohn.
„ Entschuldige, Lucas, ich kann nicht anders, ich muss einfach eine Weile fort."Nathan fasst den Jungen an den Schultern. Deutlich kann Lucas den Schmerz und die Trauer in Nathans Augen lesen. Er schaut ihn flehend an, aber der ältere Mann schüttelt den Kopf.
„Nein, Lucas."
„Dad!"Mit Gewalt reißt Nathan sich von den bittenden blauen Augen los, und verlässt das Haus mit seinem Gepäck.
Lucas steht da, unfähig, etwas zu tun. Als er endlich begreift, ist es zu spät. Nathan ist auf dem Weg zur seaQuest.
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2 Jahre später klingelt ein ca. 16 jähriges, dunkelhäutiges Mädchen, mit langen, schwarzgelockten Haaren, an dem kleinen, aber modernen Haus, indem Lucas mit Cynthia und ihrem Mann wohnt.
Nachdem sie einige Male vergeblich geläutet hat, geht sie um das Haus herum, ein Stück durch den Wald, bis zu einer kleinen Lichtung. Als sie einen blonden Jungen vor einem kleinen Hügel mit einem neuen, hölzernen Kreuz darauf, Knien sieht, lächelt sie und geht zu ihm.
„Hier steckst du also, Lucas. Hast du vergessen, das wir verabredet waren?"Sie schaut ihm in das verweinte Gesicht und stockt. In dem halben Jahr, seit dem sie zusammen sind, hat sie ihren Freund noch nie weinen sehen, egal in welcher Situation. Vorsichtig legt sie einen Arm um ihn.
„Hey Lucas, was ist los mit dir? Und was ist das?"Sie nickt zu dem kleinen Hügel, auf den Lucas unentwegt starrt.
Als er antwortet, klingt seine Stimme ungewohnt rau und traurig.
„Pati. Sie ist vor einer halben Stunde gestorben. Entschuldige, ich hab vergessen, dir Bescheid zu sagen..."
Sie schluckt. „Schon gut."
Er sieht ihr ins Gesicht und weiß, was sie fragen möchte.
„Ich war mit Simon beim Basketball. Die Tür war nicht richtig zu. Ich denke, sie wollte mir nach. Sie hat sich nie daran gewöhnt, alleine zu sein. Früher war sie, wenn ich nicht da war, auf der Insel."Er unterbricht sich und schluckt schwer. Dann fährt er fort und seine Augen haften an dem Kreuz.
„Jedenfalls ist sie über die Straße gelaufen und überfahren worden. Mein Nachbar hat sie gefunden und zu uns gebracht. Ich bin gerade gekommen und hab sie gesehen..."Wieder laufen ihm einzelne Tränen über die Wangen, beschämt wischt er sie weg.
Josophin merkt seine Verlegenheit und streichelt seinen Rücken. „Es ist OK, Lucas, ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Du hast sie seit du klein warst und ihr habt sehr aneinander gehangen."
„Ja, aber das ist es nicht nur. Es ist..."Wieder unterbricht er sich.
„Was ist es, Lucas?"Ich weiß, dass sie nicht nur ein Haustier für dich war. Woran erinnert sie dich?"
„An Nathan. Ich habe sie von ihm bekommen, als ich das erste Mal eine Klasse übersprungen habe."Er macht einen Moment Pause, dann fährt er fort.
„Ich weiß noch genau, wie viel Angst ich davor hatte, alleine in die Schule und in die fremde Klasse zu gehen. Aber dann hat mich Nathan abgeholt. Es war einer der Momente, an denen ich genau wusste, das es für ihn keine Rolle spielt, das ich nicht sein leiblicher Sohn bin."Er lächelt bitter.
„Jedenfalls dachte ich das, bis sich gezeigt hat, dass die Verbindung zu seinem wirklichen Sohn Robert und seiner Frau Carol enger und die Gefühle zu ihnen stärker als zu mir waren. Oder hätte er Robbi alleine gelassen?" Lucas Stimme ist immer trauriger geworden. Bisher hat Lucas das Thema Vergangenheit in Gesprächen immer zu vermeiden gesucht. Josephin ist die einzige, der er hin und wieder etwas zu erzählen bereit war. Aber auch das nur spärlich und möglichst sachlich. Nur seinen Gesichtsausdrücken und unbemerkten Bemerkungen hatt Josephin entnehmen können, wie sehr ihr Freund sein früheres Leben, Carol, Robert, Nathan und Darwin vermisst. Sie ist froh, dass er sich ihr nun endlich anvertraut und möchte ihn nicht in seinen Gedanken unterbrechen.
„Pati war die einzige, die mir noch geblieben ist. Aber ich habe sie enttäuscht. Ich habe die Hintertür nicht kontrolliert. Nathan hat sie mir anvertraut. Ich habe ihm versprochen, mich um sie zu kümmern und ich hab es gebrochen."Josephin merkt, das er das Schluchzten unterdrückt. Seine Stimme zittert.
„Kurz bevor sie gestorben ist, habe ich Carol versprochen, für ihn da zu sein und ihm zu helfen, weiter zu leben. Und auch das konnte ich nicht. Lawrence hatte Recht, mich zu ignorieren. Ich tue allen nur weh."
„Lucas!"Fest nimmt sie ihn in die Arme.
„Ich liebe dich. Und ich bin mir siecher, dass der Captain das auch tut. Und was deine Frage von eben anbelangt, hätte Robert noch gelebt, hätte er sich um ihn kümmern müssen. Vielleicht wäre das für ihn auch besser gewesen. So flieht er vor dem Schmerz, sie verloren zu haben."
Einen Moment knien die Zwei noch vor dem Grab, dann rappelt sich Lucas auf. Seine Stimme klingt härter und sturer. Grob wischt er sich die Tränen mit dem Ärmel bei Seite, seine Hände steckt er in die Hosentasche.
„Wie auch immer. Ich war ihm egal, Jetzt brauche ich ihn auch nicht mehr." Er atmet tief durch, dann schaut er Josephin an und lächelt.
Sanft nimmt er ihre Hand in seine, die Andere ruht noch immer in seiner Tasche. Als er wieder spricht, klingt seine Stimme ruhiger und zärtlicher.
„Außerdem habe ich ja jetzt dich Jo, und ich weiß, das du mich nicht einfach verlassen würdest."Sie küsst ihn und nimmt sich vor, ihn noch einmal darauf anzusprechen, wenn er den Tot des Schweinchens überwunden hätte.
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Als Lucas am nächsten Tag nach der Schule das Haus betritt, sitzt seine Mutter bereiz im Wohnzimmer.
„Mom, was machst du denn schon hier?"
„Komm, setz dich her, Lucas."
Misstrauisch setzt der Junge sich. Gewöhnlich, wenn sie diesen Ton anschlägt, geht es um seine Häckerrein, oder ähnlich Unerwünschtes. Aber Lucas ist sich sicher, keine wichtigen Codes geknackt zu haben, seit er vor drei Wochen seinen Collageabschluss geschafft und ein Praktikum bei der Delphintherapie begonnen hat.
„Lucas, wir müssen über deine Zukunft sprechen. Hast du dich schon für eins der Angebote entschieden?"
„Wieso fragst du? Du weist doch, das ich eigentlich weder zum FBI noch zur National Security oder einer der anderen großen Firmen gehen möchte. Deshalb hab ich das Praktikum ja begonnen. Als Computerspezialist zu arbeiten ist ja noch mal was anderes, aber ich hab doch keinen Bock, immer nur irgendwelche dämlichen Codes für andere zu knacken. Das mach ich in meiner Freizeit, das brauche ich im Beruf nicht."
Cynthia lässt sich kein weiteres Mal von ihrem Sohn provozieren. Außerdem liegt der schwierigste Teil der Unterhaltung noch vor ihr. „Hör zu, Lucas. Du weist, dass wir Probleme haben. Du gibst mir die Schuld daran, dass Nathan gegangen ist. Und vielleicht hast du Recht damit, wenn du sagst, ich hätte es ihm in dem Moment nicht anbieten dürfen. Auch wenn du es nicht verstehen kannst, ich habe es als meine Pflicht gesehen, ihm anzubieten, ihn zu entlasten."
Mit aufbrausender Stimme unterbricht der Teen sie.
„So ist das also, das einzige, was ich für dich bin, ist eine Last. Ja, früher war Nathan da, zudem du mich geben konntest. Und ich war glücklich dort. Wir waren eine Familie. Aber du hast ihn aufgefordert, mich zu verlassen. Was natürlich wirklich edel von dir wahr, mich dir freiwillig wieder auf zu halsen. Aber du hattest nicht damit gerechnet, dass er wirklich geht, nicht wahr? und jetzt wird es dir zu viel? Was willst du machen? Mich zu Lawrence schicken? Einen Nathan gibt es ja nicht mehr, sonst hattest du das doch schon bei eurer Scheidung getan!"Lucas unterbricht seinen Redeschwall und Cynthia atmet tief durch.
„Ich weiß, wie du dass jetzt auffassen wirst, aber Admiral Noyce und ich denken, das es gut wäre, wenn du eine Zeitlang etwas Abstand von deinem Alltag gewinnen würdest. Du wirst für eine Weile auf ein U- Boot gehen."
Ein paar Sekunden dauert es, dann weicht der Schock, Lucas findet seine Sprache wieder.
„Sehr witzig! Du solltest dir etwas Glaubwürdigeres als angedrohte Strafe aussuchen!"
„Lucas, das ist kein Scherz, ich meine es ernst. Und da du noch nicht weißt, was du später tun möchtest..."
Da versteht er. „Moment, du hattest von Anfang an vor, mich da hin zu schicken. Es sollte aussehen, als würdest du auf mich eingehen, dabei war es von Anfang an geplant. Du steckst mich einfach zu irgendjemandem auf ein Boot, das du nicht kennst, zu einem Captain, den du nicht kennst? Bin ich dir so egal?"Er unterdrückt die Tränen, lässt der Wut freien lauf.
Doch dann sagt sie etwas das ihn hoffnungsvoll aufschauen lässt. „Lucas, es ist Nathan Boot."
Er streicht sich eine Haarsträne aus dem Gesicht.
„Ist es, wollte er, dass ich komme?"
Sie schaut zur Seite. „Sicher möchte er dich bei sich haben. Es ist nur..."
Lucas schließt die Augen. Als er sie wieder öffnet, drücken sie all seine Enttäuschung aus.
„Ich verstehe schon. Er ist dagegen, ihr habt es ihm aufgezwungen."
„Nein, so ist es nicht, er macht sich einfach nur Sorgen."
„Von wegen Sorgen, er selbst ist ja auch dort. Also gut."Langsam steht er auf, schaut seine Mutter in die Augen. Ich gehe auf das Boot. Aber glaube nicht, das ich mir von irgendjemandem etwas vorschreiben lasse."Damit geht er hinaus und knallt die Tür hinter sich zu.
