- Kapitel 3 -

Einkauf in der Winkelgasse

„Komm!", forderte Hagrid ihn jetzt auf. Tarsuinn folgte dem Wildhüter mit zwei Metern Abstand.

„Kannst ruhig neben mir geh'n", sagte dieser nach einigen Minuten. „Wir brauchen bei deinen kurzen Beinen sicher über ne Stunde bis Hogsmeade und da können wir uns auch ein wenig unterhalten. Dass ich Hagrid bin, hast du ja sicher gehört."

„Mein Name ist Tarsuinn", stellte er sich vor und ging jetzt zwar neben dem großen Mann, aber auch ein klein wenig hinter ihm. Es war deutlich einfacher für ihn, hinter jemandem zu laufen, als daneben. Auf diese Weise konnte er hören, wenn die Person vor ihm Stufen bewältigte oder über eine Pfütze hüpfte.

„Freut mich", entgegnete der Wildhüter. „Hast' nen interessantes Tier auf der Schulter. Was is'n das für eins?"

Und zum wiederholten Male am heutigen Tag, erzählte Tarsuinn was ein Mungo war. Doch diesmal war es anders. Hagrid fragte ihn die ganze Zeit nach Tikki aus. Was sie denn esse, wie sie jage, wie ihr Heimatland aussah und wie man Mungos zähmte. Selten hatte Tarsuinn einen so interessierten und aufmerksamen Zuhörer bei diesem Thema gehabt, wie den Wildhüter. So verging die Stunde Fußmarsch wie im Fluge und schon bald waren sie in dem Dorf namens Hogsmeade angekommen.

„Schade, dass du Erstklässler bist und wir keine Zeit haben. Sonst könnt ich dir hier ne Menge toller Sachen zeigen."

„Was denn zum Beispiel?", fragte Tarsuinn neugierig.

„Ach – das brauchst du nich wissen. In der dritten Klasse darfst du…oh…"

Tarsuinn wusste, dass der Wildhüter gerade mitleidig herabsah.

„…vielleicht ganz kurz auf dem Rückweg, wenn wir noch Zeit haben. Darfst du aber niemandem verraten."

„Natürlich, Sir", lächelte Tarsuinn ihn dankbar an. Tolle Sachen klang irgendwie – na ja – toll eben.

„Lass das mit dem Sir. Einfach nur Hagrid."

„Wenn Sie es so wollen, Hagrid."

„Ich bin kein Lehrer, kannst auch du sagen. Machen alle so. Stört mich nicht. Im Gegenteil!", erklärte Hagrid freundlich und setzte dann hinzu: „Komm! Wir müssen da in Die Drei Besen rein. Ist das beste Gasthaus im Ort."

„Und hier können wir alles einkaufen?", fragte Tarsuinn verwundert.

„Natürlich nich. Is nur nen Zwischenstop. Müssen ja irgendwie fix nach London kommen."

„Guten Morgen, Rosmerta", dröhnte Hagrid, nachdem eine schwere, knarrende Tür aufgeschoben worden war.

„Hagrid", ertönte die volle Stimme einer Frau in den mittleren Jahren. „Ist es nicht etwas zu früh für einen Besuch? Ich hab doch nie vor dem Mittag geöffnet."

„Weiß ich doch. Professor Dumbledore schickt mich mit der Bitte, deinen Kamin benutzen zu dürfen. Müssen fix in die Winkelgasse. Wichtige, unerwartete Einkäufe", erklärte Hagrid stolz.

„Na, wenn Professor Dumbledore darum bittet. Komm rein. Oh – du bist ja gar nicht allein, Hagrid."

Tarsuinn wurde von einer großen Hand im Rücken nach vorn geschoben.

„Das ist Tarsuinn. Neuer Schüler. Braucht aber noch Schulsachen."

„Mm", erklang es skeptisch von Rosmerta. „Wer schickt denn sein Kind ohne Bücher und passende Kleidung nach Hogwarts?"

„Ähem, schwierige Geschichte", druckste Hagrid plötzlich. „Sein Zeug ist ihm gestohlen worden, als er ma nicht aufgepasst hat."

Tarsuinn hätte beinahe laut los gelacht. Leider log Hagrid so schlecht, dass ihm geholfen werden musste.

„Hagrid!", sagte er vorwurfsvoll und vollkommen ernst. „Du musst doch nicht für mich lügen."

Dann wandte er sich der Frau zu.

