So hier nun das allerletzte Kapitel... das Ende!

Am Ende der Schuld

Severus konnte nicht hinsehen. Ihr Körper lag leblos am Boden, die Augen weit aufgerissen. Wären sie nur nicht so leer... sie sähe aus als würde sie schlafen. Wäre da doch nicht der winzige Blutstrahl an ihrem Mundwinkel der ganz langsam ihr Kinn herab lief, ihren zarten Hals entlang floss und zu Boden tropfte, um sich dort mit ihrem Feuerroten Haar zu vermischen. Das Haar hatte sein Leuchten verloren, genauso wie ihre Augen. Da war nichts mehr.

Wieso sah er hin? Snape schwankte und sackte in die Knie. Was hatte er getan? Was hatte er bloß getan?

„ELENAAAAAAA!"

Es kam keine Antwort. Es war still geworden... ganz ruhig. Keiner sagte etwas. Selbst das Lachen des Dunklen Lords, sein Spott und seine Häme waren verklungen, als der Schrei von Snapes Lippen brach. Er war so von Schmerz erfüllt. Schmerzerfüllter als bei jedem Crucio, das ihn getroffen hatte. Nicht die Folter hatte ihn gebrochen... er selbst hatte es getan. Wieso hatte er nicht widerstanden? Er hätte es wissen müssen, hätte sie spüren müssen.

„ELENAAAAAA!"

Snape konnte nicht an sich halten. Tränen rannen ihm über die Wangen und seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen, so sehr verkrampfte er seine Hände. Er spürte wie Lucius eine Hand auf seine Schulter legte. War es Mitleid?

Der Dunkle Lord drehte sich von Snape weg. „Wir gehen, bevor es Morgen wird."Raschen Schrittes und mit einem breiten Grinsen auf den Lippen verließ er die Hütte. Das war eine eindrucksvolle Demonstration seiner Macht gewesen. Er spürte die bedrückende Stille, er mochte sie. Jetzt wussten sie wieder, dass er über allem stand. Selbst über dieser sinnlosen und schwächlichen Gefühlsregung, die sich Liebe nannte. Er war zufrieden, außerordentlich zufrieden, als er die Hütte im Wald verließ.

Snape sackte in sich zusammen. Er hatte keine Kraft mehr sich aufrecht zu halten. Er konnte nicht mehr schreien, nicht mehr weinen, nichts mehr. Alles was er noch spürte war der Tod. Er war ihm so nah, schien ihm so Freund. Geliebter Tod, dachte er.

„Severus, komm. Es ist vorbei. Komm weg hier, bevor es Morgen wird." Lucius Malfoy zog Snape hoch und schleifte ihn zu Hüttentür. Snape widerstand nicht. Was sollte es noch?

Lucius Malfoy zog ihn mit sich. „Komm jetzt!"

Der Mond war von finsteren Wolken bedeckt. Snape wollte fort. Fort von diesem Ort des Grauens, des Todes und des Entsetzens. Aber nicht mit Lucius, nein er hätte SIE noch bereitwilliger getötet. Mit dem letzten Rest seiner Kraft, riss Snape sich los und rannte in die Finsternis des Waldes.

„SEVERUS! KOMM ZURÜCK; DU IDIOT!"

Severus Snape hörte nicht auf das Geschrei seines „Freundes". Er rannte bis die Beine unter ihm nachgeben. Verzweifelt umklammerte er den Stamm einer Birke. Sie war noch jung und voll Leben. Snape musste sich übergeben, mehrfach. Das Erbrochene floss seine Robe hinab. Aber das bemerkte er nicht. Snape ließ sich vornüberfallen. Die Erde war nass und schlammig und besudelte den Rest seiner Kleidung. Verklebte sein Schwarzes Haar. In seinem verschmutzten Gesicht, zeichneten seine Tränen feine Linien.

Er sah sie: Lachend stand sie vor ihm. Küsste ihn. Er konnte ihre süßen Lippen schmecken. Ihr Haar riechen. Und dann sah er es: Ihr Körper wurde zurück geworfen und knallte leblos zu Boden... immer wieder sah er es. „Elena..."Der Versuch eines Schreies war nicht mehr als ein heiseres Flüstern. Er hatte keine Stimme mehr zum schreien, keine Kraft mehr... wäre er doch an ihrer Stelle... kein Leid mehr... Stille ewige Stille.

