Der Heiler richtete sich nun auf und wandte sich an den jüngeren. „Er wird morgen aufstehen können. Dann wird Thranduil ihn sehen wollen." Sogleich trübte sich die Stimmung es anderen. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, deutete ihm der Heiler, mit nach draußen zu kommen. Zuvor wandte er sich aber noch an Andreas, der dem ganzen Gespräch mit großen Augen zugehört hatte, da er nicht ein Wort verstanden hatte. „Ruht Euch aus, ich werde später noch mal nach euch sehen."
Andreas nickte und ließ sich wieder ganz in die Kissen zurücksinken.
Der Heiler und der andere Elb gingen hinaus und schlossen die Tür. Und obgleich die Tür geschlossen war, vernahm Andreas deutlich, dass die Elben sich dahinter unterhielten. Zwar verstand er nicht über was, doch es hörte sich so an, als würden sie verschiedene Meinungen haben.
„ Weshalb nehmen wir ihn nicht einfach mit nach Hause? Thranduil wird ihn sicher nicht einladen, hier zu bleiben!"
„ Sachte, Ionn, vergiss nicht, dass wir hier zu Gast sind."
„Was interessiert es mich? Ich werde nicht zulassen, dass Herr Thranduil seine Launen an dem Jungen auslässt! Wenn er es wagt..."
„ Elrohir, du vergreifst dich im Ton. Ich verstehe nicht, warum es dich auf einmal kümmert, was der König mit Eindringlingen macht."
„ Es kümmert mich eben."
Der jüngere sah seinen Vater mit blitzenden Augen an. Dieser seufzte. „Halte dich wenigsten beim Essen zurück, ich werde sehen, ob ich etwas für den Jungen tun kann. „
„Ich danke dir. Wenn es dir nichts ausmacht, dann gehe ich jetzt!"
Somit ging Elrohir den Gang hinunter. Er war sich sicher, würde sein Vater keinen Erfolg haben, würde er schon einen Weg finden, den Menschen von diesem Ort zu befreien.
Schon als er ihn das erste Mal sah, war er von ihm fasziniert. Lange Braune Haare bildeten einen wunderschönen Kontrast zu den grünen Augen.
So schön, nur ungern wandte er seinen Blick von ihm ab, um seinem Vater nach draußen zu folgen. Nun hatte sein Vater ihm versprochen, sich um das Wohl des Jungen zu kümmern, indem er ihn vor den Kerkern des Palastes bewahrte, doch hegte Elrohir keine großen Hoffnungen auf Erfolg.
Schweigend sah der Vater seinem Sohn hinterher. Selten sah er ihn so aufgebracht, und das ausgerechnet ein wildfremder Mensch die Ursache dafür war, war noch seltener der Fall. Auch ihm gefiel die Aussicht nicht, dass der ihm anvertraute Patient im Palast des Düsterwaldes verbleiben sollte, doch ebenso wenig war er begeistert davon, dass sein Sohn für einen Menschen Gefühle entwickelte, zudem dieser nicht aus dieser Welt stammte.
Schließlich machte auch er sich auf den Weg, denn erinnerte sich noch gut daran, dass der König dem Jungen nur einen Tag geben wollte, um sich zu erholen.
Elrond wusste, dass Thranduil nicht auf ihn hören würde, dazu war er einfach zu dickköpfig, was Menschen anging. Doch vielleicht konnte ihm dessen jüngster Sohn weiterhelfen.
Elrond entschloss sich, zunächst in die Bibliothek zu gehen, da dies zurzeit der einzig ruhige Ort war. Und Ruhe war etwas, dass er nun zum Nachdenken brauchte, denn viel Zeit blieb ihm nicht.
Als er die Bibliothek betrat, bemerkte er, dass er nicht der einzige war, der sich nach einem Ort der Ruhe sehnte. Denn in einer Sitzecke erblickte er den Prinzen, über ein Buch gebeugt.
„So allein, an Eurem großen Tag, Prinz Legolas? „
„ Selbst ein Prinz benötigt hin und wieder seine Ruhe", antwortete Legolas mit einem leichten Lächeln. Elrond wusste, was dies zu bedeuten hatte. Gleich wenige Sekunden darauf fühlte er sich in seiner Ahnung bestätigt, denn die Tür öffnete sich, und herein schauten drei Elbinnenköpfe.
Elrond schaute zu Legolas und sah nichts. Nur die herabsinkende Buchseite verriet, dass der Prinz noch vor kurzem dort gesessen hatte.
Legolas hatte das nahende Unheil schon kommen hören, und mit einem athletischen Satz die Distanz zwischen der Sitzecke und der Nische zwischen zwei Hinteren Regalen überwunden.
„ Oh, verzeiht die Störung, Lord Elrond."
