Übung macht den Meister
III 172
Legolas erwachte früh und streckte sich ausgiebig. Er setzte sich auf, sah sich um und bemerkte schnell, dass er nicht wie gewohnt in seinem Zimmer aufgewacht war. Wo war er denn nun? Ach ja, in Lórien! Langsam krabbelte er aus dem Bett und lugte sogleich in die kleine Wiege. Rúmil, so glaubte er, schlief tief und fest, doch wo war Orophin?
„Guten Morgen, kleiner Prinz", begrüßte ihn Haldir fröhlich uns sprang mit seinem kleinen Bruder Orophin auf dem Arm durch eine Lücke in den Ästen in den Talan. Etwas erschrocken drehte sich Legolas um doch sein Gesicht erhellte sich, als er Haldir erkannte.
„Wo warst du mit Orophin?", fragte er neugierig und stürzte sich auf den kleinen Elben, um ihn anzufassen. So konnte er ihn besser sehen als in der dunklen Wiege. Der Babyelb sah ihn aus großen blauen Augen an. Dann streckte er dem kleinen Prinzen zwei seiner dünnen Ärmchen entgegen.
„Darf ich ihn halten? Bitte!", bettelte Legolas. Haldir nickte. „Setz dich am Besten auf das Bett, dann kann auch nichts passieren." Legolas setzte sich sofort artig auf das Bett und der Wachmann setzte Orophin auf seinen Schoß. Dann nahm er noch Rúmil aus der Wiege und hockte sich nun auch auf das Bett. „Um zu deiner Frage zurückzukommen", erklärte er dann. „Ich war mit Orophin am See. Er hat geschrieen und ich wollte ihn beruhigen. Das klappt bisher immer ganz gut, wenn ich ein Stückchen mit ihm spazieren gehe."
Mehr als ein „Ach so"brachte Legolas nicht heraus, denn er war völlig auf Orophin konzentriert. Dieser krabbelte langsam zur Kante des Bettes um hinunter zu schauen. In einer Ecke des Talans entdeckte er einen Ball, zeigte auf jenen und gab fröhliche Geräusche von sich. Legolas verstand ihn sofort und hüpfte vom Bett. „Ich hol ihn dir."Er schnappte sich den Ball und warf ihn Orophin zu. Der kleine lórische Elb versuchte so gut es ging den für ihn riesigen Ball zu fangen, umschlang ihn und rollte zurück ins Bett. Legolas kroch zu ihm und nahm ihm den Ball ab. Dann rollte er ihm diesem wieder zurück und Orophin bekam ihn zu packen. Er begriff und rollte den Ball zu dem Prinzen.
„Er lernt schnell", lächelte Haldir und wiegte den schlafenden Rúmil in den Armen. „Hm", machte Legolas. „So gut ist er auch nicht." Der Wächter lachte. „Er ist ja auch noch nicht so groß wie du! Er schafft das schon noch."
Legolas hielt den Ball nun fest. „Das ist langweilig", schmollte er und setzte sein Kinn auf das Spielzeug. „Soll ich dir vielleicht zeigen, wie man mit dem Bogen umgeht?", fragte Haldir. Und sofort war der junge Elb wieder Feuer und Flamme. „Au ja!", rief er und sprang aufgeregt vor dem älteren hin und her. „Gut, aber erst ziehen wir dich an und versorgen die Zwillinge."Haldir legte die Zwillinge behutsam zurück in die Wiege und half Legolas dann seinen Tunik anzuziehen. Dann nahm er sich Pfeil und Bogen und kletterte mit dem Prinzen aus den Talan.
Sie kamen schließlich auf einer großen Wiese an und setzten sich vorerst ins Gras nieder. Haldir nahm seinen Bogen, welcher reichlich mit elbischen Runen und Mustern verziert war und dessen Sehne golden glänzte. „Siehst du wie fein er geschwungen ist? Er ist sehr leicht für seine Größe und er liegt gut in der Hand. Seine Sehne ist aus Elbenhaar, dünn, doch fest wie keine andere. Solch einen guten Bogen wirst du nirgendwo anders in Mittelerde finden." Der Wächter erzählte weiter, doch Legolas wurde es inzwischen langweilig. Er wollte schießen und zwar jetzt! Und ihm war egal aus welchem Material der Bogen war. Unruhig rutsche er auf dem Gras hin und her und beobachtete ungeduldig die anderen Elben, die sich auf der Wiese im Bogenschießen übten. Des Gleichen kaum zu erwarten zerrte er an Haldirs Tunik und jener sah zu ihm hinab. „Entschuldige", lachte er dann. „Komm, ich zeige dir jetzt wie man schießt."
