1-12.
"Cloe!" kreischte Salene, als sie die riesen Pfützen entdeckte, die sich vom Eingang der Mall bis hinauf in die Zimmer erstreckten. "Kannst du nicht besser aufpassen, wo sich dein Hund ausschüttelt, wenn er pudelnaß von draußen reinkommt?" schrie sie wütend und kramte einen Putzlappen heraus.
"Aber das war Bob nicht", fing Cloe an zu heulen.
"Ach ja? Wer hat dann hier alles naßgemacht, als er reingekommen ist? Kein Mensch geht bei diesem scheußlichen Unwetter raus", schimpfte Salene.
"Bob auch nicht, er war doch gar nicht draußen", schluchzte Cloe.
"Es war der Hund, und sonst niemand", polterte Salene. "Du wirst das jetzt aufwischen, und zwar dalli", befahl sie.

Jack und Ved hatten das von oben mit angehört und mußten kichern.
"Bloß schnell raus aus den nassen Klamotten", flüsterte Jack.
"Das ist aber gemein, jetzt muß Cloe das ausbaden", sagte Ved.
"Hi hi", lachte Jack schadenfroh, "ausbaden ist gut".
"Du bist vielleicht fies. Was hat sie dir denn getan?" fragte Ved irritiert.
"Wieso willst du sie in Schutz nehmen? Stehst du etwa auf sie?" stichelte Jack.
"Nein, natürlich nicht", dementierte Ved gleich. Er wußte, daß er jetzt an Jack dranbleiben mußte. Nicht daß der das möglicherweise am Ende alles nur für ein Spiel hielt, was gerade in der Schule und auf dem Weg im Park geschehen war. Sie hatten kein Wort darüber geredet, sie waren einfach lustvoll übereinander hergefallen. Er war sich nicht sicher, ob es jetzt richtig war, auf ein Gespräch zu drängen. Aber er wollte Gewißheit haben, daß Jack wirklich Gefühle für ihn hatte.
"Schnell weg hier, bevor Cloe uns sieht", flüsterte er und zerrte nun Jack hinter sich her bis in sein Zimmer hinein und schloß schnell die Tür. Dann streifte er sich die nassen Kleider ab und pfefferte sie in eine Ecke. Jack fielen fast die Augen raus, wie Ved plötzlich splitternackt vor ihm stand. Zögerlich fing er an sich ebenfalls auszuziehen, dann ließ er sich neben Ved auf das Bett fallen...

Stinksauer wischte Cloe die Wasserlachen auf und folgte dabei der feuchten Spur bis nach oben. Plötzlich endete die Spur, und zwar genau vor der Tür von Veds Zimmer. Augenblicklich fiel Cloe das Herz in die Hose. War es Ved gewesen? Ihr heimlicher Schwarm? Sie hatte doch schon so viel getan, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, alles vergeblich. Er hatte sie einfach nicht beachtet. Oder vielleicht doch? War das ein Zeichen von ihm? Er wußte sicher ganz genau, daß sie immer die Putzarbeiten machen mußte. Hatte er die Spur absichtlich gelegt, um sie zu sich zu locken? Cloes Herz pochte schnell. Oh Ved, dachte sie, mein süßer Ved, ich erhöre dich. Völlig verblendet sprang sie in ihr Zimmer und machte sich schnell ein wenig hübsch und zog ihr bestes Kleid an, das blaue mit dem extra tiefen Ausschnitt. Dann schwebte sie zu Veds Zimmer, holte nochmal ganz tief Luft, um Mut zu tanken, und öffnete langsam die Tür...

1-13.
Ved und Jack lagen nackt auf dem Bett und liebten sich...
Das Quietschen der Türklinke hörten sie nicht, den Lichtstrahl, der vom Gang hereinblitzte, sahen sie auch nicht. Doch dann vernahmen sie den kurzen schrillen Schrei eines Mädchens, der sich anhörte, als würde sie lebendig abgestochen, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Die Liebenden schreckten auf und blickten panisch um sich. Im Dämmerlicht des Zimmers erkannten sie eine Gestalt, die ausgestreckt unter der halb offenen Tür auf dem Boden lag.
Ved sprang auf und beugte sich zu der Person hinunter. "Es ist Cloe!" preßte er stockend aus seiner augenblicklich verkrampften Kehle heraus.
Jack war auch beigesprungen. "Ist sie tot?"
"Ich glaube schon", antwortete Ved tonlos mit zitternder Stimme.
Jack suchte instinktiv nach einem Gegenstand, mit dem er sich und Ved verteidigen konnte, denn sein erster Gedanke war, daß dies wieder mal ein Überfall irgendeines feindseligen Tribes auf die Mall war. Sowas war ja schon öfters vorgekommen, allerdings noch nie ohne Vorwarnung. Veds Skateboard war das Nächste, was er greifen konnte. Nackt wie er war hechtete Jack mit dem Skateboard bewaffnet zur Tür, um weitere Angreifer abzuwehren, die sich vermutlich noch in der Nähe aufhielten. Vorsichtig spähte er durch den Türspalt hinaus, doch da war kein Mensch zu sehen.
Ved kniete am Boden und starrte Cloes Körper an, der regungslos da lag. Schreckliche Erinnerungen an die Seuche stiegen in ihm auf, an die Zeit, wo die Erwachsenen einer nach dem anderen wie die Fliegen weggestorben waren. Aber noch nie zuvor hatte er ein so junges Mädchen tot gesehen.
Plötzlich schallten auf dem Gang Schritte. Jack ging hinter der Tür in Deckung und lauerte dem sich nähernden unbekannten Feind auf. Er konnte nichts sehen, deshalb mußte er sich ganz auf sein Gehör verlassen und den richtigen Moment erwischen, wo der Fremde genau in die Höhe der Tür kam. Es ging alles blitzschnell. Jack sah nur einen dunklen Schatten vor der Tür auftauchen und bevor er erkennen konnte, wer es war, zog er der Person in Panik sofort mit voller Wucht das Skateboard über den Schädel. Die Person stürzte zu Boden und gab einen wütenden Schmerzensschrei von sich. Das war doch die Stimme von...