Herz zu erobern Interlude: Das Lied der Wölfe

A/N: Leute.. Tut mir leid, dass mein neuer Teil so lange gedauert hat. Aber ihr wisst ja, ich war im Urlaub. Dieser Teil ist relativ kurz. Es geht auch nur um Mat. Muss also nicht gelesen werden, um den weiteren Verlauf zu verstehen. Im nächsten Kapitel, dass auch schon online ist, geht es dann mit Siané und dem Rest weiter. ;)

Widmung: Für alle, die Mat so gern haben wie ich. °knuddel°

Disclaimer: Nichts gehört mir.

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Herz zu erobern

Interlude: Das Lied der Wölfe

Leise hallten Maeglins Schritte in den Gängen Bruchtals wider. Sie konnte nicht schlafen. Und das aus einem ganz bestimmtem Grund nicht. Mit einem Grinsen im Gesicht dachte sie daran: Sianés Zimmer lag direkt neben ihrem.

Lachend schüttelte sie den Kopf. ‚Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet sie eher eine solche Beziehung hat, als ich..' Ein komisches Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit. War sie eifersüchtig auf ihre Freundin?

NEIN, auf keinen Fall. Aber ein wenig neidisch schon. ‚Ich hätte auch gerne jemanden..' Nun, so konnte sie sich wenigstens ausmalen, wie sie ihre beste Freundin am nächsten Morgen aufziehen würde.

Vorher musste sie allerdings diese, durchaus noch lang andauernde, Nacht überstehen. In Gedanken versunken schlenderte sie um die nächste Ecke. In den Gängen flackerten die Lichter der Fackeln und doch erstrahlten die Wände in einem angenehmen Licht. Sie erinnerte sich, wie sie der Schein der Fackeln in Teslon manchmal geängstigt hatte. Das unheimliche Licht war hier aber alles andere als beunruhigend. Es war entspannend und wohltuend. Es strahlte etwas aus, dass sie auch in Gegenwart der Elben spüren konnte. ‚Das muss daran liegen, dass ich hier in Bruchtal bin.'


Lächelnd bog sie in den nächsten Gang ein. Sie achtete nicht darauf, wo sie gerade war. Sie konnte sich in späteren Stunden der Nacht noch Gedanken darüber machen, wie sie in ihr Gemach zurück finden konnte. Doch ein leichter Stoß gegen ihren Brustkorb, ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken. Sie stolperte nach hinten, verlor das Gleichgewicht und stürzte. Doch noch bevor sie den kühlen Boden berühren konnte, spürte sie einen festen Griff, der ihren Oberarm umfasste und in eine aufrechte Position zog.

Sie öffnete ihre Augen wieder. Scheinbar hatte sie diese bei dem Zusammenstoß geschlossen. Ein entnervtes Seufzen entrann ihrer Kehle, als sie in das Antlitz ihres Gegenübers sah: Mat.

„Wieso muss ich ausgerechnet dir begegnen?" Augenrollend stemmte sie ihre Hände in die Seite. „Ich mein: Es ist Nacht, es läuft eigentlich niemand mehr in den Gängen herum und ich bin immer noch sauer auf dich. Also: Warum treffe ich ausgerechnet auf dich?" Sie sah zu ihm auf. Seine Augen schimmerten in diesem Licht wie flüssiges Gold. Es sah unheimlich aus. Sein durchdringender Blick, sein Gesicht, in dem sich keine Miene verzog und die tanzenden Schatten auf seiner Haut, die von den Fackeln geworfen wurden. Und trotzdem hatte sie keine Angst. Nicht einmal ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrem Inneren aus. Sie fühlte sich mit ihm einfach sicher.

Ein lautes Räuspern ließ sie zusammenzucken. Hatte Mat ihren intensiven Blick bemerkt? Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde und war dankbar für das rötliche Licht der Fackeln.