Der Galadhrim stand auf und sah hinüber zu einer Zielscheibe, während der Elbling freudig um ihn her hüpfte. Er nahm einen Pfeil aus seinem Köcher und spannte ihn in den Bogen ein. Dann hob er ihn und zielte starr auf die Scheibe. „Siehe und lerne", erklärte er Legolas und der Prinz sah genau hin.
***
„Wenn er aus dieser Entfernung sein Ziel trifft, bin ich wirklich überwältigt", tuschelten ein blonder und ein dunklerer Elf, die Haldir von ihrem Sitzplatz auf der Wiese genau beobachteten. „Das grenzt selbst für einen Elben schon fast an ein Wunder", sagte der blonde.
„Erestor, schau wie gut Elladan schießen kann!", rief Elrohir, ein Elbenkind, zu Erestor, dem braunhaarigen. Der Angesprochene blickte zu ihm und lächelte, als er sah, wie gut sich Elladan mit dem Bogen erwies. „Er wird sicher ein stolzer Krieger, Elronds Sohn. Nicht wahr, Glorfindel?" Glorfindel nickte lachend. „Oh ja, sicher braucht er nicht mehr lange um in unserer Armee zu kämpfen."
Elrohir, Elladans Zwillingsbruder, kuschelte sich derweil in den Armen Erestors ein und sah seinem Bruder weiterhin beim Üben zu. Dieser stellte sich zwar noch etwas ungeschickt an, jedoch gut genug für einen Elben seines Alters. „Sieh!", rief Glorfindel plötzlich und deutete auf Haldir, dessen Pfeil nun leise in der Luft surrte, den Horizont fast genau passierte und schließlich sein Ziel inmitten der anvisierten Zielscheibe traf. „Kaum zu glauben!", rief Erestor und sprang auf, um sich zu vergewissern, dass der Pfeil wirklich die Mitte der Scheibe erreicht hatte. Tatsächlich!
Haldir lächelte zufrieden und sah hinab zu Legolas, der mit offenem Mund da stand und fasziniert auf den soeben abgeschossenen Pfeil starrte. „Überrascht, kleiner Prinz? Wenn du viel übst, dann kannst du das auch." Der Angesprochene sah hoch zu dem Schützen. „Ehrlich?", fragte er und diese frage wurde von Haldir bejaht. „Komm, jetzt bist du an der Reihe." Er nahm sich einen kleineren Bogen und dementsprechend angepasste Pfeile, ging zu einer näheren Zielscheibe, reichte sie schließlich dem Prinzen und lehrte ihn, wie man diese richtig hielt.
„Das machst du schon gut", lächelte der Galadhrim. Er klopfte dem Jüngeren ermutigend auf die Schulter und stand dann auf. „Ich muss zurück zur Wache. Üb du ruhig noch ein wenig. Ich komme dich nachher wieder abholen." Mit diesen Worten ging er bewaffnet westwärts zu den Wäldern. Legolas nickte nur knapp und legte einen neuen Pfeil an. Er schoss und traf den zweitäußeren Ring der Zielscheibe.
Elladan war mit dem Training fertig. Er beäugte seine abgeschossenen Pfeile prüfend, nickte dann stolz und drehte sich zufrieden mit sich selbst um. Sogleich erblickte er den blonden Elbenprinzen beim Üben. Für einen solch kleinen Kerl gar nicht mal so schlecht! Er beschloss den Jungen erst einmal kennen zu lernen und schritt auf denjenigen zu. Als Legolas ihn bemerkte, sah er verblüfft auf und wartete, bis jener ihn erreichte.
Elladan, der den Prinzen um fast einen Kopf überragte, nickte leicht zur Begrüßung. „Guten Tag", rief er dem Blonden zu und lächelte freundlich. „Ich hab' dich hier noch nie gesehen. Von wo kommst du?" Legolas sah verwirrt aus. Was wollte der Junge von ihm? „Eryn Lasgalen", sagte er automatisch. „Ah, davon habe ich schon gehört", erzählte Elladan. „Mein Name ist Elladan, Sohn von Elrond, dem Herrn von Imladris. Schön dich kennen zu lernen."Er reichte ihm die Hand und Legolas nahm sie an. „Legolas, Sohn Thranduils. Prinz von Eryn Lasgalen." „Oh, also bist du auch ein Thronfolger. In deinem Alter musste ich auch anfangen für die Armee unseres Volkes kämpfen zu lernen." Legolas schüttelte verwirrt den Kopf. „Oh nein, ich mache das nur aus Spaß. Haldir hat es mir gezeigt!"Elladan schien nun interessierter als zuvor. „Der Galadhrim, der vorhin bei dir stand?", fragte er. „Ja, genau der", antwortete Legolas darauf. „Er kann wirklich fantastisch schießen. Da hast du einen guten Lehrer!", schwärmte der dunkle Prinz. Legolas nickte stolz. Ja, er war froh Haldir zu haben. Auch, wenn er ein nicht solch guter Schütze wäre.