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„Hallo Lucas."
„Hallo Cap."
Unschlüssig stehen die Zwei voreinander, keiner wagt, auf den anderen zuzugehen. Also dreht Lucas sich um, um seine Freundin noch einmal in die Arme zu schließen.
Etwas gezwungen lächelt der Captain. „Möchtest du mir nicht deine Freundin vorstellen?"
„Nathan, das ist Josephine Bradford, Jo, Nathan Bridger, Captain der seaQuest, auf der ich die nächste Zeit, getrennt von dir, verbringen darf."Seine Betonung des letzten Wortes, veranlasst Josephine dazu, eine kurze Unterhaltung mit dem Captain zu beginnen.
„Guten Tag, Captain, es freut mich, sie kennen zu lernen."Sie reicht ihm die Hand und er lächelt dem Mädchen zu.
„Es freut mich auch, dich kennen zu lernen. Es tut mir leid, das die seaQuest dir deinen Freund für eine Weile entführen wird."
Auch sie lächelt. *Ein eindrucksvoller Mann und der Ausdruck in ihm, in seinen Augen, ist Lucas so ähnlich.* „Schon gut, aber passen sie bitte gut auf ihn auf."
Ärgerlich, mit einem Seitenblick zu Nathan, sagt Lucas:
„Keine Angst, inzwischen brauche ich niemanden mehr, der auf mich aufpasst. Ich komme gut alleine zurecht."
„Natürlich Lucas, ich habe nicht vergessen, dass du gerade 16 geworden bist. Aber als Captain habe ich die Verantwortung für alle meine Leute. Es ist Zeit, euch zu verabschieden. Ich werde noch mal mit Manilo reden, er fährt mit dir in der sealunch. Ich komme dann nach. Auf wiedersehen, Josephine."
„Aufwidersehen, Captain."
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Zwei Wochen später sitzt die Seniorcrew der seaQuest beim Essen. Die Spannungen zwischen Lucas und dem Captain waren allgemein bemerkt, aber als typische Teenager Anpassungs- schwierigkeiten abgetan worden. Ansonsten hat Lucas sich besonders mit dem Moraloffizier Benjamin Krieg angefreundet, kommt aber auch mit den Anderen gut zurecht. Während des Essens streiten sich Kathi, Ford, Miguel, Krieg und Tim O'Neill darüber, was auf einem U- Boot das Wichtigste ist.
„Was sagen sie denn dazu, Captain?"Fragt Benjamin Krieg direkt. „Was ist wichtiger? Eine offene, freundliche Atmosphäre, oder die militärisch, präzise Ausfüllung der Pflichten?"
„Ich denke, ob Wissenschaft oder Militär, das Wichtigste in einer Mannschaft ist das Vertrauen und der Zusammenhalt."
Spöttisch lacht Lucas auf und verdreht unübersehbar die Augen. So kann niemandem entgehen, das er dem Captain keinen Glauben schenkt, was den Teil der Crew wundert, der Lucas und Nathans Vergangenheit gar nicht oder nur Ansatzweise kennt. Für den Moment lässt es Nathan dabei bewenden.
Erst nach dem Essen beordert er ihn zu sich und spricht ihn auf den Vorfall an.
„Lucas, was sollte das eben? Ich weiß, was du mir für Vorwürfe machst, und in vielem hast du Recht. Aber hier auf der seaQuest bin ich der Captain und als solchen hast du mich auch zu akzeptieren."
„Und wenn ich meine Meinung trotzdem sage? Schickst du mich dann weg? Pass auf, ihr bekommt noch richtig Übung darin. Dabei hatte ich immer wieder gehofft, dass du zurückkommst. Geburtstage, Weihnachten, mein Collage- Abschluss. Ich hab auf dich gewartet, aber alles was ich bekommen habe, waren Karten von dir."
Nathan geht einen Schritt auf den Jungen zu, bringt aber nur einen Satz heraus. „Es tut mir Leid, Lucas."
Bitter schaut Lucas ihn an.
„Was tut dir leid? Ich hatte Carol versprochen, bei dir zu sein, du hast mich gezwungen, es zu brechen. Tut dir das leid? Oder das ich tagelang auf Darwin gewartet habe? Als Cynthia dann unbedingt fahren wollte, hatte ich solange Angst um ihn, bis du geschrieben hast, dass er bei dir ist. Warum hast du ihn mir auch noch weggenommen?"
„Das habe ich nicht, Lucas. Er wollte es. Er hat gespürt, das ich ihn gebraucht habe."
„Ich hätte ihn auch gebraucht. Und ich hätte dich gebraucht. Ich währe überall mit hingekommen, aber du hast mich nicht gelassen, jetzt brauche ich dich nicht mehr, Captain!"Lucas dreht sich auf den Absatz um und läuft hinaus.
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Die nächste Woche ist die Stimmung zwischen Lucas und dem Captain noch gereizter. Lucas kann ihm nicht verzeihen und Nathan schwangt zwischen den väterlichen Gefühlen zu Lucas und dem Fliehen vor Erinnerungen.
Seit dem Nachmittag sitzt Lucas Wolenczak nun am Computer. Inzwischen ist es drei Uhr nachts. Plötzlich öffnet sich die Tür einen Spalt. Der Captain späht hinein.
„Habe ich doch richtig gesehen. Weist du, wie spät es ist?"
„Ja, warum?"Tut Lucas ahnungslos und tippt weiter.
„Das weist du ganz genau. Es wird Zeit, das du ins Bett kommst, sonst bist du morgen total überanstrengt."
Lucas hebt den Blick vom Bildschirm und schaut Nathan herausfordernd an.
„Na und? Die letzten zwei Jahre hat es dich doch auch nicht interessiert, wann ich ins Bett komme, also, warum kümmert es dich jetzt? Außerdem hast du mir nichts zu sagen, du bist nicht mein Vater."
Der Ausdruck in Nathan Gesicht wird traurig, aber auch härter.
„Wenn du nicht mein Sohn bist, hör auf mich anzuzicken, wie ein pubertierender Teenager seine Eltern. Und als dein Captain sage ich dir jetzt, das der Computer für heute für dich gesperrt ist, gute Nacht. Ach ja, ob es dir lieb ist oder nicht, ich kenne dich und daher werde ich es nachher noch mal kontrollieren, und dann winkt ein mehrtägiges Verbot." Der Captain verlässt den Raum und da auch Lucas ihn kennt, schaltet er den Computer aus, zieht sich um und legt sich müde ins Bett.
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Am nächsten morgen wird Lucas von Benjamin Krieg geweckt. „Hey, du Schlafmütze! Du solltest doch seit einer drei viertel Stunde bei Dr. Westphalen sein."
Lucas rappelt sich hoch. „Mist! Wetten, sie predigt mir eine halbe Stunde etwas über Pünktlichkeit? Sie sollte sich wirklich mal mit Nathan zusammensetzen, sie passen sicher gut zusammen."
„Apropro Captain, was war den gestern Nacht los, ich hab euch noch ziemlich spät gehört."
„Ach, ich hab mit Jo gechattet. Der Captain musste natürlich einen auf Babysitter machen und mich ins Bett schicken."
Ben setzt sich in einen Stuhl, während Lucas sich reckt.
„Wie lange seid du und Jo jetzt eigentlich zusammen?"
Lucas lächelt und wird im selben Augenblick rot. „Ein halbes Jahr."
„Und wie habt ihr euch kennen gelernt?"
„Ich glaube, das würde zu lange ausschweifen."
Ben grinst. „Ach was, Dr. Westphalen hat jetzt solange auf dich gewartet, da schaden die paar Minuten auch nichts mehr."
„Also gut."Lucas setzt sich auf die Bekannte und wippt mit den Füßen.
„Du weist, dass ich nach Carols Tot und Nathan Arbeitsanfang auf der seaQuest zu meiner Mutter gezogen bin. Da kam ich nicht sonderlich gut zurecht, mir hat alles noch sehr nachgehangen, Nathan war plötzlich nicht mehr da-"Wieder wird er rot, erzählt aber weiter.
„Das Collage, die fremden Leute, das Haus, ich fand alles nur ätzend, wollte zurück auf die Insel und zu meinen Freunden. Aus Protest hab ich mich von allen abgekapselt. Außerdem hab ich daran geglaubt, das ich ohnehin nicht lange bleiben muss. Bis drei ältere Jungen aus der Schule herausgefunden haben, das mit Computern umgehen kann. Sie haben mit ihrer Häckerei so herumgeprahlt, dass ich ihnen einfach zeigen musste, dass ich besser bin. Sie haben mich überredet, mich ihnen anzuschließen. Ehrlich gesagt haben wir viel Mist gemacht. Naja, eigentlich wollte ich nur meine Umwelt ärgern, deshalb hab ich mir auch die Haare schwarz gefärbt und den Ohrring stechen lassen. Zja und dann hab ich Jo getroffen. Ich war abends mit den drei Jungs unterwegs. Als sie uns entgegen kam, haben die drei angefangen, sie einzukreisen und wegen ihrer Hautfarbe zu beschimpfen. Ich weiß gar nicht, wie es passiert ist, aber ich hab versucht, die Jungs zu beruhigen, als sie mich angeschaut hat. Sie hat riesige schwarze Augen."
Verlegen streicht sich Lucas eine blonde Haarsträne aus dem Gesicht.
„Ich hab gespürt, dass sie ein ganz besonderer Mensch ist und hab mich ohne zu überlegen vor sie gestellt. Du kannst dir denken, was ich vor allem hinterher an den Kopf geworfen bekommen hab. Zum Glück sind zwei von ihnen bald von der Schule geworfen worden und der eine allein war echt feige. Aber erst mal waren sie ziemlich perplex. Da hab ich sie an die Hand genommen, einen beiseite gestoßen und bin mit ihr drauf los gerannt."
Einen Moment holt er Luft, dann ergänzt er.
„Glaub mir, ich war total verlege, hab mich für die anderen entschuldigt, aber sie hat sich einfach nur bedankt. Ich hab sie nach Hause gebracht und wir haben lange geredet. Da wusste ich, dass ich recht hatte. Sie ist ein besonderer Mensch. Und sie hat geschafft, was meine Mutter aufgegeben hatte: ich hab mir zwei echte Freunde gesucht und die Farbe rauswachsen lassen. So, jetzt weist du es, und Dr. Westphalen wird mich in irgendeine Säure werfen, wenn ich die nächsten 10 min. nicht bei ihr aufkreuze. Also las mich umziehen."
„OK, du Held. Er grinst und Lucas verzieht das Gesicht.
„Wenn man dir etwas erzählt... ."
