Die Lüge eines Lebens 16

Hallo!

Erklärungen, warum so lang nix kam, findet ihr ganz unten.

Zu den Reviews:

Franzi: Ja, bin echt stolz auf dich! Aber diesmal gibt's keine Philosophien, sorry!

Kathy: Vielen Dank für dein Riesen-Review :o). Und wer Nana ist, erfahrt ihr schon noch!

Maxine01: Vielen, vielen Dank, dass du dich durch meine ganze Story gekämpft hast :o). Und danke fürs Review *knuddel*. Neue Leser sind was Wunderbares *freu*

Drake: Danke schön für das Kompliment bezüglich Chapter 15.2 *hops*. Ich weiß, es war extrem lang, dafür ist dieses hier wieder kürzer :o).

Und außerdem noch Danke an Ginger und Sarah, die mir quasi persönlich reviewt haben *g*.

Nun viel Spass beim Lesen! Vergisst nicht, nen kleinen Kommi zu hinterlassen, sonst verzweifle ich hier noch :o). Achja, ich beschreib in diesem Chap einiges nicht (Sirius` Brief, seine Festnahme, etc.) und auch im weiteren Verlauf dieser Geschichte werden Dinge geschehen, die ich nicht aufkläre, zumindest nicht in den Kapiteln selbst. Aber ihr werdet sie am Ende lesen können *g*. Zumindest, wenn ihr wollt.