„Tut mir außerordentlich leid, wenn dich meine Anwesenheit so sehr stört. Ich hatte etwas wichtiges zu erledigen. Aber wenn du mich nun durchlassen würdest, werde ich dich sofort alleine lassen." Maeglin schluckte den Kloß herunter, der sich während seiner Worte in ihrem Hals gebildet hatte. Sein Gesichtsausdruck hatte einen kurzen Moment einen verletzten Zug beinhaltet. Doch nun konnte sie es nicht mehr ungeschehen machen, auch wenn es ihr leid tat. Eine Entschuldigung würde er nur abwinken. Und doch.. So sollte er nicht gehen.

Sie schloss einen kurzen Moment die Augen und griff dann nach seinem Handgelenk, als er an ihr vorüber gehen wollte. Stirnrunzelnd drehte er sich wieder zu ihr um und bedachte sie mit einem fragenden Blick

„Woraus bestand denn diese Wichtigkeit, die du erledigen musstest? Doch nicht etwa aus Teig? Ich sage dir, die Sache mit den Keksen war wirklich unter--"

Entschlossen legte Mat seine Hand auf ihren Mund und schüttelte unschuldig den Kopf. „Nein, ich musste mich um jemanden kümmern. Sie ist mir wichtig, ich kann sie nicht ständig allein lassen.." Im ersten Moment krampfte sich Maeglins Herz zusammen, doch dann erinnerte sie sich wieder an Illana. Einen Augenblick später wunderte sie sich schon wieder, warum sie eifersüchtig gewesen war. Dies war definitiv nicht ihre Nacht.

„Alles in Ordnung?" Maeglin schreckte hoch. Schon wieder war sie in Gedanken versunken gewesen.

„Ja, alles bestens. Danke." Sie zwang sich zu einem Lächeln, welches Mat nach kurzem Zögern auch erwiderte.

„Warum bist DU um diese Zeit noch unterwegs?" Mat stand vor ihr. Es wunderte sie ein wenig, dass er noch an dieser Stelle verweilte. Wollte er vor einigen Minuten doch noch fort von ihr.

„Ich kann nicht schlafen.. Weißt du.. Die Wände sind dünner als erwartet." Sie kicherte leise, woraufhin Mat überrascht eine Augenbraue nach oben zog.

„Du meinst.. Siané und Legolas?" Maeglin nickte auf die nur halb ausgesprochene Frage. Ein Grinsen deutete sich an seinen Mundwinkeln an. „Wenn du magst, kannst du noch ein wenig mit zu mir kommen.."

Maeglin sah ihn überrascht an. ‚Er wird doch nicht wieder etwas vorhaben?' Und als ob sie diese Frage laut ausgesprochen hätte, hob er abwehrend die Hände und versicherte ihr, keineswegs irgendwelche Hintergedanken zu hegen.

„Gut, wenn es dir nichts ausmacht, mich ein wenig zu ertragen." Er schüttelte nur lächelnd den Kopf. Zusammen machten sie sich auf den Weg zu seinem Gemach, dass, zu Maeglins Verwunderung, noch viele Gänge entfernt war. Scheinbar war sie in der kurzen Zeit sehr weit gelaufen.

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Unsicher blieb sie vor der hellen Tür zu Mats Zimmer stehen. Sollte sie es wirklich betreten? Hatte er wirklich keine Dummheiten vor? Aber eigentlich konnte sie ihm doch trauen. Er hatte sie den ganzen Weg von Tirell nach Bruchtal gebracht. Warum sträubte sie sich nun irgendwo in ihrem Inneren dagegen, mit ihm allein zu sein? Dummerchen, du magst ihn! Sie zuckte zusammen. Dieser Gedanke war so absurd, dass er schon wieder Sinn machte. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. ‚Er gefällt mir nicht!' Und warum bist du dann auf Illana eifersüchtig gewesen? Warum hattest du sein Bild vorhin vor Augen, als du dich nach jemanden sehntest? Du kannst es abstreiten, aber dein Herz schlägt in seiner Gegenwart schneller. Maeglin betastete mit geschlossenen Augen ihre Stirn. Es konnte nicht sein. ‚Nein, das stimmt nicht! Er ist ein Weiberheld...' Von der Stirn aus wanderte ihre Hand zu ihren Augen. Gequält rieb sie darüber. Ist er das denn wirklich? Kennst du ihn so gut? Kaum merklich schüttelte sie ihren blonden Kopf.