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Am nächsten Abend lächelt Lucas ins Vidphone. „Naja, es ist OK. Die Crew ist wirklich in Ordnung und mit dem Moraloffizier verstehe ich mich richtig gut. Aber der Captain nervt ziemlich."
Jo´s Blick hätte einer Lehrerin alle Ehre gemacht.
„Lucas, du weist doch noch, was du mir versprochen hast, oder? Du wolltest versuchen, ihm zu verzeihen."
„Jaa, aber ich weiß doch gar nicht, ob er das will. Er möchte die Vergangenheit vergessen und zu seiner Zukunft scheine ich nicht zu gehören. Jedenfalls nicht mehr als ein Mitglied der Crew. Die Einzigen, zu denen er hier ein etwas engeres Verhältnis hat, sind Crocker und Dr. Westphalen."Der Teen schnauft verächtlich.
„Ich sollte mir ein paar Kilos mehr und einen Bart anlegen, vielleicht würde er dann aufhören, mich zu übersehen."
Jo schüttelt den Kopf. „Ich bin mir sicher, so wie du dich benimmst, kann er dich gar nicht übersehen."
Lucas schaut seine Freundin schief an.
„Blödsinn. Er reagiert doch nur auf mich, wenn ich ihn provoziere. Aber was soll's, mir kann's ja egal sein."
„Und warum tust du's dann, wenn er dir egal ist?"
Lucas lacht. „Ertappt, Frau Professorin. Natürlich fände ich es schön, wenn es wieder so wie früher wäre. Er war immerhin jahrelang mein Vater, und jetzt will er plötzlich nur noch mein Captain sein."Gibt der blonde Junge zu. In dem Moment wird Lucas angpalt und muss das Gespräch unterbrechen.
*************
Wir waren verschworen
Wären füreinander gestorben
Haben den Regen geboren
Uns vertrauen geliehen.
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Als Lucas später wieder zu seiner Kabine zurückgehen möchte und an Nathans Quartier vorbei geht, stutzt er. Vorsichtig öffnet er die Tür einen Spalt. Er hatte sich nicht verhört. Nathan sitzt, ihm den Rücken zugewandt, auf einem Stuhl und spielt Gitarre. Es ist ein Altes Lied. Leise und einige Oktaven tiefer als die Originalversion, singt Nathan den Text dazu.
Für einen Moment schließt Lucas die Augen. Er kennt dieses Lied nur zu gut. My hard will go on. Der Titelsong des Kinofilmes Titanic. Es war Carols Lieblingslied gewesen. Wie sehr hatte es Lucas früher genervt, wenn Carol es immer wieder gehört hatte. Und wie gerne würde er es jetzt mit ihr zusammen hören. Eine Strophe hört er sich noch an, dann singt er leise den Refrain dazu und betritt den Raum.
„ ...Once more you open the door
And you´re here in my heart
And my heart will go on and on."
Lucas setzt sich auf das Bett des Captains. Nathan dreht sich um, sie schauen sich an und singen einfach weiter.
„There is some love that will
Not go away
You´re here, there´s nothing I fear,
And I know that my heart will
Go on
We´ll stay forever this way
You are save in my heart
And my heart will go on and On."
Nach dem Lied sitzen die Zwei noch eine Weile da, bis Lucas aufsteht. „Ich gehe dann mal."
„OK."
Der Teen geht zur Tür.
„Lucas?"
„Ja?"
„Gute Nacht."
Lucas lächelt dem Captain zu. „Gute Nacht."
******************
Zwei Tage später liegt Lucas mit einem Fieberthermometer im Bett. Kristen Westphalen nimmt es und schüttelt den Kopf.
„39. Du hast eine ausgewachsene Grippe, mein Lieber."
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Aber die Grippe entwickelt sich weiter, drei Tage lang liegt er mit Schweißausbrüchen, Hitze und Kälteschüben im Bett, krümmt sich vor schmerzen im Magen und im Kopf. Während dieser Zeit sitzt Nathan unentwegt an seinem Bett, zwingt sich dazu, wenigstens ein paar Stunden am Tag zu schlafen und etwas zu Essen. Das Kommando über die seaQuest übergibt er in dieser Zeit Commander Ford. Als sich Lucas Zustand auch am vierten Tag nicht verbessert, verlassen Lucas, Kristen und Nathan das Boot. Lucas wird in ein Krankenhaus verlegt, Nathan bleibt bei ihm und Kristen versucht, gemeinsam mit dem behandelnden Professor ein Gegenmittel gegen den seltenen Virus, den Lucas sich auf unbekannte Weise eingefangen hat, zu finden. Aber auch zwei weitere Tage verstreichen und Lucas Zustand verschlechtert sich zunehmend. Stunden lang sitzen Cynthia und Nathan neben ihm, trocknen ihm die Stirn oder legen ihm kühlende Waschlappen darauf. Wacht er auf, beruhigen sie ihn und zeigen ihm, dass er nicht alleine ist.
An diesem Tag gibt es Hoffnung für Nathan und Cynthia. Kristen hat das Gegenmittel gefunden, unter ständiger Aufsicht wird es Lucas nun verabreicht. Am nächsten Morgen bricht Lucas Stündlich, sein Fieber steigt weiter an, er verträgt das Mittel nicht. Doch Kristen kann die Zwei beruhigen, versichert ihnen, das es wahrscheinlich nur noch an der richtigen Kombination und Dosis der Medikamente in Verbindung mit dem Gegengift ankommt. Was Nathan zudem sehr beschäftigt sind Lucas fiebrigen Träumen, in denen er immer wieder nach seinem „Dad" ruft. Schon bei Carols Lieblingslied hat er gemerkt, das Lucas Gegenwart seine Trauer mildert, sie nicht mehr ganz so schmerzhaft ist. Aber in diesen Tagen erinnert ihn Lucas daran, wie eng ihre Beziehung einmal war und gleichzeitig, dass sie es wieder werden könnte.
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Auch am nächsten Abend sitzen Cynthia und Nathan an Lucas Bett. Aber diesmal ist die Stimmung anders, Kristen und der Professor wenden das Medikament an, an dessen Zusammenstellung sie so fiebrig gearbeitet hatten. Und diesmal gelingt der Versuch. Langsam aber stetig verbessert sich Lucas Zustand. An einem Abend sprechen Nathan und er sich richtig aus, Nathan versucht Lucas seine widersprüchlichen Gefühle zu erklären und insbesondere durch den Abend, an dem sie zusammen gesungen haben, versteht und verzeiht er ihm. Nathan dagegen hat sich endgültig für die Zukunft entschieden.
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Die nächsten zwei Wochen verbringen Nathan und Lucas auf der Insel. Sie sind darin übereingekommen, dass Lucas seinen Landurlaub mit dem Captain auf der Insel verbringen und somit wieder völlig zu ihm ziehen soll. So fahren sie einige male zu Cinthia, um Lucas restliche Sachen in sein altes Zimmer zu bringen. Lange haben sie überlegt, ob sie nicht woanders hinziehen sollen, sich dann aber dagegen entschieden. Dieser Abschied soll von Carol und Robert, nicht aber von ihrer Vergangenheit sein. Bei ihrem letzten Besuch bei Cynthia gehen sie zusammen zu Pati´s und am letzten Tag des Urlaubs, direkt vor ihrer Abreise zur seaQuest zu Robert und Carols Grab. Nach einer Weile geht Lucas zum Wagen zurück, um Nathan noch eine Weile alleine zu lassen.
***************
Nathan geht erst zu Roberts Grab. Langsam streicht er über den Spruch, der in den Grabstein geprägt ist.
*
Immer wenn wir von dir erzählen, fallen Sonnenstrahlen in unsere Seele.
Unsere Herzen halten dich umfangen,
so, als wärst du nie gegangen.
*
Diesen Spruch hatten Carol, Lucas und er damals gemeinsam ausgesucht.
„Robbi, du fehlst uns, mir und Lucas. Er vermisst seinen großen Bruder und ich vermisse mein Kind. Ich bin so stolz, dein Vater zu sein, du warst ein wundervoller Mensch. Wo immer du bist, ich weiß, du wirst es gut machen. Ich werde wiederkommen, wenn wir das nächste Mal an Land sind. Aber jetzt muß ich mich erstmal um Kiddo kümmern. Unser Kleiner ist allmählich zum Teen geworden und zu einem hübschen noch dazu, also, bis dann, mein großer!"Leise lächelt Nathan. Dann geht er zu Carols Grab, das nur ein paar Schritte entfernt liegt, und kniet sich davor. Ihr Grabstein ist sehr schlicht, kein Spruch, nur eine große, aufgehende Sonne ist über ihren Namen, Geburts- und Todesdatum in den schwarzen Stein geritzt.
*
Du hast jeden Raum
mit Sonne geflutet
hast jeden Verdruss
ins Gegenteil verkehrt
Du hast der Fügung
deine Stirn geboten
hast ihn nie verraten
deinen Plan vom Glück
*
„Carol!"Er streicht über ihren Namen. Du hast gewollt, dass ich mich um Lucas kümmere. Ich konnte es nicht. Aber jetzt werde ich es tun, das verspreche ich dir."Er macht eine Pause.
Als er weiter spricht, klingt in seiner Stimme Trauer, aber keine blinde Verzweiflung mit. „Ich vermisse dich so sehr! Du bist jetzt bei Robbi, aber ich weiß, dass wir uns wieder sehen, werden, nur noch nicht wann. Irgendwann werden wir alle wider zusammen sein, wir müssen nur fest daran glauben. Hab, keine Angst, ich passe gut auf den Kleinen auf! Ich liebe dich, Carol."
Langsam erhebt Nathan sich um zum Auto zu gehen, vordem Lucas wartet. Lange und schweigend umarmen sie sich, dann machen sie sich gemeinsam den Weg zur seaQuest.
*
Ich geh hier nicht weg
hab meine Frist verlängert
neue Zeitreise
offene Welt
Habe dich sicher
in meiner Seele
ich trag dich bei mir
bis der Vorhang fällt
Ich trag dich bei mir
bis der Vorhang fällt
*
ENDE
*********************** PS.: Wenn ihr es lest, gibt mir doch bitte review! Schließlich ist eure Rückmeldung, Kritik, Besserungsvorschläge etc. sozusagen mein Gehalt!
Lg. snuggles
Autor: Snuggles
Teil 3/3
Disclaimer: Die Ausschnitte des Liedes "Der Weg"sind von Herbert Grönemeyer. An diesem, sowie an `My heart will go on` aus Titanic habe ich keinerlei Rechte. (Das ich keine Rechte an seaQuest habe dürfte ja bekannt sein, wenn es sich ändert, gebe ich bescheit.)
