Herz zu erobern
Hass, Verzweiflung und verbotene Zauber
Disclaimer: Aus den vorherigen Kapiteln zu entnehmen.
A/N: Wir nähern uns dem Ende.. Oh ja.. Ich denke, nach diesem Chapter kommen höchstens noch 5. Es sei denn, mir fällt noch was wahnsinnig wichtiges ein. Allerdings hab ich schon den Handlungsablauf im Kopf. Daher.. Abwarten. Wir sind dem Ende aber schon sehr nah. :D
Ach ja: Egal was in diesem Kapitel irgendwann passiert: Bitte weiterlesen. ;) Ich habe für alles eine plausible Erklärung. :o)
Also dann.. Viel Spaß^^
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Herz zu erobern
Hass, Verzweiflung und verbotene Zauber
„Was hat das zu bedeuten? So einen Unsinn habe ich in der Tat schon lange nicht mehr vernommen.." Legolas stand in einem der schummrigen Schlafzimmer, die zum Unterschlupf der Rebellen gehörten. Siané saß mit gesenkten Kopf auf dem Bett, die Hände in ihrem Schoß gefaltet. Sie hatte seit geraumer Zeit versucht, ihn zum Bleiben zu überreden. Die Nachricht seines vermeintlichen Todes hatte sie zum Nachdenken angeregt. Sie wollte ihn nicht auf dem Schlachtfeld neben den anderen Leichen liegen sehen. Sie wollte ihn nicht dabei haben.
„Warum willst du das nicht verstehen? Ich habe gehört, Elben schenken den Träumen auch glauben. Dann tu mir doch den Gefallen und bleibe hier. Ich will nicht, dass dir etwas passiert!" Sie war von ihrer sitzenden Position aufgestanden und zu ihm herübergegangen.
„Vielleicht hatte dein Traum etwas Wahrheit in sich. Aber hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, wer zu Schaden kommt, wenn ich nicht dabei bin? Ich würde es mir nie verzeihen, wenn du aus dem Kampf nicht mehr zurück kommst und ICH deinen Tod hätte verhindern können." Er ging noch einen Schritt auf sie zu und funkelte sie an. Die sonst so emotionslosen Gesichtszüge des Elben hatten sich in Angespannte und Wütende gewandelt.
„Warum bist du so stur? Ich würde es genauso wenig ertragen, wenn du aus dem Kampf nicht lebendig wieder hinauskommen würdest. Aber ich MUSS mit. Es ist MEINE Mutter und MEINE Geschichte. Es dreht sich alles nur um MICH. Ich würde alles dafür geben, wenn ich wieder ein ganz normales Mädchen sein könnte. Wenn ich diese ganze Geschichte nie erlebt hätte. Ich habe seit Wochen nur noch Angst. Angst, meine Mutter zu treffen. Angst, dass wir scheitern und vor allem Angst, DICH ZU VERLIEREN!" Sie merkte erst jetzt, dass sie schrie und Tränen ihre Wangen benetzten. Legolas sah mitfühlend auf sie herab und schloss einen Moment seine Augen. Seufzend zog er sie in seine Arme und legte seine Wange auf ihrem Haarschopf ab, als sie ihr Gesicht in seinem Hemd vergrub.
„Siané.. Bitte.. Sina, hör doch mal.." Er strich mit seiner Hand über ihren Rücken, doch sie schluchzte einfach weiter. „Sina.. Versuch mich doch zu verstehen. Sina, bitte schau mich an." Langsam hob sie ihren Kopf und blickte ihn mit geröteten Augen an.
„Das ist das erste Mal, dass du meinen Spitznamen benutzt." Ihre Lippen deuteten den Ansatz eines Lächelns an.
„Ich werde ihn noch viel öfter benutzen, wenn wir beide zusammen im Düsterwald ankommen." Er stupste ihre Nase liebevoll mit seiner an und erfreute sich an dem Lächeln, dass nun endgültig auf ihren Lippen erschien.
„Düsterwald? Soweit denkst du schon?" Sie ließ ein leises, belustigtes Schnauben vernehmen und schüttelte leicht den Kopf.
„Natürlich.. Wir beide werden das zusammen durchstehen und dann wirst du mich begleiten. Ich möchte dir doch so viel zeigen." Zärtlich umfasste er mit beiden Händen ihre Wangen und lehnte seine Stirn gegen ihre.
„Und ich möchte das alles sehen, was du mir zeigen willst.. ... Ich kann dich nicht zum Bleiben überreden?" Er deutete ihr mit dem Kopf ein ‚Nein' an und lächelte, als sie entrüstet seufzte.
„Sturkopf. Man sollte dich an den nächsten Baum binden und.." Doch ihre Worte verstummten, als er ihre Lippen mit seinen verschloss. Genüsslich schlossen die beiden ihre Augen, ließen sich von den Empfindungen davontragen und vergaßen für einen Moment, dass sie sich in den Gewölben eines Unterschlupfs befanden.
Atemlos trennten sie sich einen Augenblick später voneinander. Legolas lächelte. „Ich vergaß.." Er lehnte seine Stirn wieder gegen ihre. „Eine der Frauen, Cyria, wollte mit dir sprechen. Allerdings schon vor geraumer Zeit." Sie grinsten sich an und umarmten sich noch einmal kurz, bevor Siané den Raum verließ.
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Sianés Schritte waren beinahe lautlos auf dem dunklen Flur. Die Fackeln warfen tanzende Schatten an die Wände und schenkten ihr gerade genug Licht, um ihren Weg in das richtige Zimmer zu finden.
Sie klopfte zaghaft an die hölzerne Tür und erwartete die Aufforderung einzutreten. Doch stattdessen öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, verharrte dort einen Moment und bewegte sich knarrend weiter auf. Unschlüssig stand Siané auf der Schwelle und blickte in den Raum hinein, der nur von drei Kerzen in der Mitte erhellt wurde. Sie ruhten auf einem runden Tisch, an dem zwei Stühle standen. Scheinbar war das Zimmer sonst leer.
„Tritt ein, mein Kind." Das rothaarige Mädchen erschrak, als sie die Stimme der Schwester gehört hatte. Sie stand hinter ihr und schritt anmutig in den dunklen Raum. Einen Moment fragte Siané sich, wie die Tür sich ohne Hilfe geöffnet haben könnte. Doch dann entschied sie, dass es viel mehr Zeit bedurfte, um solche Fragen zu klären. Langsam betrat sie den Raum, schloss die Tür lautlos hinter sich und ließ sich auf dem Stuhl neben Cyria nieder.
„Ihr wolltet mich sprechen?" Sie senkte den Kopf ein wenig. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie die Frau gegenüber mit einem Titel hätte ansprechen müssen, doch als ein mütterliches Lächeln dessen Lippen zierte, entspannte Siané sich merklich.
„In der Tat, mein Kind. In der Tat." Cyria faltete ihre Hände auf dem Tisch vor sich und betrachtete das Mädchen eine Zeitlang. So sah also die Tochter Elanors aus. Ganz anders als ihre Mutter und doch so ähnlich. Ihre Augen waren wärmer. Augen, wie Elanor sie einst auch hatte. Bis.. Ja, bis wann eigentlich? Irgendwann hatte es sich geändert.
„Madame?" Sianés Stimme war leise, immer noch unsicher, wie sie Cyria ansprechen musste.
„Siané.. Worüber wir sprechen sollten.." Sie machte eine Pause und blickte auf ihre Hände. Sie schien sich ihre Worte zurechtzulegen. „Das, was uns im Morgengrauen erwartet, wird anders werden als du es dir vorstellst. Niemand kann sich so etwas vorstellen. Wir erwarten immer das Schlimmste und doch werden unsere Erwartungen übertroffen. Niemand kann sich vorstellen, wie die Schreie von Sterbenden klingen oder wie die Angst in einer Schlacht in den Adern vibriert." Siané schluckte, als Cyria erneut eine Pause einlegte. Worauf wollte sie hinaus?
„Es ist mit Sicherheit nicht richtig, dass junge Menschen wie ihr in einen Kampf hineingezogen werden. Aber ich denke, dass ihr dieses Schicksal selbst entschieden habt, als ihr den Weg aus der Sicherheit wähltet. Sei es dein Fortgang aus Teslon oder Maeglins aus Bruchtal. Währet ihr dort verblieben, so hätte euch vielleicht ein anderes Schicksal erwartet. Dies kann ich allerdings nicht mit Bestimmtheit sagen." Die alte Frau lächelte sanft, als Siané sie erwartungsvoll anblickte. Dann fuhr sie fort.
„Was ich dir eigentlich sagen will.. Ich würde dich am liebsten nicht dort hinausschicken. Siané, du hast noch kaum Erfahrung mit der Magie. Du könntest dich ausbrennen, wenn du zuviel auf einmal ergreifst. Und was noch viel schlimmer ist: Du bist in einem relativ hohen Alter an die Magie herangeführt worden. Normalerweise lernen die Schwestern es in ihren jungen Jahren von 10 bis 16. Danach hat sich eurer Bewusstsein soweit verändert, dass ihr nicht mehr an die Magie glaubt. Das bedeutet, dass du nicht immer deine Kraft gebrauchen kannst. In Situationen in denen du Hass oder Trauer empfindest wirst du der Quelle nah sein. Du musst aber lernen, deine Fähigkeiten zu allen Zeiten zu verwenden.
Aber dazu haben wir nicht genügend Zeit." Siané sah, wie Cyrias Hände sich ineinander verkrampften.
„Ich habe mit Gandalf gesprochen, mein Kind." Siané wusste sofort worauf sie hinaus wollte, sagte aber nichts. „Du hast schon einmal einen großen Zauber durch Hass gewirkt. Das war falsch und das weißt du auch. Ich will dich deswegen nicht bestrafen oder belehren. Nur.. Versprich mir, niemals wieder einen solchen Zauber zu wirken. Er ist aus gutem Grund verboten."
Siané rührte sich langsam. „Warum ist er verboten? Wie kann ein solcher Zauber verboten sein, wenn er eigentlich nur gutes tut?"
Cyrias Augen verengten sich. „Nur Gutes? Kind, überlege dir die Auswirkungen noch einmal!"
Einen Moment blickte Siané ihre Hände an die in ihrem Schoß lagen, sah dann aber wieder auf und erwiderte den Blick Cyrias. „Gandalf sagte, ein solcher Zauber löscht die Existenz aus. Das bedeutet, wenn jemand durch ihn stirbt, sind die Dinge, die er getan hat ungeschehen. Also würde es doch heißen, dass ein Ork, der durch diesen Zauber getötet wird, auch ganz ausgelöscht ist. Seine Taten sind nie begangen worden und die Menschen, die er getötet hat, würden leben!?"
Die Lippen der Schwester wurden zu schmalen Streifen, als sie dem rothaarigen Mädchen zuhörte. Einen Moment ließ sie Stille vorherrschen, doch dann antwortete sie ihr. „Das mag sein.. Aber bedenke, dass dieser Zauber großflächig ist. Er kann auch Menschen treffen. Bei dir war das damals nicht der Fall, Eru sei gesegnet. Aber es kann auch anders kommen. Stelle dir vor, wie schlimm es für die Eltern ist, ihr Kind zu verlieren. Aber falls das Kind schon eigene Kinder hatte, würden sie genauso vergehen. Du musst dir alle Konsequenzen vor Augen halten und du wirst verstehen, warum dieser Zauber verboten ist.
Löscht du einen bestimmten Punkt aus der Vergangenheit, so können die Dinge in der Zukunft, die mit ihm verbunden sind, auch nicht mehr existieren. Denke noch einmal darüber nach.." Wieder legte sie eine Pause ein, in der sie in eine Tasche griff, die in ihr Kleid eingenäht war.