Hab euch lieb,

Maia

~~~

Überraschungen

"Na, mein Süßer, wie geht's dir? Hattest du einen schönen Tag?" Mit einem verklärten Lächeln im Gesicht trat Narcissa an das Kinderbettchen ihres Sohnes und flüsterte der Hauselfe, die auf ihn aufgepasst hatte, ein "Danke" zu. Cis tat es jetzt schon Leid, dass sie nicht jede Sekunde mit Draco verbringen konnte, weil Lucius sie auch einmal zu Gesicht bekommen wollte. Außerdem musste sie ab und zu duschen, sonst würde Luc sich wohl beschweren.

Narcissa kicherte bei dem Gedanken daran, was ihr Mann dazu sagen würde, wenn sie nur noch mit ihrem Baby baden würde. Dann würde das Badezimmer danach bestimmt immer schrecklich überschwemmt sein. Doch was tat man nicht alles für so einen kleinen Engel? Denn das war Draco, ohne Frage. Aber würde es so bleiben? Oder würde es Lucius gelingen, aus ihrem Sohn einen Anhänger des Dunklen Lords zu machen?

Mit einer Handbewegung entließ Cis die Hauselfe, warf ihr ein letztes "Danke schön" zu und ließ sich dann seufzend auf den alten Holzstuhl neben der Wiege fallen. Es war anstrengender, ein Kind zu haben, als sie gedacht hätte. Nicht nur, dass Draco entweder Hunger oder Durst hatte, er in die Windeln gemacht hatte oder schlafen wollte, nein, hinzu kamen noch die ungeklärten Fragen, was seine Zukunft betraf.

Sie hatte immer gedacht, dass sie ihr Leben lang nur das tun würde, was ihr Spass machte, und dass sie für alles einstehen würde, was ihr am Herzen lag. Und nun musste sie feststellen, dass sie alles aufgegeben hatte, nur für ihren Mann und ihren Sohn. Nun, eigentlich nur für Draco. Weil sie nicht wollte, dass er litt. Weil sie nicht wollte, dass ihm auch nur ein Minimum an Schmerz zugefügt würde. Denn Narcissa war sich sicher, dass sie das nicht ertragen würde.

"Niemand sollte sein eigenes Kind zu Grabe tragen müssen, mein Schatz.", wisperte sie Draco wie so oft in letzter Zeit zu, während sie sich zu ihm beugte und zärtlich mit den Fingerkuppen ihrer rechten Hand über seine Wange strich. Und schon bei dem Gedanken daran, dieses kleine, zerbrechliche Wesen irgendwann zu verlieren, schossen ihr Tränen in die Augen. Jedes Mal, wenn sie Draco ansah, musste sie daran denken, wer sein Vater war.

Sirius.

Cis zwang die Tränen, die nur darauf warteten, vergossen zu werden, mit eisernem Willen hinunter. Und seltsamerweise war es gar nicht so schwer. Seltsamerweise? Narcissa schnaubte leise. Sie wusste nur zu genau, warum es ihr so leicht fiel. Weil sie Sirius schon eine Weile nicht mehr gesehen hatte. Zumindest nicht *richtig* gesehen. Dieses Treffen bei Annicks Beerdigung konnte man kaum zählen. Schließlich war kein einziges, liebevolles Wort gefallen, kein zärtlicher Blick hatte sie gestreift.

Dabei hatte sie sich das so sehr gewünscht. Und nun war es für Lucius noch einfacher, sie wieder vollkommen in ihre Ehe miteinzubeziehen. Das waren die besten Voraussetzungen, die er haben konnte. Sirius war weit weg und würde so schnell nicht wieder in ihrem Leben auftauchen. Und Draco... der wurde von Tag zu Tag blonder und die Ähnlichkeiten verschwanden. Narcissa hatte gelernt, ihre Erinnerungen zu unterdrücken.

Severus dagegen war Lucs bester Freund, soweit man Freundschaften zwischen Slytherins trauen konnte. Cis wusste zwar, dass sich die beiden wirklich mochten und dass Slytherins untereinander sehr treue Freunde sein konnten, aber das war ihr zu wenig. Sie wollte Gewissheit.

Narcissa schloss für einen Moment die Augen. Vielleicht war es endlich an der Zeit, für sich selbst Klarheit zu schaffen. Was empfand sie für welchen Mann? Konnte man das überhaupt noch "Liebe" nennen? Cis lächelte leicht. In ihrem Leben hatte es bisher immer an Gefühlen gefehlt, egal, wie viele Freunde sie gehabt hatte. Niemand hatte ihr auf Dauer geben können, was bereits von Anfang an gefehlt hatte. Das grenzenlose Vertrauen anderen Personen gegenüber.

Was konnte man schon von einem Mädchen verlangen, dass von anderen Menschen erzogen worden war, als von seinen Eltern? Gut, ihr war es wunderbar ergangen, wahrscheinlich besser, als es bei ihrem Vater gewesen wäre, aber dennoch. Narcissa schauderte bei dem Gedanken daran, was hätte geschehen können. Vielleicht wäre sie so geworden wie die Slytherinmädchen, die sie während ihrer Schulzeit kennengelernt hatte.

Warum nur musste das so sein? Wieso waren Slytherins so oft gefühlskalt und herzlos? Cis musste sich selbst eingestehen, dass sie sich nie wirklich mit dem Thema befasst hatte. Severus und Lucius waren zwar ebenfalls in Slytherin gewesen, doch irgendwie waren die beiden anders. Zumindest war es ihr stets so erschienen. Oder machte ihre Liebe sie blind? °Nein! ° schalt sich die blonde Frau. °Das darfst du nicht denken! Dir ist ja auch aufgefallen, dass Sev sich verändert hat! Deine Liebe zu ihm hat dich nicht erblinden lassen, sondern hat nur dafür gesorgt, dass du ihn in einem anderen Licht siehst. °

Es klang verführerisch einleuchtend. War es das auch? Oder redete sie sich gerade mal wieder etwas ein, weil sie sich heimlich wünschte, es möge so sein? Leise seufzte Narcissa auf. Konnte das Leben nicht wenigstens einmal einfach sein? So für ein paar Tage? Damit sie alles ordnen könnte? Offensichtlich hatte jemand in den höheren Sphären etwas gegen sie und ließ ihr Leben so kompliziert werden.

Cis musste schmunzeln. In den höheren Sphären! Wie das schon klang! Sie sollte wirklich ein wenig ausspannen, wenn ihr schon solche Gedanken kamen. Vermutlich spielte der Stress-Faktor eine wichtige Rolle. Obwohl ihr Leben in letzter Zeit schon fast beunruhigend normal gewesen war. Und für alle Außenstehenden musste es ebenfalls so wirken. Warum denn auch nicht?

Ein Vater, der vollkommen in seinen kleinen Sohn vernarrt war und seine Frau anbetete. Eine Mutter, die ihren Mann wieder leicht verliebt ansehen konnte und ihr Baby vor allem Bösen dieser Welt beschützen wollte. Der beste Freund des Vaters, dem die gesamte Familie beinahe mehr bedeutete als sein eigenes Leben. Ja, es klang alles so gewöhnlich. Eben wie das Leben jeder anderen kleinen Familie.

Narcissa beugte sich vor, hob ihren Sohn aus seiner Wiege heraus und nahm ihn auf den Arm. Blau-graue Kulleraugen strahlten sie an, rosige Wangen verzogen sich, als Draco leise und erfreut krähte. Und seine Mutter lachte. Lachte, wie sie es schon seit Monaten nicht mehr getan hatte. Frei und aus ganzem Herzen. Es war nichts Gekünsteltes, nichts Falsches daran. Endlich konnte sie das sein, was sie seit nunmehr über zehn Monaten nur hatte sein wollen.

Eine glückliche Mutter, verliebt in den eigenen Sohn und den eigenen Mann. Nun konnte sie leben. Zwar nicht für das, was sie sich früher immer ausgemalt hatte, nämlich als eine Kämpferin für das, was sie als richtig erachtete, aber immerhin. Sie war damit zufrieden, ihr Leben so zu verbringen, wie in diesem Augenblick.

Und endlich hatte sie es geschafft, sich von Sirius zu lösen. Noch nicht ganz, denn allein die Erwähnung seines Namens oder ein altes Photo ließen sie erneut in Erinnerungen versinken, aber der Anfang war gemacht. Es fehlte nur noch der endgültige Schlussstrich. Und der würde kommen. Ganz bestimmt. Blieb nur die Frage, wann.

Ein empörtes Krähen von Draco riss Narcissa aus ihren Gedanken. Sie widmete sich sofort wieder ihrem Sohn und musste schmunzeln. Offenbar fühlte sich der kleine Herr benachteiligt und sehnte sich nach ihrer vollständigen Aufmerksamkeit. "Ist ja gut, Süßer", wisperte Cis, "ich bin da! Und ich werde es auch immer sein, in Ordnung?"

