Kapitel 9 – Überraschung in Grimmauld-Place

Er spürte sofort dass irgendwas nicht in Ordnung war und ließ sich instinktiv fallen, als er im Grimmauld Place aus dem Kamin schoss. Aus dem Augenwinkel sah er drei Gestalten in schwarzen Roben mit weißen Masken im Raum stehen und Flüche zischten auf die Stelle zu, wo eben noch sein Kopf war. Er apparierte ohne nachzudenken in die andere Ecke des Raums

und desillusionierte sich augenblicklich. Hermine lag gefesselt auf dem Boden mit vor Angst geweiteten Augen. Ein Todesser hielt seinen Zauberstab auf sie gerichtet, die anderen beiden suchten nach ihm. Wie waren sie hier reingekommen, und wo war Remus?

„Komm raus Potter! Sonst werden wir dem kleinen Schlammblut hier ein paar sehr unangenehme Schmerzen zufügen müssen" schnarrte eine irgendwie vertraute Stimme, doch sie war verfälscht, „Ich zähle bis drei. Eins." Harry überlegte fieberhaft. „Zwei. Drei. CRUC..."

„Skeledestructo! Expilliarmus! Stupor!" feuerte Harry in unglaublicher Geschwindigkeit auf den, der Hermine bedrohte, dann sprang er zur Seite. Der erste Spruch zerstörte alle Knochen in dem Arm, der den Zauberstab hielt, der zweite entwaffnete ihn und der dritte schickte den Todesser bewusstlos auf die Bretter.

Einer der beiden restlichen Todesser sprang ebenfalls zur Seite, der andere warf einen Tisch um und versteckte sich dahinter. Ab und zu feuerte er Betäubungszauber auf Harry, der wie ein Wirbelwind den Flüchen auswich. Ein Zauber traf ihn am Arm und fügte ihm einen tiefen Schnitt zu, das gröbste wurde jedoch durch den Mantel aus Drachenhaut abgehalten.

Er musste wenigstens einen Todesser erst mal ausschalten, doch welchen? Beide befanden sich in guter Deckung, während er sich nur durch Bewegung rettete.

Harry kam eine Idee. Er konzentrierte sich und feuerte eine Serie von Eisenkugeln auf den Tisch. Der Tisch wurde regelrecht zerfetzt und zwei Kugeln von der Größe einer Grapefruit trafen den Todesser dahinter mit einem dumpfen Aufprall. Man hörte ein deutliches Knacken, als eine Kugel den Arm mit dem Zauberstab traf.

„Stupor!" rief Harry hinterher und der Todesser war bewusstlos.

Harry hörte Hermine wimmern und er drehte sich um. In diesem Moment traf ihn ein Entwaffnungszauber und sein Zauberstab flog ihm aus der Hand. Als er seinen Reservezauberstab zog, traf ihn ein zweiter Entwaffnungszauber gefolgt von ‚Accio Zauberstäbe!' und beide Zauberstäbe flogen auf den dritten Todesser zu. Dieser lachte abfällig, doch Harry konzentrierte sich stark.

„Ha! Jetzt bist du fällig, Potter. Der dunkle Lord wird mit mir zufrieden sein. CRUC..."

„Deflecto!" rief Harry mit ausgestreckter rechter Hand und der rote Strahl des Todessers wurde reflektiert.

„Expilliarmus!" rief Harry hinterher. Und ein heftiges Duell zwischen den beiden entbrannte, trotzdem Harry keinen Zauberstab mehr besaß. Doch keiner erreichte einen Vorteil.

Bis der Todesser plötzlich rief: „Leglimens!" und Harry fühlte, wie der Todesser versuchte, mit aller Macht in seinen Geist einzudringen, doch bevor der es schaffte, konzentrierte Harry alle seine negativen Erfahrungen, die Enttäuschung, jahrelang in den Schrank eingesperrt zu sein, den Hass seiner Verwandten, den Schmerz, den der Cruciatus-Fluch bei ihm ausgelöst hatte, die Trauer um den Verlust von Sirius und Cedric. Das alles schickte er in einem einzigen geballten Gedanken an den Todesser und dieser brach wimmernd auf dem Boden zusammen.

„NEEEIN! AUFHÖREN!" schrie er, doch Harry hielt die Verbindung aufrecht und schickte ihm weiter seine schlimmsten Erfahrungen und Albträume. Nun drang Harry seinerseits in den gequälten Geist des Todessers ein und er erkannte bestürzt das es Snape war. Er prüfte kurz die anderen beiden Todesser mit seinen Gedanken. Es waren Remus und Shaklebolt.