Snapes presste sein Gesicht in den Schlamm, schmeckte den moderigen Geschmack der Erde in seinem Mund. Regungslos blieb er liegen. Nur ab und zu von einem leisen Schluchzen geschüttelt.

Wie lange er dort lag, wusste er nicht, irgendwann im Morgendämmern kehrte er nach Hogwarts zurück. Gebeugten Rückens und schlurfenden Schrittes schleppte er sich durch die Kerkergänge. Was wollte er hier? Hier wo alles SIE war?

„Severus, was ist passiert... hat ER schon wieder?" Dumbledore stand vor Snape. Sein Gesicht war besorgt und er streckte Snape die Hände entgegen. Doch Snape sah ihn nur schweigend an und schüttelte den Kopf. Dumbledore sagte nichts weiter. Irgendwie hatte er gespürt, dass Snape nun nicht reden wollte oder nicht konnte. Snape ging an ihm vorbei in seine Wohnung und schloss die Tür. Er hatte nicht einmal die Kraft den Schlüssel im Schloss umzudrehen.

Schweigend und apathisch ging er ins Bad wusch sich den Schlamm von Haut und Haaren, so als wollte er die Schuld und den Tod abwaschen. Dann zog er sich eine saubere Robe an. Er sah nun fast wieder aus wie immer, wäre da nicht dieser seltsame Glanz in seinen schwarzen Augen gewesen. Der Glanz, der ihm eher einem Toten, als einem Lebenden ähneln ließ.

Schweigend setzte er sich auf den Steinfußboden. Die Kälte konnte sein Gemüt nicht beruhigen, konnte die Gedanken in seinem Kopf nicht auslöschen, konnte SIE nicht auslöschen. Snape weinte nicht mehr, schrie nicht mehr! Schwieg einfach. Doch innerlich wand er sich in seinem Leid. Jeder Zentimeter seines Körpers schmerzte, jeder Gedanke brannte wie Feuer. Er hatte es getan. Sie war ermordet worden: Durch seine eigene Hand. Er hatte sie schützen wollen und hatte ihr damit den Tod gebracht... hatte sie... Snape kämpfte mit dem Gedanken, wollte ihn nicht hören... wollte den Schmerz nicht spüren. Wie sollte er damit leben? Wie sollte er ohne sie leben, ohne seine Geliebte? Sie hatte ihm neuen Lebensmut gegeben und jetzt? Wie konnte er mit dieser Schuld leben? Mit dieser Qual?

Irgendwann gegen Abend hatte er den Entschluss gefasst und zu den Flaschen gegriffen. Gemischt und getrunken...

***

Snape hustete und spuckte einen winzigen Tropfen Blut auf den Fußboden. Nicht mehr lange und er würde bei ihr sein. Nicht mehr lange...

Sein Körper brannte und er spürte wie seine Muskeln sich aufbäumten im Todeskampf. Es schmerzte... schmerzte wahnsinnig. Er hatte ja nicht geahnt, dass es so furchtbar sein würde... aber er hatte es verdient... hatte verdient zu leiden.

Snape hustete erneut, doch diesmal war es kein Tropfen Blut mehr, es war ein Schwall, der aus seinem Mund kam, er quoll hervor und bildete eine Pfütze auf dem Boden, direkt neben seinem Kopf. Das Gift begann seine Lungen zu fressen.

Schritte... da waren Schritte... Snape wandte den Blick zur Tür, die langsam aufgeschoben wurde.

Mit Entsetzen blickte Minerva McGonagall auf das Bild, das sich ihr bot. Snape lag zusammengekrümmt am Boden, seine Haut war bleich wie Porzellan. Blut lief seine Wangen hinab und sammelte sich in einer Pfütze am Boden. Seine Haare waren nass geschwitzt wie vom Fieber. Seine rechte Hand umklammerte eine Flasche in der noch der winzige Rest einer Flüssigkeit schimmerte.

„Severus, um Gottes Willen... was ist passiert."

Minerva McGonagall ließ sich neben Snape auf den Boden fallen und löste die Flasche aus seinem Griff.

„Was hast du da getrunken?"

Snape lächelte gequält.

„Severus, ist das Gift? Sag: Ist das Gift?"

Snape lachte auf, wobei erneut ein Schwall von Blut aus seinem Mund quoll.

„Ich hole Madam Pomfrey."