„Elladan, da bist du ja!", rief eine helle, kindlicher Stimme von hinten. Die Prinzen drehten sich zu ihr um. Legolas runzelte die Stirn. Noch ein Elladan?! Der rufende Elb sah dem Prinzen Imladris verflixt ähnlich. Er blieb vor den Zweien stehen. „Ich hab' nach dir gesucht", pustete er erschöpft vom Rennen. „Oh, das tut mir leid", sagte Elladan. „Legolas, dies ist mein Zwillingsbruder Elrohir", stellte er den anderen Elben vor. Schon wieder Zwillinge! Das macht einen ja ganz wirr, dachte Legolas, doch versuchte einigermaßen höflich zu lächeln.
„Möchtest du mit mir üben?", fragte Elladan den Blonden nun weiter aus. Dieser nickte. Zu zweit würde es sicher mehr Spaß machen. Und so schossen die beiden Prinzen ihre Pfeile nacheinander ab. Elladan war ganz klar der Bessere, er hatte schließlich mehr Übung. Elrohir setzte sich derweil ins Gras und beobachtete das Geschehen.
***
„Wo ist mein Sohn, Galion?"Thranduil stand an der Kante eines Talans und überblickte forschend die Ebene Lóriens ohne Galion eines Blickes zu würdigen. „Er ist bei dem Elbenwächter, der uns am vorherigen Tag empfing." Der Weinkellermeister senkte beschämt sein Haupt, da er bereits wusste, was ihn erwarten würde. „Er ist bei ‚wem'?"Thranduil drehte sich abrupt um. „Du kannst nicht verantworten, dass mein Sohn Vertrauen zu den lórischen Elben aufbaut. Genau das tat mein Vater und nun ist er tot!" Zorn lag in seiner Stimme. Von der Wut aufgewirbelt setzte er sich auf einen Stuhl. Galion sah ihn fragend und den nächsten Befehl erwartend an. „Worauf wartest du, du Narr? Hol ihn zu mir!", war die Antwort auf seine unausgesprochene Frage. Er nickte knapp. „Verzeiht, mein Herr." Sogleich eilte er los den Prinzen zurück zu holen.
Galion war etwas wütend auf die Kleinlichkeit seines Herrn. Oropher war wegen einem lórischen Elben gestorben, aber auch einer seines Volkes hätte diese Unzuverlässigkeit haben können. Langsam gelang der Elb zurück in die Realität. Wo sollte er denn nach Legolas suchen? Würde er zulange brauchen, war ihm eine Strafe Thranduils gewiss. Zu seiner Erleichterung entdeckte er Haldir, welcher schnellen Schrittes in Richtung Wälder lief. Doch wo war der junge Prinz?
„Haltet ein, Haldir!"Haldir blieb abrupt stehen und sah zu Galion, der schnell zu ihm gelaufen kam. „Wo ist der Prinz?" „Er ist auf der Lichtung und übt sich im Bogenschießen. Habt keine Angst; in Lothlórien ist er sicher."Der Weinkellermeister nahm es zur Kenntnis und erklärte dem blonden Elben, was ihn dazu bewegte, den Prinzen zu holen. „Mein Herr vertraut Euch nicht. Ihr müsst wissen er hasst die lórischen Elben."Er seufzte. „Eine Strafe ist mir sicher. Ich hätte Legolas nicht zu Euch lassen dürfen. Glaubt mir, ich vertraue Euch, doch kann ich mich dem Befehl meines Herrn nicht widersetzen." Haldir nickte verstehend. „Ich verstehe Eure Angst und ich bin Euch nicht böse. Nur der junge Prinz tut mir leid." Bedauern lag in seiner Stimme und er blickte zurück zur Lichtung. „Sagt ihm Lebewohl von mir."Er verabschiedete sich und setzte seinen Weg fort.
Auch Galion empfand Mitleid für den Prinzen; er würde früher oder später jedoch das Los seines Vaters teilen müssen, da ihm ständig eingeredet wurde, dass die lórischen Elben kein reines Herz hatten. Er entdeckte jenen auf der Lichtung mit den Prinzen Imladris. Galion lächelte. Wenigstens hatte er Gefährten gefunden, die sein Vater nicht verabscheute.