~~~

"Was willst du wegen deiner Frau unternehmen?" fragte Severus leise. Ein ernster Tonfall schwang in seiner Stimme mit. Lucius schaute ihn offen an und verstand seinen Freund absichtlich falsch. "Ich werde sie schlafen lassen, was denn sonst?" Sev rollte mit den Augen. "Du weißt genau, was ich meine. Dein Vater wollte, dass du sie zur Vernunft bringst, das hast du mir selbst geschrieben. Während der Schwangerschaft hast du nichts gemacht, aber wie sieht das jetzt aus?"

Luc schwieg für einen kurzen Augenblick und wandte seinen Blick ab. Verlegen spielte er an seiner Armlehne und betrachtete interessiert die reichverzierte Holzschnitzerei. Nach einiger Zeit räusperte er sich und begann, langsam und stockend zu reden. "Ich weiß es nicht. Damals war ich auch wütend. Ich bin ja so erzogen worden, dass Frauen keine Ahnung von Politik haben und ruhig sein müssen, wenn sich Männer unterhalten.

Aber ich denke, uns ist beiden nur zu klar, dass man Narcissa nicht in die übliche Schublade stecken kann. Sie ist gut informiert und weiß für gewöhnlich, was sie tut. Nur, wenn sie meinem Vater begegnet, zeigt sich ihr Temperament und sie hat sich nicht unter Kontrolle, was sehr seltsam ist, findest du nicht auch? Ich meine, sie ist die Tochter eines de Retrève und einer Fee. Also eine wirkliche Eisprinzessin, wenn sie es will.

Und so sehr, wie sie meinen Vater verabscheut, sollte man denken, dass sie es für angebracht halten könnte, sich ihm gegenüber genau so zu verhalten. Am Anfang benimmt sie sich auch kühl, aber sobald er etwas sagt, dass ihr nicht passt, wird sie wütend und bietet ihm die Stirn. Jedes einzelne Mal! Ich werde noch wahnsinnig, das kann ich dir sagen!"

"Das kann ich verstehen, Luc, aber was willst du denn jetzt machen?" unterbrach ihn Severus ungeduldig. Lucius verzog das Gesicht. "Wenn ich das wüsste! Merlin, ich liebe diese Frau!" "Glaub mir, das weiß sie.", warf Sev leise ein. "Sie weiß es und sie liebt dich auch. Schließlich ist sie zu dir zurückgekehrt, nicht wahr?" Der Blonde nickte nachdenklich. "Kannst du mir sagen, was in ihrem Kopf vorgeht, Severus? Ich wüsste es so gerne!"

Was nun geschah, konnte Lucius sich nicht erklären. Es wirkte, als würde sein Freund mit sich ringen, ob er ihm etwas anvertrauen sollte oder nicht. Seine Lippen pressten sich zusammen, als empfände er Schmerzen und seine Augen schlossen sich kurz. Als Severus sie wieder öffnete, stand eine Entschlossenheit in ihnen, die den blonden Mann erschrecken ließ.

Sev sah sein Gegenüber direkt an. "Ja, ich weiß es. Ich weiß, dass sie dich liebt. Ich weiß, dass ich ihr bester Freund bin. Ich weiß, dass sie für Remus Lupin etwas empfindet, das sich nicht in Worte fassen lässt, weil es aus einer Liebe geboren wurde, die vor allzu langer Zeit beendet wurde. Und ich weiß, warum sie deinen Vater hasst."

