Titel: Liber Studiorum

Kapitel: 5 von 6

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_._._.Kapitel 5._._._

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Jack schlief. Unruhig zwar, aber am Morgen war er sich sicher, dass er sehr viel Glück damit gehabt hatte, wenn er in diesem feuchten Kellerloch nach den Tagen auf Wills Sofa überhaupt noch die Augen schließen konnte. Will hatte ihn einmal gefragt, ob er ihm sein Bett überlassen sollte, aber Jack hatte abgelehnt. Der weiche Stoff, der das Möbelstück im Atelier überzog, und die darunterliegenden, bequemen Schichten waren eine riesige Steigerung zu den Nächten, die er davor im Gefängnis verbringen musste.

Seine Kleidung war völlig durchnässt, ebenso wie seine Gefängniszelle. Fast bereute er es schon, sich gestern den Regen gewünscht zu haben, obwohl er nützlich gewesen war. Er ärgerte sich über sich selbst, über seine Unvorsichtigkeit. Warum hatte er die Soldaten nicht schon vorher gesehen? Er hätte nicht versuchen dürfen, in einem einzigen Lauf von den Kisten bis zu seinem Schiff hinüber zu gelangen. Wäre er zeitweise noch einmal stehen geblieben und hätte sich umgesehen, wären ihm die Wachen sicherlich aufgefallen.

Nun saß er jedenfalls wieder im Gefängnis und wartete darauf, dass entweder Will ihn abholen oder der Gouverneur entscheiden würde, ihn hierzubehalten oder gleich hinzurichten. -- Und zu Jacks Glück kam Will gegen Mittag und holte ihn zu sich nach Hause.

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Jack saß in dem Raum neben dem Eingangsbereich, dem, mit den beiden Gemälden von Wills Vater. Will hatte sich neben ihn gesetzt. Seit er ihn aus der Zelle geholt hatte, hatten sie nicht mehr miteinander geredet. Jack wusste nicht, wie Will über seinen Fluchtversuch dachte, und Jack mochte sich auch keine weiteren Gedanken über diese Sache machen. Er war verwirrt. Was war nur mit ihm los? Am Morgen hatte er den Künstler gar vermisst. Nicht etwa, weil er von ihm aus dem Gefängnis herausgeholt werden wollte, auch wenn er es lieber gesehen hätte, wenn er *so* fühlen würde. Nein, er sehnte sich leider nicht nach einem bequemeren Aufenthaltsort als seine Zelle, sondern nach ihm. Nach dem Künstler. Nach Will. Ein Gespräch, ein Blick, eine Berührung, oder einfach nur das Gefühl, dass er in der Nähe war, das hatte Jack heute Morgen gewollt. Und abgesehen vom nun erfüllten Letzteren wollte Jack diese Dinge immer noch.

Jack ließ seinen Blick eine Weile auf Will ruhen. Dieser bemerkte die ihm gegebene Aufmerksamkeit, und begann kurz darauf endlich, zu reden.

"Es hat mich schon gewundert, warum du noch nicht versucht hast, zu fliehen.", sagte er, und lächelte gequält. Auf seinen Lippen lag gewissermaßen Freude, doch seine Augen wirkten traurig. Wenn Jack genau hinsah, meinte er sogar, dass sie leicht gerötet und die Lider geschwollen waren - und dass der bohrende Blick, der sonst fast immer in ihnen lag, verschwunden war.

"Ich habe die Wachen nicht alarmiert", sagte Will und sah von dem Piraten weg zu Boden. Jack schwieg. "Hast du vorher bemerkt, dass ich weg war?" Will zögerte. "Ja", sagte er dann, und seine Stimme brach beinahe. Er fasste sich wieder und sprach in einem wenig gefestigteren Ton weiter. "Es war noch dunkel, und du warst nirgendwo zu finden, aber ich wollte die Wachen nicht davon unterrichten. Man hat mir dann am Morgen gesagt, dass du dich wieder im Gefängnis befändest, und ich habe mich auf den Weg dorthin gemacht."