Zwischendurch war Legolas von seiner ihrer Stelle verschwunden um etwas zu holen, jedoch kam er schnell wieder. Erschöpft ließen sich er und Elladan nun zu Boden fallen. Der blonde Prinz lächelte. „Lass uns öfter zusammen üben."Sein Lächeln wurde erwidert. „Sehr gerne."Elrohir gesellte sich zu ihnen und kuschelte sich in die Arme seines Bruders. „Ich bin müde, lass uns gleich gehen." „Du bist müde?", neckte Elladan seinen Bruder. „Du hast doch die ganze Zeit nur da gesessen und nichts getan. Du bist ein Schwächling, Elrohir. Wenn du nicht übst wirst du nie ein Krieger in Vaters Legion."Elrohir sah zu ihm auf. „Das will ich auch gar nicht", sagte er dann leicht beleidigt. Elladan schüttelte den Kopf und widmete sich dann wieder Legolas. „Hast du eigentlich auch Geschwister?" „Nein, hab ich nicht", antwortete der Angesprochene. „Manchmal wünscht ich mir, ich hätte auch keinen."Dies kam von Elladan und sein Bruder streckte ihm gemein die Zunge heraus. Er lachte. „Aber es wär' auch schade, hätte ich keinen."Elrohirs Gesicht erhellte sich erfreut. „Hab dich lieb, großer Bruder." „Ich dich auch, kleiner Bruder." Legolas war verwirrt. „Ich dachte, ihr seid Zwillinge?" „Sind wir auch. Nur ich bin ein paar Minuten eher geboren und somit Thronerbe geworden", berichtete Elladan stolz. „Das ist mir auch ganz recht", beschwichtigte Elrohir. „Ich will nicht kämpfen. Und regieren ist zu anstrengend." „Du bist faul, Bruder!" „Selber faul!" „Nein, ich mach mehr als du. Ich trainiere und lerne. Und was machst du? Du schaust mir zu. Aber glaub mir, daraus wirst du auch nicht lernen." Das Gezanke ging Legolas allmählich auf den Geist und er sah sich gelangweilt um.
Galion entdeckte ihn. „Komm, mein Prinz, dein Vater wünscht dich zu sehen." Sofort sprang Legolas auf und verabschiedete die Zwillinge, die ihn allerdings kaum bemerkten, da sie immer noch zu sehr in ihren Streit vertieft waren. Der Prinz nahm seinen Lehrer an die Hand und erzählte ihm von seinem Tag.
„... und Haldirs Pfeil traf dann genau in der Mitte der Scheibe. Selbst die erwachsenen Elben waren erstaunt. Er ist ein sehr guter Bogenschütze. Ach Galion, sag, wo ist Haldir überhaupt?" Galion seufzte. „Dein Vater war nicht sonderlich erfreut darüber, dass du mit einem lórischen Elben zusammen warst." „Oh", gab Legolas betrübt von sich. „Darf ich Haldir denn noch einmal Auf Wiedersehen sagen?" „Es gibt kein Wiedersehen mit ihm", erklärte Galion bedauerlich. „Ich soll dir von ihm Lebewohl sagen."Legolas blieb stehen und schob zitternd seine Unterlippe vor. In seinen Augen füllten sich mit Tränen. „Aber, aber..." Sogleich rollten diese über die Wangen des kleinen Elben. Der Weinkellermeister kniete sich zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Ssscchh, mein Kleiner, du wirst ihn bald vergessen haben und einen neuen Freund finden."Sanft streichelte er den Jüngeren über das blonde Haar und über den Rücken.
Plötzlich sah sein Gesicht etwas verwundert aus. „Legolas, was ist das?" Er nahm den seltsamen Gegenstand aus Legolas Hand. Es war eine golden und silbern schimmernde Feder. „Das ist eine Feder aus Haldirs Pfeil, den er abgeschossen. Bitte Galion, nimm ihn mir nicht weg! Bitte nicht", flehte Legolas und sah mit traurigen Augen hinauf zu seinem Lehrer. Galion lächelte warm und gab Legolas die Feder zurück. „Behalt du sie nur." Der Elbling war erleichtert, dennoch traurig zugleich. Er würde Haldir nie wieder sehen.
TBC...
Jo, das war der zweite Teil. Hoffe, er hat euch gefallen...