„Shit!" fluchte Harry und begann beruhigende Gedanken an Snape zu senden.

Er nahm Snape die Maske ab und hielt seine Hände an dessen Schläfen und sandte Ruhe, Geborgenheit und Freundschaft aus.

Snape beruhigte sich langsam. Harry stand auf und hielt Snape die Hand hin.

„Danke, Potter." murmelte er leise, aber ehrlich.

Harry befreite Hermine und sie fiel ihm um den Hals und schluchzte.

„Was sollte das, Professor." fuhr Harry ihn an.

„Es war ein letzter Test." stotterte Snape, immer noch total verstört.

Harry löste sich von Hermine und eilte zu Remus. Er erweckte ihn und Remus kniff vor Schmerz die Zähne zusammen, dass es knirschte.

„Verdammt! Wessen bescheuerte Idee war das?" fluchte Harry.

„Meine." gab Snape zu.

„Hermine, geh zum Kamin und rufe Madam Pomfrey und sie soll Skele-Gro mitbringen."

Harry ging zu Shaklebolt und schob die Überreste des Tisches beiseite.

Er erweckte auch ihn wieder und Shaklebolt stöhnte. Er schien nur einen gebrochenen Arm und ein paar gebrochene Rippen zu haben.

„Verdammt, ich hätte euch umbringen können." schrie Harry außer sich, „Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?"

Shaklebolt lachte: „Hört euch das an. Er stand gerade drei Todessern gegenüber und er sorgt sich darüber, dass er uns hätte umbringen können. Nicht, dass es nicht wahr wäre. Verdammt, in unseren Duellen hast du nie solche hässlichen Flüche eingesetzt."

„Da habe ich ja auch mit Freunden trainiert und nicht gegen Todesser gekämpft. Glaubt ihr, ich wollte euch verletzen?"

Remus stöhnte: „Ich habe euch gewarnt, dass er sich zurückgehalten hat."

In diesem Moment trat Dumbledore dicht gefolgt von Madam Pomfrey aus dem Kamin.

Dumbledore sah sich entsetzt um. Das Zimmer glich einem Schlachtfeld. Als er die kümmerlichen Gestalten der drei Möchtegerntodesser am Boden liegen sah, weiteten sich seine Augen, dann lächelte er und sah Harry mit Stolz in den Augen an.

„Das ging wohl etwas in die Hose, meine Herren." stellte er amüsiert fest.

„Wer hat ihm diese hässlichen Flüche beigebracht?" fluchte Shaklebolt.

„Du vergisst, dass er in der Bibliothek der Blacks studiert hat, Kingsley? Ich hätte eigentlich erwartet, dass du das berücksichtigst." sagte Dumbledore spöttisch.

„Und woher beherrscht er so perfekt die stablose Magie?" stöhnte Snape.

„Severus. Ich hatte dir doch erzählt, dass er Miss Weasley ohne Zauberstab und ohne Zauberspruch entwaffnet hat. Damit hättest du rechnen müssen."

Hermine sah Harry überrascht an, doch Harry schüttelte den Kopf und bedeutete ihr, dass sie später darüber reden würden.

„Und seit wann beherrscht er Okklumentik und dazu noch Leglimens."

Dumbledore sah Snape drohend an, „Ich hatte dich gewarnt, noch mal Leglimens bei Harry einzusetzen, Severus. Ich bin sehr enttäuscht von dir." sagte er mit ernster Stimme.

Pomfrey hatte inzwischen die Knochen von Shaklebolt wieder geflickt und meinte: „Mr. Shaklebolt, sie kommen mit auf die Krankenstation. Sie haben innere Verletzungen, die mindestens zwei Tage ausheilen müssen. Es sieht aus, als wären sie von einem Pferd getreten worden."

„Es waren Eisenkugeln, die mich getroffen haben. Verdammt noch mal Potter, was war das für ein Zauber?"

Harry zuckte mit den Schultern und grinste diabolisch, „Berufsgeheimnis. Vielleicht sollten sie ihre Zeit im Krankenflügel nutzen und einen Aufsatz schreiben, was sie alles falsch gemacht haben."

Trotz seiner Verletzungen lachte Kingsley schallend.

Dann gab Pomfrey Remus den Knochenregenerationstrank und er schluckte ihn widerwillig.

„Das war nicht nett, von dir Harry." stöhnte er.

„Es war auch nicht nett, meine Freundin mit dem Cruciatus-Fluch zu bedrohen. Ich würde sagen, der Skele-Gro-Trank ist die wohlverdiente Strafe. Niemand legt sich ungestraft mit meinen Freunden an." sagte Harry todernst mit blitzenden Augen.

