Voldemorts Rache
»Ah!!!«, rief Voldemort und sprang zurück. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Fluch durch Professor Trelawneys dunkles Mal ihn treffen würde. Seit Jahren war kein solcher Fluch mehr gegen ihn angewendet worden.
»Wer war das?«, brüllte Voldemort.
Die Todesser, die um ihn versammelt waren, zuckten erschrocken zurück und riefen laut durcheinander, dass sie es nicht gewesen seien.
»Ihr könnt es gar nicht gewesen sein, ihr Trottel!«, brüllte Voldemort wieder. »Das war ein Flondio-Zauber. Ein Zauberer oder eine Hexe hat einen Fluch auf einen Todesser geschickt, der durch das dunkle Mal zu mir geleitet wurde. Ausserdem schwächt dieser Zauber den Todesser.«
Nun redeten die Todesser wieder durcheinander, diesmal aber vor Erleichterung.
»Hat irgendjemand eine Ahnung, wer das war, oder welcher Todesser nicht hier ist?«
»Die Wahrsagerin!«, rief jemand.
»Ja, Sibyll Trelawney!«, schrie jemand anders.
»Trelawney«, zischte Voldemort und zermalmte einen Stein zwischen seinen Fingern.
* * * *
Nach einer halben Stunde wachte Professor Trelawney wieder auf. In ihrem Kopf drehte sich alles, aber sie hatte schon einen Entschluss gefasst: Sie musste Voldemort finden und ihm alles über Harry Potters Aufenthaltsort berichten.
Also stand sie sofort auf und lief zum Zelt. Als sie hineinschaute, taumelte sie zurück und ihr dunkles Mal brannte heftig. Hier hatten sich eindeutig Harry Potter und seine Freunde herumgetrieben. Und eines war ihr auch klar: Wenn Voldemort Harry Potter tötete, dann würde sie, Sibyll Trelawney, Hermine Granger töten!
* * * *
»Hier landen wir!«, rief Harry und deutete auf den grossen Wald.
»Hältst du das für eine gute Idee?«, fragte Ron. »Ich meine, vielleicht treiben sich in diesem Wald noch mehr Todesser herum!«
»Du hast doch nicht etwa Angst?«, sagte Hermine.
Ron warf ihr einen vernichtenden Blick zu und zischte zum Wald.
Harry zuckte die Schultern und flog ihm nach. Als er landete, war Ron schon nicht mehr zu sehen. Harry dachte, er wäre wohl schon weiter gelaufen. Doch als Harry auf eine Lichtung kam, sah er Rons Besen am Boden liegen. Um den Besen herum waren überall Fussstapfen zu sehen.
Da wurde Harry von der Wahrheit wie von einem Blitzschlag getroffen: Ron war entführt worden!
Im selben Augenblick rannte Hermine keuchend auf die Lichtung.
»Was ist passiert?«, schrie sie schon von weitem.
»Ron ist verschwunden«, sagte Harry so leise, dass Hermine ihn fast nicht verstand. »Schau. Hier auf der Lichtung haben ihn Eingeborene gekidnappt. Man sieht lauter Fussspuren um seinen Besen herum.«
Hermine schnappte nach Luft. »Oh nein! Es ist alles meine Schuld! Hätte ich ihn bloss nicht beleidigt, dann wären wir jetzt alle zusammen auf dieser Lichtung ... aber ... vielleicht wären wir dann alle entführt worden! Ach, hätte ich bloss nicht -«
»Stopp, stopp, stopp, Hermine! Du kannst jetzt nicht einfach alles hinwerfen. Wir finden Ron bestimmt wieder.«
Hermine holte tief Luft und wischte sich die Tränen ab. »Okay. Fangen wir an.«
* * * *
Sie hatten schon eine halbe Stunde nach Ron gesucht und immer noch war keine Spur von ihm zu sehen. Hermine war langsam am Verzweifeln und machte sich die ganze Zeit Vorwürfe. Einmal jammerte sie sogar so laut, dass Harry fast die Geduld verlor.
Doch als Hermine schon dachte, sie würden Ron nie mehr finden, hörten sie weit entfernt einen Schrei.
Harry zuckte zusammen und rannte sofort in die Richtung, in der er Ron vermutete. Hermine war so aufgeregt, dass sie ganz vergass, zu weinen.
Nun wurden die Schreie lauter. Harry war also in die richtige Richtung gelaufen.
»Ron«, schrie er, »Ron! Hörst du mich? Ron!!«
»Harry«, tönte es leise von irgendwo ganz in der Nähe. »Sie haben mich! Die Todesser ...«
»Todesser!«, heulte Hermine.