Info: Ich weiß, dass Roberts Leiche nie gefunden wurde, aber das finde ich einfach zu schrecklich für die Eltern. Auch ansonsten habe ich einiges verändert, aber das werdet ihr schon merken!
@ Kiddo: Danke- und ich freu mich schon! Hoffe du bist auf blaue Flecke oder zumindest Rückenschmerzen vorbereitet, den diesmal werde ich Mona NICHT als erstes nehmen- es sei denn Renke teilt sie mir zu ohne zu fragen. * Seufzt und sich in Gedanken den Igelball einsteckt*
@ Jury: Danke! Und ja, er ist eine untreue Tomate.
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5 Wochen später ist auf der kleinen Insel alles wie immer. Mit Ausnahme von Robert, der vor 3 Wochen einen Job als Ensign auf einem militärischem U- Boot angenommen hatte. Sein Traum, unter Wasser zu arbeiten, scheint sich also zu erfüllen. Die Beziehung zu Chantall hat sich bewährt. Zwar ist sie von seiner Arbeit nicht so begeistert wie er, möchte ihrem Freund aber auch nicht seinen großen Traum zu nichte machen.
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Carol liegt am Strand, genießt die Sonne, krault Pati hinter den Ohren und schaut Nathan und Lucas zu, die gegen die Wellen um die Wette schwimmen. Darwin schwimmt vor und hinter ihnen her. Langsam steht sie auf und geht ins Haus, um Essen zu machen.
Fünfzehn Minuten später klingelt das Vidphone. Mit einem schlechten Gefühl im Bauch geht Carol dran. Seit Robert auf dem U- Boot ist, macht sie sich Sorgen um ihn. „Carol Bridger?"
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„Sag mal, Cap, wann gibt's eigentlich Essen?"Lucas lässt sich erschöpft in den warmen Sand sinken, streckt Arme und Beine aus und blinzelt in die Sonne zu Nathan.
Der lacht und lässt sich neben ihm nieder. „Tja, wenn ich mich recht erinnere, wollte ein bestimmter Teen heute mal kochen."
„Ohh."Lucas grinst schelmisch.
„Hab ich glatt vergessen!"
„So was! Aber wenn du Glück hast, gibt Darwin dir ein paar von seinen Fischen ab."
„Ha, ha!"Lucas rümpft die Nase und Nathan lacht.
„Aber ich glaube, Carol meint es heute gut mit dir. Sie ist vor einer halben Stunde mit Pati rein gegangen und dann kurz wieder raus gekommen."
„Und?"
„Sie hatte eine leere Pommestüte in der Hand."
„Was bist du doch für ein scharfer Beobachter, Cap! Ob sie noch drinnen ist?"
„Ich denke schon."
„Na dann los!"Lucas rappelt sich auf und läuft ins Haus.
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„Dad, komm schnell, Dad!"
Nicht nur der besorgte Ton in der Stimme des Jungen warnt den Captain. In den letzten Jahren hatt Lucas ihn Cap genannt. Nur in besonderen Gefühls- und Angstsituationen verfällt er nach wie vor auf das Dad.
„Carol! Was ist passiert? Carrol, bitte, sag doch was."Nathan hebt die, am Boden in sich versunkene Carol auf und legt sie auf das Sofa. Vorsichtig streichelt und tätschelt er ihre Wangen.
Als sie spricht, ist ihre Stimme heiser, sie muss ich zum reden überwinden. „Robert ist Verunglückt."
Starr vor Schreck starren Nathan und Lucas auf die Frau. Endlich fragt Nathan, und seine Stimme ist nicht weniger belegt als Carols. „Was?"Er schluckt schwer, der Kloß in seinem Hals scheint ihn ersticken zu wollen.
„Admiral Noyce hat eben angerufen. Roberts Boot ist verunglückt. Es hat niemand überlebt."Langsam fängt sie an zu Schluchzten, sie beginnt zu begreifen.
Nathan geht in die Knie. Sein Gesicht wirkt plötzlich leer, der Glanz in seinen Augen ist verschwunden. Noch unfähig zu verstehen und zu weinen, nimmt er seine Frau in die Arme. Leicht wiegt er sie hin und her, hört aber auf, als ihm klar wird, das er dies immer bei Robert getan hatte, wenn er traurig war, oder vor etwas Angst hatte, ihm etwas Kummer bereitete.
Unglücklich und hilflos steht Lucas neben den beiden. Wie gerne hätte er jetzt jemanden, an dem er sich festhalten kann, wie gerne würde er gerade diesen beiden Menschen helfen, aber er traut sich nicht etwas zu sagen, möchte die fassungslosen Eltern nicht auch noch mit seinen Ängsten und seiner Trauer zu belasten. Also lässt er seine Tränen stumm die Wangen hinunterlaufen.
Nathan streicht Carol über die Haare. Ihr Weinen und Schluchzten wird immer stärker, bis sie kraftlos in Nathans Armen zusammen sinkt. Vorsichtig trägt er sie vom Sofa ins Bett und ruft einen Arzt, der verspricht, sofort zu kommen. Dann lässt er sich in einen Sessel sinken.
Lucas steht noch immer da, alleine, verzweifelt. Er versucht, sein Schluchzen hinunter zu schlucken, schafft es aber nicht ganz.
Nathan schaut auf. Als er Lucas sieht, versetzt es ihm einen Stich ins Herz. „Kiddo!"Mühsam steht er auf, geht zu dem blonden Jungen hin, kniet sich vor ihn, umfasst erst seine Arme und schließt dann den 13 Jährigen in die Arme. So halten sie sich lange aneinander fest und allmählich kommen auch Nathans Gefühle hoch. Langsam beruhigen sie sich, aber das ungläubige Entsetzen weicht auch eine halbe Stunde später, mit eintreffen des Arztes, nicht aus ihren Gesichtern.
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Zwei Wochen nach dem Unglück wird Roberts Leiche gefunden. Die nächste Zeit wird die Schlimmste in Nathans, Carols und Lucas bisherigem Leben. Gemeinsam versuchen sie es zu begreifen, sich an Robert zu erinnern und Abschied zu nehmen. Aber für die Eltern und den Bruder ist es so schwer, nicht nach dem Warum zufragen. Wie soll alles auf der Welt einen Sinn haben, wenn dir das Teuerste und Liebste genommen wird? Dennoch wollen sie Robert in würdiger und liebevoller Erinnerung behalten. Aber noch etwas treibt die Erwachsenen dazu, Stärke und Schwäche gleichermaßen zu zeigen und sich zu bemühen, das Leben weiter zu leben: Sie wissen, das Robert gewollt hätte, das sie es schaffen, gemeinsam mit Lucas. Und dennoch, es würde seine Zeit dauern. Zusammen gestalten sie Roberts Beerdigung, suchen seine Lieblingslieder und Sprüche heraus. Drei Tage vor der Beerdigung sitzen Carol und Nathan im Wohnzimmer. Auf dem Tisch vor ihnen liegt Roberts Gitarre. Vor fünf Jahren hatten Robert und Lucas beide Gitarrenunterricht bekommen. Sie spielten zwar beide sehr gut, aber Robert hatte in dieser Beziehung eine besondere Begabung. Wenn er spielte, konnte sich jeder in die Lieder hineinführen. Auch Lucas hatte eine Gitarre bekommen, die ihm vor einem halben Jahr auf die Steine gefallen und kaputt gegangen war.
Lucas kommt die Treppe hinunter und stutzt. Bevor er etwas sagen kann, steht Nathan auf und nimmt die Gitarre hoch.
„Kiddo, wir möchten, das du sie bekommst."
„Nein!"Lucas geht drei Schritte zurück.
„Das, das geht nicht, sie gehört Robert!"Stottert Lucas.
„Ja, Lucas."Auch Carol steht auf. Noch immer schwerfällig, wie mit einer großen Last auf den Schultern. „Sie hat ihm gehört und er hätte gewollt, dass du sie bekommst."
„Warum?"
„Weist du, bei deiner Geburt, da war er so glücklich. Er hat sich so sehr auf einen kleinen Spielkameraden gefreut. Und du warst mehr als das für ihn. Du bist sein Bruder, und das wirst du immer bleiben. Außerdem spielst du wunderschön!"
Lucas blaue Augen sind feucht, mit Gewalt hält er die Tränen zurück. „Nicht so gut wie er."Lucas nimmt die Gitarre, streicht vorsichtig über die Seiten und läuft dann die Treppen hoch in sein Zimmer.
***************
Am Tag der Beerdigung ist die Kleine Kapelle am Friedhof voll. Und auch draußen stehen Freunde, Verwandte und bekannte von Robert. Ganz vorne, in einer Ecke sitzt Chantall. In den letzten Tagen war sie oft auf der Insel in Roberts Zimmer gewesen. Stunden lang hatte die junge Frau einfach auf Roberts Bett gesessen, hatte sich seine Musik angehört und nachgedacht. Immer wieder waren ihr Bilder in den Kopf gestiegen. Anfangs Bilder von Robert allein, wenn er ihr nahe war, sie berührte. Dann hatte sie immer öfter an Situationen gedacht, an denen sie mit Robert zusammen bei seiner und ihrer Familie war. Daran, wie aufgeregt er anfangs, in den Skiferien, war, wenn er ihren Eltern begegnete. Aber das hatte sich gelegt, sie hatten ihn sehr schnell akzeptiert und auch sehr gemocht. Und dann von den Abenden, an denen Robert, Lucas und des öfteren auch Nathan gemeinsam für sie Gitarre spielten und die Jungen sangen. Wie oft hatte sie darum gebeten, Lucas und Robert hatten warme, zu einender passende Stimmen.
Auch Cynthia ist da. In den letzten Jahren ist sie regelmäßig zu Besuch gekommen, und auch Lucas hat sie besucht. Aber der tiefe Kontakt zueinander ist mit der Zeit etwas verloren gegangen. Sie sind nur Besucher in dem jeweiligen Zuhause des anderen. Cynthia umarmt die drei ohne ein Wort. Aber sie wissen, was sie ausdrücken möchte.
Der Pfarrer beginnt eine kurze Rede, dann kommt Nathan nach vorne. Er schaut in die Gesichter. Chantalls Tränen sind fort, stumm und regungslos schaut sie ihn an. Cynthia hat einen Arm um ihren Sohn gelegt, auch Lucas Augen sind auf Nathan gerichtet. Carol blickt ins Leere.
Mit klaren kurzen Worten beginnt Nathan seine Rede. „Robert hatte zwei ganz besondere Talente."Nathan schluckt. „Das eine ist der Umgang mit Menschen. Er konnte Gefühle zeigen. Ohne zu fragen hat er Liebe und Freundschaft genommen und zurückgegeben."Wieder schweift sein Blick zu Chantall, dann zu Roberts Freunden.