„Siané, nimm dies mit dir.." Sie reichte ihr eine weiße Figur. Sie fühlte sich glatt und kühl in den Händen des Mädchens an. Bei genauerem Hinsehen, erkannte sie die Gestalt eines Vogels, der seine Flügel ausgebreitet hatte.
„Was ist das?" Sie blickte fragend zu der Frau auf der anderen Seite des Tisches.
„Ich sah die Kette an deinem Hals.." Siané griff bei ihren Worten an den Anhänger, den Alés ihr geschenkt hatte.
„Die soll böse Kräfte abwenden. Hat mein Bruder zumindest gesagt." Siané spürte das Kribbeln an den Fingern, welches der Anhänger an ihrer Haut auslöste.
„In der Tat. Ich habe ihn als einen solchen Anhänger erkannt. Und so kam mir auch der weitere Gedanke. Diese Figur ist eine Konzentrationshilfe. Sie führt dich näher an die Quelle heran. Benutze sie, ziehe durch ihn aber nicht zuviel Macht an dich. Ich kann dich immer nur warnen.. Du musst noch eine Menge lernen und ich hoffe, dass du versuchst meine Ratschläge zu befolgen. Ich würde dich gern unterrichten, aber scheinbar hat sich das Schicksal gegen uns gestellt. Im gegenwärtigen Moment marschieren Hauptmann Elanesses Armeen auf Tirell zu. Es gibt genügend Krieger in der Stadt, so dass wir davon nicht viel mitbekommen werden. Aber wir werden versuchen, durch den allgemeinen Aufruhr in die Burg zu gelangen." Cyria stand von ihrem Stuhl auf, ging einige Schritte auf Siané zu und reichte ihr dann ihre Hand. Nach kurzem Zögern ergriff Siané diese und folgte ihr hinaus in den Flur.
„Wohin gehen wir nun?"
„Deine Freunde warten oben auf dich. Bald werden die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont gleiten." Beide schwiegen den weiteren Weg, bis sie die Treppe in das obere Geschoss des Hauses erreichten. Im dortigen Raum sah Siané sich erstaunt um. Mat stand in einer Ecke, ließ einen Dolch in seinen Fingern hin und her gleiten, während Maeglin neben ihm auf einem Sessel saß und seine Fingerfertigkeit misstrauisch beobachtete.
Aragorn und Legolas verweilten mit Gimli, Elladan, Elrohir und Haldir in einer anderen Ecke. Sie trugen alle schon ihre Rüstung, nur Legolas ließ gerade die letzte Befestigung seiner Unterarmschienen einschnappen.
Die Hobbits standen nebeneinander an einer Wand gelehnt, scheinbar unzufrieden mit ihrer Situation. Andererseits: Wer war das nicht? Die anderen schienen es nur besser verbergen zu können. Die Vier nestelten nervös an ihrem Lederwams oder Kettenhemd herum, korrigierten zum wiederholten Male den Sitz ihres Helms oder umklammerten das Heft ihres Schwertes viel zu stark.
Zu allem Überfluss stand Gandalf in der Mitte des Raumes und hielt eine Rede darüber, wie sie sich im Notfall zu verhalten hatten. Nicht, dass alle sowieso schon nervös genug waren.
„Ich denke, du solltest dich noch umziehen. Wir warten hier auf dich." Cyria drückte ihr ein kleines Bündel in die Hand, trat von Siané weg und hinüber zu Gandalf. Einhaltgebietend legte sie dem Zauberer eine Hand auf die Schulter. Er verstummte in der Tat und ließ sich von ihr fortziehen. Leise unterhielten sie sich dort. Siané konnte nicht verstehen, worum es ging, aber die Sorgenfalten in ihren Gesichtern waren deutlich zu erkennen.
Ohne ein Wort an ihre Freunde zu richten, verließ sie den Raum wieder. Sie öffnete die erste Tür zu ihrer rechten und fand nur ein leeres Zimmer mit einem Bett vor. Tief in Gedanken versunken legte sie ihre Kleidung auf ihm ab und begann ihr altes Reitgewand aufzuknöpfen. Sie bemerkte nicht einmal, dass jemand die Tür öffnete und sie erschrak auch nicht, als dieser jemand sie an der Schulter berührte.
„Alles in Ordnung?" Siané sah Maeglin mit trüben, ängstlichen Augen an und schüttelte den Kopf. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Freundin nicht ihre übliche Kleidung trug. Sie hatte eine dunkle Leinenhosen an, die hier und da mit Rüstungsteilen versehen waren, um wichtige Muskeln und Gelenke zu schützen und ein normales, ausgewaschenes Hemd, dass etwas zu groß an ihrem Oberkörper schlabberte.
„Hast du auch Angst?" Sianés Stimme war so leise, doch in der Stille des Hauses schien ihre Frage überall wiederzuhallen. Maeglin nickte zaghaft und ging dann hinüber zum Bett.
„Was tun wir, wenn uns etwas passiert?" Sie blickte ihre Freundin fragend an.
„Uns darf nichts passieren," flüsterte Siané.
„Sina?" Das rothaarige Mädchen blickte auf. Wie kam es, dass sie in letzter Zeit von jedem mit ihrem Spitznamen angesprochen wurde?
„Hmm?"
„Hast du.. Hast du Legolas jemals gesagt, dass du ihn liebst?"
„Was?" Siané blickte ihre Freundin verwundert an.
„Du hast mich schon verstanden. Hast du es ihm gesagt?" Maeglin schaute vom Bett zu ihr auf.
„Ja.. Ich denke schon.." In Gedanken zog Siané die schwarze Leinenhose an, die Cyria ihr gegeben hatte. Sie dachte an den Moment zurück, als sie mit ihm das Bett geteilt hatte. Hatte sie es gesagt? Nein, eigentlich nicht.. Davor.. Nein.. Auch nicht. Einmal.. Ja, der Gedanke kam ihr. Sie hatte es laut ausgesprochen, damals als sie sich im Wald gestritten hatten. Aber sicher, dass er sie gehört hatte, war sie sich nicht. „Wenn ich es mir recht überlege.. Nein, ich habe es ihm nie ins Gesicht gesagt."
„Das solltest du vielleicht noch nachholen." Maeglin stand wieder vom Bett auf und half Siané mit den Schienen, die um ihre Unterschenkel befestigt wurden. Sie waren schwer, würden sie beim Gehen behindern aber auch mit Sicherheit vor Verletzungen schützen.
„Nein." Maeglin blickte zu ihrer Freundin auf, die entschlossen ihre dunkelblaue Bluse zuband.
„Wie? Nein?"
Siané nickte nur. „Ich werde es ihm sagen, wenn alles überstanden ist."
„Du bist ganz schön mutig." Kurz umarmten sich die Freundinnen und lächelten sich an.
„Manchmal bin ich eine Löwin." Siané zwinkerte.
„Aber meistens nur eine Maus," führte Maeglin den Satz ihrer Freundin weiter.
„Hilfst du mir damit mal?" Siané hielt dem blonden Mädchen einen Arm hin, an dem diese eine Unterarmschiene befestigte. Zusammen schnürten sie noch die restlichen Rüstungsteile an ihren Körper, bis Maeglin ihr zu guter Letzt einen der Liliendolche in den Gürtel steckte.
„So.. Das war's. Bist du bereit?"
Siané atmete einmal tief durch. Sie hatte ein schrecklich mulmiges Gefühl im Magen. Sie berührte noch einmal kurz den Anhänger ihres Bruders und dann die Vogelfigur in ihrer Tasche, bevor sie antwortete. „Wenn ich es jetzt nicht bin, werde ich es nie sein."
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Elladan und Haldir linsten um eine der dunklen Ecken. Bisher hatten sie nur leere Gassen vorgefunden. Trotzdem wussten sie, dass Krieger nah waren. Sie hörten sie anrücken. Die schweren Schritte der Armeen vor den Toren, ließen ein Dröhnen in die Stadt dringen.
Die Menschen hatten aus Angst ihre Häuser fest verschlossen und ihre Fenster mit Brettern vernagelt. Jeder hätte eigentlich wissen müssen, dass sie im Falle eines Feuers eingeschlossen waren und sich somit ihr eigenes Grab geschaufelt hatten. Aber Angst trieb die Menschen nun mal zu einseitigen Handlungsweisen.
Siané hatte sich nach hinten in die Gruppe gestellt. Sie wusste, sie würden sich in ein paar Minuten trennen. Aragorn würde mit einigen aus der Stadt hinaus eilen, in der Hoffnung die Frauen in der Gefangenschaft des brennenden Lichts zu erreichen. Und sie selbst.. Sie würde mit der anderen Hälfte zur Burg gehen und ihre Mutter suchen.
Legolas kam natürlich mit ihr. Wie hätte sie es auch anders erwarten können? Er wollte nicht zurückbleiben. Aber in Aragorns Gruppe wollte er genauso wenig. Sie seufzte leise. Wieso war dieser Elb denn nur so stur?
Sie liefen gerade wieder weiter, als Siané einen lauten Knall vernahm. Ein flüchtiger Blick zum Himmel zeigte ihr die letztes Überreste des Feuerballs, der gerade über der Stadt geschwebt haben musste. ‚Es beginnt also..'
Doch so schnell, wie sie hingesehen hatte, blickte sie auch wieder fort. Sie hatten die Stelle erreicht, in der sie sich trennen würden. Sie sah gerade noch, wie Aragorn, Elladan, Elrohir, Haldir, Frodo, Sam und Gandalf um die Ecke verschwanden, als Mat auch schon in die andere Richtung lief.
Sie waren ganz nah an der Burg, als sie kurz zwischen einigen Kisten und Fässern in einer Gasse anhielten. Schnell ließ sie ihre Augen über ihre Gefährten gleiten.
Merry und Pippin schienen die Ruhe selbst. Ihre Gesichter waren zwar ernst und sie vermisste die verspielten Züge in ihnen, aber sie hatten ihre Angst irgendwo in ihrem Kopf verbannt und konzentrierten sich nur auf ihre Aufgabe.
Dann waren da noch Gimli und Legolas. Die beiden konnte ja sowieso nichts aus dem Gleichgewicht bringen und Siané war froh, erfahrene Krieger bei sich zu haben, die der Gruppe Halt gaben.
Neben Mat war seit einigen Minuten eine Wölfin aufgetaucht, die aber nichts weiter tat, als neben ihm herzugehen. Siané hatte inzwischen gelernt, dass die beiden durch nichts getrennt werden konnten und sollten.
Nur sie selbst.. Ja, sie war nervös. Ihre Hände waren feucht und ihre Beine fühlten sich kalt an. Das Schlucken fiel ihr schwer und sie fragte sich immer wieder, warum sie nicht dieselbe Ruhe ausstrahlen konnte, wie die anderen.
„Wir werden versuchen, von unten hineinzugelangen." Mat deutete auf einen Teil der Burgmauer, in die Fenster mit Gitterstäben eingelassen waren. Nun, vielleicht keine Fenster.. Luftschächte würde es besser treffen.
„Von unten? Da ist aber kein Eingang.." Legolas hatte sich ein wenig vorgebeugt und betrachtete die steinerne Wand.
„Doch, der ist nur nicht mit bloßem Auge zu erfassen. Ihr könnt euch doch noch sicher an die Wand erinnern, in der wir den Eingang zur Höhle zufällig entdeckten, in der wir Elí gefunden haben?" Legolas nickte mit dem Kopf, aber Gimli zog scharf die Luft durch die Zähne.