Doch was genau es war, sollte Lucius nicht erfahren. Zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Denn ein glühender Schmerz ließ die beiden Männer aufschreien.

~~~

Gehetzt sah sich der dunkelhaarige Mann um. Es würde nicht lange dauern, bis sie ihn gefangen hatten. Und was ihm dann blühte, war das Einzige, was er mit Sicherheit sagen konnte. Bei den vielen Muggelleichen, die dort draußen auf der Straße herumlagen, war es nur eine Frage der Zeit. Zu viele Zeugen hatten gehört, wie Peter ihn des Verrates an Lily und James beschuldigt hatte. Zu viele Menschen hatten das falsche Spiel der Ratte geglaubt.

Panisch durchwühlte Sirius sämtliche Schubladen des Hauses, in das er soeben eingebrochen war. Irgendwo musste doch ein Blatt Papier sein! Und vielleicht ein Stift.... Er hatte noch etwas zu erledigen, bevor er sich in die Hände der Zauberer vom Ministerium brachte. Was seinem Untergang gleichkam.

Ruckartig zog er eine weitere Schublade auf. Verdammt, hier lebte schließlich jemand! Und Muggel mussten ja wohl Papier besitzen! Der dunkelhaarige Mann war bereits nahe daran, zu verzweifeln, als ihm ein kleiner, blütenweißer Fleck ins Auge fiel. Tatsächlich- ein Bogen Briefpapier. Perfekt. Falls man dieses Wort in einer solchen Nacht benutzen konnte. In einer Nacht des Schreckens, des Todes und des grausamen Verrates.

Sirius hielt einen Augenblick inne. Verrat. Ja, das war es wohl, das ihn nach der Tatsache, dass indirekt er Schuld an dem ganzen Unglück war, am meisten schmerzte. Schließlich passierte es ihm nicht oft, dass er sich so in einem Menschen täuschte. Und dann der Brief von Narcissa- diese Ratte von Peter hatte es geschafft, dass er, Sirius Black, beinahe sein Gesicht verloren hätte, weil er so verzweifelt darauf reagiert hatte, dass Cis` Botschaft ebenfalls eine Lüge sein sollte.

Wenigstens sie hatte ihn nicht betrogen. Sie war ihm noch geblieben, nach allem, was geschehen war. Peter hatte er verloren, unweigerlich, ebenso Lily und James. Was Remus denken mochte, wenn er hörte, dass Sirius als Mörder nach Azkaban gebracht werden sollte, wollte er sich erst gar nicht vorstellen. Vermutlich glaubte er es. Nach dem gemeinen Spiel, das Peter mit ihnen beiden betrieben hatte.

Narcissa. Lucius Malfoys Frau. Die Gemahlin eines Todessers. Die Narcissa, die er verlassen hatte, aus Angst, sich selbst in Gefahr zu bringen. Aber auch die Narcissa, die es wie keine andere fertig brachte, Remus zu beruhigen. Sirius wünschte sich, dass sie zu Lilys und James` Beerdigung kommen würde. Remus würde ein wenig Unterstützung gebrauchen können, nun, da sein starker Beschützer als Verräter angeklagt war.

Sirius schloss für einen kurzen Moment die Augen, sammelte sich und beschloss dann, den Brief so schnell wie möglich zu schreiben. Er konnte schon hören, wie die "Stupor"-Rufe draußen lauter wurden und es blitzte beinahe andauernd hell auf. Offenbar wussten sich die Zauberer nicht anders zu helfen; daher `betäubten´ sie die Menschen, um die Erinnerungslöschungen zu vereinfachen. Simpel und dennoch gleichzeitig seltsam brutal.

Als wolle er alle bösen Erinnerungen abschütteln, hob Sirius ruckartig seinen Kopf, legte das mittlerweile leicht zerknitterte Blatt auf den Fußboden, griff sich den erstbesten, abgebrochenen Bleistift und kniete nieder. Viel Zeit, um darüber nachzudenken, was er am besten schreiben sollte, blieb ihm nicht. Es musste schnell gehen, sehr schnell sogar.

*~*~*

"Fertig!" Erleichtert atmete er auf, riss sich die feine Silberkette ab, die er immer trug, wickelte sie um das Pergament, wisperte mehrere Zaubersprüche und bereits Sekunden später war der Brief verschwunden. Einen Moment lang starrte Sirius auf einen Fleck an der Wand. °Es waren `alte´ Sprüche, ich hoffe, ich habe sie richtig verwendet. Wenn der Brief nicht ankommt...ich würde es nicht ertragen!°

Langsam erhob sich der dunkelhaarige Mann, ließ seinen Zauberstab ebenfalls mit einem gemurmelten Spruch verschwinden und bereitete sich darauf vor, nach draußen zu gehen und verhaftet zu werden.