„Alles in Ordnung? Du wirkst so abwesend." Ruckartig öffnete sie die Augen. Mat sah sie besorgt an.

„Wie vorhin schon gesagt: Alles bestens." Sie lächelte ihn an und folgte ihm dann hinein. Sie konnte ihm ja auch schlecht sagen, dass sie mit sich selbst diskutierte und ihr das unerträgliche Kopfschmerzen bereitete. Und vor allem, dass du über IHN nachdenkst. Die Stimme in ihrem Kopf lachte. ‚Schluss jetzt! Ich glaube es geht los.. Ich habe noch nie Selbstgespräche geführt.' Wieder hörte sie die Stimme, die ihrer eigenen sehr ähnlich war, kichern. Und wegen IHM fängst du damit an.. Du weißt, ich werde gehen, wenn du dir deine Gefühle eingestehst.. Maeglin seufzte leise auf. ‚Vielleicht sollte ich mich mal von den ansässigen Heilern untersuchen lassen..' Sie massierte angestrengt ihre Schläfen. Sie merkte gar nicht, dass Mat vor sie getreten war und versuchte ihren Blick zu erhaschen.

„Ich finde, du wirkst ein wenig verwirrt." Wieder zuckte sie zusammen. Leise fluchte sie in sich hinein. Hatte sie heute schon daran gedacht, dass diese Nacht scheinbar nicht ihre Nacht war?

„Nein, mir geht es gut. Wirklich!!" Sie versuchte seinem zweifelndem Blick auszuweichen und setzte sich auf die Kante seines Bettes.

„Gut, wenn du es sagst. Magst du etwas trinken?" Er hielt ihr einen Becher mit gewürztem Wein entgegen, woraufhin sie nur skeptisch die Stirn in Falten zog. „Er ist inzwischen kalt geworden. Aber er ist gut. Obwohl der Wein aus meiner Heimat--" Er stoppte, als er Maeglins Miene sah und wusste sofort, woran sie dachte. „Ich bitte dich! Ich habe nichts hineingemischt." Sanft drückte er ihr den Becher in die Hand, doch sie hielt ihm das silberne Gefäß entgegen.

„Trink du zuerst!"

Beleidigt zog er einen Schmollmund. „So wenig vertraust du mir?"

Sie lachte. „Du würdest mir genauso wenig trauen, wenn ich so etwas wie du verzapft hätte."

Er nickte verständnisvoll, setzte den Becher an seine Lippen und nahm einen Schluck daraus. Zufrieden nahm Maeglin den Becher zurück. „Gut, anscheinend war doch nichts darin."

„Und wenn doch, werden wir beide heute Nacht berauscht sein." Empört stellte sie fest, dass er ihr feixend zugrinste. Noch einmal dachte sie daran, dass er etwas in den Wein getan haben könnte. Doch dann entschied sie sich dagegen. Er würde das nicht noch einmal tun.

Die entstandene Stille war unangenehm. Mat saß neben ihr, blickte auf die rote Oberfläche des Weines und drehte seinen Becher langsam zwischen den Fingern. ‚Wir können uns doch nicht nur anschweigen..' Maeglin atmete tief durch und wollte etwas sagen, als ihr bewusst wurde, dass ihr die Worte fehlten. Nachdenklich stützte sie ihr Kinn auf ihre Handfläche. Ihr entging der Blick, den Mat ihr zuwarf. Auch er suchte nach Worten.

Einen weiteren stillen Moment saßen sie dort auf dem Bett, bis Maeglin sich entschlossen zu ihm drehte. „Du-" Sie begannen beide zu lachen. Mat war mit derselben Entschlossenheit an die Sache gegangen und sie waren sie sich gegenseitig ins Wort gefallen. „Du zuerst.." Mat grinste und deutete ihr mit der Hand zu sprechen.