„Meine Eltern haben mir kein Geld geben können", erklärte er Madame Rosmerta. „Wenn mir nun Professor Dumbledore und Flitwick die Möglichkeit geben, mir doch alles zu kaufen, sollte man dies nicht verschweigen."

„Aber…", stammelte Hagrid.

„Oh", unterbrach Tarsuinn ihn schnell und schlug sich erschrocken auf den Mund. „Hätte ich das nicht sagen sollen?"

Rosmerta lachte laut auf.

„Ist schon gut, Kleiner", sagte sie und rubbelte ihm durch seine kurzen Haare. „Die hohen Herren mögen es nicht, wenn man sie für großzügig hält. Es gibt immer jemanden, der solche Großzügigkeiten ausnutzen will oder darin irgendeinen Eigennutz vermutet."

„Wirklich?", gab er den Erstaunten. „Das wusste ich nicht."

„Ach – nicht so schlimm", beschwichtigte Rosmerta. „Du darfst es nur nicht rum erzählen."

„Ich werde es niemandem mehr sagen", versprach er ernst.

„Guter Junge. Möchtet ihr vorher etwas trinken?", erkundigte sich Rosmerta freundlich.

„Vielleicht nachher, Rosmerta", wehrte Hagrid ab. „Erst die Pflicht."

„Na gut. Dann kommt mal mit in die Küche."

Tarsuinn hatte keine Ahnung, was sie in der Küche wollten, aber zumindest roch es hier sehr gut nach Essen und ein wenig nach Holzkohle.

„Flohpulver hast du genug, Hagrid?"

„Mehr als genug."

„Gut, der Kamin wird nachmittags zwischen drei und fünf Uhr kalt sein. Danach erst wieder ab elf. Schaut also vorher auf die Uhr, sonst wird es eine recht heiße Ankunft für euch."

„Ich werd dran denken. Wär doch schad um meinen guten Mantel."

„Nicht wirklich, Hagrid", meinte Madame Rosmerta ein wenig abfällig.

Tarsuinn fragte sich die ganze Zeit worüber sie redeten.

„Hagrid?", bat er. „Was passiert jetzt?"

„Oh", sagte dieser, als würde er sich an etwas erinnern. „Hast ja Muggeleltern. Wir reisen übers Flohnetzwerk. Ist ne ganz einfache Sache. Du nimmst eine Hand voll von dem Flohpulver, wirfst es auf den Boden und sagst ganz laut und deutlich, zu welchem Kamin du möchtest."

„Wie kommt Tikki dann mit?", fragte er besorgt.

„Keine Angst! Alles, was sich mit dir im Kamin befindet, kommt mit. Deswegen sind wir ja bei Madame Rosmerta. Sie hat den größten Kamin im Ort. Ansonsten würden wir mit unseren Einkäufen nicht besonders bequem zurückkommen. Ganz zu schweigen, dass ich sonst nich rein passe."

„Und warum machen wir das nicht von der Schule aus?", fragte er verwundert.

„Geht nicht! Nach Hogwarts rein oder raus kommt man nich mit Magie. Aber jetzt los. Ich mach es dir vor."

Hagrid trat einen Schritt vor und sagte laut: „Winkelgasse!"

Dann ertönte ein Geräusch, als würde man Spiritus in ein Feuer gießen und Hagrid war verschwunden.

„Ach dieser Hagrid!", seufzte Rosmerta. „Hat er doch glatt vergessen, dir Flohpulver da zu lassen. Na ja macht nichts, ich hab welches für dich."

„Was ist mit ihm passiert?", entfuhr es Tarsuinn endlich.

„Er ist jetzt in der Winkelgasse", erklärte Madame Rosmerta. „Ist kinderleicht und sicherer als jedes Muggelfahrzeug. Sprich einfach nur deutlich und dir kann nichts passieren."

Sie schob ihn vor und drehte ihn um.

„Nimm das Flohpulver", wurde er aufgefordert. Leider wusste er nicht woher. Vorsichtig langte er nach vorn. Einige Augenblicke später wurde seine Hand ergriffen und zu einem Gefäß geführt, in dem eine Art Substanz war, die sich wie Sand anfühlte. Er nahm eine Hand voll davon. Rosmerta trat zurück.

„Keine Angst", murmelte sie.
Tief atmete er durch, warf das Pulver zu Boden und rief laut: „Winkelgasse!"