@Yamica: Oi, schön, dass du schreibst... dir hab ich es nämlich zu verdanken, dass ich Haldir/Legolas-süchtig bin ^^'
~Orophin
III 172
Legolas erwachte früh und streckte sich ausgiebig. Er setzte sich auf, sah sich um und bemerkte schnell, dass er nicht wie gewohnt in seinem Zimmer aufgewacht war. Wo war er denn nun? Ach ja, in Lórien! Langsam krabbelte er aus dem Bett und lugte sogleich in die kleine Wiege. Rúmil, so glaubte er, schlief tief und fest, doch wo war Orophin?
„Guten Morgen, kleiner Prinz", begrüßte ihn Haldir fröhlich uns sprang mit seinem kleinen Bruder Orophin auf dem Arm durch eine Lücke in den Ästen in den Talan. Etwas erschrocken drehte sich Legolas um doch sein Gesicht erhellte sich, als er Haldir erkannte.
„Wo warst du mit Orophin?", fragte er neugierig und stürzte sich auf den kleinen Elben, um ihn anzufassen. So konnte er ihn besser sehen als in der dunklen Wiege. Der Babyelb sah ihn aus großen blauen Augen an. Dann streckte er dem kleinen Prinzen zwei seiner dünnen Ärmchen entgegen.
„Darf ich ihn halten? Bitte!", bettelte Legolas. Haldir nickte. „Setz dich am Besten auf das Bett, dann kann auch nichts passieren." Legolas setzte sich sofort artig auf das Bett und der Wachmann setzte Orophin auf seinen Schoß. Dann nahm er noch Rúmil aus der Wiege und hockte sich nun auch auf das Bett. „Um zu deiner Frage zurückzukommen", erklärte er dann. „Ich war mit Orophin am See. Er hat geschrieen und ich wollte ihn beruhigen. Das klappt bisher immer ganz gut, wenn ich ein Stückchen mit ihm spazieren gehe."
Mehr als ein „Ach so"brachte Legolas nicht heraus, denn er war völlig auf Orophin konzentriert. Dieser krabbelte langsam zur Kante des Bettes um hinunter zu schauen. In einer Ecke des Talans entdeckte er einen Ball, zeigte auf jenen und gab fröhliche Geräusche von sich. Legolas verstand ihn sofort und hüpfte vom Bett. „Ich hol ihn dir."Er schnappte sich den Ball und warf ihn Orophin zu. Der kleine lórische Elb versuchte so gut es ging den für ihn riesigen Ball zu fangen, umschlang ihn und rollte zurück ins Bett. Legolas kroch zu ihm und nahm ihm den Ball ab. Dann rollte er ihm diesem wieder zurück und Orophin bekam ihn zu packen. Er begriff und rollte den Ball zu dem Prinzen.
„Er lernt schnell", lächelte Haldir und wiegte den schlafenden Rúmil in den Armen. „Hm", machte Legolas. „So gut ist er auch nicht." Der Wächter lachte. „Er ist ja auch noch nicht so groß wie du! Er schafft das schon noch."
Legolas hielt den Ball nun fest. „Das ist langweilig", schmollte er und setzte sein Kinn auf das Spielzeug. „Soll ich dir vielleicht zeigen, wie man mit dem Bogen umgeht?", fragte Haldir. Und sofort war der junge Elb wieder Feuer und Flamme. „Au ja!", rief er und sprang aufgeregt vor dem älteren hin und her. „Gut, aber erst ziehen wir dich an und versorgen die Zwillinge."Haldir legte die Zwillinge behutsam zurück in die Wiege und half Legolas dann seinen Tunik anzuziehen. Dann nahm er sich Pfeil und Bogen und kletterte mit dem Prinzen aus den Talan.
Sie kamen schließlich auf einer großen Wiese an und setzten sich vorerst ins Gras nieder. Haldir nahm seinen Bogen, welcher reichlich mit elbischen Runen und Mustern verziert war und dessen Sehne golden glänzte. „Siehst du wie fein er geschwungen ist? Er ist sehr leicht für seine Größe und er liegt gut in der Hand. Seine Sehne ist aus Elbenhaar, dünn, doch fest wie keine andere. Solch einen guten Bogen wirst du nirgendwo anders in Mittelerde finden." Der Wächter erzählte weiter, doch Legolas wurde es inzwischen langweilig. Er wollte schießen und zwar jetzt! Und ihm war egal aus welchem Material der Bogen war. Unruhig rutsche er auf dem Gras hin und her und beobachtete ungeduldig die anderen Elben, die sich auf der Wiese im Bogenschießen übten. Des Gleichen kaum zu erwarten zerrte er an Haldirs Tunik und jener sah zu ihm hinab. „Entschuldige", lachte er dann. „Komm, ich zeige dir jetzt wie man schießt."