Sie nickte, ordnete in ihrem Kopf sorgfältig die Worte und begann dann langsam und leise zu sprechen. „Du hast gesagt, irgendwann würdest du mir über die Wölfe erzählen. Und um ehrlich zu sein, wüsste ich keinen besseren Moment, als jetzt. Würdest du..?" Sie sah ihn bittend an und erschrak ein wenig, als Mat frustriert seufzte.

„Willst du das wirklich hören?" Sie nickte eifrig. „Das ist aber eine ziemlich lange Geschichte..."

„Das macht nichts.." Das tat es wirklich nicht. Sie wollte mehr über Mat erfahren. Irgendwie wusste sie, dass nicht viele seine Geschichte kannten. Und vielleicht würde sie ihn danach besser verstehen.

Sie krabbelte ein wenig weiter aufs Bett hinauf, als Mat sich nach hinten sinken ließ. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und sah zu ihr auf, als sie sich neben ihn setzte. Er lächelte und seine Augen strahlten. Es war eines der wenigen Lächeln, die seine Augen wirklich erfassten. Manchmal hatte Maeglin das Gefühl, dass er sich zu einem ehrlichen Lachen quälen musste.

„Schlaf nur nicht ein!" Er grinste, als er sie schmunzeln sah.

„Das werde ich nicht." Nein, dazu war sie viel zu interessiert an seiner Geschichte.

„Wo fange ich denn mal an?" Er rieb sich kurz über die Augen. Es kam ihr vor, als würde er einen kurzen Moment die Geschichte Revue passieren lassen.

„Am besten am Anfang." Sie lächelte ihn schelmisch an, als er erneut zu ihr aufsah.

„Gut. Am Anfang also.. Alles begann in meiner Heimat. Ich bin in Rohan aufgewachsen. Doch als ich 18 wurde, hat sich etwas verändert. Dort bin ich das erste Mal auf die Wölfe gestoßen. Das war vor 6 Jahren..."

Rohan, unter der Herrschaft Theodens, ein kleines Dorf in der Nähe von Edoras:

Der Tag schien gerade erst angebrochen zu sein. Auf den Blättern und Gräsern lag noch der Tau des Morgens und die Sonne strahlte von einem niedrigen Punkt aus. Die weitläufige Gegend Rohans war ruhig. Keine Menschenseele schien bisher erwacht zu sein. Und doch hörte man in einem der Häuser laute Stimmen. Sie schienen aufgebracht zu sein.

„Was soll das heißen ‚du gehst'?" Ein junger Mann mit braunem Haar stand einem Mädchen seines Alters gegenüber.

„Das heißt, dass ich nicht ewig Schafe hüten werde. Cyria sagte, ich sei für größeres bestimmt. Sie wird mich mitnehmen.. Oh Mat, sei nicht böse, aber das ist DIE Möglichkeit für mich." Das Mädchen  sah ihn flehend an, doch schien der junge Mann sie nicht verstehen zu wollen.

„Nein, Elí! Du weißt doch gar nicht, was auf dich zukommt. Außerdem: Willst du uns einfach allein lassen? Ich dachte, du hast dein Herz hier an Rohan verloren?" Wütend drehte er sich um und blickte aus dem Fenster, welches ihm einen ausschweifenden Blick über die weiten Ebenen Rohans zeigte.

„Mat, mein Herz hängt an Rohan. Ja, das stimmt. Aber.. Es gibt noch so viel, was ich sehen möchte. Und nun kann ich das alles bekommen. Sag mir nicht, dass du ewig die Herde Schafe auf unserem Hof hüten willst!?" Elí ging einen Schritt auf ihn zu, wollte ihm eine Hand auf die Schulter legen, doch er schüttelte sie einfach ab.