„Das bedeutet, wir müssen wieder nach dem Eingang suchen? Ich werde dieses Mal nicht der Dumme sein und hineinfallen!" Verärgert verschränkte der Zwerg die Arme vor der Brust und grummelte leise. Zu deutlich erinnerte er sich noch an den Sturz in die Höhle.
„Nein.. Ich kenne den Eingang. Er ist genau an der Stelle, wo sich zwei Luftschächte befinden. Und bevor ihr fragt: Ja, die beiden Luftschächte sind Sinnestäuschungen." Mat lächelte zufrieden, als er keine weiteren Fragen mehr gestellt bekam.
Die kleine Gruppe lief schnell zu der Mauer hinüber und hielt erst wieder, als sie Deckung zwischen einigen Steinbrocken fanden. Maeglin setzte sich mit besorgtem Blick neben Siané und betrachtete Mat, wie er auf den Eingang zuging und prüfte, ob er noch existierte. Die beiden Mädchen behielten aber auch die Gassen hinter sich im Auge. Wie kam es, dass niemand in der Stadt zu sein schien? Irgendwo mussten sich doch die Wachen der Burg versteckt halten.
Mats Hand glitt einfach durch die Wand durch und er wollte den anderen schon sagen, dass sie weitergehen konnten, als er Maeglins fragenden Blick auffing. „Was hast du denn?" Er kam zu ihr herüber und kniete sich vor sie hin.
„Mat.. Ich weiß, wo du da reinwillst." Sie wurde ganz blass, als sie sich an die Kerker voller Orks erinnerte, die angeblich als Versuchsobjekte der Aufgenommenen dienten. „Ich bin einmal dort unten gewesen. Sie halten sich Orks, damit die Aufgenommenen und Novizinnen an ihnen ihre Zauberkünste trainieren. So hat Elí es mir berichtet und ich habe die Biester mit eigenen Ohren schreien gehört. Was.. Was, wenn es eine Falle ist?"
Die anderen hatten Maeglins Worten gelauscht und warteten nun auf seine Antwort. Einige Momente war es totenstill, dann stand Mat auf und ging auf den Eingang zu. Er drehte sich kurz zu ihnen um und lächelte. „Die Orks werden hier unten getötet, soweit ich weiß. Der Gedanke, dass sie noch hier sind und auf uns warten, vielleicht sogar freigelassen wurden, ist mir auch schon gekommen. Aber wir können nicht auf anderem Wege in die Burg gelangen. Wir MÜSSEN diesen Weg nehmen. Wir können nur hoffen, dass Elanor nicht mit uns rechnet." Er lächelte noch einmal und trat dann durch die Wand hindurch.
Maeglin und Siané sahen sich kurz an und nickten sich dann zu. Was sollten sie denn auch sonst tun? Sie standen auf, gefolgt von den anderen und traten durch die täuschend echt aussehende Wand.
Einen Moment später und die kleine Gruppe fand sich in einem dunklen Gang wieder. Siané zuckte zusammen, als ihr der Geruch von Dreck und Blut in die Nase stieg. Es roch widerlich nach vermoderten Dingen, außerdem mischte sich ein bitterer, stechender Geruch dazu, den sie nicht zuordnen konnte.
„Was ist das für ein Gestank?" Gimli nahm ihr die Frage förmlich aus dem Mund. Aber neben dieser Frage, wunderte sie sich auch wo Mat abgeblieben war.
„Das sind Ausdünstungen, die bei der Herstellung von Zaubertränken vorkommen. Schwefel und so etwas. Ich kenne mich auch nicht so gut damit aus." Zum wiederholten Male zuckte Siané zusammen. Mat trat aus den Schatten heraus, seine Augen so gelb wie die eines Wolfes.
„Mat?" Maeglins Stimme zitterte.
„Hmm?" Er trat noch einen Schritt näher auf die Gruppe zu.
„Wo sind.. Wo sind die ganzen Orks?" Siané sah, wie sich die Augen der vier anderen weiteten. Sie selbst überkam ein Gefühl von Übelkeit. Sie mussten durch diese dunklen Gänge durch. Das allein genügte ihr schon. Aber der Gedanke, dass diese Orks nicht mehr in ihren rechtmäßigen Zellen waren, entmutigte sie völlig.
„Vielleicht.. Vielleicht sind sie schon alle tot.." Sie hörten Pippins leise Stimme, die auch einen Hauch Angst beinhaltete.
„Wohl kaum.. Ich glaube eher, sie rechneten mit uns. Die Orks werden hier irgendwo sein." Siané ging automatisch einen Schritt näher an Legolas heran, als sie seine Worte vernahm. Ermutigend umfasste er ihre Hand und drückte sie zärtlich. Sie musste zugeben, nun war sie teilweise erleichtert, nicht ohne ihn hergekommen zu sein.
„Wie viele Orks werden hier unten normalerweise gehalten, Junge?" Gimli hatte seine Axt geschultert und musterte Mat interessiert.
„Um ehrlich zu sein.. Ich weiß es nicht. Hier unten befinden sich mindestens 50 Zellen. Sie sind über den ganzen Keller verteilt. Elanor hat sie so anlegen lassen, um in den hintersten Ecken die Versuche zu praktizieren, ohne erwischt zu werden. Viele Schwestern halten nichts von ihren Experimenten. Wir können davon ausgehen, dass in einer Zelle manchmal auch mehrere Orks gehalten wurden. Wenn sie alle noch leben und jede Zelle belegt war, müssen wir mit mindestens 50 bis 80 Orks rechnen." Siané schluckte schwer bei der Vorstellung, so viele Orks könnten hier irgendwo in der Dunkelheit lauern. Selbst die Anwesenheit von Legolas machte Mats Vermutung nicht besser.
„Und was tun wir jetzt?" Merry, der nun schon die ganze Zeit schweigsam neben den anderen gestanden hatte, konnte die Maske der Ruhe nicht mehr länger aufrecht erhalten.
„Wir werden weiter gehen. Die Treppe in die oberen Bereiche ist nicht weit entfernt. Lasst uns hoffen, dass unser Aufenthalt solange unbemerkt bleibt." Die kleine Gruppe nickte leicht und folgte Mat dann in die Dunkelheit, die sie auch in Sekundenschnelle einschloss. Sie konnten ihre Hände kaum vor Augen erkennen. Doch was noch schlimmer war: Die wuchtigen, großen Gestalten in den Ecken, blieben in der Dunkelheit ebenfalls verborgen.
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„Seid ihr euch sicher, dass ihr das tun wollt, Herrin?" Das junge Mädchen betrachtete misstrauisch das lange, weiße Haar Elanors. Sie hatte ihre Hände starr über eine Schale Blut erhoben und murmelte seit geraumer Zeit fremdartige Worte.
„Herrin? Es ist gefährlich, was ihr tut.." Die junge Schattenfreundin, skrupellos wie sie auch sein mochte, bekam es langsam mit der Angst zu tun. Die Augen ihrer Herrin waren so trüb, die Farbe schien aus der Iris gewichen zu sein und ihre Haut war Aschfahl geworden.
„Herrin?"
„Schweigt endlich, elendes Gör!" Thitra zuckte zusammen, bat leise um Vergebung und betrachtete weiterhin die Szenerie vor sich.
Die Schale mit Blut schien sich ohne weiteres zutun noch weiter zu füllen. Außerdem begann es an den Rändern eine schwarze Kruste zu bilden. Bildete sie sich das nur ein, oder stieg ein übermäßiger Schwefelgeruch aus dem Altar hervor?
Ängstlich blickte das Mädchen sich um. Sie spürte etwas näher kommen. Es jagte ihr eine Gänsehaut den Rücken entlang. Unbewusst rieb sie eine Hand über ihre Arme und blickte Elanor wieder an.
Diese stand immer noch über der Schale mit Blut, doch zum Entsetzen des Mädchen, begann die rote Flüssigkeit zu rotieren. Tropfen flogen aus der Schale heraus, benetzten ihre Herrin und sie selbst. Sie wich mehrere Schritte zurück. Teils vor Ekel, teils aus Angst. Doch Elanor betrachtete nur genügsam ihren Zauber. Langsam erhob sich die Flüssigkeit, schien sich zu verhärten und eine Form anzunehmen.
Thitra stolperte zurück, als sich eine dunkle Gestalt erhob. Immer größer wurde sie, immer deutlicher bildete sich ihr Körper aus, bis sie die flammenden Höhlen in seinem Schädel ausmachen konnte.
Sie schrie..
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Der Gestank wurde stärker. Siané hatte das Gefühl, sie würde auf der Stelle umfallen. Vielleicht war es ja nur die Kälte, die in ihre Knochen drang. Doch konnte die bewirken, dass ihre Augen ihr zufallen wollten?
„Wir sind gleich da." Sie versuchte Mats Stimme in der Dunkelheit auszumachen, konnte aber niemanden vor sich erkennen.
„Sagtest du nicht, wir würden am Ende des Ganges Fackeln finden?" Sie hörte ein leise gemurmeltes ‚Ja' auf ihre Frage, dass sie aber keineswegs zufrieden stellte. Seit geraumer Zeit hatte sie nicht nur das Gefühl der Müdigkeit überfallen, sondern auch eines, dass ihr sagte: Sie wurden verfolgt.
Siané verdrehte in der Dunkelheit die Augen, als Gimli ihr erneut in die Hacken trat. Der schusselige Zwerg lief nun schon eine lange Zeit hinter ihr, vielleicht um der Gruppe den Rücken zu decken, aber scheinbar auch um ihr blutige Füße zu bescheren.
„Gimli, würdest du die Güte besitzen und etwas vorsichtiger sein? Ich dachte immer, ihr Zwerge seit an Dunkelheit gewöhnt." Ihre Stimme war nicht sehr laut, aber sie zeigte, dass sie gereizt war.
„Womit soll ich vorsichtiger sein?" Sie blieb sofort stehen, als sie die Stimme des Zwerges vor sich vernahm. ‚Aber wenn er dort ist.. Wer ist dann..' Sie schluckte. Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen. Doch scheinbar waren sie am Ende der Gänge angekommen und Mat war gerade dabei, einige Fackeln zu entzünden.
Die Flammen warfen gespenstische Lichtspiele auf die Wände. Sie wagte kaum, ihre Augen wieder zu öffnen, die sie einen Moment zuvor geschlossen hatte. Doch als sie es tat, stellte sie mit Erschrecken fest, dass sie das Schlusslicht ihrer Gruppe gebildet hatte.
Ihr genügte der Blick in die Gesichter ihrer Freunde, um zu wissen, wer sich hinter ihr befand. Sie spürte, wie ihr Herz begann schneller zu schlagen, sah wie in Zeitlupe, wie Legolas sie nach vorn riss und wie aus den Seitengängen Orks auf sie zumarschierten.
„Es war eine Falle.." Gimlis Stimme war rau und laut wie immer, doch sie spiegelte auch die maßlose Wut wieder, die er in dem Moment gerade empfinden mochte.
Siané schlug schmerzhaft auf dem Steinboden auf. Legolas hatte sie loslassen müssen und sie hatte sich nicht schnell genug fangen können. Eilig versuchte sie sich abzustützen und wieder aufzustehen. Sie drehte sich um, betrachtete die vier Gänge, die alle von Orks versperrt wurden. Sie waren eingekesselt.
„Was nun?" Maeglins Stimme drang an ihr Ohr. Sie drückten ihre Rücken zusammen und hielten die scharfen Dolche fest umklammert.
„Ich weiß nicht.. Ich kann.. Ich kann mich nicht konzentrieren.." Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, als sie sah wie Legolas' Pfeile sich durch die Köpfe der Orks bohrten. Doch wo einer fiel, wurde er sofort durch einen anderen ersetzt. Wie viele sagte Mat konnten hier unten sein? Mindestens 50? Sie schloss die Augen und tastete nach der Quelle. .. .. .. Nichts. Sie konnte sie nicht erreichen. Sie fühlte nichts.