~~~

Narcissa schreckte auf. Verwirrt rieb sie sich über die Augen. Ganz offenbar war sie kurz eingenickt. Draco jedenfalls lag friedlich schlafend da und nuckelte an seinem Daumen. Verzückt lächelnd richtete sich seine Mutter auf und stellte nach einem kurzen Blick auf die alte Standuhr in dem Zimmer entsetzt fest, dass sie länger geschlafen haben musste als sie gedacht hätte. Ruckartig erhob sich Narcissa, bemühte sich vergeblich, die Falten aus ihrem Kleid zu streichen und schlich dann lautlos in Richtung Tür. Leise öffnete sie diese und huschte zurück zu ihrem Mann und Severus.

"Lucius! Sev!" Erstarrt blickte Narcissa auf das Bild, das sich ihr darbot. Die beiden Männer- auf dem Fußboden liegend mit geschlossen Augen; jeweils der linke Arm war seltsam vom Körper weggedreht. Was bei Merlin war hier geschehen? Schnell kniete sich Cis zwischen die zwei und rüttelte abwechselnd den Blonden und den Schwarzhaarigen. Verzweifelt verpasste sie Severus eine leichte Ohrfeige, doch nichts passierte.

Langsam aber sicher wurde Narcissa panisch. Waren die beiden etwa tot? Eine einsame Träne rann über ihre Wange, kaum dass sie zu Ende gedacht hatte. Nein, der Tod kam nur leise und unbemerkt, wenn Avada Kedavra im Spiel war. Und das hätte sie bemerkt. Oder nicht? Bilder kamen Cis in den Kopf; Bilder, in denen Severus und Lucius starben, während sie neben ihrem Kind geschlafen hatte.

"Nein!", flüsterte Narcissa atemlos, "nein, so kann es mit uns nicht enden! Es geht einfach nicht!" Sie schloss die Augen, versuchte, sich zu sammeln, als sie plötzlich etwas hörte. Ein leises, kraftloses "Clara."

*~*~*

Sev riss sich zusammen. Neben ihm kniete seine große Liebe und dachte, er und Lucius wären tot. Irgendetwas musste er doch unternehmen! Aber alles, was bei seinen Bemühungen herauskam, war ein krächzendes "Clara", das sie vermutlich nicht einmal bemerken würde. Umso größer war seine Überraschung, als Narcissa wieder die Augen öffnete und ihn genau ansah.

*~*~*

"Severus!" Die blonde Frau konnte einen kleinen Freudenschrei nicht unterdrücken. War ihr die Welt eben noch kalt, grau, düster und ungerecht erschienen, so war sie nun noch viel schöner als vorher. "Du lebst!" wisperte sie glücklich, während sie sich nach unten beugte und ihren Freund lebhaft umarmte. Vollkommen fassungslos drückte sie ihn eng an sich, ignorierte sämtliche "Du erwürgst mich!"-Ausflüchte von Severus und küsste ihn sanft auf die Wange.

Erst nach einer ganzen Weile war sie wieder in der Lage, sich von ihm zu lösen. Ein wenig verlegen lächelnd hockte sie neben ihm auf den Boden und betrachtete scheinbar ganz interessiert seine rechte Hand. "Ist etwas?" fragte Sev verständnislos. Ein schnelles Kopfschütteln war die Antwort. "Hey", er nahm Narcissa sachte in den Arm, "jetzt ist ja alles in Ordnung, nicht wahr? Ich lebe, du lebst, was willst du denn mehr?" Cis musste lachen und warf ihm einen strafenden Blick zu. "Das ist nicht lustig! Ich hab mir echt Sorgen gemacht!"

"Ja, ich weiß, Clara." Sofort schaute Severus wieder ernst drein. "Ich meine es auch ernst. Hast du noch einen Wunsch? Gibt es etwas, was ich tun kann, um das hier wieder gut zu machen?" "Sicher, jede Menge, aber zuerst würde ich gern erfahren, was passiert ist." Große, blaue, wissbegierige Augen begegneten schwarzen, offenen Augen. "Genau kann ich es dir nicht sagen, tut mir Leid. Ich kann nur vermuten, dass etwas mit Voldemort geschehen ist. Das Dunkle Mal hat geschmerzt und dann muss ich wohl in Ohnmacht gefallen sein. Vielleicht ist es jemandem gelungen, meinen ehemaligen Meister zu stürzen.", meinte er hoffnungsvoll.