Wieder dieses Geräusch einer Stichflamme und dann war er froh, dass er nichts sehen konnte. Er hatte das Gefühl umher gewirbelt zu werden. Er fühlte Hitze vorbeifliegen, hörte verzerrte Gesprächsfetzen oder roch die unterschiedlichsten Speisen.

Die Reise schien ewig zu dauern. Ihm war speiübel, als er endlich festen Boden unter den Füßen hatte. Er stolperte völlig desorientiert, knallte mit dem Kopf gegen eine Wand und wurde dann glücklicherweise von zwei Händen aufgefangen. Er keuchte heftig, bemüht aufkeimende Panik unter Kontrolle zu bekommen. Einen Augenblick lang hatte er geglaubt, für immer in diesem Strudel festzuhängen.

„Hattest wohl nen wilden Ritt?", fragte Hagrid besorgt. „Is gleich vorbei. Beim zweiten Mal is es schon nich mehr so schlimm. Tief durchatmen."

Tarsuinn folgte dem Rat. Es war der Gleiche, den seine Schwester ihm immer gegeben hatte, wenn er ängstlich war.

Und es wirkte auch, so wie immer. Hagrid stellte ihn wieder auf die Füße.

„Wieder alles klar?", fragte der Wildhüter.

„Ja. So halbwegs."

„Tschuldigung, dass ich vergessen hab dir Flohpulver zu geben."

„Keine Ursache. Im Nachhinein wäre es mir lieber gewesen, wenn Madame Rosmerta keins mehr gehabt hätte."

„Ich hätte dich in zehn Minuten abholt. Hab mehr als genug Pulver für ein paar Reisen."

„Wir müssen den gleichen Weg wieder zurück, oder?"

„Muss wohl sein."

Tarsuinn nickte nur und beschloss das Thema zu wechseln.

„Wo sind wir?", fragte er.

„Sieht schäbig aus, ich weiß. War mal ein Laden hier. Hat alles Mögliche aus Glas hier verkauft, doch weil der Kamin so groß war, sind viele Leute hier angekommen und das nich immer auf die sanfte Art und Weise. Ist daran Pleite gegangen, weil man keine Ansprüche gegen Flohpulverreisende geltend machen kann. Seitdem steht der Laden leer und ist so ne Art Bahnhof geworden."

„Und wohin gehen wir jetzt?"

„Professor Dumbledore sagte, du müsstest zu allererst in die Muggelwelt Geld holen?"

„Ja."

„Dann bring ich dich dahin. Komm."

Sie gingen nach draußen. Gedämpfter Lärm umfing sie. Doch nirgendwo war ein Auto zu hören.

„Sind wir wirklich in London?", fragte er Hagrid.

„Mitten drin. Aber wirst du gleich sehen."

Hagrid blieb plötzlich stehen, es klackte drei Mal Holz gegen Stein und dann klang es so, als würden unzählige Steine gegeneinander geschabt und gestoßen. Danach durchquerten sie einen recht kühlen, nach Bier und Tabak stinkenden Raum, in dem ein Mann namens Tom Hagrid freundlich begrüßte, und standen eine Tür später auf dem Fußweg einer stark befahrenen Straße. Der plötzliche Lärm war wie ein Schock. In dem Raum davor war davon nichts zu hören gewesen. Was für eine Schalldämmung!

„Wohin jetzt?", fragte Hagrid.

„Da ich mich in London nicht wirklich auskenne, wäre es sicher am besten, wenn du jetzt ein Taxi rufst", antwortete Tarsuinn.

„TAXI", brüllte der Wildhüter laut. Kein Auto hielt neben ihnen an, aber Tarsuinn musste beide Hände auf seine Ohren pressen.

„Funktioniert nich", sagte Hagrid nach drei weiteren vergeblichen Versuchen.

Inzwischen hatte Tarsuinn einige gemurmelte Worte von Passanten aufgefangen, die nicht sonderlich schmeichelhafte Worte für Hagrid verwendeten. Provinzler, war da noch das harmloseste.

„Hagrid – hör bitte auf", bat er deshalb. „Wie oft hast du schon ein Taxi gerufen?"

„Noch nie. Eure Muggelwelt ist so furchtbar kompliziert und die Dinger sind so klein."

„Siehst du gerade ein Auto mit dem Schriftzug Taxi auf unserer Straßenseite?"

„Im Moment nicht…doch da!"