Der Galadhrim stand auf und sah hinüber zu einer Zielscheibe, während der Elbling freudig um ihn her hüpfte. Er nahm einen Pfeil aus seinem Köcher und spannte ihn in den Bogen ein. Dann hob er ihn und zielte starr auf die Scheibe. „Siehe und lerne", erklärte er Legolas und der Prinz sah genau hin.
***
„Wenn er aus dieser Entfernung sein Ziel trifft, bin ich wirklich überwältigt", tuschelten ein blonder und ein dunklerer Elf, die Haldir von ihrem Sitzplatz auf der Wiese genau beobachteten. „Das grenzt selbst für einen Elben schon fast an ein Wunder", sagte der blonde.
„Erestor, schau wie gut Elladan schießen kann!", rief Elrohir, ein Elbenkind, zu Erestor, dem braunhaarigen. Der Angesprochene blickte zu ihm und lächelte, als er sah, wie gut sich Elladan mit dem Bogen erwies. „Er wird sicher ein stolzer Krieger, Elronds Sohn. Nicht wahr, Glorfindel?" Glorfindel nickte lachend. „Oh ja, sicher braucht er nicht mehr lange um in unserer Armee zu kämpfen."
Elrohir, Elladans Zwillingsbruder, kuschelte sich derweil in den Armen Erestors ein und sah seinem Bruder weiterhin beim Üben zu. Dieser stellte sich zwar noch etwas ungeschickt an, jedoch gut genug für einen Elben seines Alters. „Sieh!", rief Glorfindel plötzlich und deutete auf Haldir, dessen Pfeil nun leise in der Luft surrte, den Horizont fast genau passierte und schließlich sein Ziel inmitten der anvisierten Zielscheibe traf. „Kaum zu glauben!", rief Erestor und sprang auf, um sich zu vergewissern, dass der Pfeil wirklich die Mitte der Scheibe erreicht hatte. Tatsächlich!
Haldir lächelte zufrieden und sah hinab zu Legolas, der mit offenem Mund da stand und fasziniert auf den soeben abgeschossenen Pfeil starrte. „Überrascht, kleiner Prinz? Wenn du viel übst, dann kannst du das auch." Der Angesprochene sah hoch zu dem Schützen. „Ehrlich?", fragte er und diese frage wurde von Haldir bejaht. „Komm, jetzt bist du an der Reihe." Er nahm sich einen kleineren Bogen und dementsprechend angepasste Pfeile, ging zu einer näheren Zielscheibe, reichte sie schließlich dem Prinzen und lehrte ihn, wie man diese richtig hielt.
„Das machst du schon gut", lächelte der Galadhrim. Er klopfte dem Jüngeren ermutigend auf die Schulter und stand dann auf. „Ich muss zurück zur Wache. Üb du ruhig noch ein wenig. Ich komme dich nachher wieder abholen." Mit diesen Worten ging er bewaffnet westwärts zu den Wäldern. Legolas nickte nur knapp und legte einen neuen Pfeil an. Er schoss und traf den zweitäußeren Ring der Zielscheibe.
Elladan war mit dem Training fertig. Er beäugte seine abgeschossenen Pfeile prüfend, nickte dann stolz und drehte sich zufrieden mit sich selbst um. Sogleich erblickte er den blonden Elbenprinzen beim Üben. Für einen solch kleinen Kerl gar nicht mal so schlecht! Er beschloss den Jungen erst einmal kennen zu lernen und schritt auf denjenigen zu. Als Legolas ihn bemerkte, sah er verblüfft auf und wartete, bis jener ihn erreichte.
Elladan, der den Prinzen um fast einen Kopf überragte, nickte leicht zur Begrüßung. „Guten Tag", rief er dem Blonden zu und lächelte freundlich. „Ich hab' dich hier noch nie gesehen. Von wo kommst du?" Legolas sah verwirrt aus. Was wollte der Junge von ihm? „Eryn Lasgalen", sagte er automatisch. „Ah, davon habe ich schon gehört", erzählte Elladan. „Mein Name ist Elladan, Sohn von Elrond, dem Herrn von Imladris. Schön dich kennen zu lernen."Er reichte ihm die Hand und Legolas nahm sie an. „Legolas, Sohn Thranduils. Prinz von Eryn Lasgalen." „Oh, also bist du auch ein Thronfolger. In deinem Alter musste ich auch anfangen für die Armee unseres Volkes kämpfen zu lernen." Legolas schüttelte verwirrt den Kopf. „Oh nein, ich mache das nur aus Spaß. Haldir hat es mir gezeigt!"Elladan schien nun interessierter als zuvor. „Der Galadhrim, der vorhin bei dir stand?", fragte er. „Ja, genau der", antwortete Legolas darauf. „Er kann wirklich fantastisch schießen. Da hast du einen guten Lehrer!", schwärmte der dunkle Prinz. Legolas nickte stolz. Ja, er war froh Haldir zu haben. Auch, wenn er ein nicht solch guter Schütze wäre.