Er schwieg, und Jack tat es ihm gleich. Er wollte ihn nicht mehr fragen, warum er die Soldaten nicht alarmiert hatte - er wollte die Antwort nicht hören. Sie war ihm zu heikel. Sie konnte seinen Willen, die Insel zu verlassen, schwächen, und das durfte nicht sein. Jack betrachtete Will wieder. Der Künstler kaute an seiner Lippe und schien mit sich zu kämpfen. Dann begann er wieder, zu sprechen.

"Auf dem Weg zum Gefängnis hat man mir das hier für dich gegeben.", sagte er, und zog mit, wie Jack zur Kenntnis nahm, zitternden Händen ein zusammengefaltetes Stück Papier aus seiner Hosentasche heraus und legte es dem Piraten in die Hand. Nur ein Blick in Wills Augen zeigte ihm, dass dieser den Brief schon gelesen hatte.

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'An unseren emsigen Händler John;

Wir freuen uns, wieder einmal von Euch gehört zu haben, und hoffen, dass es Euch noch möglich ist, uns unsere Ladung pünktlich auszuhändigen. Wir erwarten die Lieferung Spatzen morgen, Punkt 9 Uhr an der letzten Anlegestelle kurz vor den Lagerhäusern im betreffenden Hafen.

Wir werden an diesem Tage dafür sorgen, dass die Spatzen sicher und ohne Aufregung in das Schiff gelangen.

Gutes Gelingen!'

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Jack konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie hatten seine Nachricht also entdeckt, und würden ihn morgen mit aufs Schiff nehmen. Seine Mannschaft war in solchen Dingen einfach fabelhaft, wenn sie nicht gleich in allen Bereichen fabelhaft war. Morgen würde er endlich von dieser gottverdammten Insel geflohen sein, und Jack konnte sich ein weiteres Lächeln ebenso nicht verkneifen, als er an das Gesicht dachte, das der Gouverneur machen würde, wenn er die Flucht bemerken wird. Er faltete das Papier zusammen und verstaute es in seiner Hosentasche. Als er Will daraufhin ansah, immer noch grinsend, liefen dem Künstler Tränen über das hübsche Gesicht. Jack geriet in Panik, und er konnte nichts anderes tun, als seine Arme tröstend um Will zu legen und seinen Körper vorsichtig an seinen zu ziehen. Ihm selbst stiegen nun Tränen in die Augen, und er blinzelte sie weg, doch sie waren bereits so schwer geworden, dass auch ihm nun ein schmaler, salziger Wasserfilm über die Haut unter seinen Augen entlang lief. Er berührte die rechte Wange des Künstlers und strich die Flüssigkeit mit dem Daumen weg. Will schloss die Augen und schmiegte sein Gesicht an Jacks Brust.

Nach einer Weile, Jack kam es wie Stunden vor, versiegten die Tränen von beiden, und Will sah zu dem Gesicht des Piraten auf.

"Gewähre mir ein letztes Bild." Jack betrachtete den Künstler in seinen Armen verwundert, aber ernst. "Du wirst es nicht fertig stellen können." Will sah von ihm weg und starrte in die Leere. "Ich werde die Nacht durcharbeiten müssen. Du weißt doch, dass ich schnell arbeiten kann." Er schwieg. Jack wartete, bis Will nicht mehr zitterte, und begann dann, wieder zu sprechen. "Weißt du eine Position, in der du mich malen willst?" Will antwortete nicht, sondern löste sich aus den Armen des Piraten, stand vom Sofa auf und verließ den Raum, in Richtung des Ateliers. Jack ging ihm bis kurz vor die Künstlerstube hinterher, und hörte daraus verwundert Geräusche von aufeinanderschlagenden Tongegenständen. Es war noch früher Nachmittag, und die Sonnenstrahlen erhellten den Raum nur wenig, obwohl keine einzige Wolke am Himmel zu sehen war. Will kehrte nach kurzer Zeit mit unzähligen, kleinen, mit verschiedenen Farben gefüllten Tonschalen und einer ganzen Farbpalette in den Armen zu dem ihn mit fragendem Blick ansehenden Jack zurück und stellte sie im Schlafzimmer hinter ihm ab. Er kam zu dem Piraten zurück.