Narcissa lächelte leicht. "Ja, das wäre schön. Stell dir nur mal vor, wie unsere Leben weiterlaufen würden! Wir könnten endlich in vollkommenem Frieden leben und glücklich werden." Severus erwiderte ihr Lächeln zaghaft. Die Vorstellung klang viel zu schön, als dass sie Wirklichkeit werden könnte. "Augenblick!" Cis` fester Griff um seinen Oberarm brachte Sev schmerzhaft in die Realität zurück. Seine Freundin schaute ihn durchdringend an.

"Deinen ehemaligen Meister? Was willst du damit sagen?" Ihre Stimme war so schneidend wie ihr Blick. Severus verzog leicht das Gesicht. Warum nur hatte er es ihr nicht zuerst gesagt, sondern Lucius? "Lass mich los und ich erklärs dir, okay?" Narcissa nickte widerwillig und löste ihre Hand von seinem Arm.

"Ich bin ein Spion von Dumbledore geworden.", sagte er schlicht. "Du bist was?" Der Ausdruck in ihren Augen sprach Bände. Unglaube, vermischt mit Wut und Entsetzen. "Bist du von allen guten Geistern verlassen, Sev?" Ruckartig sprang Cis auf, zog ihren Freund ebenfalls auf die Beine und zerrte ihn anschließend auf den Flur in eine dunkle Ecke.

"Ich wusste nicht, dass du vorhast, Lucius mit mir zu betrügen." Severus versuchte verzweifelt, die Situation ins Lächerliche zu ziehen, damit Narcissa nicht daran dachte, wie ernst das alles war. "Lass die Witz!", fuhr ihn die blonde Frau stattdessen an. Nervös blickte sie immer wieder zu der offenen Tür, aus der sie gerade gekommen waren. "Was wäre passiert, wenn Luc das eben gehört hätte, hm? Verdammt, Sev, warum musst du so unvorsichtig handeln?"

Erst jetzt hörte der Schwarzhaarige die Angst, die Besorgnis in ihrer Stimme heraus. Er schluckte leise. Sie machte sich Gedanken um ihn. Sie wollte nicht, dass ihm etwas zustoß. Leise antwortete Sev: "Er weiß es, Clara. Dein Mann weiß es." Müde hob er eine Hand und fuhr sich über sein Gesicht. Es war eine lange Nacht gewesen. So vieles war geschehen und offenbar war es noch nicht vorbei.

Als Narcissa hörte, was ihr bester Freund ihr erwiderte, setzte für einige Sekunden ihr Herz aus. "Luc weiß es? Was um alles in der Welt hat dich dazu bewogen, einem Todesser zu erzählen, dass du ein Spion geworden bist? Bis eben dachte ich nur, du hättest unklug gehandelt, aber so langsam beginne ich, an deinem Verstand zu zweifeln, Severus Snape! Wie konntest du das tun? Ihr seid Slytherins! Er wird dich verraten, ganz bestimmt!"

"Nein!" Ruhig unterbrach er sie, woraufhin Cis ihn erstaunt ansah. "Nein, Clara, das wird er nicht." Ernst fuhr Severus fort: "Er wird nichts tun, was mir schaden könnte, weil er weiß, wie sehr du an mir hängst. Solange Lucius glücklich verheiratet sein will, solange bin ich nicht in Gefahr. Verstehst du? Er und ich, wir sind befreundet. Ich bin gleichzeitig jedoch auch mit dir befreundet und es ist uns allen dreien klar, dass die Freundschaft, die uns beide verbindet, wohl ewig halten wird. Und vielleicht ist es dir nicht klar, doch Luc und mir schon: unsere Freundschaft hat ebenfalls zu viel durchgemacht, als dass er es einfach vergessen könnte.

Glaub mir, er wird nichts tun. Und zwar wirklich nichts. Lucius wird mir nicht helfen und er wird mich nicht verraten. Verbindungen zwischen Slytherins halten oft ein Leben lang. Und in unserem speziellen Fall weiß ich bestimmt, dass es so ist, denn da gibt es noch dich. Clara, wir drei werden immer miteinander zu tun haben und dadurch kannst du mich im Auge behalten. Wenn du merkst, es geht mir schlecht, dann wirst du dich vermutlich auch in der Zukunft so um mich kümmern, wie du es bereits in der Vergangenheit getan hast."