Verängstigt berührte sie die Figur in ihrer Tasche. Das glatte Material kribbelte auf ihrer Haut. Doch sie konnte die Quelle auch dadurch nicht spüren. Sie war wie gelähmt, konnte nichts tun. Sie konnte nur zusehen, wie die Orks durch die Hände ihrer Freunde fielen. Einer nach dem anderen.
Sie sah, wie ein Schwert sich durch Mats Oberarm bohrte, hörte wie Maeglin aufschrie und erkannte, dass auch sie sich nicht rühren konnte. Sie waren nun mal keine Kriegerinnen. Sie konnten nicht einfach das Schwert ergreifen und in einen Krieg ziehen. Sie waren nun mal nur ganz normale junge Frauen. Keine Heldinnen.
Aus den Augenwinkeln sah sie Gimlis Axt herabsausen, sah die Wölfin sich an einer Orkkehle festbeißen, die sie in Stücke riss und sah weitere Orks durch die Pfeile des Elben fallen.
Das war ganz sicher nicht ihre Welt. Sie hörte eine Stimme, die ihren Namen rief. Aber es war, als würde sie die Situation aus einer anderen Perspektive sehen. Als würde sie sich nicht in ihrem Körper befinden.
„Siané.. Maeglin.. Lauft.. Die Treppe.. Sie ist frei!" Sianés Kopf drehte sich und sie spürte, wie sie jemand am Arm packte. Legolas schleifte die beiden Mädchen hinaus, die Treppe nach oben. Doch bevor sie die Tür ganz erreicht hatten, lief Maeglin wieder hinunter.
„Maeglin, bist du bescheuert? Jetzt hau hier ab.. Du kannst mir eh nicht hel--" Mat wurde das letzte Wort abgeschnitten, als sie ihre Lippen kurz auf seine drückte. Er war so überrascht, dass er beinah das Heft seines Schwerstes fallengelassen hätte. Siané sah, wie sich Maeglins Lippen bewegten und drei kleine Worte formten. Sie konnte sie zwar nicht hören, aber sie erkannte die Bedeutung am Lächeln der beiden..
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Die Tür zu den Kerkern im ersten Stock flog geräuschvoll auf, doch das störte die drei nicht. Legolas blickte sich irritiert um. Drei Möglichkeiten.. Welchen Gang sollten sie nehmen? Doch Maeglin nahm ihm diese Entscheidung ab, als sie den Weg nach links einschlug. Es war der einzige Grund, warum man sie mitgenommen hatte: Sie kannte sich ein wenig aus. Sie brauchten jemanden, der sich nicht in der Burg verlief. Sonst hätte man sie, genau wie Alés, bei den Rebellen gelassen.
„Bist du sicher, dass wir hier entlang müssen?" Siané eilte Maeglin nach, blickte sich aber immer wieder um.
„Die Klassenzimmer und die Küche liegen in den anderen beiden Gängen. Diesen Gang dürfen die Novizinnen eigentlich nicht betreten, es sei denn, du wirst von der Herrin gerufen. Also wird Elanor wahrscheinlich hier ihr Arbeitzimmer haben.." Siané stimmte ihrer Freundin stillschweigend zu und lief den Gang weiter entlang.
Ein Blick auf Legolas ließ sie zusammenfahren. Seine Miene war so angespannt, wie sie es noch nie gesehen hatte. Aber sie konnte doch froh sein.. In ihrer Vision war er auf einem Schlachtfeld gestorben. Und hier befanden sie sich in einer Burg. Ihm konnte also gar nichts passieren.. ... Oder?
Sie stoppten, als auf dem Gang eine Gestalt auftauchte. Siané hatte innerlich schon wieder mit Orks gerechnet, doch dies fand sie nun weitaus schlimmer.
Sein weißer Umhang wurde vom Wind, der durch die Fenster wehte, bewegt. Sein langes Haar hatte er in einem langem Zopf nach hinten gebunden. Deutlich sah man eine Narbe auf der Wange, die ihm jemand vor einiger Zeit zugefügt haben musste: Gilbert.
„Ihr geht weiter.. Ich kümmere mich hier drum." Legolas berührte Siané an der Schulter, doch sie bewegte sich nicht. Sie wollte nicht ohne ihn weiter gehen.
„Wie bedauerlich.. So kreuzen sich unsere Wege also wieder. Euren Pfeil in Bruchtal vergebe ich euch so schnell nicht wieder.." Verächtlich berührte Gilbert die Narbe an seiner Wange, die er scheinbar durch den Düsterwaldelben davongetragen hatte.
„Geht endlich! Worauf wartet ihr?" Legolas' Stimme war angespannt, doch die beiden Mädchen verharrten auf der Stelle.
„Der Tod ist immer viel bedeutungsvoller, wenn ihn jemand mit ansieht. Lasst die beiden Damen bleiben. So habe ich es nach eurer Niederlage nicht mehr so schwer, sie ausfindig zu machen." Der Ritter grinste gehässig, doch schien er keinen Eindruck bei Legolas zu hinterlassen.
Langsam zog er das Schwert aus der Scheide und legte seinen Umhang ab. Würdevoll baute er sich vor den Dreien auf. So würdevoll, wie man nur sein konnte, wenn plötzlich vier weitere Orks hinter einem auftauchten.
Siané zog scharf die Luft ein und auch Maeglin verkrampfte sich. Doch bevor sie sich weiter damit auseinander setzen konnten, hatte Gilbert mehrere Schritte nach vorne getan, hob sein Schwert und zielte auf Legolas' Schulter. Dieser hatte blitzschnell seine Zwillingsmesser gezogen, blockte den Hieb ab und drückte ihn zurück.
Die beiden Mädchen sahen sich entgeistert um. Vier Biester hatten sie eingekreist, knurrten und sabberten, während Siané die Klingen von Legolas und Gilbert aufeinander schlagen hörte.
‚Unter ihren Rippen.. Versuche dort zu treffen.. Stich nach oben. Sie werden getroffen liegen bleiben und sterben..' Sie hörte Aragorns Worte deutlich in ihrem Gedächtnis. Damals, als er ihr ein wenig Unterricht mit dem Dolch und dem Schwert gegeben hatte. Wie in Trance riss sie die schmale Klinge nach oben, als eines der Biester auf sie zugerannt kam. Wie von selbst setzte sie es unter seinen Rippen an.. .. .. und traf den Knochen..
Sie prallte zurück, spürte den Schmerz der sich sofort in ihrer Hand ausbreitete, versuchte es aber trotzdem noch einmal. Dieses Mal traf sie. Die scharfe Klinge durchschnitt das stinkende Fleisch wie Butter und der Ork stürzte zuckend auf den Boden. Sie drehte sich um, erkannte dass zwei Orks Maeglin eingekreist hatten und ihr den Rücken zudrehten.
‚Ziel auf seinen Rücken.. Hier.. An dieser einen Stelle.. Sie ist ein Schwachpunkt. Stößt du fest genug zu, erreichst du sein Herz..' Geschickt zog sie ihren Dolch aus dem Brustkorb des toten Orks und lief zu Maeglin hinüber. Mit einem Hieb hatte sie den Dolch im Rücken des einen Orks versenkt und Maeglin nutzte die Überraschung, um dem anderen die Kehle durchzuschneiden.
Die beiden Mädchen drehten sich erneut um, sahen Gilbert und Legolas, wie sie gerade wieder aufeinander losgingen und wie Gilbert klar in der Defensive war. Er musste jeden Schlag Legolas' mit Mühe abwehren und knickte schon mit dem rechten Knie ein wenig ein. Bei genauerem Hinsehen erkannten die beiden die tiefe Wunde, die der Elb ihm zugefügt haben musste.
Doch dann geschah es. Hinter Siané tauchte der vierte Ork auf. Sie hatten ihn vergessen, während er hinter einer Säule gewartet hatte. Er griff um ihre Kehle und Siané sah entsetzt, wie Legolas seine Dolche fallen ließ und seinen Bogen spannte. Es ging alles so schnell, doch sie konnte selbst aus der Entfernung alles ganz genau sehen.
Der Pfeil flog auf sie zu, surrte an ihrem Ohr vorbei und bohrte sich in den Kopf des Monsters. Doch sie spürte kaum noch, wie der Griff des Orks erschlaffte. Sie fühlte nur, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Ihre Beine begannen zu zittern, als sich Gilberts Klinge rot färbte. Es war SEIN Blut.. Sianés Augen weiteten sich und Maeglin schlug entsetzt die Hand vor den Mund.
Siané sah, wie sich Gilberts Lippen zu einem gehässigen Grinsen verzogen, als er die Klinge wieder aus Legolas' Rücken zog. Der Elb sank auf die Knie, seine Augen waren mit einem Schlag trüb und leblos geworden.
Sianés Augen füllten sich mit heißen Tränen und sie stolperte auf den am Boden liegenden Elben zu. Gilbert schulterte nur sein rot tropfendes Schwert und humpelte davon. Zufrieden mit sich selbst, wollte er ihr wohl noch den Moment des Abschieds gönnen... Sie hörte nur noch von weitem seine Worte: „Elanor wird sehr erfreut sein." Und ohne es zu merken, hatte sich der Entschluss zur Rache bereits tief in ihr Herz gebohrt.
Mit Tränenüberströmten Gesicht fiel sie neben ihm zu Boden. Sie sah, wie sein Blut durch den Stoff seiner Kleidung sickerte. Immer schneller färbte sich die linke Hälfte seines Körpers rot. Vorsichtig hob sie seinen Kopf an. Zärtlich legte sie ihn auf der Seite ihrer Oberschenkel ab und strich mit den Fingern über seine Wange. Ihre Umgebung nahm sie gar nicht mehr wahr. Sie versuchte zu Lächeln, als sich seine Augen öffneten, doch aus ihren Lippen drang nur ein verzweifeltes Schluchzen hervor.
„Sina.." Seine Stimme war so leise.. Zitternd nahm sie seine Hand und drückte sie und tatsächlich schlich ein letztes Lächeln auf seine Lippen.
„Legolas.. Ich .." Ihre Stimme brach, als seine Hand über ihre Wange fuhr. „Es tut mir so leid.. Wenn ich einfach weiter gegangen wäre. Es.." Sie schluchzte wieder. „Es ist alles meine Schuld."
„Melamin.. Du bist nicht.. schuld. Du.. Du musst weiter gehen.." Doch sie schüttelte nur den Kopf. Verzweifelt drückte sie den Schal, der er ihr in Teslon geschenkt hatte, auf seine Wunde. Doch sie spürte auch, wie tief diese war. Gilberts Schwert war durch seinen Rücken geglitten und hatte sein Herz dabei nicht verfehlt. Legolas hatte ihr helfen wollen. Sein Leben für ihres..
„Legolas.. Lass mich jetzt nicht allein." Er lächelte wieder, doch langsam entschwand das Leben aus seinen Augen.
„Sina.. Eru schließt niemals eine Tür, um nicht wenigstens ein Fenster zu öffnen. Es gibt für alles.. .. einen Grund.." Seine Stimme wurde immer leiser.
„DAFÜR GIBT ES ABER KEINEN GRUND!!" Tränen liefen ungehindert ihre Wangen hinunter. Ihr Herz schmerzte, an ihrer Seele zerrte etwas und sie fühlte, wie der Hass langsam nach ihr griff.
„Versprich mir, dass du das hier alles überstehst.." Sie nickte unter Tränen und legte schluchzend ihre Stirn auf seiner ab. Sie war kalt..