„Ich würde nur gehen, wenn ich es müsste. Ich kann mir mein Leben nirgendwo anders vorstellen. Ja, wenn ich auch mein Leben lang Schafe hüten muss... Ich bin glücklich hier. Also, wenn du mich entschuldigen würdest, ich gehe nun meiner sinnlosen Arbeit nach." Mürrisch schob er sich an ihr vorbei, riss die Haustür schwungvoll auf und ließ sie scheppernd ins Schloss fallen. Elí zuckte bei dem lauten Knall der Tür zusammen und kauerte sich einen Moment später in die Ecke des Wohnraumes. So wollte sie sich doch nicht von Mat trennen..

Wütend überbrückte Mat den kurzen Weg vom Wohnhaus zu den Stallungen der Schafe. Seine Familie war eine der wenigen, die ihren Unterhalt durch Wolle und Kleidung verdiente. Rohan war bekannt für seine Pferde und doch mussten sich manche Menschen auf anderes spezialisieren. Warum seine Cousine diese Arbeit so sehr hasste, konnte er einfach nicht verstehen. Ja, sie führten ein einfaches Leben. Aber ein gutes. Es mangelte ihnen an nichts.

Mit einem lauten Pfiff rief er ihren Hund zu sich, der auch sofort angelaufen kam und sich von Mat über den Kopf streicheln ließ. Zusammen betraten sie den Stall und trieben die Herde Schafe heraus. Es waren 30 Tiere, um die er sich kümmern musste. Seine Eltern waren schon viel früher mit den restlichen Schafen auf eine der Weiden gegangen.

Es war kühl an diesem Morgen und Mat zog fröstelnd seine Jacke etwas fester zusammen, als er die Weide am Waldrand schon fast erreicht hatte. Zufrieden ließ er sich auf die Erde plumpsen und lehnte sich gegen den Stamm eines Baumes, als die Schafe genügsam begannen an den saftigen Grashalmen zu rupfen.

Sein Hund lag etwas abseits von ihm auf einem glatten, flachen Stein und beobachtete die Herde. Auch, wenn sein Kopf auf seine Pfoten gebettet war, so behielt er alle Schafen doch im Auge.

Mat lächelte. Eigentlich hatte er hier nicht viel zu tun. Er musste die Herde nur gegen Abend wieder zurücktreiben und hoffen, dass sie zwischendurch nicht von wilden Tieren gerissen wurden.

Müde schloss er die Augen. Er hatte schon den ganzen Morgen mit Elí gestritten. Nicht, dass er es nicht geahnt hatte. Er hatte es gewusst, als sie mehr und mehr Zeit mit Cyria verbracht hatte. Diese Frau, die scheinbar alterlos war. Ihre Haare waren weiß, und doch zeigte ihr Körper noch keine Anzeichen des Alters. Er mochte sie von Anfang an nicht. Sie schien nicht das zu sein, was sie vorgab.

Und nun hatte er den Beweis erhalten. Elí sollte mit ihr fortgehen. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Außerdem würde seine Familie darunter bitter leiden. Wenn er doch nur.. Wenn er sie doch nur aufhalten könnte. Ja, das wäre gut. Einfach aufhalten..

Langsam driftete er in einen unruhigen Schlaf. Er stand auf der Weide. Mehrmals drehte er sich um seine eigene Achse. Die Schafe waren verschwunden. Weit und breit konnte er sie nicht entdecken. Und doch war er nicht allein. Er war eingekreist von einem Rudel Wölfe, die ihn mit gefletschten Zähnen anstierten. Ängstlich ging er einen Schritt zurück, vernahm aber schnell das unheilvolle Knurren hinter sich.

Er saß in der Falle. Sie würden ihn anfallen, wie es schon anderen Menschen passiert war. Er hatte nie für möglich gehalten, dass er sich irgendwann selbst in einer solchen Situation wiederfinden würde. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die Wölfe auf ihn zukommen sah. Ihre Augen schimmerten in einem goldenen Licht, denn die untergehende Sonne spiegelte sich in ihnen wider.

Ängstlich schloss er die Augen, als sie nur noch ein paar Schritt von ihm entfernt waren. Doch der erwartete Schmerz kam nicht. Verwirrt öffnete er wieder die Augen. Einige der Tiere hatten sich auf ihre Hinterläufe gesetzt. Ihre Zähne waren nicht mehr zu sehen. Manche von ihnen entfernten sich sogar, um sich ein paar Meter weiter hinten zusammenzurollen.