„Seine zweite, große Begabung war sein Gitarrenspiel. Wenn Robbi gespielt hat, wusste jeder, was er ausdrücken wollte."Wieder schluckt er, streicht sich eine Träne aus dem Gesicht.
„Menschen die wir lieben, sind wie Sterne.
Sie können funkeln und leuchten,
noch lange nach ihrem erlöschen."
Er macht eine Pause. „Aber wie sollen wir begreifen, dass unser Sohn gehen musste? So jung und ohne uns? Ich kann es nicht verstehen aber ich weiß, dass Robert immer strahlen wird, solange er in uns ist. Und das wirst du sein mein Junge, weil wir dich lieben."
Lucas geht nach vorne. Nathan streicht ihm ermutigend über die Schulter, dann geht er zu seinem Platz. Lucas beginnt, etwas zögerlich. „Es gibt ein Sprichwort, das sagt, das Wichtigste an einem Lied steht nicht im Text. Robert konnte mit der Gitarre Gefühle ausdrücken. Dieses Lied hier ist für dich, Robbi, obwohl ich es nicht so gut kann wie du."Der Teen lässt die Tränen, für die er sich normalerweise sicher geschämt hätte, laufen und spielt. Niemand gibt einen Ton von sich. Lucas spielt nur eine Melodie, aber sie gibt all seine Gefühle, die Trauer aber auch Freude in den Gedanken an Robert, besser wieder, als er es mit Worten könnte. Als er geendet hat, erheben sich als erstes Carol und Nathan, dann gehen alle hinaus an Roberts Grab.
Bei der Trauerfeier bittet Cynthia Nathan, kurz alleine mit ihr zu sprechen und sie gehen in einen kleinen Nebenraum.
„Nathan, das hier ist alles so schlimm für dich und Carol. Was ich sagen möchte..."
„Ja?"
„Wenn ihr erst mal für euch alleine sein wollt, es ist kein Problem für mich, Lucas eine Zeit zu nehmen, immerhin ist er mein Sohn..."
Lucas, der die Gitarre in den Raum bringen wollte, stockt der Atem.
„Nein!"Nathans Stimme hat einen festen, sicheren Klang und Lucas atmet auf. „Lucas ist genau so mein Kind wie Robert und sie sind zusammen aufgewachsen."Ein schmerzlicher Ausdruck tritt in seine Augen. „Lucas muss es genauso verarbeiten wie Carol und ich. Es wird für uns alle leichter sein, es gemeinsam durch zu stehen."Cynthia nickt ihr Einverständnis und Lucas geht erleichtert und dankbar wieder zurück.
**************
Im laufe des Jahres normalisiert sich Carol, Nathan und Lucas Leben wieder. Allmählich finden sie zu einem lockeren und fröhlichen Ton zurück. Der schmerzliche Ausdruck in Nathans Augen tritt nur noch manchmal, mit der Erinnerung an Robert auf. Allerdings hat Nathan Carol versprechen müssen, nie wieder unter Wasser zu arbeiten.
*************
Doch 5 Monate nach Lucas 14. Geburtstag passiert etwas, das besonders Nathan vollständig aus der Bahn wirft. Carol geht es nicht gut. Über den Tag hinweg wird es schlimmer, sie bricht und fiebert. Nathan wird immer unruhiger, möchte sie ins Krankenhaus bringen oder einen Arzt kommen lassen. Aber es gewittert und der Sturm wird so stark, das die Überfahrt des Meeres unmöglich ist. Als der Arzt am nächsten Morgen kommt, diagnostiziert er einen nicht heilbaren Virus. Carol wird sterben. Carol reagiert relativ ruhig und gefasst. Nathan dagegen kann es nicht glauben. Er weint, schreit, gerät völlig außer sich. Doch dann beruhigt er sich, geht zu Carols Bett, setzt sich neben sie und streichelt ihre Stirn.
„Carol du wirst sehen, wir schaffen dass! Du darfst nicht aufgeben."
Trotz allem lächelt Carol. Sie weiß, dass ihr Mann mehr sich selbst als sie zu beruhigen versucht.
Wieder steht Lucas hilflos daneben. Und er bräuchte Trost. Aber diesmal kann Nathan ihm den nicht geben. Carol streckt die Hand nach dem Jungen aus. „Nathan, las uns bitte einen Moment allein."
„Was?!"Zärtlich berührt sie seine Hand.
„Bitte."
„Also gut."Nathan gibt seiner Frau einen Kuss auf die Stirn und verlässt den Raum.
„Komm her, Kiddo."
Lucas schaut Carol aus seinen großen, verweinten Augen verwundert an. Es ist das erste Mal, das sie ihn so nennt. Der Teenager nimmt ihre Hand und setzt sich zu ihr.
Vorsichtig nimmt sie ihn in die Arme.
„Kiddo. Weist du eigentlich, wie lieb ich dich hab?"Lucas weinen wird heftiger, er schluchzt.
„Hey, schon gut."Sie streicht ihm die Tränen von den Wangen.
„Versprichst du mir was?"
„J- ja?"
„Du musst jetzt stark sein, stark für Nathan. Er braucht dich jetzt. Ich bin mir nicht sicher, wie er damit klarkommt, wenn ich nicht mehr da bin." Erschöpft holt sie Luft. Dieser Ausdruck in ihren Augen, als sie Lucas so anschaut, ist es, den er nie wieder vergessen wird.
„Kiddo, ich weiß, du bist erst 14. Aber du bist der Einzige, der Nathan jetzt helfen kann. Er darf sich nicht vergraben. Er liebt dich. Zeig ihm dass du da bist. Auch wenn er hier weg will, bleibe bei ihm. Versprichst du mir das?"
Lucas Stimme klingt ernst und sicher.
„Ich verspreche es dir."
„Bitte, hol Nathan..."Carols Stimme ist schwach.
Nathan betritt den Raum, die Tränen laufen ihm über die Wangen.
„Carol!"
„Nathan!"Mit aller Kraft, die sie noch aufbringen kann, lächelt ihm Carol zu. „Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich dich liebe, Nathan, es ist..."
„Schon gut. Ich weiß es, weil ich dasselbe für dich empfinde."
„Ich gehe jetzt zu Robert, Nathan. Aber ich warte auf dich. Ich weiß, wir werden uns wieder sehen, aber noch nicht gleich. Kümmere dich um Lucas..." Weiter kommt sie nicht, die Stimme versagt ihr, Nathans Frau stirbt.
Nathan sinkt am Boden zusammen. Er schluchzt, weint, fleht, bittet. Er bittet so sehr. Aber sie stirbt.
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Ich kann nicht mehr sehn
Trau nicht mehr meinen Augen
kann kaum noch glauben
die Gefühle haben sich gedreht
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An die folgenden Tage können sich weder Nathan noch Lucas richtig erinnern. Carols Beerdigung ist für Nathan Trost- und Hoffnungslos. Erneute Umarmungen, Händedrücke, Beileidsbekundungen.
Vor dem offenen Grab kniet Nathan nieder. „Carol!"
Lucas geht zu ihm. Zaghaft streicht er ihm über die Schulter. Wie gerne hätte er diesen Mann jetzt in den Arm genommen. Aber Nathan steht auf. Gebeugt geht er an den Leuten vorbei. Er möchte jetzt alleine sein, nicht zur Trauerfeier gehen. Aber er muss.
Cynthia geht auf Nathan zu. „Nathan, ich weiß, du möchtest es nicht, aber wenn du erst mal Abstand brauchst, ich kann Lucas jeder Zeit zu mir nehmen."
Lucas, der das gehört hat, kommt zu ihnen.
Langsam schaut Nathan hoch. „Vielleicht währe das erst mal das Beste."
„Wie bitte? Das ist doch nicht dein Ernst! Sag, das dass nicht dein Ernst ist!"Entsetzt schaut Lucas in das bekannte Gesicht.
„Es tut mir leid, Lucas, aber ich glaube nicht, dass ich im Moment der Richtige bin, um für dich zu sorgen."
„Dad, das schaffen wir doch!"Die Tränen treten dem Jungen wieder in die Augen.
„Nein, Kiddo, diesmal nicht. Diesmal bin ich einfach am Ende."Traurig dreht sich Nathan um und geht raus. Er muss jetzt für sich sein.
Lucas steht wie angewurzelt neben seiner Mutter. Mehr zu sich selbst, als zu ihr spricht er.
„Er meint es nicht so. Er beruhigt sich wieder. Er ist noch nie einfach weggelaufen. Ich kann ihn doch jetzt nicht alleine lassen!"
„Lucas!"Cynthia versucht ihren Sohn in die Arme zu nehmen.
„Er muss einfach erst mal trauern, er hat seine Familie verloren."Lucas reißt sich los.
„Und ich? gehöre ich vielleicht nicht zu seiner Familie?"Lucas rennt raus und lässt eine niedergeschlagene Cynthia zurück.
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Bill Noyce tritt von hinten an Nathan heran. „Nathan?"
„Ja?"Nathan wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und dreht sich um.
„Hör mal, ich muss jetzt gehen. Im Auftrag der UEO muss ich dich vorher aber noch um etwas bitten, obwohl ich weiß, das du ablehnen wirst."
„Um was geht es?"
„Ich soll dich wissen lassen, dass die seaQuest noch immer einen neuen Captain braucht, und du der Mann wärst, denn wir bräuchten."
Nathan zögert. „Du weist, was ich meiner Frau versprochen habe..."
„Ja, natürlich. Es war mir klar, das du nicht zusagen würdest. Also dann, Nathan, auf wiedersehen."Der Admiral dreht sich um, aber Nathan hält ihn auf.
„Warte einen Moment, Bill. Ich nehme an."
Sicher, sich verhört zu haben, schaut Bill Noyce den Captain an. „Wie bitte?"
Scheinbar ruhig steht Nathan da.
„Ich nehme das Angebot an. Vielleicht ist es gerade jetzt gut, mich abzulenken."
„Ja, aber was wird aus Lucas?"
„Er wird eine Zeit zu seiner Mutter ziehen. Ich wäre ihm jetzt sicher kein guter Vater."
„Ich weis nicht, Nathan..."
Energisch schaut Nathan Noyce ins Gesicht.
„Was ist, willst du mich nun als Captain, oder nicht?"
„Doch, natürlich."
„Dann wäre das ja geklärt. Wann kann ich anfangen?"
Überrumpelt antwortet Admiral Noyce.
„In zwei Tagen, wenn du willst."Und fügt hinzu:
„Dann dockt die seaQuest hier in der Nähe des Hafens an, da können wir uns treffen."
„In Ordnung, jetzt lass mich bitte noch einen Moment allein, Bill."
„Also gut, dann bis übermorgen."
„Tschüß."