„Elladan, da bist du ja!", rief eine helle, kindlicher Stimme von hinten. Die Prinzen drehten sich zu ihr um. Legolas runzelte die Stirn. Noch ein Elladan?! Der rufende Elb sah dem Prinzen Imladris verflixt ähnlich. Er blieb vor den Zweien stehen. „Ich hab' nach dir gesucht", pustete er erschöpft vom Rennen. „Oh, das tut mir leid", sagte Elladan. „Legolas, dies ist mein Zwillingsbruder Elrohir", stellte er den anderen Elben vor. Schon wieder Zwillinge! Das macht einen ja ganz wirr, dachte Legolas, doch versuchte einigermaßen höflich zu lächeln.
„Möchtest du mit mir üben?", fragte Elladan den Blonden nun weiter aus. Dieser nickte. Zu zweit würde es sicher mehr Spaß machen. Und so schossen die beiden Prinzen ihre Pfeile nacheinander ab. Elladan war ganz klar der Bessere, er hatte schließlich mehr Übung. Elrohir setzte sich derweil ins Gras und beobachtete das Geschehen.
***
„Wo ist mein Sohn, Galion?"Thranduil stand an der Kante eines Talans und überblickte forschend die Ebene Lóriens ohne Galion eines Blickes zu würdigen. „Er ist bei dem Elbenwächter, der uns am vorherigen Tag empfing." Der Weinkellermeister senkte beschämt sein Haupt, da er bereits wusste, was ihn erwarten würde. „Er ist bei ‚wem'?"Thranduil drehte sich abrupt um. „Du kannst nicht verantworten, dass mein Sohn Vertrauen zu den lórischen Elben aufbaut. Genau das tat mein Vater und nun ist er tot!" Zorn lag in seiner Stimme. Von der Wut aufgewirbelt setzte er sich auf einen Stuhl. Galion sah ihn fragend und den nächsten Befehl erwartend an. „Worauf wartest du, du Narr? Hol ihn zu mir!", war die Antwort auf seine unausgesprochene Frage. Er nickte knapp. „Verzeiht, mein Herr." Sogleich eilte er los den Prinzen zurück zu holen.
Galion war etwas wütend auf die Kleinlichkeit seines Herrn. Oropher war wegen einem lórischen Elben gestorben, aber auch einer seines Volkes hätte diese Unzuverlässigkeit haben können. Langsam gelang der Elb zurück in die Realität. Wo sollte er denn nach Legolas suchen? Würde er zulange brauchen, war ihm eine Strafe Thranduils gewiss. Zu seiner Erleichterung entdeckte er Haldir, welcher schnellen Schrittes in Richtung Wälder lief. Doch wo war der junge Prinz?
„Haltet ein, Haldir!"Haldir blieb abrupt stehen und sah zu Galion, der schnell zu ihm gelaufen kam. „Wo ist der Prinz?" „Er ist auf der Lichtung und übt sich im Bogenschießen. Habt keine Angst; in Lothlórien ist er sicher."Der Weinkellermeister nahm es zur Kenntnis und erklärte dem blonden Elben, was ihn dazu bewegte, den Prinzen zu holen. „Mein Herr vertraut Euch nicht. Ihr müsst wissen er hasst die lórischen Elben."Er seufzte. „Eine Strafe ist mir sicher. Ich hätte Legolas nicht zu Euch lassen dürfen. Glaubt mir, ich vertraue Euch, doch kann ich mich dem Befehl meines Herrn nicht widersetzen." Haldir nickte verstehend. „Ich verstehe Eure Angst und ich bin Euch nicht böse. Nur der junge Prinz tut mir leid." Bedauern lag in seiner Stimme und er blickte zurück zur Lichtung. „Sagt ihm Lebewohl von mir."Er verabschiedete sich und setzte seinen Weg fort.
Auch Galion empfand Mitleid für den Prinzen; er würde früher oder später jedoch das Los seines Vaters teilen müssen, da ihm ständig eingeredet wurde, dass die lórischen Elben kein reines Herz hatten. Er entdeckte jenen auf der Lichtung mit den Prinzen Imladris. Galion lächelte. Wenigstens hatte er Gefährten gefunden, die sein Vater nicht verabscheute.