Snape umfasste McGonagalls Handgelenk. „Bleib! Es hat keinen Sinn mehr... es ist zu spät!"

„ALBUS! ALBUS KOMM HER!"Panik schwang in McGonagalls Stimme mit. Albus Dumbledore stürmte in den Raum und ergriff die Flasche die McGonagall ihm entgegen streckte.

Er schüttelte verzweifelt den Kopf, roch noch einmal daran und blickte auf Snape. Langsam setzte er sich neben ihn, so dass er McGonagall gegenüber saß. „Warum tust du das? Severus das ist absolut tödlich."

Snape lachte auf, schnappte dann verzweifelt nach Luft. Das Atmen fiel ihm immer schwerer. „Natürlich ist das tödlich", keuchte er, „so war das gedacht."

„Aber warum?"Dumbledore betrachtete den gebrochenen Mann kopfschüttelnd.

Snape traten Tränen in die Augen. „Sie ist... ist... ist tot. Elena ist tot."

„Aber das ist doch kein Grund sich umzubrigen." McGonagall weinte bittelich. Sie konnte ihre Tränen nicht zurück halten. Sie liefen ihre Wangen hinab und tropften auf Snapes heiße Stirn.

„Ich habe sie getötet...", flüsterte Snape fast unhörbar, „ich bin zu ihrem Mörder geworden."Snape liefen nun ebenfalls die Tränen über das Gesicht und vermischten sich mit seinem Blut.

„Was?"Dumbledore sah ich entsetzt an, „wie ist das geschehen?"

„Er befahl mir jemanden zu töten, oder selbst zu sterben. Ich konnte ja nicht wissen, dass sie es ist. Ich KONNTE ES NICHT WISSEN!" Snape Schrei erstickte in einem Hustenkrampf.

„Minerva, wir müssen ihn etwas aufrichten, damit er atmen kann."

Vorsichtig hoben sie Snapes Oberkörper an und stützten ihn mit ihren Schultern. Nur langsam klang der Hustenkrampf ab.

„Ich... ich... werde bald ... bald werde ich sie wieder sehen", stöhnte Snape.

„Ja das wirst du", Albus Dumbledores Stimme war voll Trauer. Minerva McGonagall vermochte nichts zu sagen, so sehr wurde sie von Weinkrämpfen geschüttelt. Trotz all ihrer Streitigkeiten, all ihrer Unstimmigkeiten: Das hatte er nicht verdient. Das hätte nie geschehen dürfen...

Snape begann davon zu dämmern. Das Atmen fiel ihm nun leichter. Der Schmerz war verflogen, es war nichts mehr...

Ihr Haar wehte um ihr Gesicht. Sie lachte, doch sagte sie nichts. In ihren Augen war wieder das lebendige Funkeln. Lächelnd kam sie auf ihn zu. Ihr weißes Kleid umwehte ihre zierliche Figur. Ihre grünen Augen glänzten, als würde sich Sternenlicht in ihnen spiegeln. Und alles war Licht. Sie war Licht.

„Elena."

Elenas lachte auf und nickte.

Snape umfasste McGonagalls Hand. Krampfhaft hielt er sich an ihr fest. Sein Körper war schwer.

„Elena... Geliebte...Du bist... hergekommen", stöhnte Snape schwach.

Elena kam näher und ging vor ihm in die Hocke.

„Du hast auf mich gewartet!"

Snape liefen Tränen über das Gesicht. McGonagall strich sie ihm vorsichtig von den Wangen. Snapes Gesicht glühte trotz dieser Blässe.

Elenas streckte ihre Hand aus und berührte Snapes Wangen, strich vorsichtig darüber, berührte mit dem Zeigefinger seine Lippen.

Snape lachte auf.

Ihre Lippen bildeten nur ein Wort: „Komm!"

Mit einem letzten Aufbäumen wehrte sich Snapes Körper gegen das Gift, dann sank er schwer und leblos zurück in Dumbledores und McGonagalls Arme. Auf seinem Gesicht war der Ausdruck tiefster Zufriedenheit und seligen Glückes. Seine weit geöffneten Augen starrten auf einen Punkt weit in der Ferne. Mc Gonagall barg ihr Gesicht weinend in Dumbledores Schulter, der seine Tränen nun auch nicht länger zurück halten konnte.

Severus Snape war tot!

ENDE!