Eine Aufgabe

Professor Trelawneys Vorhersage hatte ihr gezeigt, dass sie schon sehr bald wieder mit Voldemort zu tun haben sollte. Sie wusste auch schon, wie. Er musste sie zur ersten der fünf Todesser-Aufgaben bringen.

Jeder Todesser, durch den ein Flondio-Zauber gesandt worden war, musste diese fünf Aufgaben lösen. Bestand er, durfte er wieder in den Kreis der Todesser aufgenommen werden. Bestand er nicht, wurde er von Voldemort eigenhändig getötet.

Professor Trelawney zerbrach sich den Kopf über diese Aufgabe. Sie konnte auch nicht vorhersehen, was es war, denn das ging über ihre Fähigkeiten.

Also konnte sie nur abwarten. Dieses Wort! Noch nie hatte sie nicht gewusst, was passieren würde. Dann musste sie eben abwarten.

* * * *

Inzwischen hatte Voldemort sich die fünf Aufgaben schon ausgedacht. Das war auch eine Regel. Er musste die fünf Aufgaben stellen, denn nur er hatte gespürt, wie stark der Flondio-Zauber gewesen war.

Professor Trelawney sollte sich den mittleren Aufgaben stellen. Der Flondio-Zauber wäre zwar nicht so stark gewesen, doch dieser Zauberer war irgendwann mal von Harry Potter berührt worden. Tja, Pech für Professor Trelawney.

Die erste Aufgabe der Wahrsagerin bestand darin, einen Auror aufzuspüren. Dazu musste Voldemort zuerst einen fangen. Doch das war ein Kinderspiel, denn er witterte es schon, wenn einer in mehr als zwei Kilometer Entfernung herum lief.

Voldemort zuckte zusammen. Da vorne musste ein ganzes Lager von Auroren sein. Vielleicht war irgend ein Todesser zum Verräter geworden und hatte ihn verraten! Aber wer ... unter Verdacht stand nur Professor Trelawney, doch die musste sich bald den Aufgaben stellen und richtete jetzt sicher nichts mehr an. Also verliess Voldemort sich darauf, dass diese Auroren nur zufällig hier waren.

* * * *

Um Mitternacht schlich Voldemort zum Auroren-Lager. Zumindest vermutete er, dass es eines war.

Bingo! Mehrere Zelte standen auf der einzigen Lichtung dieses grossen Waldes.

Voldemort schlich näher heran. Die Auroren schliefen alle, das spürte er. Er klapperte alle Zelte ab, um zu sehen, ob in einem nur ein einziger Auror war. Leider schliefen überall mindestens zwei Auroren. Voldemort dachte schon, er müsse sich dann eben ganz viel Mühe geben, um den zweiten Mann nicht zu wecken, als er ein Zelt abseits der Lichtung entdeckte. Es war auch nicht weiss, wie die anderen, sondern braun.

Voldemort schlich langsam auf das Zelt zu. Als er dort angekommen war, schob er den Vorhang beiseite.

Tatsächlich! In diesem Zelt lag nur ein einziger Mann. Voldemort blickte sich schnell um. Als niemand kam, zückte er seinen Zauberstab und murmelte einen Fluch. Der Auror sackte zusammen und hörte auf, zu atmen. Er war nicht tot, Voldemort hatte ihn nur in der Zeit angehalten. Der dunkle Lord zückte erneut seien Zauberstab und liess den Auror mit einem kurzen Zischen hochschweben. Nun konnte Voldemort ihn mühelos zu seinem Versteck zurücktransportieren.

* * * *

Da alles für die erste Aufgabe vorbereitet war, musste Voldemort nur noch das Ritual durchführen, mit dem er Sibyll Trelawney rufen wollte. Dazu benötigte er auch eine gewisse Menge Aurorenblut, das er seinem Gefangenen abzapfte.

Er nahm den kleinen Becher und tauchte den Finger in die tiefrote Flüssigkeit, um gleich danach einen Kreis auf den Boden zu zeichnen. In diesem Kreis sollte Professor Trelawney ankommen, wenn sie gerufen wurde.

Der nächste Schritt waren die fünf Kerzen, die Voldemort rund um den schon gezeichneten Kreis aufstellen musste.

Zuletzt kam noch einmal das Aurorenblut zum Zug; nun musste Voldemort einen identischen Kreis auch noch um sich herum ziehen.