"Verschieben wir das Bild ein wenig", sagte er lächelnd, und zog den breit grinsenden Jack am Hemd in das Zimmer und schloss die Tür. Dann küsste er ihn, und während er das tat, schob er Jack, der mittlerweile seine Arme um ihn geschlungen hatte und mit den Händen über den Rücken des Künstler fuhr, vorsichtig bis zum Bett und stieß ihn dann sanft längs darauf. Nur den Bruchteil einer Sekunde waren sie getrennt, dann zog Jack Will zu sich auf das Bett und entfernte dabei gleich dessen nutzloses Hemd von seinem Körper. Er hatte nur einen kurzen Moment Zeit, um die nahezu perfekten Muskeln an dem entblößten Oberkörper zu betrachten, bevor Will begann, den Körper des Piraten mit Küssen zu bedecken. Er begann am Hals, legte seine Lippen dann sanft an seinen Nacken, und setzte seinen Weg über seine Schultern an Jacks Brust fort. Dabei zog er den Stoff, der die Haut bedeckte, nach und nach von dem Körper des Piraten. Jack stöhnte leise, als Will seine Lippen über die winzigen, empfindlichen Erhebungen an seiner Brust legte, und das Spiel fortsetzte, nun viel intensiver und begieriger als an dem Tag, als er es begonnen hatte. Begierig waren auch seine Hände, die sich mehr und mehr dem sensiblen Punkt in Jacks Körpermitte näherten, ihn dabei immer stärker an sich pressend und den Piraten zunehmend in Ekstase versetzend. Will wandte sich von den Brustwarzen ab, beugte sich zu Jack und gab ihm einen langen, intensiven Zungenkuss. Seine Hände machten sich an dem Verbund an Jacks Hose zu schaffen, doch Jack wies sie mit seinen eigenen Händen ab. Will noch immer küssend, setzte er sich auf und stieß den Künstler nun selbst auf das Bett, sodass der Pirat sich nun über ihm befand. Will schaute überrascht zu ihm auf, bevor er sein Gesicht zu sich zog und sich in einem weiteren Kuss verlor. Jack erlaubte es ihm nun, die Hose von seinen Beinen zu ziehen, und tat das gleiche mit dem Künstler. Will küsste ihn, wild, und sein Mund, seine Hände, sein ganzer Körper verlangten nach mehr. Jack fühlte wie er, und er war nicht überrascht, als er merkte, wie er hart wurde, umso überraschter jedoch, als er bei Will dieselbe Regung verspürte. Wills Hand griff neben das Bett, kehrte aber sogleich wieder zurück. Er legte sie um die Finger des Piraten. Jack sah überrascht auf, als er etwas Kühles darin spürte, und löste sie von der des Künstlers. Ein großer, tropfender Fleck roter Farbe befand sich darin. "Mach weiter.", sagte Will und lächelte. Jack grinste und küsste ihn wieder, um kurz darauf auch seine andere Hand mit diesmal blauer Farbe bedeckt zu finden. Doch es kümmerte ihn nicht, vielmehr interessierte ihn der nun stellenweise mit Farbe überzogene, bebende Körper unter sich. Er zog seine Hände noch einmal ganz über Will, sodass sie breite Farbspuren hinterließen. Dann ließ er seine Zunge auf Wills Haut spielen, von seiner Taille aus immer tiefer zu seiner empfindlichen, harten Körpermitte hin.

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Es war Nachmittag, die Sonne hatte ihren Zenit schon lange passiert, und ihr helles Licht schien warm in das Schlafzimmer des Künstlers hinein.