Es war merkwürdig. Wieso zogen sie sich zurück? Doch konnte er sich keine weiteren Gedanken darüber machen. Ein weißer Wolf zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er saß direkt vor Mat und schien ihn mit seinen goldenen Augen förmlich zu durchbohren.

Unsicher ging Mat einen Schritt zurück, doch der Wolf folgte ihm. Er sah nicht gefährlich aus, trotzdem traute er diesen Tieren nicht.

Du musst auf sie achten..

Mat schreckte auf und sah sich um. Er saß wieder auf der Weide, seine Herde graste um ihn herum und er stellte erleichtert fest, dass er nur geträumt hatte.

Ein Blick zum Himmel zeigte ihm, dass es auch immer noch Vormittag war. Also kein Grund zur Besorgnis. Wölfe kamen meist nur in der Nacht oder am Abend.

Zu seinem Entsetzen vernahm er aber im gleichen Moment das Heulen eines Wolfes. Erschrocken drehte er sich um. Die Schafe wurden unruhig und von seinem Hund war nicht eine Spur zu sehen. ‚Am besten, ich gehe dem mal nach..'

Mutig stand er auf und schlug seinen Weg in den Wald ein. Das Heulen war noch nicht verklungen. Bei näherem Hinhören schien es nicht einmal das normale Heulen eines Wolfes zu sein. Nein, es klang gequält und verletzt.

Nach einiger Zeit wurde das Gestrüpp des Waldes immer dichter. ‚Seit wann ist dieser Wald so groß.. Ich dachte immer, es sei nur ein kleines Wäldchen...' Er atmete hörbar aus und drückte ein paar Äste zur Seite. ‚Da hab ich mich wohl gehörig getäuscht..' Unter seinen Schuhen knackte der Untergrund und erst jetzt bemerkte er, dass es das einzige Geräusch war, dass er vernehmen konnte. Das und das stetig leiser werdende Heulen des Wolfes. ‚Wo sind bloß die Tiere des Waldes hin?'

Mühsam ging er vorwärts, bis er eine kleine Lichtung erreichte. Erschrocken hielt er den Atem an. ‚Träume ich denn immer noch?' Vor ihm lag der weiße Wolf, den er auch hatte Sprechen hören. Das allein war schon Grund genug zur Annahme, dass er den Verstand verloren hatte. Aber er sah ihn doch ganz deutlich vor sich.

Du musst auf sie achten.. Er zuckte zusammen, als sich die goldenen Augen des Wolfes auf ihn richteten. Vorsichtig ging er näher heran und sah das rote Blut, dass durch das schneeweiße Fell sickerte. Mit großen Augen kniete Mat sich herunter und berührte vorsichtig die Wunde.

Ich werde sterben.. Du kannst mir nicht helfen.. Schluckend richtete er sich wieder auf. Die Stimme war nur in seinem Kopf. Nur er konnte diesen Wolf hören.

Aber ich bitte dich.. Achte auf sie.. Der weiße Wolf schloss seine Augen und glitt langsam ins Reich der Toten hinüber. Verwirrt schüttelte Mat den Kopf. ‚Auf wen soll ich bloß Acht geben?' Er sah sich um und erkannte schweren Herzens, dass eine kleine, graue Wölfin aus einem der Büsche blickte.

Langsam ging er auf das kleine Tier zu und kniete sich hin. „Na Kleine.." Die Wölfin knurrte, als er die Hand nach ihr ausstreckte. Zu seinem Entsetzten biss sie sogar zu und bohrte ihre kleinen, spitzen Zähne in das Fleisch seiner Hand.

Schmerzerfüllt kniff er die Augen zusammen. ‚Himmel, ich wollte der Kleinen doch nur helfen..' Verwundert öffnete er wieder die Augen, als sie die Kraft ihres Kiefers lockerte und entschuldigend die, von ihr verursachte, Wunde ableckte.