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Ich bin viel zu träge
Um aufzugeben
Es wär auch zu früh
Weil immer was geht
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Zwei Tage später, sehr früh am Morgen, starrt Lucas Nathan an, als wäre dieser nicht bei Sinnen. Der Junge ist noch im Schlafanzug, Nathan hat ihn gerade heruntergerufen und ihm eröffnet, dass er in zwei Stunden am Hafen sein müsste.
„Du gehst weg, jetzt?!"
Cynthia steht neben Nathan und schaut besorgt auf ihren Sohn.
„ Entschuldige, Lucas, ich kann nicht anders, ich muss einfach eine Weile fort."Nathan fasst den Jungen an den Schultern. Deutlich kann Lucas den Schmerz und die Trauer in Nathans Augen lesen. Er schaut ihn flehend an, aber der ältere Mann schüttelt den Kopf.
„Nein, Lucas."
„Dad!"Mit Gewalt reißt Nathan sich von den bittenden blauen Augen los, und verlässt das Haus mit seinem Gepäck.
Lucas steht da, unfähig, etwas zu tun. Als er endlich begreift, ist es zu spät. Nathan ist auf dem Weg zur seaQuest.
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2 Jahre später klingelt ein ca. 16 jähriges, dunkelhäutiges Mädchen, mit langen, schwarzgelockten Haaren, an dem kleinen, aber modernen Haus, indem Lucas mit Cynthia und ihrem Mann wohnt.
Nachdem sie einige Male vergeblich geläutet hat, geht sie um das Haus herum, ein Stück durch den Wald, bis zu einer kleinen Lichtung. Als sie einen blonden Jungen vor einem kleinen Hügel mit einem neuen, hölzernen Kreuz darauf, Knien sieht, lächelt sie und geht zu ihm.
„Hier steckst du also, Lucas. Hast du vergessen, das wir verabredet waren?"Sie schaut ihm in das verweinte Gesicht und stockt. In dem halben Jahr, seit dem sie zusammen sind, hat sie ihren Freund noch nie weinen sehen, egal in welcher Situation. Vorsichtig legt sie einen Arm um ihn.
„Hey Lucas, was ist los mit dir? Und was ist das?"Sie nickt zu dem kleinen Hügel, auf den Lucas unentwegt starrt.
Als er antwortet, klingt seine Stimme ungewohnt rau und traurig.
„Pati. Sie ist vor einer halben Stunde gestorben. Entschuldige, ich hab vergessen, dir Bescheid zu sagen..."
Sie schluckt. „Schon gut."
Er sieht ihr ins Gesicht und weiß, was sie fragen möchte.
„Ich war mit Simon beim Basketball. Die Tür war nicht richtig zu. Ich denke, sie wollte mir nach. Sie hat sich nie daran gewöhnt, alleine zu sein. Früher war sie, wenn ich nicht da war, auf der Insel."Er unterbricht sich und schluckt schwer. Dann fährt er fort und seine Augen haften an dem Kreuz.
„Jedenfalls ist sie über die Straße gelaufen und überfahren worden. Mein Nachbar hat sie gefunden und zu uns gebracht. Ich bin gerade gekommen und hab sie gesehen..."Wieder laufen ihm einzelne Tränen über die Wangen, beschämt wischt er sie weg.
Josophin merkt seine Verlegenheit und streichelt seinen Rücken. „Es ist OK, Lucas, ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Du hast sie seit du klein warst und ihr habt sehr aneinander gehangen."
„Ja, aber das ist es nicht nur. Es ist..."Wieder unterbricht er sich.
„Was ist es, Lucas?"Ich weiß, dass sie nicht nur ein Haustier für dich war. Woran erinnert sie dich?"
„An Nathan. Ich habe sie von ihm bekommen, als ich das erste Mal eine Klasse übersprungen habe."Er macht einen Moment Pause, dann fährt er fort.
„Ich weiß noch genau, wie viel Angst ich davor hatte, alleine in die Schule und in die fremde Klasse zu gehen. Aber dann hat mich Nathan abgeholt. Es war einer der Momente, an denen ich genau wusste, das es für ihn keine Rolle spielt, das ich nicht sein leiblicher Sohn bin."Er lächelt bitter.
„Jedenfalls dachte ich das, bis sich gezeigt hat, dass die Verbindung zu seinem wirklichen Sohn Robert und seiner Frau Carol enger und die Gefühle zu ihnen stärker als zu mir waren. Oder hätte er Robbi alleine gelassen?" Lucas Stimme ist immer trauriger geworden. Bisher hat Lucas das Thema Vergangenheit in Gesprächen immer zu vermeiden gesucht. Josephin ist die einzige, der er hin und wieder etwas zu erzählen bereit war. Aber auch das nur spärlich und möglichst sachlich. Nur seinen Gesichtsausdrücken und unbemerkten Bemerkungen hatt Josephin entnehmen können, wie sehr ihr Freund sein früheres Leben, Carol, Robert, Nathan und Darwin vermisst. Sie ist froh, dass er sich ihr nun endlich anvertraut und möchte ihn nicht in seinen Gedanken unterbrechen.
„Pati war die einzige, die mir noch geblieben ist. Aber ich habe sie enttäuscht. Ich habe die Hintertür nicht kontrolliert. Nathan hat sie mir anvertraut. Ich habe ihm versprochen, mich um sie zu kümmern und ich hab es gebrochen."Josephin merkt, das er das Schluchzten unterdrückt. Seine Stimme zittert.
„Kurz bevor sie gestorben ist, habe ich Carol versprochen, für ihn da zu sein und ihm zu helfen, weiter zu leben. Und auch das konnte ich nicht. Lawrence hatte Recht, mich zu ignorieren. Ich tue allen nur weh."
„Lucas!"Fest nimmt sie ihn in die Arme.
„Ich liebe dich. Und ich bin mir siecher, dass der Captain das auch tut. Und was deine Frage von eben anbelangt, hätte Robert noch gelebt, hätte er sich um ihn kümmern müssen. Vielleicht wäre das für ihn auch besser gewesen. So flieht er vor dem Schmerz, sie verloren zu haben."
Einen Moment knien die Zwei noch vor dem Grab, dann rappelt sich Lucas auf. Seine Stimme klingt härter und sturer. Grob wischt er sich die Tränen mit dem Ärmel bei Seite, seine Hände steckt er in die Hosentasche.
„Wie auch immer. Ich war ihm egal, Jetzt brauche ich ihn auch nicht mehr." Er atmet tief durch, dann schaut er Josephin an und lächelt.
Sanft nimmt er ihre Hand in seine, die Andere ruht noch immer in seiner Tasche. Als er wieder spricht, klingt seine Stimme ruhiger und zärtlicher.
„Außerdem habe ich ja jetzt dich Jo, und ich weiß, das du mich nicht einfach verlassen würdest."Sie küsst ihn und nimmt sich vor, ihn noch einmal darauf anzusprechen, wenn er den Tot des Schweinchens überwunden hätte.
**************
Als Lucas am nächsten Tag nach der Schule das Haus betritt, sitzt seine Mutter bereiz im Wohnzimmer.
„Mom, was machst du denn schon hier?"
„Komm, setz dich her, Lucas."
Misstrauisch setzt der Junge sich. Gewöhnlich, wenn sie diesen Ton anschlägt, geht es um seine Häckerrein, oder ähnlich Unerwünschtes. Aber Lucas ist sich sicher, keine wichtigen Codes geknackt zu haben, seit er vor drei Wochen seinen Collageabschluss geschafft und ein Praktikum bei der Delphintherapie begonnen hat.
„Lucas, wir müssen über deine Zukunft sprechen. Hast du dich schon für eins der Angebote entschieden?"
„Wieso fragst du? Du weist doch, das ich eigentlich weder zum FBI noch zur National Security oder einer der anderen großen Firmen gehen möchte. Deshalb hab ich das Praktikum ja begonnen. Als Computerspezialist zu arbeiten ist ja noch mal was anderes, aber ich hab doch keinen Bock, immer nur irgendwelche dämlichen Codes für andere zu knacken. Das mach ich in meiner Freizeit, das brauche ich im Beruf nicht."
Cynthia lässt sich kein weiteres Mal von ihrem Sohn provozieren. Außerdem liegt der schwierigste Teil der Unterhaltung noch vor ihr. „Hör zu, Lucas. Du weist, dass wir Probleme haben. Du gibst mir die Schuld daran, dass Nathan gegangen ist. Und vielleicht hast du Recht damit, wenn du sagst, ich hätte es ihm in dem Moment nicht anbieten dürfen. Auch wenn du es nicht verstehen kannst, ich habe es als meine Pflicht gesehen, ihm anzubieten, ihn zu entlasten."
Mit aufbrausender Stimme unterbricht der Teen sie.
„So ist das also, das einzige, was ich für dich bin, ist eine Last. Ja, früher war Nathan da, zudem du mich geben konntest. Und ich war glücklich dort. Wir waren eine Familie. Aber du hast ihn aufgefordert, mich zu verlassen. Was natürlich wirklich edel von dir wahr, mich dir freiwillig wieder auf zu halsen. Aber du hattest nicht damit gerechnet, dass er wirklich geht, nicht wahr? und jetzt wird es dir zu viel? Was willst du machen? Mich zu Lawrence schicken? Einen Nathan gibt es ja nicht mehr, sonst hattest du das doch schon bei eurer Scheidung getan!"Lucas unterbricht seinen Redeschwall und Cynthia atmet tief durch.
„Ich weiß, wie du dass jetzt auffassen wirst, aber Admiral Noyce und ich denken, das es gut wäre, wenn du eine Zeitlang etwas Abstand von deinem Alltag gewinnen würdest. Du wirst für eine Weile auf ein U- Boot gehen."
Ein paar Sekunden dauert es, dann weicht der Schock, Lucas findet seine Sprache wieder.
„Sehr witzig! Du solltest dir etwas Glaubwürdigeres als angedrohte Strafe aussuchen!"
„Lucas, das ist kein Scherz, ich meine es ernst. Und da du noch nicht weißt, was du später tun möchtest..."
Da versteht er. „Moment, du hattest von Anfang an vor, mich da hin zu schicken. Es sollte aussehen, als würdest du auf mich eingehen, dabei war es von Anfang an geplant. Du steckst mich einfach zu irgendjemandem auf ein Boot, das du nicht kennst, zu einem Captain, den du nicht kennst? Bin ich dir so egal?"Er unterdrückt die Tränen, lässt der Wut freien lauf.
Doch dann sagt sie etwas das ihn hoffnungsvoll aufschauen lässt. „Lucas, es ist Nathan Boot."
Er streicht sich eine Haarsträne aus dem Gesicht.
„Ist es, wollte er, dass ich komme?"
Sie schaut zur Seite. „Sicher möchte er dich bei sich haben. Es ist nur..."