Da raschelte es im Gebüsch und Ron kam zum Vorschein.
»Habt ihr meinen Besen gesehen?«, fragte er.
»Besen?!?«, schrie Hermine.
Harry konnte vor Erstaunen nichts sagen.
»Glaubt ihr wirklich, in diesem Wald treiben sich auch Todesser herum?«
Harry und Hermine schauten sich an.
»Gut, es war vielleicht ein bisschen gemein, aber nachdem Hermine mich so genervt hatte, wollte ich euch auch nerven. Ich habe meinen Besen auf die Lichtung gelegt, meine Spuren verwischt und mir ein Versteck gesucht. Dann begann ich, zu schreien.«
»Aber Ron«, sagte Hermine, »um deinen Besen herum sind überall riesige Fussstapfen!«
Sie führte ihn zu Lichtung.
»O-Oh«, sagte Ron, als er das sah. »Das war ich nicht!«
Hermine schaute ihn mit ihren geröteten Augen an. »We... wenn du es nicht warst, we... wer war es dann? Do... doch nicht etwa To... Todesser?«, stotterte sie.
»Jetzt bewahrt mal einen kühlen Kopf und denkt logisch!«, mischte sich Harry ein. »Wenn es ein Todesser gewesen wäre, hätte er uns doch schon lange aufgespürt!«
»Vielleicht will der Todesser ja, dass wir nicht mehr logisch denken«, warf Ron ein. Nach einigem Schweigen sagte er noch: »Weil ich es nämlich war! Ihr seid so dämlich, ihr seid schon wieder auf meinen Trick hereingefallen!«
Das ist doch nicht Rons Weise, dachte Harry. Er würde nie so lange nachtragend sein. Und er hatte es Hermine noch nie heimgezahlt, wenn sie nervig war. Da musste doch was dran sein ... Genau!
»Waschus!«, schrie Harry und zielte mit dem Zauberstab auf Ron. Der schwarze Schatten entwich und Ron wirkte ganz kraftlos. Aber er war von Voldemorts Zeichen befreit.
»Ron!«, kreischte Hermine. »Das war Voldemorts Zeichen! Nur solche, die noch nie mit schwarzer Magie zu tun hatten, bekommen es und werden so dazu verleitet, Schlimmes zu tun! Ich kann es natürlich nicht bekommen, denn ich habe mich schon mit einem Schutzzauber belegt, den wir aber erst nach unserer Zeit in Hogwarts lernen würden.«
»Du bist schon wieder ganz die Alte«, stellte Harry fest.
Nun musste auch Ron lachen. Hermine konnte schon wieder tüchtig Besserwissen. »Kannst du den Zauber nicht auch bei uns machen?«, fragte er.
»Nein, das geht nicht. Nur ein Zauberer, der alle fortgeschrittenen Prüfungen bestanden hat, darf diesen Zauber machen. Zum Beispiel ich. Er muss den Zauber aber auf sich selbst richten, falls etwas schief läuft. Aber bei mir natürlich nicht.«
»Eben«, sagte Ron, »man darf den Zauber ja nur nicht auf jemand anders machen, weil etwas schief laufen könnte. Aber bei dir läufts ja nicht schief.«
»Ron«, sagte Hermine entsetzt. »Ich würde nie die Regeln eines Zauberspruchs brechen!«
»Dann sag mir wenigstens, wie er geht!«
»Ron!«, brüllte Hermine, die langsam ihre Geduld verlor. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Nur ein Zauberer, der alle fortgeschrittenen Prüfungen bestanden hat, kann den Zauber ausführen. Sonst passiert entweder gar nichts oder etwas sehr Schlimmes! Darum sag ichs dir nicht und du hörst besser auf, mich zu fragen.«
Ron seufzte. Diesen Zauber hätte er so gerne auch gehabt! Aber, wie er bei seiner Familie gelernt hatte, man konnte nicht alles haben.
»Kommt!«, sagte Harry, »Wir müssen noch diesen Wald erkunden und ähm ... hört auf, euch wegen diesem Zauber zu streiten. Ich hatte schon viel mit schwarzer Magie zu tun und ich lebe auch immer noch.«
»Ja du«, lachte Ron, »Du bist ja auch ein Einzelfall! Wer sonst hat nach Du-weisst-schon-wers Fluch überlebt?! Du stehst Du-weisst-schon-wer ja fast jedes Jahr persönlich gegenüber!«
»Ich habe überlebt!«, rief Hermine.
»Ja«, sagte Harry, »aber nicht nach Voldemorts Fluch, sondern nach den Abschlussprüfungen!«