Tarsuinn trat – von Tikki gelotst – an den Bordstein, hob den Arm und stieß einen gellenden Pfiff aus.

Sekunden später hielt ein Fahrzeug neben ihnen. Tarsuinn tastete nach der Tür und öffnete sie.

„Nach dir, Hagrid", forderte er den Wildhüter auf.

Das Taxi ging deutlich in die Federn, als Hagrid sich hineinzwängte. Danach quetschte Tarsuinn sich selbst auch noch hinein.

„Wo soll es hingehen?", fragte der Taxifahrer.

„Gibt es in London eine Filiale der Schweizer Nationalbank?", fragte Tarsuinn. Neben ihm ächzte Hagrid leicht und versuchte anscheinend eine halbwegs bequeme Körperhaltung in dem für ihn sicher zu niedrigen Taxi zu finden.

„Aber sicher", antwortete der Fahrer.

„Können Sie uns bitte dahin bringen?"

„Natürlich. Wird nicht lange dauern."

Das Taxi fuhr los und reihte sich in den typisch trägen und stauträchtigen Verkehr Londons ein.

Während der Fahrt beugte sich Hagrid zu ihm hinüber.

„Wollt dir übrigens noch danken, dass du mir bei Madame Rosmerta ausgeholfen hast. War ne gute Lüge."

„War kein Wort gelogen", schüttelte er lächelnd den Kopf. „Sie hat nur die falschen Schlüsse aus den Informationen gezogen, die ich ihr gegeben habe."

Langes Schweigen war die Antwort. Erst als das Taxi ihren Zielort erreicht hatte, flüsterte Hagrid: „Du bist ziemlich verschlagen", und es klang nicht wie ein Kompliment.

„Schweizer Nationalbank – einundzwanzig Pfund bitte", sagte der Taxifahrer.

Tarsuinn bezahlte von dem Bargeld, das er noch besaß, und gab dabei ein reichliches Trinkgeld.

„Wenn ich Ihnen fünfzig Pfund für die Rückfahrt verspreche, würden Sie dann eine halbe Stunde auf uns warten, Sir?", fragte Tarsuinn.

„Aber immer", antwortete der Fahrer begeistert.

Er bedankte sich.

Bevor er in die Bank ging, musste er jedoch eine Telefonzelle aufsuchen. Er warf zwei Münzen ein und wählte die Telefonnummer seiner Schwester.

„McNamara", meldete sich eine schwache Stimme.

„Hallo, Schwesterchen. Ich muss Geld abheben", meldete er sich kurz angebunden.

„Ich hab darauf gewartet. Beeil Dich!"

„Werd ich. Ich hab einen großen Leibwächter dabei. Sag ihnen bitte es ist okay, wenn sie anrufen."

„Wird gemacht."

„Ich hoffe dir geht es gut?", fragte er noch schnell.

„Schon besser", log sie nicht gerade überzeugend und legte auf.

Es tat ihm weh, dass ihnen immer nur so kurze Telefonate vergönnt waren. Er beschloss ganz viele Briefe zu schreiben.

Dann ließ er sich von Tikki in die Bank führen und dort zu einem Schalter. Diesmal folgte ihm Hagrid. Für einen Moment fragte sich Tarsuinn, wie denn eigentlich Hagrid so aussah. Er selbst war ja mit T-Shirt und Jeans nicht sonderlich passend gekleidet. Aber eigentlich war das auch egal, wenn man die richtige Karte besaß. Dann galt so was als Stil und nicht als modischer Fehltritt.

„Ich hätte gern etwas Geld abgehoben", sagte er, nachdem Tikki verkündete, dass er vor einer Person stehe.

„Wir sind eine Bank für Geschäftskunden. Bitte hole dein Geld beim Automaten", antwortete eine Frau leicht pikiert.

„Soviel Geld wie ich brauche, gibt mir der Automat nicht, Ma'am", entgegnete er höflich, legte seine Plastikkarte auf den Tisch und nannte eine exorbitante Zahl.

„Ich glaube nicht, dass du soviel Geld abheben darfst", sagte die Bankangestellte ablehnend.

„Ich darf und kann auch laut Vertrag, Ma'am."

„Dazu musst du aber die Geheimnummer kennen."

„Keine Sorge, ich kenne sie. Sie müssen nur endlich die Karte durch Ihr Lesegerät ziehen, damit ich sie eintippen kann."