Lucas schließt die Augen. Als er sie wieder öffnet, drücken sie all seine Enttäuschung aus.
„Ich verstehe schon. Er ist dagegen, ihr habt es ihm aufgezwungen."
„Nein, so ist es nicht, er macht sich einfach nur Sorgen."
„Von wegen Sorgen, er selbst ist ja auch dort. Also gut."Langsam steht er auf, schaut seine Mutter in die Augen. Ich gehe auf das Boot. Aber glaube nicht, das ich mir von irgendjemandem etwas vorschreiben lasse."Damit geht er hinaus und knallt die Tür hinter sich zu.
***************
„Hallo Lucas."
„Hallo Cap."
Unschlüssig stehen die Zwei voreinander, keiner wagt, auf den anderen zuzugehen. Also dreht Lucas sich um, um seine Freundin noch einmal in die Arme zu schließen.
Etwas gezwungen lächelt der Captain. „Möchtest du mir nicht deine Freundin vorstellen?"
„Nathan, das ist Josephine Bradford, Jo, Nathan Bridger, Captain der seaQuest, auf der ich die nächste Zeit, getrennt von dir, verbringen darf."Seine Betonung des letzten Wortes, veranlasst Josephine dazu, eine kurze Unterhaltung mit dem Captain zu beginnen.
„Guten Tag, Captain, es freut mich, sie kennen zu lernen."Sie reicht ihm die Hand und er lächelt dem Mädchen zu.
„Es freut mich auch, dich kennen zu lernen. Es tut mir leid, das die seaQuest dir deinen Freund für eine Weile entführen wird."
Auch sie lächelt. *Ein eindrucksvoller Mann und der Ausdruck in ihm, in seinen Augen, ist Lucas so ähnlich.* „Schon gut, aber passen sie bitte gut auf ihn auf."
Ärgerlich, mit einem Seitenblick zu Nathan, sagt Lucas:
„Keine Angst, inzwischen brauche ich niemanden mehr, der auf mich aufpasst. Ich komme gut alleine zurecht."
„Natürlich Lucas, ich habe nicht vergessen, dass du gerade 16 geworden bist. Aber als Captain habe ich die Verantwortung für alle meine Leute. Es ist Zeit, euch zu verabschieden. Ich werde noch mal mit Manilo reden, er fährt mit dir in der sealunch. Ich komme dann nach. Auf wiedersehen, Josephine."
„Aufwidersehen, Captain."
******************
Zwei Wochen später sitzt die Seniorcrew der seaQuest beim Essen. Die Spannungen zwischen Lucas und dem Captain waren allgemein bemerkt, aber als typische Teenager Anpassungs- schwierigkeiten abgetan worden. Ansonsten hat Lucas sich besonders mit dem Moraloffizier Benjamin Krieg angefreundet, kommt aber auch mit den Anderen gut zurecht. Während des Essens streiten sich Kathi, Ford, Miguel, Krieg und Tim O'Neill darüber, was auf einem U- Boot das Wichtigste ist.
„Was sagen sie denn dazu, Captain?"Fragt Benjamin Krieg direkt. „Was ist wichtiger? Eine offene, freundliche Atmosphäre, oder die militärisch, präzise Ausfüllung der Pflichten?"
„Ich denke, ob Wissenschaft oder Militär, das Wichtigste in einer Mannschaft ist das Vertrauen und der Zusammenhalt."
Spöttisch lacht Lucas auf und verdreht unübersehbar die Augen. So kann niemandem entgehen, das er dem Captain keinen Glauben schenkt, was den Teil der Crew wundert, der Lucas und Nathans Vergangenheit gar nicht oder nur Ansatzweise kennt. Für den Moment lässt es Nathan dabei bewenden.
Erst nach dem Essen beordert er ihn zu sich und spricht ihn auf den Vorfall an.
„Lucas, was sollte das eben? Ich weiß, was du mir für Vorwürfe machst, und in vielem hast du Recht. Aber hier auf der seaQuest bin ich der Captain und als solchen hast du mich auch zu akzeptieren."
„Und wenn ich meine Meinung trotzdem sage? Schickst du mich dann weg? Pass auf, ihr bekommt noch richtig Übung darin. Dabei hatte ich immer wieder gehofft, dass du zurückkommst. Geburtstage, Weihnachten, mein Collage- Abschluss. Ich hab auf dich gewartet, aber alles was ich bekommen habe, waren Karten von dir."
Nathan geht einen Schritt auf den Jungen zu, bringt aber nur einen Satz heraus. „Es tut mir Leid, Lucas."
Bitter schaut Lucas ihn an.
„Was tut dir leid? Ich hatte Carol versprochen, bei dir zu sein, du hast mich gezwungen, es zu brechen. Tut dir das leid? Oder das ich tagelang auf Darwin gewartet habe? Als Cynthia dann unbedingt fahren wollte, hatte ich solange Angst um ihn, bis du geschrieben hast, dass er bei dir ist. Warum hast du ihn mir auch noch weggenommen?"
„Das habe ich nicht, Lucas. Er wollte es. Er hat gespürt, das ich ihn gebraucht habe."
„Ich hätte ihn auch gebraucht. Und ich hätte dich gebraucht. Ich währe überall mit hingekommen, aber du hast mich nicht gelassen, jetzt brauche ich dich nicht mehr, Captain!"Lucas dreht sich auf den Absatz um und läuft hinaus.
***************
Die nächste Woche ist die Stimmung zwischen Lucas und dem Captain noch gereizter. Lucas kann ihm nicht verzeihen und Nathan schwangt zwischen den väterlichen Gefühlen zu Lucas und dem Fliehen vor Erinnerungen.
Seit dem Nachmittag sitzt Lucas Wolenczak nun am Computer. Inzwischen ist es drei Uhr nachts. Plötzlich öffnet sich die Tür einen Spalt. Der Captain späht hinein.
„Habe ich doch richtig gesehen. Weist du, wie spät es ist?"
„Ja, warum?"Tut Lucas ahnungslos und tippt weiter.
„Das weist du ganz genau. Es wird Zeit, das du ins Bett kommst, sonst bist du morgen total überanstrengt."
Lucas hebt den Blick vom Bildschirm und schaut Nathan herausfordernd an.
„Na und? Die letzten zwei Jahre hat es dich doch auch nicht interessiert, wann ich ins Bett komme, also, warum kümmert es dich jetzt? Außerdem hast du mir nichts zu sagen, du bist nicht mein Vater."
Der Ausdruck in Nathan Gesicht wird traurig, aber auch härter.
„Wenn du nicht mein Sohn bist, hör auf mich anzuzicken, wie ein pubertierender Teenager seine Eltern. Und als dein Captain sage ich dir jetzt, das der Computer für heute für dich gesperrt ist, gute Nacht. Ach ja, ob es dir lieb ist oder nicht, ich kenne dich und daher werde ich es nachher noch mal kontrollieren, und dann winkt ein mehrtägiges Verbot." Der Captain verlässt den Raum und da auch Lucas ihn kennt, schaltet er den Computer aus, zieht sich um und legt sich müde ins Bett.
****************
Am nächsten morgen wird Lucas von Benjamin Krieg geweckt. „Hey, du Schlafmütze! Du solltest doch seit einer drei viertel Stunde bei Dr. Westphalen sein."
Lucas rappelt sich hoch. „Mist! Wetten, sie predigt mir eine halbe Stunde etwas über Pünktlichkeit? Sie sollte sich wirklich mal mit Nathan zusammensetzen, sie passen sicher gut zusammen."
„Apropro Captain, was war den gestern Nacht los, ich hab euch noch ziemlich spät gehört."
„Ach, ich hab mit Jo gechattet. Der Captain musste natürlich einen auf Babysitter machen und mich ins Bett schicken."
Ben setzt sich in einen Stuhl, während Lucas sich reckt.
„Wie lange seid du und Jo jetzt eigentlich zusammen?"
Lucas lächelt und wird im selben Augenblick rot. „Ein halbes Jahr."
„Und wie habt ihr euch kennen gelernt?"
„Ich glaube, das würde zu lange ausschweifen."
Ben grinst. „Ach was, Dr. Westphalen hat jetzt solange auf dich gewartet, da schaden die paar Minuten auch nichts mehr."
„Also gut."Lucas setzt sich auf die Bekannte und wippt mit den Füßen.
„Du weist, dass ich nach Carols Tot und Nathan Arbeitsanfang auf der seaQuest zu meiner Mutter gezogen bin. Da kam ich nicht sonderlich gut zurecht, mir hat alles noch sehr nachgehangen, Nathan war plötzlich nicht mehr da-"Wieder wird er rot, erzählt aber weiter.
„Das Collage, die fremden Leute, das Haus, ich fand alles nur ätzend, wollte zurück auf die Insel und zu meinen Freunden. Aus Protest hab ich mich von allen abgekapselt. Außerdem hab ich daran geglaubt, das ich ohnehin nicht lange bleiben muss. Bis drei ältere Jungen aus der Schule herausgefunden haben, das mit Computern umgehen kann. Sie haben mit ihrer Häckerei so herumgeprahlt, dass ich ihnen einfach zeigen musste, dass ich besser bin. Sie haben mich überredet, mich ihnen anzuschließen. Ehrlich gesagt haben wir viel Mist gemacht. Naja, eigentlich wollte ich nur meine Umwelt ärgern, deshalb hab ich mir auch die Haare schwarz gefärbt und den Ohrring stechen lassen. Zja und dann hab ich Jo getroffen. Ich war abends mit den drei Jungs unterwegs. Als sie uns entgegen kam, haben die drei angefangen, sie einzukreisen und wegen ihrer Hautfarbe zu beschimpfen. Ich weiß gar nicht, wie es passiert ist, aber ich hab versucht, die Jungs zu beruhigen, als sie mich angeschaut hat. Sie hat riesige schwarze Augen."
Verlegen streicht sich Lucas eine blonde Haarsträne aus dem Gesicht.
„Ich hab gespürt, dass sie ein ganz besonderer Mensch ist und hab mich ohne zu überlegen vor sie gestellt. Du kannst dir denken, was ich vor allem hinterher an den Kopf geworfen bekommen hab. Zum Glück sind zwei von ihnen bald von der Schule geworfen worden und der eine allein war echt feige. Aber erst mal waren sie ziemlich perplex. Da hab ich sie an die Hand genommen, einen beiseite gestoßen und bin mit ihr drauf los gerannt."
Einen Moment holt er Luft, dann ergänzt er.
„Glaub mir, ich war total verlege, hab mich für die anderen entschuldigt, aber sie hat sich einfach nur bedankt. Ich hab sie nach Hause gebracht und wir haben lange geredet. Da wusste ich, dass ich recht hatte. Sie ist ein besonderer Mensch. Und sie hat geschafft, was meine Mutter aufgegeben hatte: ich hab mir zwei echte Freunde gesucht und die Farbe rauswachsen lassen. So, jetzt weist du es, und Dr. Westphalen wird mich in irgendeine Säure werfen, wenn ich die nächsten 10 min. nicht bei ihr aufkreuze. Also las mich umziehen."