„Touché." murmelte Remus.

„Und seit wann kannst du apparieren? Wer hat dir das beigebracht?" fluchte Shaklebolt.

„Ich habe etwas gelesen. Ich nehme an, ich hab mir ein gutes Beispiel an Hermine genommen." sagte er mit einem anerkennenden Seitenblick auf seine Freundin.

Snape war soweit in Ordnung und brauchte nicht weiter behandelt werden. Auch Hermine war unverletzt diesem Inferno entgangen. Sie hatte ihn die ganze Zeit überrascht und beinahe ehrfürchtig betrachtet, jetzt fiel sie ihm um den Hals.

Es gab ein Plopp und Dobby erschien.

„Dobby, was machst du hier?" fragte Hermine überrascht.

„Dobby dient jetzt Harry Potter, Miss Granger. Oje! Der ganze Raum zerstört. Wer war das? Armer Dobby und arme Winky müssen jetzt alles reparieren."

„Ihr dient jetzt Harry?" fragte Hermine überrascht und sandte Harry einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Ja, Dobby und Winky arbeiten für Harry Potter, Miss. Harry Potter sehr großzügig. Dobby und Winky bekommen viel Geld und Urlaub. Wir haben sogar ein eigenen Raum. Dobby ist sehr glücklich."

„Ach, Dobby." sagte Harry.

„Ja, Harry Potter?"

"Ihr werdet diesen Raum nicht aufräumen und nicht ganz machen. Das werden die Herren Snape, Lupin und Shaklebolt schön selbst machen und zwar, bevor sie sich in die Krankenpflege begeben."

Hermine verkniff sich ein Grinsen, doch Dumbledore und Pomfrey lachten offen.

„Das kannst du nicht tun, Harry." stöhnte Remus.

„Oh doch. Das Haus gehört mir und ihr habt es zerstört. Dobby, du lässt hier niemanden raus, bis das Zimmer wieder in seinem ursprünglichen Zustand ist."

„Sehr wohl. Dobby passt auf."

Hermine betrachtete mit geweiteten Augen Harrys Arm, „Du bist verletzt, Harry."

Harry zog seinen Umhang aus und verkniff sich gerade noch einen Aufschrei, als der Umhang über die Wunde streifte. Dann betrachtete er den Schnitt. „Halb so wild." sagte er und Madam Pomfrey heilte den Schnitt augenblicklich.

Nachdem Snape, Pomfrey und Shaklebolt nach Hogwarts verschwunden waren, fragte Hermine: „Harry, hast du sonst noch was gelernt? Ich meine, du zauberst wie der Teufel, noch dazu ohne Zauberstab, apparierst aus dem Reflex heraus und besiegst drei der besten Duellanten, die ich kenne."

„Oh ja, ich würde gern mal eine Demonstration sehen. Ich denke, Remus würde das auch begrüßen." meinte Dumbledore und zwinkerte ihm zu. Remus, seinen rechten Arm in einer Schlinge, sah ihn fragend an.

„Es ist eine Überraschung für dich, Remus. Ich werde dir beim nächsten Vollmond Gesellschaft leisten." sagte er locker.

Remus und Hermine sahen ihn überrascht an. Harry ging in die Mitte des Raumes, zauberte den Tisch und die Stühle beiseite, damit er genügend Platz hatte. Dann schloss er die Augen und verwandelte sich.

„Unfassbar!" staunte Dumbledore.

„Ein... ein... Löwe." stotterte Remus.

„Nein, Professor Lupin, das ist ein Greif." murmelte Hermine leise.

Harry ließ ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönen, dann verwandelte er sich zurück.

Die drei sahen ihn ehrfurchtsvoll an.

„Harry, wie lange hast du dafür gebraucht?" fragte Hermine mit zitternder Stimme.

„Ich habe in der ersten Woche angefangen, also etwa sechs Wochen."

„Harry, ein magisches Tier. Ich muss sagen, du übertriffst unsere Erwartungen, wieder einmal. Ich gehe davon aus, dass du dich nicht registrieren lassen willst, solange Voldemort nicht geschlagen ist? Gut. Ich muss jetzt nach Hogwarts zurückkehren. Das wird langsam zu viel für mich alten Mann." Damit verabschiedete sich Dumbledore und reiste zurück.

„Danke, Harry. Das bedeutet mir sehr viel." sagte Remus leise. „Ich lass euch beide jetzt allein. Mein Arm schmerzt wie die Hölle. Hermine, bitte erinnere mich bei Gelegenheit daran, dass ich auf Harrys guter Seite bleibe. Diese Erfahrung reicht fürs Leben."