Sie tat es, er tippte seine persönliche Nummer ein und nannte seinen Namen.

„In großen Scheinen bitte, in einer neutralen Tasche, keinen Aktenkoffer bitte", bat er danach.

„Wie du wünschst", sagte die Frau und ging das Geld holen.

Kaum war sie weg, wandte sich Hagrid an ihn.

„Für eine kleine Karte und eine Nummer bekommt man so einfach Geld?", erkundigte er sich.

„Nicht so einfach", lachte Tarsuinn. „Sie läuft bestimmt gerade zu ihrem Chef, der vergleicht mein Foto aus der Datenbank mit der Kameraaufzeichnung hier. Danach rufen sie meine Schwester an und diese antwortet ihnen, dass alles seine Richtigkeit hat, das Geld zur Sicherheit an dich ausgehändigt werden soll und man sie nicht jedes Mal belästigen muss, wenn ich Geld abhebe."

„Die Karte ist also sozusagen dein Schlüssel und die Nummer die Sicherheit?", folgerte Hagrid nach einer Minute des Nachdenkens.

„So ungefähr."

„Verrückt!"

Sie mussten recht lange auf die Rückkehr der Bankangestellten warten. Tarsuinn wollte es sich zwar nicht anmerken lassen, aber mit jeder Minute wurde er nervöser. Wann kam denn endlich diese lahme Tante wieder?

Sechs Minuten später tauchte die Frau wieder auf.

Bedächtig begann sie das Geld in Tausenderschritten abzuzählen. Am liebsten hätte Tarsuinn sie angeblafft, sie solle einfach das Geld in die Tasche stecken und es Hagrid geben, doch das machte man in einer korrekten Schweizer Bank einfach nicht.

Als sie dann endlich fertig war, reichte sie die Tasche an Hagrid weiter.

„Wir danken Ihnen dafür, dass Sie unsere Dienste in Anspruch genommen haben. Wir wünschen einen schönen Tag und beehren Sie uns bald wieder", leierte sie betont freundlich herunter.

„Ähem – danke", brachte Hagrid nur heraus.

„Wiedersehen", sagte auch Tarsuinn mit gedämpfter Stimme. „Wir können jetzt gehen, Hagrid."

Eiligen Schrittes – fast rannte Tarsuinn – verließ er die Bank mit Hagrid im Schlepptau. Das Taxi stand noch an der gleichen Stelle wie zuvor und er stieg hastig ein und machte sich ganz klein auf dem Rücksitz.

Und sein Gefühl hatte ihn nicht betrogen. Wenige Sekunden später quietschten die Bremsen eines Wagens direkt hinter dem Taxi und Autotüren wurden hektisch geöffnet. Er dankte Gott, dass Hagrid sich eben in den Wagen zwängte und ihn somit quasi unsichtbar machen musste.

„Wohin soll es jetzt gehen?", fragte der Taxifahrer.

„Wieder dorthin, wo wir vorhin eingestiegen sind", bat Tarsuinn.

„Kein Problem."

Und los ging die Fahrt! Er entspannte sich erst, als er wieder in der Winkelgasse stand.

„Und jetzt müsste ich zu Gringotts, hat man mir gesagt", sagte er zu Hagrid.

„Das is hier drüben. Is die sicherste Bank der Welt. Auch wenn letztes Jahr…", Hagrid stockte.

„Wenn letztes Jahr was?", erkundigte sich Tarsuinn.

„Das hätte ich nich sagen sollen", murmelte Hagrid. „Im letzten Jahr is jemand in Gringotts eingebrochen und nich erwischt worden. Das war aber das erste Mal seit Jahrzehnten und wird so bald sicher nich wieder vorkommen."

Na, das konnte Tarsuinn nur hoffen. Schließlich wettete er gerade einen großen Teil des Geldes seiner Schwester darauf.

Sie gingen in ein Gebäude, das innen sehr kühl war. Das Erstaunliche war jedoch dabei, dass nirgends ein Lüfter oder eine Klimaanlage zu hören war. Wahrscheinlich war der magische Ersatz dafür einfach geräuschlos. Außerdem schien das Ganze auch noch recht zugfrei zu funktionieren.

„Wohin muss man hier", fragte Tarsuinn, der von Tikki verwirrende Signale bekam.

„Dort rüber", antwortete Hagrid und wahrscheinlich deutete er in eine Richtung, bewegte sich aber ansonsten nicht. Deshalb wusste auch Tarsuinn nicht wohin.