„OK, du Held. Er grinst und Lucas verzieht das Gesicht.
„Wenn man dir etwas erzählt... ."
*****************
Am nächsten Abend lächelt Lucas ins Vidphone. „Naja, es ist OK. Die Crew ist wirklich in Ordnung und mit dem Moraloffizier verstehe ich mich richtig gut. Aber der Captain nervt ziemlich."
Jo´s Blick hätte einer Lehrerin alle Ehre gemacht.
„Lucas, du weist doch noch, was du mir versprochen hast, oder? Du wolltest versuchen, ihm zu verzeihen."
„Jaa, aber ich weiß doch gar nicht, ob er das will. Er möchte die Vergangenheit vergessen und zu seiner Zukunft scheine ich nicht zu gehören. Jedenfalls nicht mehr als ein Mitglied der Crew. Die Einzigen, zu denen er hier ein etwas engeres Verhältnis hat, sind Crocker und Dr. Westphalen."Der Teen schnauft verächtlich.
„Ich sollte mir ein paar Kilos mehr und einen Bart anlegen, vielleicht würde er dann aufhören, mich zu übersehen."
Jo schüttelt den Kopf. „Ich bin mir sicher, so wie du dich benimmst, kann er dich gar nicht übersehen."
Lucas schaut seine Freundin schief an.
„Blödsinn. Er reagiert doch nur auf mich, wenn ich ihn provoziere. Aber was soll's, mir kann's ja egal sein."
„Und warum tust du's dann, wenn er dir egal ist?"
Lucas lacht. „Ertappt, Frau Professorin. Natürlich fände ich es schön, wenn es wieder so wie früher wäre. Er war immerhin jahrelang mein Vater, und jetzt will er plötzlich nur noch mein Captain sein."Gibt der blonde Junge zu. In dem Moment wird Lucas angpalt und muss das Gespräch unterbrechen.
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Wir waren verschworen
Wären füreinander gestorben
Haben den Regen geboren
Uns vertrauen geliehen.
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Als Lucas später wieder zu seiner Kabine zurückgehen möchte und an Nathans Quartier vorbei geht, stutzt er. Vorsichtig öffnet er die Tür einen Spalt. Er hatte sich nicht verhört. Nathan sitzt, ihm den Rücken zugewandt, auf einem Stuhl und spielt Gitarre. Es ist ein Altes Lied. Leise und einige Oktaven tiefer als die Originalversion, singt Nathan den Text dazu.
Für einen Moment schließt Lucas die Augen. Er kennt dieses Lied nur zu gut. My hard will go on. Der Titelsong des Kinofilmes Titanic. Es war Carols Lieblingslied gewesen. Wie sehr hatte es Lucas früher genervt, wenn Carol es immer wieder gehört hatte. Und wie gerne würde er es jetzt mit ihr zusammen hören. Eine Strophe hört er sich noch an, dann singt er leise den Refrain dazu und betritt den Raum.
„ ...Once more you open the door
And you´re here in my heart
And my heart will go on and on."
Lucas setzt sich auf das Bett des Captains. Nathan dreht sich um, sie schauen sich an und singen einfach weiter.
„There is some love that will
Not go away
You´re here, there´s nothing I fear,
And I know that my heart will
Go on
We´ll stay forever this way
You are save in my heart
And my heart will go on and On."
Nach dem Lied sitzen die Zwei noch eine Weile da, bis Lucas aufsteht. „Ich gehe dann mal."
„OK."
Der Teen geht zur Tür.
„Lucas?"
„Ja?"
„Gute Nacht."
Lucas lächelt dem Captain zu. „Gute Nacht."
******************
Zwei Tage später liegt Lucas mit einem Fieberthermometer im Bett. Kristen Westphalen nimmt es und schüttelt den Kopf.
„39. Du hast eine ausgewachsene Grippe, mein Lieber."
******************
Aber die Grippe entwickelt sich weiter, drei Tage lang liegt er mit Schweißausbrüchen, Hitze und Kälteschüben im Bett, krümmt sich vor schmerzen im Magen und im Kopf. Während dieser Zeit sitzt Nathan unentwegt an seinem Bett, zwingt sich dazu, wenigstens ein paar Stunden am Tag zu schlafen und etwas zu Essen. Das Kommando über die seaQuest übergibt er in dieser Zeit Commander Ford. Als sich Lucas Zustand auch am vierten Tag nicht verbessert, verlassen Lucas, Kristen und Nathan das Boot. Lucas wird in ein Krankenhaus verlegt, Nathan bleibt bei ihm und Kristen versucht, gemeinsam mit dem behandelnden Professor ein Gegenmittel gegen den seltenen Virus, den Lucas sich auf unbekannte Weise eingefangen hat, zu finden. Aber auch zwei weitere Tage verstreichen und Lucas Zustand verschlechtert sich zunehmend. Stunden lang sitzen Cynthia und Nathan neben ihm, trocknen ihm die Stirn oder legen ihm kühlende Waschlappen darauf. Wacht er auf, beruhigen sie ihn und zeigen ihm, dass er nicht alleine ist.
An diesem Tag gibt es Hoffnung für Nathan und Cynthia. Kristen hat das Gegenmittel gefunden, unter ständiger Aufsicht wird es Lucas nun verabreicht. Am nächsten Morgen bricht Lucas Stündlich, sein Fieber steigt weiter an, er verträgt das Mittel nicht. Doch Kristen kann die Zwei beruhigen, versichert ihnen, das es wahrscheinlich nur noch an der richtigen Kombination und Dosis der Medikamente in Verbindung mit dem Gegengift ankommt. Was Nathan zudem sehr beschäftigt sind Lucas fiebrigen Träumen, in denen er immer wieder nach seinem „Dad" ruft. Schon bei Carols Lieblingslied hat er gemerkt, das Lucas Gegenwart seine Trauer mildert, sie nicht mehr ganz so schmerzhaft ist. Aber in diesen Tagen erinnert ihn Lucas daran, wie eng ihre Beziehung einmal war und gleichzeitig, dass sie es wieder werden könnte.
**************
Auch am nächsten Abend sitzen Cynthia und Nathan an Lucas Bett. Aber diesmal ist die Stimmung anders, Kristen und der Professor wenden das Medikament an, an dessen Zusammenstellung sie so fiebrig gearbeitet hatten. Und diesmal gelingt der Versuch. Langsam aber stetig verbessert sich Lucas Zustand. An einem Abend sprechen Nathan und er sich richtig aus, Nathan versucht Lucas seine widersprüchlichen Gefühle zu erklären und insbesondere durch den Abend, an dem sie zusammen gesungen haben, versteht und verzeiht er ihm. Nathan dagegen hat sich endgültig für die Zukunft entschieden.
**************
Die nächsten zwei Wochen verbringen Nathan und Lucas auf der Insel. Sie sind darin übereingekommen, dass Lucas seinen Landurlaub mit dem Captain auf der Insel verbringen und somit wieder völlig zu ihm ziehen soll. So fahren sie einige male zu Cinthia, um Lucas restliche Sachen in sein altes Zimmer zu bringen. Lange haben sie überlegt, ob sie nicht woanders hinziehen sollen, sich dann aber dagegen entschieden. Dieser Abschied soll von Carol und Robert, nicht aber von ihrer Vergangenheit sein. Bei ihrem letzten Besuch bei Cynthia gehen sie zusammen zu Pati´s und am letzten Tag des Urlaubs, direkt vor ihrer Abreise zur seaQuest zu Robert und Carols Grab. Nach einer Weile geht Lucas zum Wagen zurück, um Nathan noch eine Weile alleine zu lassen.
***************
Nathan geht erst zu Roberts Grab. Langsam streicht er über den Spruch, der in den Grabstein geprägt ist.
*
Immer wenn wir von dir erzählen, fallen Sonnenstrahlen in unsere Seele.
Unsere Herzen halten dich umfangen,
so, als wärst du nie gegangen.
*
Diesen Spruch hatten Carol, Lucas und er damals gemeinsam ausgesucht.
„Robbi, du fehlst uns, mir und Lucas. Er vermisst seinen großen Bruder und ich vermisse mein Kind. Ich bin so stolz, dein Vater zu sein, du warst ein wundervoller Mensch. Wo immer du bist, ich weiß, du wirst es gut machen. Ich werde wiederkommen, wenn wir das nächste Mal an Land sind. Aber jetzt muß ich mich erstmal um Kiddo kümmern. Unser Kleiner ist allmählich zum Teen geworden und zu einem hübschen noch dazu, also, bis dann, mein großer!"Leise lächelt Nathan. Dann geht er zu Carols Grab, das nur ein paar Schritte entfernt liegt, und kniet sich davor. Ihr Grabstein ist sehr schlicht, kein Spruch, nur eine große, aufgehende Sonne ist über ihren Namen, Geburts- und Todesdatum in den schwarzen Stein geritzt.
*
Du hast jeden Raum
mit Sonne geflutet
hast jeden Verdruss
ins Gegenteil verkehrt
Du hast der Fügung
deine Stirn geboten
hast ihn nie verraten
deinen Plan vom Glück
*
„Carol!"Er streicht über ihren Namen. Du hast gewollt, dass ich mich um Lucas kümmere. Ich konnte es nicht. Aber jetzt werde ich es tun, das verspreche ich dir."Er macht eine Pause.
Als er weiter spricht, klingt in seiner Stimme Trauer, aber keine blinde Verzweiflung mit. „Ich vermisse dich so sehr! Du bist jetzt bei Robbi, aber ich weiß, dass wir uns wieder sehen, werden, nur noch nicht wann. Irgendwann werden wir alle wider zusammen sein, wir müssen nur fest daran glauben. Hab, keine Angst, ich passe gut auf den Kleinen auf! Ich liebe dich, Carol."
Langsam erhebt Nathan sich um zum Auto zu gehen, vordem Lucas wartet. Lange und schweigend umarmen sie sich, dann machen sie sich gemeinsam den Weg zur seaQuest.
*
Ich geh hier nicht weg
hab meine Frist verlängert
neue Zeitreise
offene Welt
Habe dich sicher
in meiner Seele
ich trag dich bei mir
bis der Vorhang fällt
Ich trag dich bei mir
bis der Vorhang fällt
*
ENDE
*********************** PS.: Wenn ihr es lest, gibt mir doch bitte review! Schließlich ist eure Rückmeldung, Kritik, Besserungsvorschläge etc. sozusagen mein Gehalt!
Lg. snuggles