„Ich liebe dich.." Sie hob ihren Kopf noch einmal an und versuchte bei ihren Worten zu lächeln. Das einstige wunderschöne Blau seiner Augen, wurde immer blasser..
„Danke.." Ihre Lippen zitterten, als sie seine Worte vernahm.
„Wofür?" Wieder strich sie mit den Händen seine Wangen entlang.
„Dafür, dass du mich begleitet hast. Dafür.." Er hustete.. „Dafür.. Das wir zusammen sein konnten. Einfach.. Dafür das du bei mir bist.." Er versuchte sich auf die Ellenbogen zu stützen und berührte flüchtig mit seinen Lippen die Sianés.
Sie schloss gequält die Augen, als sie die Kälte seiner Lippen spürte. Einen Moment später sackte er zusammen und ließ seinen Kopf in die alte Position zurück sinken. „Nun geh endlich.. Bevor... sie.. deine Mutter.. fort ist.." Seine Augen schlossen sich. Verzweifelt legte sie ihre Hände auf seinen Schultern ab und rüttelte noch einmal an ihm.
„Nein.. Nein," flüsterte ihre Stimme leise. Neue Tränen bahnten sich ihren Weg nach draußen und benetzten seine Augenlider. Schwerfällig öffnete er sie erneut.
„Sina.. Melamin.. Nicht.. Nicht weinen.. Das steht dir nicht.." Sie spürte, wie ihre Unterlippe wieder begann zu zittern. Sie legte ihren Kopf schluchzend auf seinem Körper ab und umfasste mit der Hand ein paar seiner Haarsträhnen..
„Sina.. Bitte.." Sie spürte ein Ziehen an ihrem linken Arm und blickte mit ihren geröteten Augen auf. Maeglin versuchte sie auf die Beine zu ziehen.
„Lass mich los.. Was soll ich denn noch dort?" Wütend schlug sie die Hand ihrer Freundin fort.
„Du solltest.." Siané blickte erneut zu Legolas herab. „Du solltest mir doch versprechen.. diese Geschichte unbeschadet.. zu .. überstehen.."
Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich verspreche es dir ja auch.." Sie erkannte ihre Stimme kaum noch wieder..
„Dann.. Dann steh auf.. Mach weiter.." Sie nickte ihm unter Tränen zu und betrachtete sein Antlitz ein letztes Mal. Seine Augen fielen zu und sie wusste, dass er sie nicht noch einmal öffnen würde. Irgendetwas in ihrem Inneren schien ihr zu fehlen. Etwas, dass dort einen Platz eingenommen hatte und nun eine schmerzende, nicht heilbare Leere hinterließ.
„Komm schon, Sina.. Wir können hier nicht bleiben." Siané sah ihre beste Freundin an, der nun auch die Tränen über die Wangen rannen. Und plötzlich spürte sie es: Sie hatte in ihre Tasche gegriffen und den kleinen Vogel fest umklammert. Die Quelle war so nah. Sie musste sie nur berühren.
Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, da durchströmte die Macht sie mit all ihrer Stärke. Der Schmerz war dahingeschmolzen und die Trauer weit entfernt. Nur die Wut und der Hass waren greifbar.
Cyrias Worte waren aus Sianés Verstand ausgesperrt. In ihr pulsierte der Wunsch, Gilbert das eigene Schwert durchs Herz zu jagen. Ihm Schmerzen zu bereiten. Oder besser.. Ihn vollständig auszulöschen..
Maeglin war überrumpelt von der plötzlichen Wendung. Siané rannte los.. Sie wusste nicht, wohin sie das führen würde. Aber in diesem Zustand war es möglich, dass ihre beste Freundin den Fehler ihres Lebens beging...
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Es war zu der Zeit gewesen, als sie gerade im Unterschlupf angekommen waren. Maeglin hatte nach Mat und Elí gesehen und fand sich einige Augenblicke später allein mit Cyria in einer Kammer. Wie es dazu gekommen war, vermochte sie nun nicht mehr zu sagen. Sie erinnerte sich nur noch haargenau an die Worte, mit denen die Frau ihr Gespräch begonnen hatte.
„Siané kann einen schwerwiegenden Fehler begehen. Ein falscher Zauber und sie wird die längste Zeit gelebt haben." Maeglin spürte jetzt noch das Stechen in ihrer Brust, dass sie in diesem Moment auch gefühlt hatte.
„Was meint ihr damit?" Sie sah noch genau vor sich, wie erschrocken sie gewesen war und so setzten sie sich beide auf ein altes Feldbett, wo Cyria versuchte ihr zu erklären, was es mit den verbotenen Zaubern auf sich hatte. Es war ein langes Gespräch geworden. Selbst kurz danach, hätte sie nicht alles davon wiedergeben können. Aber nun.. Jetzt, wo es darauf ankam, gingen ihr gewisse Worte nicht mehr aus dem Kopf.
„Tötet sie ihre Mutter in ihrem Zorn, wird sie selbst nicht mehr existieren. Löscht sie diese Person aus ihrer Vergangenheit, ist es, als wäre sie nie geboren worden."
Und gerade jetzt überwog der Zorn in Siané. Sie sah ihre beste Freundin vor sich durch die Gänge gehen. Sie rannte nicht, aber sie ließ sich auch nicht übermäßig Zeit. Ihre Schritte waren fest und in ihren Augen hatte sie den Hass gesehen, den sie gegenüber Gilbert empfand.
Maeglin hoffte inständig, dass Siané sich den Konsequenzen bewusst war. Und vor allem: Das sie sich nicht selbst schadete.
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Siané sah eine der vielen Türen vor sich. Sie bestand aus festem Eichenholz und konnte mit Sicherheit nur von zwei kräftigen Männern geöffnet werden. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie ihre beste Freundin sich gegen die Flügeltüren lehnte und schnaufend wieder von ihnen abließ. „Die bekommen wir nie auf," hörte Siané Maeglin sagen und ein Grinsen schlich sich bei diesen Worten auf ihre Lippen.
Langsam trat sie ein paar Schritte zurück und hob ihre Hand ein Stückchen an. Ihre Finger waren schlaff, aber sie sah deutlich die vielen bunten, glühenden Stränge vor sich. In Gedanken umfasste sie mit den Fingern einen leuchtenden weißen Faden, zog ihn fest und entfesselte somit seine Kraft. Ihre Handfläche spannte sich an und die Tür flog mit einem gewaltigen Stoß auf.
Sie hörte, wie Maeglin erschrocken nach Luft schnappte. Ja, sie selbst wäre wohl auch erschrocken über sich selbst gewesen. Aber nicht jetzt. Nicht in diesem Zustand. Es war, als würde sie etwas umfangen. Etwas, dass ihre Ängste und Gefühle aussperrte und nur ihren Willen zurückließ.
Hinter der Tür gingen Treppen nach oben. Eilig rannten die beiden ihnen entgegen und folgten ihnen in die oberen Ebenen. Siané spürte, wie sie ihrem Ziel näher kam. Wie sie etwas spürte, dass ganz in der Nähe war und auf sie wartete. Sie hatte keine Ahnung, dass diese Macht nicht ihre Mutter war.
Sie kamen auf der letzten Stufe an und fanden sich einer weißen, schweren Tür gegenüber. Es war ein leichtes, sie erneut durch die hellen Stränge der Macht auffliegen zu lassen und so hob sie erneut ihre Hand. Dieses Mal war Maeglin bei weitem nicht so erschrocken wie zuvor. Trotzdem blieb sie einige Schritte hinter Siané zurück.
Ohne ein Gefühl zu verspüren ging sie weiter und schritt in das Arbeitszimmer ihrer Mutter. Zu ihrer Überraschung war es nicht ganz so, wie sie es erwartet hatte. Ein Mädchen kauerte an der Wand, zitternd und blutüberströmt. Tische, Stühle und Bücher lagen kreuz und quer im Raum verteilt und waren teilweise zerstört. Ein übler Geruch von Schwefel hing in der Luft, der in ihren Augen brannte.
Sie ließ ihren Blick über das Bild schweifen und blieb an einer weißhaarigen Frau hängen, die sie gehässig grinsend ansah. Erneut kochte Wut in ihr hoch. Doch dann fiel ihr Blick auf zwei Männer. Der eine ließ ihr eiskalt werden. Wieder überkam sie der Wunsch, ihn an Ort und Stelle in Stücke zu reißen doch als sie auf den anderen Mann blickte, verschwand ihre gefühllose Mauer für einen Moment und die Trauer über den Verlust kam wieder hoch. Dort stand er: In voller Lebensgröße und mit demselben widerwärtigen Lachen im Gesicht. Aber konnte das sein? Er existierte nur in ihren Träumen..
Jedoch.. Der Dämon war mit zwei Schritten bei ihr, drückte ihr eine Hand an die Kehle und plötzlich war ihr bewusst, dass sie sich in KEINEM Traum befand.
„Meine Tochter.. So trifft man sich also endlich.." Elanor stellte sich neben die schattenhafte Gestalt und berührte ihre Tochter an der Wange. Siané zuckte sofort zurück. Die Hand ihrer Mutter war eiskalt und rau. Sie fühlte sich so tot an.
„Unter diesen Umständen hätte ich auf ein Treffen gern verzichtet." Siané klammerte sich an die Hände des Dämonen, der immer noch ihren Hals fest zusammendrückte und sie dadurch in der Luft schweben ließ. Sie röchelte leicht, hatte aber immer noch genug Kraft, um nicht aufzugeben.
„Ganz wie der Vater, was? Immer noch eine dreiste Antwort auf den Lippen, egal wie schlecht es um ihn steht. Na, man sieht ja was aus ihm geworden ist. Ein nichtsnutziger Marktschreier." Elanor verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken und begann, in ihrem Arbeitszimmer auf und ab zu gehen.
„Besser, als eine gefühlskalte Hexe, die ihre Familie im Stich lässt." Sie presste ihre Augen zusammen, als sich der Griff um ihren Hals verstärkte.
„Natürlich.. Irgendwie habe ich damit gerechnet, dass du das sagst. Aber überlege doch einmal: Wenn du dieselbe Macht hast wie ich, könntest du den Elben wieder zum Leben erwecken. Du musst mir nur ein wenig helfen, gegen Hauptmann Elanesse und diese wahnwitzigen Rebellen anzugehen." Siané spürte, wie ihr langsam schwindelig wurde, schüttelte aber vehement den Kopf.
„Nein? Wieso nicht?" Sie kam wieder näher und deutete dem Dämonen, sie loszulassen.
„Du fragst mich tatsächlich, wieso nicht?" Siané versuchte Luft zu holen, funkelte ihre Mutter dabei aber auch gefährlich an. „Man kann niemanden ins Leben zurück holen. Und wenn doch, sind diese Zauber verboten. Sie sind gefährlich und machen mit Sicherheit niemanden glücklich." Sie wusste, dass sie recht hatte, auch wenn ihr Herz sehnsüchtig nach einem solchen Zauber für Legolas verlangte.
„So.. Du willst also nicht auf meine Seite kommen." Sie lachte bei ihrer Feststellung schrill auf. „Dann habe ich deinen geliebten Legolas ja umsonst umbringen lassen. Ich bin untröstlich. Er war wirklich ein prachtvolles Exemplar von einem Elben. Hätte sich mit Sicherheit auch gut in unseren Versuchslaboren gemacht." Sie lachte wieder auf. Siané spürte die Wut erneut zurück kommen. Verzweifelt umklammerte sie den Vogel in ihrer Tasche. Seine ausgebreiteten Flügel drückten sich in ihre Handflächen, doch sie bemerkte es kaum, als kleine Blutstropfen aus ihrer Haut drangen und die Figur benetzten.