„Du kannst nich sehen, nich wahr?", fragte Hagrid Sekunden später leise.

Er nickte. Es war ärgerlich, es zugeben zu müssen.

Nicht, dass er Hagrid nicht vertraute, im Gegenteil, Hagrid war sicher ein herzensguter Mensch, aber Tarsuinn mochte es, wenn die Leute nicht bemerkten, mit welchem Handicap er zurecht kommen musste. Er hasste es einfach schwach zu wirken. Immer wenn ihn Leute für schwach hielten, dann versuchten sie ihn entweder zu bemuttern oder zu treten. Aber er war nicht schwach! Er durfte es einfach nicht sein. Doch leider war er es manchmal doch.

„Kannst du mich mal in die richtige Richtung schubsen?", bat er.

Ein Finger legte sich zwischen seine Schulterblätter und drückte ihn sanft nach links. Nach wenigen Schritten, bekam er das Anhalten-Geräusch von Tikki.

„Ja?", hörte er eine schnarrende Stimme bar jeder Emotion, von oben herab. Der Mann hinter dem Schalter musste ziemlich groß sein, was bei seiner Stimme eigentlich erstaunlich war. Er klang so klein.

„Ich würde gern Geld tauschen."

„Geld in Muggelpapier oder anders herum."

„Anders herum."

„Wie viel wünschen Sie denn einzutauschen?", erkundigte sich die Stimme wieder.

„Alles, was in der Tasche ist", antwortete Tarsuinn und wedelte mit der Hand Richtung Hagrid.

„Ah – ja", murmelte Hagrid und stellte die Tasche auf einen Tisch. Die Tasche wurde geöffnet.

„Einen Augenblick bitte", sagte die Stimme und klang etwas überrascht, aber auch ein wenig gierig. Sekunden später hörte Tarsuinn ein flatterndes Geräusch.

„Eine Geldzählmaschine?", fragte er leise Hagrid.

„Is nen Ding, in die er vorn das Muggelgeld reintut und es hinten wieder raus kommt", beschrieb ihm leise Hagrid.

„Das ist doch Muggeltechnologie? Ich dachte, so was verwendet man hier nicht."

„Es gibt niemanden, der mehr mit Muggeln zu tun hat, als die Kobolde von Gringotts. Außer vielleicht das Ministerium. Die Eltern von Muggelgeborenen können nur hier Geld eintauschen und es gibt auch Magier, die Muggelgeld verdienen. Außerdem munkelt man, dass die Kobolde Geschäfte in der Muggelwelt machen."

„Warum?"

„Gold is Gold", flüsterte Hagrid jetzt ganz leise. „Egal in welcher Welt. Kobolde lieben Gold und allgemein alles was glänzt und wertvoll is."

„Wenn du sagst Kobolde, meinst du dann echte? Wie die aus den irischen Sagen?", fragte Tarsuinn ebenso leise.

Hagrid lachte.

„Natürlich sind das echte Kobolde. Nenn sie ja niemals Menschen, ansonsten machen dich ihre Gebühren arm!"

„Gut zu wissen. Danke, Hagrid", sagte er.

Das Rascheln der Geldscheine verklang.

„Dürfte ich erfahren, was Sie mit dem Geld zu tun gedenken?", fragte die schnarrende Stimme, die einem Kobold gehören sollte.

„Ein Teil des Geldes ist die Schulgebühr für Hogwarts in diesem Jahr", sagte er fest. „Einen kleinen Teil bräuchte ich für die nötigen Einkäufe und mit dem Rest hätte ich gern ein Konto…"

„…Safe…", unterbrach Hagrid leise.

„…Safe eröffn…gemietet."

„Und an wie viel Geld für Einkäufe hatten Sie denn gedacht?", fragte der Kobold, irgendwie lauernd.

Er drehte sich hilfesuchend zu Hagrid. Dieser nannte ihm eine Summe und er nickte dem Kobold zu.

„Soviel hätte ich gern."

„Würden Sie dann bitte den Tausch, den Transfer zum Hogwarts-Safe, die Auszahlung und die Mietung eines eigenen Safes für die Restgeldmenge mit einer Unterschrift bestätigen?"

„Natürlich."

