1-21.
Es war ein grauenhafter Anblick, als der Guardian die Schutzhaube vom Kopf zog und sein vom Brand der Explosion verstümmeltes Gesicht entblößte. Die Haut war rot, fleckig und vernarbt, an der Stelle von Ohren und Nase waren nur schiefe Löcher. Ob die weißen Punkte in den Augenhöhlen noch sehende Augen waren, oder ob er erblindet war, konnte man vom Anblick nicht sagen. Die prächtigen Goldlöckchen seiner einstigen Haarpracht waren bis zur Wurzel abgesengt und nie wieder nachgewachsen. Ved und Cloe zuckten zusammen und gruselten sich, doch sie durften sich nichts anmerken lassen. Schließlich hielt man sie für die Klone.
"Ihr seid die ersten Auserwählten", begann der Guardian. Seine Stimme war kratzig und rauh, offensichtlich hatte auch sein Kehlkopf gelitten. "Ihr seid jung und kräftig und gut gediehen. Ihr werdet euch paaren und das erste Kind des Neuen Volkes gebären. Schon bald wird es keine von diesen unvollkommenen Menschen mehr geben. Zoots Neues Volk wird unverletzbar sein. Schmerz - nie mehr!"
Luke stand neben ihm auf dem Podest und grinste verächtlich herunter. Ved hielt Cloes Hand, um sie zu beruhigen. Er wußte, daß sie immer noch in ihn verliebt war, aber in dieser schockierenden Situation war sie bestimmt nicht in der Laune für romantische Stunden. Sie würde es wohl kaum mißverstehen, wenn er sich jetzt als ihr Beschützer betätigte. Irgendwie kam ein Urinstinkt in ihm hoch, daß ein Junge ein hilfloses Mädchen zu beschützen hat. Obwohl er sie natürlich nie im Leben anrühren würde. Dann erblickte er Lex, was ihn Hoffnung schöpfen ließ. Lex hatte bestimmt eine Idee.
"Gut gesprochen, Guardian", pflichtete Lex der Rede unaufgefordert bei. "Wenn Ihr mir gestattet, werde ich mich persönlich darum kümmern, daß die beiden Auserwählten ihre Pflicht gegenüber Zoot erfüllen."
"Das ist sehr vorbildlich von dir", lobte der Guardian. "Aber für dich habe ich eine andere Aufgabe. Schaffe mir endlich Bray und Ebony herbei, die sich da draußen vor der Stadt versteckt haben. Sie sind die einzigen Mallrats, die noch nicht geklont wurden."
Bei diesen Worten schreckte Ved zusammen. Die einzigen? Dann gab es von Jack also doch einen Klon! Er hatte sich gerade noch mit seinem eigenen Klon geprügelt und geschlagen, wenn auch nur widerwillig und mehr in Notwehr. Doch wenn ihm nun der Klon von Jack begegnen würde, könnte er ihm kein Haar krümmen. Nein, niemals, Jack war sein wunderschöner Engel, er würde es nie übers Herz bringen, ihm etwas anzutun, selbst wenn es nur der Klon war.

1-22.
Verzweifelt wollte sich Jack aus der Mall schleichen und hoffte einen Weg zu finden, wie er Ved aus dem Hauptquartier der Chosen befreien konnte. Da lief ihm Ellie über den Weg.
"Jack, ich bin so froh dich zu sehen", sagte sie weinerlich.
"Ich aber nicht, laß mich zufrieden", raunte Jack genervt.
Doch Ellie ließ sich nicht abschütteln. "Luke hat mich verlassen", heulte sie. "Er hat sich entschieden, wieder zu den Chosen zu gehen. Der Guardian ist ihm wichtiger als ich."
Eine hämische Freude flackerte in Jack auf und verdrängte für einen Augenblick seine Besorgnis um Ved. Er zeigte das auch genüsslich mit einem schadenfrohen Grinsen. "Das war aber eine kurze Ehe", höhnte er. "Jetzt weißt du mal, wie das ist, wenn man so abserviert wird."
"Oh Jack, das tut mir alles so leid", jammerte Ellie. "Ich liebe dich immer noch. Bitte gib mir noch eine zweite Chance", bettelte sie.
"Das ist doch die Höhe", entrüstete sich Jack. "Du trittst mich wegen diesem Schleimer in die Mülltonne, weil ich dir plötzlich nicht mehr gut genug bin, und kaum hat er dich versetzt, da kommst du angedackelt und willst mich wieder rausfischen. Wühl von mir aus im Müll soviel du willst, mich findest du darin jedenfalls nicht, ich bin nämlich kein Stück Abfall", schimpfte Jack verbittert.
"Ich habe dich immer geliebt, und Luke habe ich auch geliebt, aber dich liebe ich mehr - ach, ich bin so verwirrt", schniefte Ellie.
"Da kann ich dir auch nicht helfen." Daß ich mich jetzt bloß nicht von ihr wieder um den Finger wickeln lasse, dachte Jack. Irgendwie mochte er sie ja, weil sie ein nettes Mädchen war. Ich stelle mir einfach vor, sie wäre ein Klon, ich darf keine Gefühle für sie in mir aufkommen lassen, nahm er sich vor.
Ellie ließ nicht locker. "Wir können doch nochmal von vorne anfangen, du und ich. Jetzt, wo Cloe und Ved auch endlich zusammen sind."
"Cloe und Ved?" lachte Jack. "Die sind ganz bestimmt nicht zusammen, darauf würde ich meinen Hintern verwetten." Und er lachte noch lauter, als ihm einfiel, wie Cloe und Ved gefesselt in der Besenkammer lagen.
Für einen Moment kam ihm der Gedanke, er könnte Ellie dazu überreden, ihm zu helfen, damit sie sich bei der Gelegenheit gleich an Luke rächen könnte. Das verwarf er aber sofort wieder, weil er sich keineswegs sicher war, ob er Ellie vor sich hatte, oder ob es ein Klon von ihr war.