„Du.. Du hast den Auftrag gegeben, ihn zu töten?" Sie versuchte ruhig zu atmen, doch die wahnsinnige Lache ihrer Mutter trieb sich zur Weißglut.
„Ja.. Das habe ich. Und soll ich dir etwas sagen? Gilbert war ganz versessen darauf, meinen Auftrag auszuführen. Scheinbar hat dein Elbenprinz seinen Stolz angekratzt. Manche Ritter können äußerst schlecht darauf reagieren." Elanor zuckte uninteressiert mit den Schultern und bewegte sich zum Fenster, von dem sie die Truppen des brennenden Lichts sehen konnte. „Diese Männer werden nicht eher aufgeben, bevor die ganze Burg zerstört ist. Siané, was denkst du kannst du erreichen? Was denken die Rebellen, was sie erreichen können? Glaubt ihr, sie werden gehen, wenn ich nicht mehr hier herrsche? Diese Männer sind voller Hass. Genau wie du. So einfach werdet ihr es nicht haben. Aber wir.." Elanor drehte sich um und deutete auf den Dämonen, der bewegungslos im Raum stand. Auf eine Geste von ihr begann er mit seiner krächzenden Stimme zu sprechen.
„Wir.. Zusammen können wir diese Männer dort unten einfach besiegen. Verbünde auch du dich mit mir.. Wir könnten ganz Mittelerde beherrschen.." Die Höhlen, in denen sich eigentlich seine Augen befinden sollten, flammten auf und ließen Siané auf dem Boden zurückkriechen.
„Hast du noch immer Angst vor mir? Tz, tz, tz.. Hast du etwa angenommen, ich tauche in deinen Träumen nie wieder auf? Glaubtest du, ich hätte dich wegen dieses Wolfsjungen aufgegeben? Nur weil er uns in seinen Traum gezogen hat, hatte ich keine Macht mehr über euch. Doch nun.. Nun bin ich hier." Er baute sich vor ihr auf und reichte ihr seine knochige Hand nach unten.
„Du bist doch nichts weiter, als ein Traum. Du kannst mir nichts anhaben." Ihre Stimme war erstaunlich fest und entschlossen, doch der Dämon lachte nur auf. Grob packte er ihren Arm und zog sie auf die Beine. Sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen, als er sie schlug und wieder auf dem Boden aufschlagen lies. Auf ihrem Rücken brannten drei blutige, tiefe Striemen. Die Haut war förmlich herausgerissen. Unter Schmerzen blickte sie wieder auf und roch von neuem den starken Schwefelgestank.
„So.. Ich kann dir also nichts anhaben.. Du dummes, kleines Menschen--" er schlug dumpf auf dem Boden auf. Überrascht blickte Siané hoch und sah Maeglin, die einen schweren, goldenen Leuchter in der Hand hielt.
„Wirkt scheinbar auch bei Dämonen.." Sie lächelte matt und half ihrer Freundin auf die Beine. Siané zuckte zusammen, als ihre Kleidung die Verletzung an ihrem Rücken streifte.
Elanor zog verärgert ihren Umhang an den Schultern enger zusammen und blickte die beiden Mädchen an. „Das werdet ihr mir büßen. Sobald er aufwacht und sein Körper vollständig in dieser Welt ist, könnt ihr euch von eurem Leben verabschieden."
Siané schüttelte nur den Kopf und ging ein paar Schritte auf ihre Mutter zu. „Du willst meine Mutter sein?" Sie blieb verächtlich vor ihr stehen und betrachtete Elanor von Kopf bis Fuß. „Wie kann Paps dich nur eine Sekunde geliebt haben? Du bist nichts weiter, als eine Fremde für mich. Komisch.. Früher habe ich nie etwas gegen Fremde gehabt, aber euch, Mylady, kann ich nur aus tiefstem Herzen verabscheuen." In Elanors Augen flackerte einen Moment etwas auf, etwas dass Siané nicht deuten konnte, doch dann hörte sie erneut Maeglins Rufe. Erschrocken drehte sie sich um und sah gerade noch, wie Gilbert das Schwert über seinen Kopf erhoben hatte, bereit ihr das Schwert ins Herz zu treiben, wie er es bei Legolas getan hatte. Wie in Trance griff sie nach der Figur in ihrer Tasche, verknotete die Stränge der Macht vor ihren Augen und ließ einen Strahl blendendes Licht aus ihrer Hand gleiten. Getroffen ging der Ritter zu Boden und die beiden Mädchen mussten mit ansehen, wie er sich auflöste.
Sein Körper begann zu leuchten und es war, als würde sich jede Zelle seines Körpers glänzend im Raum verteilen und erlöschen. Siané blickte starr auf ihn herab, hörte ihre Mutter im Hintergrund schrill auflachen und vernahm plötzlich eine Stimme in ihrem Ohr. ‚Wäge die Konsequenzen ab, wenn du jemanden auslöschst. Wird ein Punkt aus der Vergangenheit entfernt, können manche Situationen in der Zukunft nicht eintreten.' Cyrias Worte hallten ihr im Gedächtnis. Was mochte sie nun verändert haben? Sie sah, wie Maeglin sich schmerzhaft an den Kopf griff. Verängstigt lief Siané zu ihrer besten Freundin hinüber, doch diese blieb bewusstlos auf dem Boden liegen. Konnte Gilberts Tod etwas mit Maeglin zu tun haben? ‚Was habe ich bloß getan?'
Wütend drehte sie sich wieder zu ihrer Mutter um, die immer noch laut lachte. Doch was Siané dort sah, ließ sie wie angewurzelt auf der Stelle verharren. Hinter Elanor war der Dämon hervorgetreten. Ein flammendes Schwert in der Hand, zum Töten erhoben. Sie hörte sich selbst aufschreien, als der Dämon zustieß und ihre Mutter auf dem Boden zusammensackte. Lachend löste er sich in Luft auf. Allerdings nicht, ohne einen Abschiedsgruß in der Luft wiederhallen zu lassen. ‚So schnell wirst du mich nicht los...'
Etwas Kaltes griff nach ihrem Herzen, als sie auf ihre Mutter zukrabbelte. Die weißen Haare waren wieder zu einem wunderschönen rot geworden. Sie konnte nicht anders. Mit zittrigen Fingern drehte sie ihre Mutter um und betrachtete ihre warmen Gesichtszüge.
„Meine liebe, kleine Tochter.." Und so erschienen zum wiederholten Male an diesem Tage Tränen in Sianés Augen.
„Mama?" Die kalte Hand ihrer Mutter strich die Tränen von ihrer Wange.
„Sina.. Meine kleine Sina. Du bist groß geworden. Und genauso hübsch, wie ich es mir gewünscht habe." Siané lächelte leicht und umfasste die Hände ihrer Mutter.
„Mama.. Was.. Warum bist du nun?"
„Shh.." Sie deutete mit dem Finger auf einen Altar in der Mitte des Raumes. „Zerstöre ihn. Der Dämon nimmt seine Kraft daraus. Er wird nicht mehr lange Gestalt in dieser Welt annehmen können, wenn die Schale nicht mehr existiert."
Eilig stand das rothaarige Mädchen auf, hob das blutgefüllten Gefäß in die Höhe und warf es kraftvoll gegen die Wand. Es zersprang in viele kleine Teile und das Blut bespritzte Wände und Boden, doch mehr geschah nicht. Fragend hockte sie sich wieder neben ihre Mutter, die schwer atmend auf dem Boden verweilte.
„Sina.. Als ich noch sehr viel jünger war." Sie hustete leicht und Siané wollte sie am Sprechen hintern, doch Elanor wollte ihr diese Geschichte erzählen. „Lass mich.. Du musst das wissen. Damals.. Du warst noch nicht geboren und dein Vater und ich waren glücklich. Er wusste nichts von meiner Macht und ich war bereit sie für ihn aufzugeben. Doch dann lernte ich Hauptmann Elanesse kennen. Er war so widerlich. Er konnte den Tod von Lebewesen vorhersagen und half auch gerne nach, wenn seine Vorhersagen nicht ganz stimmten. Doch er hatte auch noch eine andere Gabe. Er konnte mit Dämonen in Kontakt treten. Das ist normalerweise sehr schwer. Wir beide haben es geschafft, als wir zu viel Macht an uns gezogen haben. Dämonen lieben Macht. Sie wollen sie besitzen.
Als ich herausfand, dass Hauptmann Elanesse diesen Dämonen an sich gebunden hatte, war ich entschlossen etwas dagegen zu tun. Denn er wollte schon immer die Hexen in Carn Dûm vernichten. Meine eigenen Eltern lebten hier und so versuchte ich den Dämonen zu erreichen." Elanor machte eine Pause, in der sie versuchte ruhiger zu Atmen. Doch ihr Körper wurde von Minute zu Minute schwächer.
„Ich habe ihn erreicht, doch der Dämon hatte schon zu viel Macht von Elanesse bekommen. Ich konnte ihn nicht kontrollieren. Niemand kann das auf kurz oder lang. Irgendwann wird der Hauptmann auch keine Macht mehr über ihn haben. Wir können nur beten, dass der Hauptmann vorher stirbt. Wenn der Dämon volle Macht erhalten hat, wird er in Mittelerde wandeln und ihm die Verwüstung bringen." Elanor hustete gequält.
„Mama.. Aber.. Was ist mit dir geschehen?"
„Er hat mich kontrolliert. Er hat meine Macht genommen und mich in seiner Hand gehabt. All die Jahre.. Damals, nachdem ich dich geboren hatte. Ich konnte mich nicht gegen ihn wehren. Und nun.. Wenigstens konnte ich dich noch einmal sehen. Vielleicht.." Sie hustete erneut und ihre Stimme wurde immer leiser. „Vielleicht kannst du Elanesse aufhalten. Er wird nicht eher Ruhe geben, bevor nicht alle Hexen aus Carn Dûm tot sind. Auch seine Verbündeten wird er irgendwann verraten. Seine Männer sind so von seinem Hass durchtränkt, dass sie es nicht merken. Das brennende Licht ist ein Haufen geblendeter Idioten, die den schlechten Kern ihrer eigenen Leute nicht erkennen."
Elanors Blick wurde trüb und sie hob noch einmal eine Hand an Sianés Wange. „Meine Kleine.. Ich wünsche mir so sehr, dass du in deinem Leben glücklicher wirst. Bitte.. Sag Marado, dass ich ihn liebe. Ja, ich habe nie damit aufgehört. Ich war so eine schlechte Mutter. Verzeih mir.. Sina......" Sie schloss langsam ihre Augen. Siané saß vor ihr, ihre Hand immer noch auf der Wange ihrer Mutter.
Zitternd blickte sie zur Decke, schluckte die Tränen hinunter und betrachtete den Raum, in dem sie sich befand. Maeglin lag immer noch bewusstlos auf der Erde, doch sie atmete regelmäßig. Ihre Mutter.. Sie war tot.. Legolas.. Sie wollte gar nicht weiter denken. Das Mädchen, dass sie vorhin im Raum hatte liegen sehen, war spurlos verschwunden. Und der Dämon..
Sie schrie auf, als eine knochige Hand sich um ihren Körper schlang und sie in die Höhe hob. Da war er also wieder..
„Und du wirst nun mit mir kommen. Da gibt es einen netten Mann, der dich gerne kennen lernen möchte." Sie spürte einen stechenden Schmerz an ihrem Hals, dann wurde es schwarz vor ihren Augen...
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„Versteckt euch!" Sam und Frodo duckten sich sofort hinter einem Busch, als sie Elladans Stimme vernahmen und auch die anderen suchten sich ein sicheres Plätzchen, an dem sie unsichtbar für die Augen ihrer Feinde waren.