Narcissa warf ihm einen fragenden Blick zu. "Ich bin also deine Garantie?" Severus wurde leicht rot; es klang, als würde er sie benutzen, wenn sie es so sagte. Dann nickte er leicht. "Gut. In Ordnung." Überrascht hob er den Kopf, jedoch nur, um feststellen zu müssen, dass die junge Frau ihn freundlich anlächelte. "Danke, Sev." Irritiert sah er sie an. "Danke? Wofür?" "Danke dafür, dass du mir die Chance gibst, nützlich zu sein."

Erleichtert lachte er. "Und ich dachte schon, du wärst wütend auf mich! Willst du eigentlich nicht wissen, warum ich ein Spion geworden bin?" Cis antwortete nur mit einem Blick, bevor sie ihn sachte umarmte und beruhigend über seine Haare streichelte. "Keine Sorge. Ich freue mich, dass ich dir helfen kann. Und nein, es interessiert mich nicht. Du musst deine Gründe gehabt haben." Einige Minuten lang standen sie einfach nur so da, ineinander verschlungen und mit geschlossenen Augen. Jeder genoss die Nähe des anderen, genoss die Gewissheit, dass es jemanden gab, der sich um einen sorgte.

"Aber was ist mit dir?" Severus war es, der schließlich das Schweigen brach und sich vorsichtig von seiner Freundin löste. "Was meinst du?", entgegnete sie überrascht. "Dass du Sirius noch nicht ganz überwunden hast, kannst du mir gegenüber nicht leugnen. Bist du sicher, dass du hier mit Lucius und Draco leben kannst, ohne wieder so depressiv zu werden wie...damals?" Ohne auf seine Frage einzugehen, erwiderte Narcissa: "Mit Lucius und Draco? Ich hoffe doch, dass du uns oft besuchen kommst."

Sev hob eine Hand und strich der jungen Frau sanft über eine Wange. "Lenk nicht ab, ja? Natürlich werde ich euch besuchen, doch du weißt genau, wie ich das gemeint habe." Cis seufzte leise. "Ja, ich weiß es. Und ich bin mir sicher. Mach dir darüber keine Gedanken. Lucius kann mich genauso auffangen wie du. Das hab ich oft genug gemerkt."

Ihr bester Freund atmete auf. "Gut. Denn ich will nicht, dass du erneut in ein Dunkles Loch fällst und keiner da ist, der dich herausholt. So wie jetzt, so fröhlich und glücklich, gefällst du mir viel besser." Narcissa lachte leise. "Ich mir auch, Severus. Ich mir auch."

Der Schwarzhaarige wollte noch etwas sagen, als sie beide ein leises Stöhnen hörten, das nur allzu deutlich machte, dass Luc wieder wach sein musste. Gemeinsam betraten sie den Raum, in dem Lucius noch immer auf dem Boden lag und sich gerade mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf hielt. Sev kniete sofort neben seinem Freund nieder und half ihm langsam auf die Beine. Keiner der beiden bemerkte, wie die blonde Frau sie beobachtete.