Darf ich bei dir bleiben? Die Stimme in seinem Kopf schmerzte und er hob mit verzerrtem Gesicht die Hände an seinen Kopf.

‚Was ist bloß los mit mir?' Seine Augen begannen zu tränen, als er erneut ihre Stimme in seinem Kopf hörte, die ihren Namen flüsterte. Illana... Vorsichtig hob er das kleine Geschöpf hoch und verließ mit ihr in seinen Armen den Wald. Draußen wartete die Herde Schafe auf ihn. Der Tag neigte sich dem Enge entgegen, dabei war es ihm nicht so vorgekommen, als seien schon viele Stunden vergangen.

Seine Augen taten ihm immer noch weh, als er sich auf den Weg nach Hause machte. Bald hatte er die Stallungen erreicht und betrat, mit Illana auf dem Arm, den Wohnraum des Hauses, in denen Elí mit seinen Eltern und Cyria wartete. Sie richteten sich zur Tür, als sie sich öffnete. Sie wollten ihm eine Standpauke halten, dass er erst jetzt wieder da war. Doch bei seinem Anblick hielten sie alle entsetzt den Atem an.

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„Und was ist dann passiert?" Maeglin rutschte etwas näher an Mat heran, der sich inzwischen aufgesetzt hatte und traurig den Blick nach unten hielt.

„Meine Augen schimmerten in einem goldenen Licht. Meine Eltern waren so entsetzt, dass sie so etwas sagten wie ‚er ist besessen'. Illana in meinem Arm tat dann ihr übriges. Wölfe lassen sich nicht von Menschen berühren. Auch die Kleinen nicht." Er rieb angestrengt über sein Gesicht. Scheinbar sprach er nicht oft darüber, weil es ihn noch immer mitnahm.

„Sie glaubten, du seiest verflucht oder so etwas?" Er nickte auf ihre Frage hin. „Und was haben sie dann mit dir gemacht?" Behutsam legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und streichelte sanft darüber. Müde lächelnd blickte er zu ihr auf.

„Sie haben mich weggeschickt. Sie wollten mich nicht mehr bei sich haben. Ich bin mit Cyria mitgegangen, die sich für meinen Fall interessierte. Außerdem war Elí ja bei mir, die nicht daran glaubte, dass ich mich von einem auf den anderen Tag in einen ‚Dämonen' verwandele." Er lachte leise auf und nahm Maeglins Hand von seiner Schulter. Sie schluckte, als er sie in seine Hand nahm und zärtlich mit den Fingern darüber strich. Scheinbar merkte er gar nicht, was er da tat.

„Aber jetzt sind deine Augen braun.." Er sah wieder zu ihr auf, als er ihre Frage vernahm.

„Ja, Cyria hat sich in der Burg mit den Wölfen befasst. In einigen geheimen Büchern sind Fälle wie meine beschrieben. Man nennt es ‚das Lied der Wölfe'. Wenn es Menschen in ihrer Nähe gibt, in denen ein Funken Magie schlummert und jemand ihrer Leitwölfe stirbt, machen sie davon Gebrauch. Sie können Menschen einige ihrer Gaben vererben. Allein durch den Klang ihrer Stimme. Ich habe das Heulen des Wolfes gehört und nun sehe und höre ich besser als andere. Ich kann Gefühle sogar riechen.."

Maeglin stutzte. „Riechen???"

„Ja, man kann es auch wittern nennen. Du bist momentan verwirrt. Das spüre ich. Wusstest du nicht, dass Tiere Gefühle erfassen können?"

Sie nickte kaum merklich. „Doch, davon hörte ich einmal.."

„Siehst du.. Ich bin ein Mensch, habe aber die Fähigkeiten eines Wolfes. Ich kann sie stets spüren, wenn sie in der Nähe sind und inzwischen kann ich das mit meiner Augenfarbe auch kontrollieren." Als sie nur noch irritierten guckte, fuhr er fort. „Sie schimmern eigentlich immer golden. Aber wenn ich mich konzentriere, kann ich sie in meine richtige Augenfarbe zurücksetzen... .. Ach, ich kann es auch nicht richtig erklären. Es ist einfach so. Ich bin im Prinzip ein Wolf." Er lachte leise, als Maeglins Gesichtsausdruck sich nicht veränderte. Er hatte ihr aber auch eine ziemlich unglaubwürdige Geschichte erzählt. Gern hätte er etwas anderes, besseres erzählt. Doch es war die Wahrheit.