Langsam senkte sich die Sonne dem Horizont entgegen und tauchte die Ebene vor dem Gebirge Carn Dûm in ein blutrotes Licht. Schon den ganzen Tag suchten die Gefährten eine Möglichkeit, die Käfige im Lager des brennenden Lichtes zu erreichen. Doch wurden sie stets durch irgendwelche Zwischenfälle zurück geworfen. Sei es durch die Ankunft von Boten im Lager oder wegen den tollpatschigen Füßen der Hobbits so gekommen.. Das einzige, was sie bisher erreicht hatten war eine Näherung an die Käfige auf Sichtweite.
Und nun kamen sie schon wieder nicht voran. Schritte waren an die Ohren der Elben gedrungen und so mussten sie warten, bis ihre Feinde an ihnen vorbei geschritten waren.
Frodo und Sam saßen schweigend nebeneinander, die Hände stets in der Nähe ihrer Schwerter und doch fühlten sie sich damit nicht sicher. Es war eine Sache, im Ringkrieg dabei zu sein. Dort hatten sie sich an Spinnenmonstern vorbeigequält, waren durch Mordor gelaufen, hatten sich mit Orks und Gollum auseinander gesetzt, um den Ring der Macht im Schicksalsberg zu vernichten. Doch das hier.. Es war etwas anderes. Wo man einschätzen konnte, dass Orks nur töten wollten, konnten sie nicht mit Sicherheit sagen, was das Ziel dieser Menschen war. Auch kannte man nicht einen ihrer Schwachpunkte. Außerdem waren diese Menschen wohl intelligenter als Orks...
Als hätten sie beiden zur gleichen Zeit daran gedacht, stießen sie synchron ein entkräftetes Seufzen aus. Haldir, der ganz in ihrer Nähe verweilte, zischte ihnen sofort zu, sie sollen sich leise verhalten.
Die Schritte waren ganz in der Nähe und stoppten genau vor dem Versteck der Hobbits. Ein eigenartiges Schnuppern war zu vernehmen und Frodo erinnerte sich urplötzlich an die schwarzen Reiter.. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken herunter, doch dann hörte er eine bekannte Stimme.
„Sind sie hier in der Nähe, Illana?" Sofort sprangen die beiden Hobbits auf und liefen auf die Neuankömmlinge zu. Es mussten gute Nachrichten sein, wenn Mat, Gimli, Pippin, Merry und Illana auftauchten. Wahrscheinlich hatten sie es geschafft.. Doch als sich die zwei Gruppen gegenüber standen, fiel ihnen sofort auf, dass jemand fehlte.
„Wo sind Legolas und Siané?" Aragorn trat vor, doch die langen Gesichter der Freunde konnten nichts gutes verheißen.
Traurig setzten Gimli und Pippin das blonde Mädchen ab, das reglos im Arbeitzimmer Elanors gelegen hatte. Im Schutze des Unterholzes ließen sich alle auf dem Gras nieder und warteten auf eine Erklärung. Langsam begann Gimli zu sprechen.
„Uns wurde im Keller der Burg von Orks aufgelauert. Maeglin, Siané und Legolas sind vorausgegangen. Doch.. Als wir.." Gimli stockte und er wischte verstört mit der Hand über sein Gesicht. „Als wir ihnen folgen konnten.. Aragorn.. Er lag dort auf dem Flur.. Sein Oberkörper blutdurchtränkt.." Die Stimme des Zwerges hatte nichts mehr von seiner Freude in sich. Wenn man genau hinhörte, konnte man sogar ein Zittern darin vernehmen. „Als wir weiter gingen.. Wir konnten ja nichts für den armen Jungen tun.. Die Türen waren alle versperrt.. Man hat Getöse gehört.. Schreie.. Und.. und.. Doch als wir hineinkamen, war niemand mehr da.. Nur die Kleine hier.. Sie lag auf dem Boden.. Sie atmet.." Aragorn legte dem Zwerg eine Hand auf die Schulter, um seinen Redeschwall zu beenden. Er plapperte schon fast Zusammenhanglos. Jeder wusste, dass der Zwerg unter einem Schock litt. Leise sprach er auf Gimli ein, versuchte ihn zu beruhigen. doch in seinem Inneren fühlte er sich genauso zerrissen, wie die anderen.
„Wir werden ihm, wenn alles vorbei ist, eine würdige Beerdigung verrichten." Gandalfs Worte waren leise. Er selbst spürte, wie die Trauer nach seinem Herzen griff.
„Das werden wir nicht können.." Die Gefährten blickten auf, als Mat sich in das Gespräch einmischte.
„Wie meinst du das?" Nun war es an Elladan, zu sprechen.
„Ich meine damit, dass sich Legolas nicht mehr im Flur befand, als wir uns auf den Weg zurück gemacht haben.."
„Du meinst.." Elladan stockte..
„Ja, diese elenden Monster von Orks werden ihn mitgenommen haben.." Gimlis Hand klammerte sich wütend um seine Axt.
„Ich möchte eure Unterhaltung nur ungern stören. Doch zur Trauer ist dies wahrhaftig der falsche Ort. Glaubt nicht, mir gehe sein Tod nicht Nahe. Doch .. Wir müssen nun erst einmal aus dieser Situation heraus. Es nützt niemandem etwas, wenn auch wir sterben." Schweren Herzens nickten die Gefährten Haldir zu und standen langsam auf.
„Ich habe vorhin gesehen, dass sie ein weiteres Mädchen in die Käfige gesperrt haben. Ich möchte behaupten, es sei Siané gewesen, sofern meine Augen mich nicht betrogen haben." Elrohir stand am Rande der Gruppe und blickte ernst ins Lager der Männer.
„Dann müssen wir sie da wohl herausholen.." Aragorn stand auf und stellte sich neben ihn. Auch ohne elbische Augen konnte er erkennen, dass in der Mitte des Platzes Scheiterhaufen aufgebaut wurden.
„Wenn wir doch nur mehr Zeit hätten.." Mat schlug mit einer Hand gegen den Stamm eines Baumes und blickte in dieselbe Richtung. Sie mussten bald einen Weg ins Lager finden.
„Ich weiß nicht, wie es um euch steht. Aber ICH habe einen Schwachpunkt bei diesen Menschen gesehen." Erschrocken drehten sich die Gefährten um, als sie eine warme, vertraute Stimme vernahmen. Gimli ließ vor Schreck seine Axt fallen..
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Sianés Kopf ruhte an den kräftigen Holzgittern ihres Käfigs. Wie lange war es her, dass dieser Dämon sie vor den Füßen des Hauptmanns abgesetzt hatte? Eine Stunde? Zwei? Oder mehr? Sie konnte es nicht sagen. Ihre Knochen schmerzten und die Wunde an ihrem Rücken schien in Flammen zu stehen. Wahrscheinlich hatte sie sich entzündet.
Komischerweise war es ihr egal. Seitdem sich das Bild von Legolas in seinem eigenen Blut in ihr Gedächtnis gebrannt hatte, war es unwichtig für sie, ob sie das Wundfieber überkommen würde. Es war ihr egal, was Hauptmann Elanesse mit ihr vorhatte.
Völlig zerschlagen legte sie ihre Stirn auf ihren Armen ab. Die Knie an ihren Körper gezogen, wartete sie nur noch auf das, was da kommen mochte. Wartete, auf eine Erlösung.
In so kurzer Zeit hatte sie tatsächlich zwei Menschen verloren, die sie liebte. Ja, ihre Mutter hätte sie lieben können. In dem Moment, in dem sie Elanors warme Augen erblickte, war sie sich dessen bewusst, dass sie eine weitere wichtige Peron verloren hatte.
Und so kam es, dass ihr in diesem Käfig, umgeben von weinenden Frauen, alles egal war. Sie spürte nicht einmal mehr, dass sich die Leere ihrer Seele wieder gefüllt hatte..
„Da haben wir sie ja.." Müde hob sie ihren Kopf und blickte in die verärgerten Augen des Hauptmanns.
„Wenn es darum geht, dass euer Dämon in seine eigene Welt zurückgekehrt ist: Das bereue ich nicht." Langsam ließ sie ihren Kopf wieder sinken. Sollte dieser Mann doch mit sich selbst sprechen.
„Na, na, na.. Darum geht es mir gar nicht. Willst du nicht wissen, wie alles so kommen konnte?" Siané rührte sich nicht. Sie hatte sich zwar gefragt, warum all ihre Vermutungen, falsch gewesen waren. Warum sie Elanor als Feindin angesehen hatte, warum sie den Dämon nie als Teil eines Ganzen betrachtet hatte und wieso alle auf den Hauptmann hereingefallen waren. Vielleicht, weil er zu selten ins Licht getreten war? Weil sie lange Zeit nichts von ihm wussten? Aber war das nicht logisch? Wieso sollte der Schuldige sich in den Vordergrund stellen, anstatt sich hinter seinen Schergen zu verbergen? Ja, eigentlich ergab nun alles Sinn.
„Keine Antwort? Nun, dann werde ich es dir erzählen." Innerlich seufzte Siané auf. Wieso musste er nun mit seinen großen Taten prahlen? Konnte er sie nicht einfach allein lassen?
„Vor vielen Jahren lernte ich deine Mutter kennen. Eine mächtige Frau, fürwahr. Ich habe versucht meine Absichten vor ihr zu verbergen. Doch irgendwie kam sie mir auf die Schliche." Er tigerte vor ihrem Käfig auf und ab, schien beeindruckt von seinen eigenen Worten zu sein und trug ein dummes Grinsen auf seinen Lippen.
„Ich hatte mich schon lange mit dem Dämonen verbunden, doch besaß ich selbst nicht genug Macht, um ihn in diese Welt zu holen. So gaukelte ich ihr vor, dass ich kurz davor stand, mit ihm Mittelerde zu beherrschen und die Hexen in Tirell zu vernichten. Sie glaubte mir. Ja, sie war töricht genug mir zu glauben.
So kam es, dass sie selbst versuchte ihn zu beherrschen. Doch alles war geplant. Der Dämon hatte genug Macht von mir, sie zu kontrollieren. Mit ihr zusammen hatten wir genug Kräfte, um ihn nach Mittelerde zu holen.
Irgendwann begann es, dass die Schwestern der Burg Verdacht schöpften. Mehrere Gruppen bildeten sich. Eine, die das alte Tirell aufrecht erhalten wollte. Eine andere, die etwas von der Macht abhaben wollte. Die Rebellen und die Schattenfreundinnen. Ja, so nennt ihr sie wohl..
Als mein Dämon dich fand, hat er eine erneute Machtquelle für sich entdeckt. Du warst schwerer zu hintergehen, aber im Endeffekt war das unwichtig.
Deine Mutter hatte den Zauber herausgefunden, mit dem wir ihm einen Weg in unsere Welt schaffen konnten. Im Prinzip war das mein ganzes Ziel. Ich kenne nun den Zauber. Das deine Mutter nicht mehr lebt oder der Altar zerstört wurde, schert mich nicht. Sobald ich euch Hexen aus dem Weg geräumt habe, werde ich den Zauber selbst anwenden." Sianés Haut begann unangenehm zu kribbeln. Es fehlte nur noch, dass sich dieser selbstgefällige Kerl auf die Schulter klopfte.
„Dann habt ihr ja nun alles, was ihr wolltet. Ich gratuliere euch, Sir.."
„Mein gutes Kind, höre ich da etwa Ironie in deiner Stimme?" Siané verdrehte die Augen und sah fort von Elanesse in die Dunkelheit.
„Hauptmann, irgendwann wird euch eurer eigener Sklave töten.."