°Oh ja, Sev. Mein Mann kann mich auffangen, ganz gewiss. Aber ich bezweifle, dass er mich auch halten kann.°

~~~

Ich liebe dich.

Zumindest denke ich, dass dieses Gefühl Liebe sein muss.

Es ist zulange her, dass ich es gespürt habe.

Es ist zulange her, dass mir jemand gesagt hat, er würde so für mich empfinden.

Und nun merke, dass ich dich liebe.

Doch liebst du mich auch noch?

Wieso musste es so mit uns enden?

Warum bekomme ich nicht die Chance, es dir noch einmal zu sagen?

Noch einmal mit Gefühl.

Warum darf ich dich nicht mehr küssen?

Oh, wie sehr wünsche ich mir, ich hätte es früher öfter getan.

Bitte, noch einmal.

Noch einmal mit Gefühl.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich dich vielleicht nie wieder sehe, dann dreht sich alles in meinem Kopf.

Dann schließe ich die Augen und versuche, mir dein Bild ins Gedächtnis zu rufen.

Vergeblich.

Entsetzt muss ich feststellen, dass ich es nicht schaffe.

Ansatzweise, ja, doch ganz?

Unmöglich.

Nur böse, traurige Erinnerungen fallen mir in diesem Moment ein.

Wieso?

Dabei will ich dich sehen, damit es mir besser geht.

Will von dir umarmt werden, so wie früher, als wir alleine waren.

Ich wusste nicht, was es heißt, Liebe zu empfinden, bevor ich dich nicht getroffen hatte.

Und ich wusste nicht, was es heißt, zu sterben, bis zu jenem Tag, an dem ich Schluss mit dir machte und wir uns nicht mehr begegneten.

Warum?

Warum war ich so dumm und beendete freiwillig die schönste Zeit meines Lebens?

Kannst du es mir erklären?

Es wäre ein Wunder, denn nicht einmal ich kann es.

Wieso machen Menschen Fehler?

Damit sie aus ihnen lernen.

Damit sie lernen, sich zu entschuldigen.

Damit ihnen verziehen wird.

Denn dieses Gefühl ist unbeschreiblich schön.

Hast du mir verziehen?

Kannst du es überhaupt?

Wäre ich du, ich könnte es nicht.

Erst machte ich Schluss, nur um nach deiner Hochzeit für ein weiteres Mal mit dir zu schlafen und dann erneut zu gehen.

Es wäre zuviel für mich.

Ich weiß, ich hab dir viel Schlimmes angetan.

Dinge, von denen ich denke, dass man sie nicht verzeihen und entschuldigen kann.

Ich habe mich selbst verleugnet.

Gibt es eine vergleichbare Schuld?

Du hast mich leben lassen.

Und gleichzeitig bin ich in jeder Minute, die ich mit dir verbracht habe, ein klein wenig mehr gestorben.

Aus lauter Angst vor ihm.

Deinem Mann.

Und als du ihn heiratetest, da schicktest du mich in den Tod.

Ja, verflucht, ich weiß, dass es nicht deine Schuld ist!

Aber es ist viel einfacher, dich dafür verantwortlich zu machen.

Verstehst du?

Bitte sieh mich noch einmal an.

Noch einmal in meinem Leben will ich in deine Augen schauen.

Will von dir hören, dass du mir verzeihst.

Auch, wenn ich weiß, dass es wohl nie geschehen wird.

Es ist ja nur eine Bitte.

Nein.

Es ist mehr als nur eine Bitte.

Es ist das, das mich am Leben hält.

Die Hoffnung auf dein Verzeihen.

Bitte berühr mich noch einmal.

Noch einmal in meinem Leben will ich deine Haare auf meiner Haut spüren.

Will mich geborgen fühlen in einer Welt, wo das Böse nur darauf wartet, die Herrschaft zu erlangen.

Bitte sprich noch einmal mit mir.

Noch einmal in meinem Leben will ich deine Stimme hören.

Nicht böse.

Nicht ungeduldig.

Nicht verletzt.

Einfach nur so, wie du eben sprichst.

Bitte lass mich dich noch einmal sehen.

Noch einmal in meinem Leben will ich dein Gesicht erblicken.

Und dich sehen.

Nicht deine Maske.

Nur dich.

Bitte.

Bitte lass mich dich noch einmal berühren.

Noch einmal in meinem Leben will ich mit meinen Händen deinen Körper erkunden.

Deine sanfte Haut unter meinen Fingern spüren.

Dich streicheln, wie ich es früher immer tat.

Noch einmal mit Gefühl.

Bitte, lass uns noch einmal tanzen!

Lass dich in meine Arme fallen.

Nur noch einmal.

Das ist es, was ich will.

Dich halten, dich betrachten, dich fühlen, dich spüren, dich streicheln, mit dir reden, dich küssen und die zarte Frau in dir lieben und für alle Ewigkeit beschützen.

Doch vor allem anderen möchte ich mit dir leben.

Bitte.

Noch einmal.

Sieh mich noch einmal an.

Noch einmal mit Gefühl.

Gib mir eine letzte schöne Erinnerung.

Bitte.

Denn nun weiß ich:

Ich liebe dich.

Jetzt, in diesem Augenblick.

Damals, als wir zusammen waren.

Es hat nie eine Zeit gegeben, in der du mir egal warst.

Und so wird es auch niemals sein.

Bitte verlass mich nicht.

Ich will glücklich sein.

Glücklich mit dir.

Clara.

Ich liebe dich.

~~~

So, Schluss für heute. Ich weiß, es ist nicht besonders lang, aber ich wollte euch zumindest mal wieder etwas zum Lesen geben. Ich konnte ewig nichts reinstellen, weil ich kein Netz hatte, dann hab ich erst was zu "Glück im Spiel" geschrieben und dann hab ich mir ne Sehnenscheidenentzündung geholt, die ich jetzt seit über zwei fröhlichen Wochen hatte, inklusive Gips. Eigentlich dürfte ich auch gar nicht tippen, aber trotzdem. Ich hoffe, es gefällt euch und dass ihr es nicht allzu schrecklich findet.

Bis bald

*knuddel*

Maia