Voldemort stellte das kleine Fläschchen weg, da nun alle Vorbereitungen getroffen waren. Er klatschte in die Hände, und der Himmer über ihm wurde schlagartig stockfinster und die Kerzen begannen zu brennen. Voldemort breitete die Arme aus und begann, einen Zauberspruch nach dem anderen zu murmeln. Eine knisternde Spannung lag in der Luft, als Professor Trelawney mit einem grellen Blitz erschien. Zuerst war sie nur ein Schatten, doch dann nahm dieser immer mehr Gestalt an. Als die Wahrsagerin völlig erschienen war, torkelte sie ein wenig und stiess dabei fast die fünf brennende Kerzen um.

Professor Trelawney war schwindlig. In ihrem Kopf drehte sich alles, sie konnte keine klaren Gedanken fassen, geschweige denn herausfinden, wo sie war. Wie durch einen Schleier sah sie Voldemorts Gestalt, als sie plötzlich eine kalte Welle durchfuhr. In ihren ganzen Körper floss nun Leben zurück, und bald konnte sie auch wieder klar sehen.

„Ich sehe, Sie haben die Reise gut überstanden", sagte Voldemort mit seiner zischenden Stimme, die fast nur noch ein Flüstern war.

Sibyll Trelawney wischte sich den Schweiss von der Stirn und strich sich die Kleider glatt.

„J – ja, L – Lord", stotterte sie.

„Dann dürfen Sie nun mit der ersten Aufgabe beginnen. Sie besteht darin, ..."

Professor Trelawney versuchte einen Blick in die Zukunft, doch alles war wie von einem Schleier bedeckt, durch den sie nicht sehen konnte.

„... dass Sie einen Auror aufspüren müssen, ..."

Der Wahrsagerin fiel ein Stein vom Herzen. Durch ihre hellseherischen Fähigkeiten konnte sie immer vorhersehen, wo der Auror hinlaufen würde.

„... da Sie sich den mittleren Aufgaben stellen müssen, können Sie ihre hellseherischen Fähigkeiten nur in begrenztem Masse einsetzen."

Professor Trelawney hatte bald das Gefühl, Voldemort hätte hellseherische Fähigkeiten, weil er immer genau auf den Punkt zu sprechen kam, an den sie dachte.

„Ähm ...", begann Sibyll kleinlaut, „haben Sie auch hellseherische Fähigkeiten?"

„Was haben Sie denn gedacht?", brüllte Voldemort und sein Kopf wurde rot und schwoll immer mehr an, bis er den ganzen Himmel bedeckte. Auch seine Stimme wurde immer lauter, bis sie kein Flüstern mehr war, sondern mit einem gigantischen Donnern über die Lichtung schallte, auf der er das Ritual durchgeführt hatte. Die Erde begann zu beben und Blitze schossen aus heiterem Himmel auf die Bäume des naheliegenden Waldes.

„Ich, der mächtigste Zauberer der Welt, soll keine hellseherischen Fähigkeiten haben? Das ist ein unverschämte Frechheit von einem Todesser, mich so etwas zu fragen! Ich werde Sie noch töten, bevor sie überhaupt mit den Aufgaben begonnen haben! Ihre Seele wird für immer ohne Ruhe als Geist auf der Erde bleiben! Ich hätte sie nie zum Todesser machen dürfen! Sie werden sich jetzt den schwierigen Aufgaben stellen!"

Plötzlich beruhigte sich Voldemort wieder, sein Kopf nahm wieder eine normale Farbe an und schrumpfte wieder zu seiner normalen Grösse, seine Stimme war in den letzten Sätzen auch immer leiser geworden und die Erde hatte aufgehört, zu beben.

„Ich wollte doch nur mal sicher gehen", flüsterte Professor Trelawney, die von Voldemorts Wutattacke immer noch eingeschüchtert war. Sie wusste auch, was das bedeutete, dass sie nun die schwierigen Aufgaben durchstehen musste; sie würde bei der ersten Aufgabe ihre hellseherischen Fähigkeiten gar nicht benutzen können!

„Dieses eine Mal werde ich Ihnen verzeihen, aber Sie müssen Sich trotzdem den schwierigen Aufgaben stellen. Bei der ersten Aufgabe bedeutet das: Keine hellseherischen Fähigkeiten!"

Professor Trelawney seufzte. Sie wünschte, sie könnte die Zeit zurückdrehen.

„Das kann leider nur ich", sagte Voldemort. „Doch folgen sie mir nun. Es ist Zeit für ihre erste Aufgabe."