„Woher weißt du, dass es kein Fluch ist?" Sie hatte ihre Hand noch nicht aus seinem Griff gelöst. Es gefiel ihr, wie er sie umfasste.

„Nun, es hatte noch nichts schlechtes. Bis auf die abweisenden Verhaltensweisen der Menschen." Er seufzte. „Sie haben Angst vor mir.."

Sie zog ihre Hand von seiner weg und strich aufmunternd damit über seine Wange. „Ich hab keine Angst vor dir.." Er lächelte und umfasste ihren Handrücken wieder mit seiner Hand. Langsam lehnte er sich in die Berührung.

„Dann bist du eine der Wenigen.." Seine Stimme war leise und ließ Maeglins Herz nur noch stärker gegen ihren Brustkorb pochen.

„Warum.." Sie schluckte kurz und sah ihn dann wieder an. „Warum tun die Wölfe das?" Ein Themenwechsel. Ja, nur nicht darauf aufmerksam machen, dass sie nervös war.

„Ich weiß es nicht." Er machte eine kurze Pause, in der er sie eindringlich musterte. „Du bist nervös.."

Sie erschrak und schüttelte sofort vehement den Kopf. „Nein.. Bin ich gar nicht."

Er lächelte leicht. „Du lügst. Hast du es vergessen? Ich kann spüren, wie du dich fühlst. Und gerade schlägt dein Herz so schnell, dass dir fast schwindelig wird."

Mühsam schloss Maeglin die Augen und atmete tief durch. Wie sollte sie bloß aus dieser Situation herauskommen? Ihr Herz hämmerte wirklich unbeschreiblich schnell. ‚Vielleicht.. Vielleicht mag ich ihn ja doch..' Sie zuckte leicht zurück, als sie seine Hand auf ihrer Wange spürte. Doch gleich darauf hielt sie wieder inne. Seine Hand war so warm und von dem Punkt seiner Berührung lief ein stetes Kribbeln durch ihren Körper. Langsam öffnete sie ihre Augen wieder und blickte in seine goldenen Augen.

„Warum sind deine Augen nicht mehr braun?" Ihre Stimme war nur ein Hauch. Mat nahm jedoch jedes Wort wahr, so nah hatte er sich zu ihr gebeugt.

„Ich kann mich nicht konzentrieren.." Sie erschauderte leicht, als sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte.

„Woran liegt das?" Ein schelmisches Lächeln zog sich über seine Lippen, als er ihr leise ‚das solltest du wissen' antwortete..

Wenn Maeglin gedacht hatte, ihr Herz würde schnell schlagen, so überschlug es sich nun. In einem Gefühl, dass sich wie freudige Erwartung anfühlte, beugte sie sich noch etwas weiter zu ihm. Mats Hand ruhte immer noch auf ihrer Wange. Seine Finger bewegten sich streichelnd über die Haut ihres Gesichtes.

„Wärst du mir böse, wenn ich dich jetzt küsse?" Sie blinzelte überrascht, erwiderte aber das zarte Lächeln, dass er ihr schenkte.

„Ich wäre dir böse, wenn du es nicht tust." Vorsichtig zog er ihr Gesicht zu seinem und überbrückte die wenigen Millimeter bis zu ihren Lippen.

Langsam vermehrten sich die Schmetterlinge in ihrem Bauch, als seine Lippen zärtlich über ihre strichen..

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Ja, was soll ich sagen? Interlude zu Ende.. Am besten, ihr geht gleich weiter zu Kapitel 25. :D °knuff° Aber vorher hätte ich gerne ein Review von euch. So zur Begrüßung. °ganz lieb guck° :o)