„ Nein, Ihr stört nicht. Wie kann ich den Damen behilflich sein?"
„Ist Prinz Legolas hier?"
„Nein, hier ist er nicht vorbeigekommen."
„Schade, aber trotzdem danke."
Somit gingen die drei Elbinnen wieder.
Nach einigen Momenten hörte man aus den hinteren Regalen eine leise Stimme: „ Sind sie weg?"
Elrond schmunzelte, er hatte also Recht behalten, dass sich der Prinz vor den Damen versteckt hatte. Das würde ihm vielleicht noch nützlich sein. "Ihr könnt rauskommen, sie sind soeben wieder gegangen."
Langsam kam der Prinz aus seinem Versteck hervor, sah sich um und atmete auf, als er keinen außer Elrond in der Bibliothek stehen sah.
Schnell fand er seine gewohnte Prinzenhaltung ein und den Halbelben dann ernst an.
Dieser ließ sich jedoch nicht beeindrucken und sagte in genauso ernstem Tonfall: „Ihr seid mir etwas schuldig für meine Lüge vor den Damen, Prinz Legolas, und ich benötige eure Hilfe."
„Warum sollte ich euch helfen?"
„Nun, euer Vater wäre sicher nicht begeistert, würde er erfahren, dass ihr euch vor den Damen versteckt. Wo er sich doch solche Mühe gibt, eine geeignete Braut für euch zu finden."
„Wann ich mich binde und an wen, ist allein meine Sache. Und was mein Vater dazu sagt, ist mir egal."
„Ich denke ihm wird es nicht egal sein. Außerdem könnte ich ihm auch erzählen, was wirklich geschah als ihr den Feierlichkeiten zum 5000 Geburtstages eures Vaters nicht anwesend sein konntet." Lächelnd sah Elrond den jungen Prinzen an.
Dieser wusste nicht, was er davon halten sollte, doch ein Blick in die Augen seines Gesprächspartners zeigte ihm, dass dieser nicht scherzte. Dass sein Vater verärgert sein würde, weil er den ausgesuchten Damen absichtlich entwischte, könnte er noch verkraften. Doch wenn sein Vater erfahren würde, welches der wahre Grund war, weshalb er nicht bei der Feier anwesend war, so könnte er gleich seine Sachen packen und aus dem heimatlichen Wald verschwinden, am besten gleich nach Valinor gehen. Dazu hatte er jedoch keine rechte Lust, denn noch gefiel es ihm sehr gut in Mittelerde, also brachte er knirschend hervor: „Was wollt ihr, von mir?"
„In wenigen Stunden, beginnt Euer Fest. Soweit ich informiert bin hat Thranduil vor, den Menschen dann in eine Zelle umzuverlegen. Ich verlange nur von Euch, euren Vater dazu zu bringen, dies zu unterlassen, und den Menschen überdies in unsere Obhut nach Imladris zu geben."
„Aber...", begann Legolas, wurde jedoch von dem Peredhel unterbrochen.
„Entweder ihr stimmt euren Vater um, oder er erfährt von mir all das, was ich euch bereits gesagt habe."
„Ihr lasst mir keine Wahl? Also gut, ich rede mit ihm."
Während sich Legolas aufmachte, die Höhle des Löwen zu betreten, kehrte Elrohir zu dem fremden Menschen zurück.
Er musste ihn einfach sehen, bis zum nächsten Morgen wollte er nicht warten. Zudem war nicht einmal sicher, ob der Waldelbenkönig ihn gehen lassen würde.
Er trat leise in das Zimmer ein, und betrachtete den nun wieder Schlafenden.
„Er sieht so friedlich aus, nichts ahnend. Hoffentlich lässt sich Thranduil überreden."
Sachte setzte er sich auf die Kante des Bettes und strich über Andreas Gesicht.
„Und wenn nicht, dann werde ich einen Weg finden. Ich nehme dich mit, das verspreche ich dir."
Wie magisch angezogen näherte sich dem Gesicht des liegenden, berührte sanft dessen Lippen mit seinen.
Andreas erwachte aus seinem Schlaf, und registrierte verwundert, dass ihn etwas umfangen hielt.
Langsam öffnete er seine Augen und blickte in die Augen des Elben, der schon einmal neben seinem Bett gestanden hatte.
Elrohir bemerkte das Erwachen des Jungen. Da sich dieser aber nicht unerfreut über den Kuss zeigte, machte er einfach weiter.
Ein Räuspern von der Tür, welches weder als gut noch schlecht zu deuten war, ließ die beiden erschreckt zusammenzucken. Der Elb, der genau wusste, wem dieses Räuspern gehörte, drehte sich schnell um und wäre fast von der Bettkante gefallen, wäre er kein Elb mit gutem Gleichgewichtssinn gewesen.