„Nein.. Der Dämon herrscht nicht über mich. Ich werde den Zauber vollenden und eine große, mächtige Position in Mittelerde einnehmen. Tirell wird nur noch mit Frauen bewohnt sein, die sich mir angeschlossen hatten und die Menschen, Elben und Zwerge dieser Welt werde ich mir Untertan machen." Er lächelte. Ein Lächeln, dass Siané krank machte.
„Verzeiht, wenn ich euch das sage. Aber.. Ihr seid größenwahnsinnig. Niemals wird euch das gelingen." Sie bewegte ihr Gesicht noch immer nicht zu Elanesse. Stattdessen blickte sie angestrengt in die Dunkelheit. Hatte sie es sich eingebildet, oder huschten Schatten in der Nähe der Käfige umher?
„Ach du dummes, unwissendes Kind. Eigentlich kann es dir auch egal sein, ob ich scheitere oder nicht. Du wirst nicht einmal mehr den neuen Morgen erleben, denn heute Nacht werden die Hexen aus Tirell vernichtet." Sie zuckte schmerzvoll zusammen, als jemand sie grob am Arm packte und aus dem Käfig zerrte. An den Schreien der Frauen konnte sie erkennen, dass auch sie in Richtung Scheiterhaufen getragen wurden.
Es war eine kurze Prozedur. Zwanzig Frauen waren an große Holzpflöcke gebunden worden. Manche von ihnen weinten, andere versuchten sich vergeblich zu befreien. Nur Siané gab es auf, sich zu wehren. ‚Eigentlich ist es doch eh egal..'
Traurig ließ sie ihren Blick über die Zuschauer wandern. Frauen in schwarzen Umhängen standen zwischen den Soldaten des brennenden Lichtes. ‚So wäre es also gewesen, wenn ich mich angeschlossen hätte. Dann würde ich nun auch dort stehen und jubeln..' Ihr Magen schien sich bei dem Gedanken umzudrehen. Niemals hätte sie sich über das Töten von Menschen freuen können..
Zu ihrem Entsetzen hatte man auch Kinder zum Scheiterhaufen geführt. Sie standen aufgeregt bei ihren Eltern und deuteten auf die gefesselten Frauen. ‚So ist das also.. Wir prangern hier als Schande.. Seht Kinder, so sollt ihr niemals werden.. Wir sind ja so schlechte Menschen..' Einen kurzen Moment ließ sie den Kopf hängen doch dann erinnerte sie sich an Teslon, an ihren Vater und ihre Freunde. An ihren Bruder, der in Tirell wartete und sogar an die Herrin Tari im Schloss. Wie sehr sie das doch alles vermisste.. Mühsam straffte sie ihren Körper, spürte wie die klaffende Wunde an ihrem Rücken gegen das Holz rieb und bemühte sich trotz allem um eine mutige Miene. ‚Ich werde auf keinen Fall Flehen und Betteln.'
Mit so würdevollen Schritten, dass es ihr bald schlecht wurde, trat Hauptmann Elanesse vor die Frauen, hielt eine kurze Rede über die Schandtaten der Hexen und drehte sich dann zu einem der vielen Mädchen um. Siané hatte sie noch nie gesehen. Mit einem Wink seiner Hand, trat eine Schattenfreundin vor und ließ Flammen hochsteigen. Mit einem Schlag wurde Siané bewusst, dass sie jeden einzeln töten würden. Das Mädchen schrie in den Flammen, wand sich unter Schmerzen und bat um Hilfe. Doch niemand war in der Lage, etwas zu unternehmen.
Wütend ballte Siané ihre Fäuste.. Wie konnte ein einzelner Mensch nur so widerwärtig sein?
Langsam legten sich die Flammen wieder. Von dem fremden Mädchen war nichts als Asche übrig geblieben. Es war ein Moment, in dem Siané zum Heulen zu Mute gewesen wäre. Wenn sie da nicht etwas anderes, unfassbares abgelenkt hätte.
In der Aufregung der Verbrennung waren vierzehn vermummte Gestalten unter die gaffende Menge getreten. Jeder hatte sich eine passende Position gesucht, um den Drahtziehern des brennenden Lichts gefährlich zu werden. Außerdem hatte einer von ihnen einen Dolch an die Gurgel des Hauptmanns gelegt und zwang ihn, keinen Ton von sich zu geben.
Sianés Augen weiteten sich, als ein Mädchen auf sie zukam und ihre Fesseln durchschnitt. Sie hatte noch nicht viel mit ihr zu tun gehabt. Aber sie erkannte sie wieder. Elí sah so munter aus, als wäre sie Elanor niemals in die Hände gefallen. Und der vermummte Mann, der Hauptmann Elanesse gefangen hielt, strömte eine solche Vertrautheit aus..
Siané sackte auf dem Haufen Holz zusammen und betrachtete mit geweiteten Augen, wie der Mann langsam seine Kapuze von seinem Gesicht gleiten ließ.
Tränen stiegen in ihre Augen.. Zaghaft legte sie eine Hand auf ihre Lippen und kniff einmal kurz die Augen zusammen. Eine Träne rollte ihre Wange herunter, doch als sie die Augen wieder öffnete stand er immer noch vor ihr.. ‚Aber das kann.. Das muss ein Traum sein..'
„Legolas..." Ihre Stimme war nur ein Hauch.. Sie zitterte. Aber die Schmerzen an ihrem Rücken machten ihr bewusst, das dies alles andere als ein Traum war. Er lebte..
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Muahaha.. Wer von euch hat gedacht, ich würde ihn umbringen? °lach° Also echt.. Ich würde NIEMALS einen original Charakter aus Herr der Ringe töten. Ich bin der Meinung, dass wir dazu kein Recht haben. Ich kann mit meinen erfunden Charakteren so umgehen, aber Tolkiens Eigentum wird nicht beschädigt. :D
Ich bin ja nicht wie Peter Jackson und bringe einfach Haldir um. ;) Nein, nein.^^
Ich hoffe, ihr habt alle bis zum Ende gelesen. °böse guck° Wehe nicht!! :o)
Tjaaa.. War ja ein ziemlich langer Teil, was? Das müsst ihr mir lassen.^^ Ich hätte auch zwei Kapitel daraus machen können.. Aber egal. :o) Ich wollte euch euren Legolas noch in diesem Teil zurück geben. Nachher werde ich hier noch gelyncht. :D
Hmm.. Was passiert nun noch? Mal sehen..^^ Es wird auf jeden Fall nicht mehr so düster. ;) Freut euch also auf das neue Kapitel, in dem wir vielleicht Papa Thranduil kennen lernen.^^
Bis dahin.. Ciaoi.. °knuddelt euch alle° Hoffe ich sehe euch im nächsten Teil wieder.. =) °wink°
Eure Tig..
@ Crestoe: Oh ja.. Würde mich riesig freuen, wenn du mir neue Skizzen zeigst. Mag deine letzte Siané Zeichnung. Hab sie natürlich immer noch abgespeichert. :o)
Legolas und Siané sollen heiraten? Nun.. Mal schauen.. Find das ja ein bissel kitschig. Wir werden sehen.^^
@ Nillithiel: Hey.. Ich glaube, ich habe alle deine Fragen aus deinem Kommi in diesem Teil beantwortet. ;D Schau mal nach. °g°
@ Daga: Ein Illana Bild ist ja nun schon dabei.. Hoffe es war nach deinem Geschmack..^^ Eigentlich suche ich ja immer noch nach nem Bild für Alés.. Find aber kein passendes. :D
@ ADD02: °lach° Tjaa.. Gimli konnte ich keine dummen Kommentare abgeben lassen. Dazu war mir die Stimmung zu traurig. Und ein niedergeschlagener Zwerg ist doch auch mal was nettes..^^
Mein Kollege.. Jaa.. Weiß auch nicht.. Könnte ein bissel besser laufen. Aber ich werde es schon überleben. :o)
@ Mira2: Siehste.. Legolein ist nicht gestorben. Wär ja noch schöner. ;)
@ Devil_Amon: Na, so perfekt ist die FF nun auch wieder nicht. Ich kenne zig bessere. :D Aber trotzdem Dankeschön, für dein Kompliment. °knuddel°
@ mystica: Ja, ich weiß.. Habe Frodo und Sam ein wenig vernachlässigt. Ich verspreche, dass sie in den anderen, folgenden Chaps noch mehr zu sagen bekommen. ;D
@ Hexenlady: Hmm.. Ich denke, deine Fragen aus dem Kommi hab ich in dem Chap auch beantwortet, oder?^^
@ Atzui: Ich mach mir nach deinem Kommi ein wenig Sorgen um dich. Ich hoffe, du konntest die Wartezeit überstehen und träumst nicht schon von der Story? °lach° Wirktest ein bissel aufgeregt. °knuddel°
@ Escalina: Legolas ist doch nicht tot.. Ganz ruhig. °knuff° Jetzt kann alles nur noch besser werden. :D
@ Miss_Sixty: °smile° Hoffe ich hab den Showdown zu deiner Zufriedenheit beschrieben. :D Und keine Angst.. Legolas und Gimli werden sich noch oft genug streiten. :o)
@ Shelley: Hmm.. Ja.. Vielleicht hatte Legolas schon alles an ihr gesehen.. Aber.. Ach.. Mein Gott, dann ist sie halt verklemmt. Was soll's.. :D
Stimmt, dem Typen mit dem Frauennamen darf man nicht trauen. Aber das hast du ja nun sicher selbst festgestellt. ;)
@ Leahna: Sorry.. Das war kein schnelles Update von mir, wie du es dir gewünscht hast. Aber dafür ist das Kapitel umso länger. :o) Vergibst du mir? °auf Knien rumrutsch°
@ Asahi-chan: Ja, ja.. Du hast mich durchschaut. Ich habe Legolas nicht sterben lassen. Hoffe trotzdem, dass du irgendwann ganz kurz drauf reingefallen bist. ;)
Mat und Maeglin.. °evilgrin° Da habe ich noch ein Überraschung für dich. Aber wehe du wirfst etwas nach mir. Das tut man nicht. :P Egal, wie fies mein Vorhaben ist. :D
Elben teilen.. Hmpf.. Na, von mir aus kannst du die vier Elben haben. Dann will ich aber Legolas.. Oder gib mir wenigsten Elladan ab, wenn ich den nicht bekomme. ;D
@ Goldmond: Böses Ende für Mat und Maeglin.. Na ja.. Vielleicht ein böses Erwachen im nächsten Chap.. Aber ich bin nicht wirklich auf Blutvergießen aus. Obwohl.. °harhar°
@ Meldis: Ach, lass dir Zeit mit dem Betalesen. Ich kann da noch ein wenig warten. Veröffentliche die Geschichten ja eh noch nicht. ;)
Schön, dass dir Mat und Maeglin so gut gefallen. Die beiden hab ich eigentlich schon am Anfang an ins Herz geschlossen.^^
@ Barawen: Hab mir ja genug Zeit gelassen. Letztes Update ist fast drei Wochen her. ;)
Berlin, Berlin? Ist das die Sendung mit Lolle? Ja, davon hab ich mal eine oder zwei Folgen gesehen. Die lief aber immer zu so ner scheiß Zeit und so hab ich das immer verpasst.
Das mit der Meerjungfrau.. Tja, ich kenn die original Geschichte. :o) Und die ist ja auch so traurig. °schnüff° Aber sonst.. Was für parallelen siehst du denn noch? °smile°
Ansonsten noch ganz lieben Dank an Bluelight, starwater, feanen, Calen, Kim und DieSina.. °euch alle knuddel°
Bis zum nächsten Mal. Drückt den Review Button, ja? Wäre sehr glücklich drüber.. ^.^
Eure Tig