Zwischendurch war Legolas von seiner ihrer Stelle verschwunden um etwas zu holen, jedoch kam er schnell wieder. Erschöpft ließen sich er und Elladan nun zu Boden fallen. Der blonde Prinz lächelte. „Lass uns öfter zusammen üben."Sein Lächeln wurde erwidert. „Sehr gerne."Elrohir gesellte sich zu ihnen und kuschelte sich in die Arme seines Bruders. „Ich bin müde, lass uns gleich gehen." „Du bist müde?", neckte Elladan seinen Bruder. „Du hast doch die ganze Zeit nur da gesessen und nichts getan. Du bist ein Schwächling, Elrohir. Wenn du nicht übst wirst du nie ein Krieger in Vaters Legion."Elrohir sah zu ihm auf. „Das will ich auch gar nicht", sagte er dann leicht beleidigt. Elladan schüttelte den Kopf und widmete sich dann wieder Legolas. „Hast du eigentlich auch Geschwister?" „Nein, hab ich nicht", antwortete der Angesprochene. „Manchmal wünscht ich mir, ich hätte auch keinen."Dies kam von Elladan und sein Bruder streckte ihm gemein die Zunge heraus. Er lachte. „Aber es wär' auch schade, hätte ich keinen."Elrohirs Gesicht erhellte sich erfreut. „Hab dich lieb, großer Bruder." „Ich dich auch, kleiner Bruder." Legolas war verwirrt. „Ich dachte, ihr seid Zwillinge?" „Sind wir auch. Nur ich bin ein paar Minuten eher geboren und somit Thronerbe geworden", berichtete Elladan stolz. „Das ist mir auch ganz recht", beschwichtigte Elrohir. „Ich will nicht kämpfen. Und regieren ist zu anstrengend." „Du bist faul, Bruder!" „Selber faul!" „Nein, ich mach mehr als du. Ich trainiere und lerne. Und was machst du? Du schaust mir zu. Aber glaub mir, daraus wirst du auch nicht lernen." Das Gezanke ging Legolas allmählich auf den Geist und er sah sich gelangweilt um.
Galion entdeckte ihn. „Komm, mein Prinz, dein Vater wünscht dich zu sehen." Sofort sprang Legolas auf und verabschiedete die Zwillinge, die ihn allerdings kaum bemerkten, da sie immer noch zu sehr in ihren Streit vertieft waren. Der Prinz nahm seinen Lehrer an die Hand und erzählte ihm von seinem Tag.
„... und Haldirs Pfeil traf dann genau in der Mitte der Scheibe. Selbst die erwachsenen Elben waren erstaunt. Er ist ein sehr guter Bogenschütze. Ach Galion, sag, wo ist Haldir überhaupt?" Galion seufzte. „Dein Vater war nicht sonderlich erfreut darüber, dass du mit einem lórischen Elben zusammen warst." „Oh", gab Legolas betrübt von sich. „Darf ich Haldir denn noch einmal Auf Wiedersehen sagen?" „Es gibt kein Wiedersehen mit ihm", erklärte Galion bedauerlich. „Ich soll dir von ihm Lebewohl sagen."Legolas blieb stehen und schob zitternd seine Unterlippe vor. In seinen Augen füllten sich mit Tränen. „Aber, aber..." Sogleich rollten diese über die Wangen des kleinen Elben. Der Weinkellermeister kniete sich zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Ssscchh, mein Kleiner, du wirst ihn bald vergessen haben und einen neuen Freund finden."Sanft streichelte er den Jüngeren über das blonde Haar und über den Rücken.
Plötzlich sah sein Gesicht etwas verwundert aus. „Legolas, was ist das?" Er nahm den seltsamen Gegenstand aus Legolas Hand. Es war eine golden und silbern schimmernde Feder. „Das ist eine Feder aus Haldirs Pfeil, den er abgeschossen. Bitte Galion, nimm ihn mir nicht weg! Bitte nicht", flehte Legolas und sah mit traurigen Augen hinauf zu seinem Lehrer. Galion lächelte warm und gab Legolas die Feder zurück. „Behalt du sie nur." Der Elbling war erleichtert, dennoch traurig zugleich. Er würde Haldir nie wieder sehen.
TBC...
Jo, das war der zweite Teil. Hoffe, er hat euch gefallen...
@Yamica: Oi, schön, dass du schreibst... dir hab ich es nämlich zu verdanken, dass ich Haldir/Legolas-süchtig bin ^^'
~Orophin