Will hatte nur sehr kurze Zeit geruht, bevor er die Augen wieder aufschlug. Er sah sich um. Jack lag neben ihm, tief, aber ruhig schlafend, noch deutlich gezeichnet von Wills Händen, die nur wenige Stunden vorher viele mehr oder weniger starke Farbspuren auf ihm hinterlassen hatten. Die Bettdecke verhüllte nur einen kleinen Teil von ihm, ansonsten lag er auf den Kissen, ein Arm auf seiner Brust, das Stück der Decke schützend über sich ziehend , die Beine nur ein klein wenig angewinkelt, das Gesicht ruhig, und ein wenig erschöpft, wunderschön in seiner Einfachheit. Will lächelte. Genau so wollte er ihn malen. Er war müde, doch er wusste, dass er das Bild sehr schnell fertig stellen musste, und daher stand er von dem Bett auf und zog sich hastig, aber leise an. Dann schlich er, ohne, dass seine Füße einen Laut von sich gaben, aus dem Schlafzimmer und holte eine kleinere Staffelei, eine Leinwand und ein Stück Kohle und begann, zu zeichnen.

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Es war bereits früher Morgen, aber noch dunkel, als Jack aufwachte. Er spürte, dass er lange geschlafen hatte, denn er konnte seine Augen nur schwer öffnen und seine Gliedmaßen gehorchten ihm nicht sofort. Er griff zur Seite und suchte nach Will, fand ihn jedoch nicht. Dann schlug er die Augen auf, gleichsam verwundert über seinen verschwundenen Liebhaber und über das kratzende Geräusch, das seine Ohren vernahmen. Er fand Will in ein neues Gemälde vertieft.

"Nein! Das kannst du jetzt nicht tun!", rief Jack erbost und setzte sich mit gleichsam wütenden und erstaunten Augen auf. Der Künstler sah zu ihm, mit überraschtem Gesicht, als hätte er gerade erst bemerkt, dass der Pirat aufgewacht war. Dann zeigten seine Augen Kälte. "Du hattest mir ein weiteres Bild versprochen, und nun male ich es." - "Aber doch nicht.." Jack hielt inne. Er schluckte den Fluch herunter, der seinem Mund fast entspringen wollte, und fuhr dann, beinahe schon verbittert fort. "Aber doch nicht *so*..", sagte er und sah mit flehendem Gesicht zu Will auf.

Jack war wütend. Wütend auf Will, auf seine malenden Hände, auf seine Augen, die scheinbar nur für seine Gemälde Blicke übrig hatten, die abseits von der sonstigen Kühle lagen. Gestern noch hatte er den Piraten leidenschaftlich geliebt, und Jack hatte gar geglaubt, dass es echte Liebe war, die seine Hände, sein Körper ihm gaben, und dass seine rhythmischen Bewegungen auf einen Höhepunkt abzielten, und nicht auf die Position für ein weiteres, gottverdammtes Gemälde. Er hatte geglaubt.. Ja, er hatte geglaubt, dass Will das gleiche empfinden würde wie er selbst. Jack wollte zu der Staffelei gehen und die Leinwand herunterreißen, und sie wütend in ein Feuer werfen oder eigenhändig zerfetzen. Nur aus immer noch vorhandenem Respekt vor Will tat er es nicht.

"Ich habe das Bild so weit fertig. Du kannst dich anziehen." Jack verabscheute den Tonfall, mit dem der Künstler diese Worte sagte. Seine Stimme war nicht abfällig oder kalt, eigentlich war sie normal und freundlich, doch er verabscheute sie in diesem Moment einfach. Er hasste sie genau so, wie er das Bild hasste, das dort unter Wills viel zu vorsichtig malenden Händen entstand. Ohne den Künstler eines weiteren Blickes zu würdigen, stand er auf und zog sein Hemd an.

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melv08