Er ließ sich den Weg zu einem Tisch weisen, las dort mit den Fingerspitzen alles durch (auch das Kleingeschriebene) und schrieb dann seinen Namen auf die Papiere, wobei er diesmal einen Kugelschreiber zu Hilfe nahm. Niemand schien sich hier daran zu stören.

Wenig später stand er dann mit einem Sack ungewohnter Münzen in der Tasche und einem kleinen goldenen Schlüssel an einem Band um den Hals, wieder in der Gasse.

Da Zeit zum Mittagessen war, führte Hagrid ihn in ein Gasthaus namens Zum Tropfenden Kessel. Das Essen da war herz- und schmackhaft, wenn auch ein wenig zu englisch zubereitet für seinen Geschmack. Hagrid gefiel es hier jedoch offensichtlich. Er schien jeden zu kennen und eigentlich jeder schenkte ihm eine freundliche Begrüßung. Tarsuinn selbst ließ man zum Glück in Ruhe. Was vielleicht daran liegen konnte, dass Hagrid jedem, der ihn danach fragte, eine Geschichte von dem Jungen namens Harry Potter erzählte, der letztes Jahr Du-weißt-schon-wen erneut besiegt hatte. Viele glaubten ihm zwar die Geschichte nicht, aber alle schienen ihm gern zuzuhören und Hagrid ein Bier auszugeben. Zwei Stunden vergingen so und Tarsuinn begann sich zu langweilen, als er die Geschichte irgendwann zum dritten Mal hörte.

„Hagrid?", unterbrach er deshalb, bei Wiederholung Nummer vier. „Könnte ich nicht schon mein Schulzeug einkaufen gehen?"

Es drängte ihn in die Gasse zurück. Auf seinen kurzen Wegen darin hatte er Wörter wie: Rennbesen, Drachenleber und Feenstaub gehört. Worte, die wohl jedem Elfjährigen der Welt die Neugierde in die Fingerspitzen trieb.

„Oh je, oh je", stöhnte Hagrid zur Antwort. „Hab ich doch glatt die Zeit vergessen. Nu aber Beeilung. Tschuldigung Leute, wir müssen los."

Kaum wieder in der Winkelgasse stürmte Hagrid voran, vorbei an: Spinneneier – die Unze nur drei Sickel, hin zu einer Ecke, an der es recht unangenehm roch.

„Hier geht's zur Nokturngasse runter", sagte er eindringlich. „Da darfst du auf keinen Fall hin. Bleib in der Winkelgasse, erledige deine Einkäufe so gut du kannst."

„Und was machst du?", fragte er besorgt. Schließlich war er hier auf unbekanntem Gebiet, mit unbekanntem Geld und hatte keine Ahnung, wo er hin sollte.

„Ich muss da runter. Du merk dir einfach, dass du niemals eine Treppe nach unten gehen darfst. Solange du in der Winkelgasse bleibst, kann dir nichts geschehen. Kleidung kaufst du am besten bei Madame Malkin, Bücher bei Flourish & Blotts und Zauberstäbe bei Ollivander. Den Kleinkram kannst du überall kaufen. Hier oben sind die Preise fair."

„Und wie finde ich dich nachher wieder?"

„Solange du hier oben bleibst, werde ich dich finden", versprach er. „Du kommst doch klar, oder? Meine nur, weil du ja nich…"

„Geht schon", sagte er, wobei er vor allem sich selbst überzeugen musste. Ein wenig mulmig war ihm schon bei dem Gedanken, allein durch diese Welt zu schlendern.

„Du schaffst das. Geh einfach nie…"

„…eine Treppe herunter."

„Genau", lachte Hagrid. „Und wenn du nich mehr kannst oder weiter weißt, dann fragst du nach Fortescues Eissalon, isst ein Eis und wartest auf mich. Okay?"

„Okay."

„Dann bis nachher."

Tarsuinn wartete unentschlossen bis die Schritte des Wildhüters verklungen waren, dann drehte er sich von der Nokturngasse weg und dem geschäftigen Treiben in der Winkelgasse zu.

„Packen wir es an, Tikki. Lotse uns in irgendeinen Laden. Mal sehen was da ist."

Kaum stand er vor einer Tür, flüsterte ihm jemand ins Ohr:

Willkommen bei Draculum – beste Amulette, Ringe, Knoblauchzehen und Wolfsbanne Englands.

Die Stimme war seltsam. Sie klang irgendwie nicht menschlich. Es dauerte einige Augenblicke bis er begriff, wer da zu ihm sprach. Es war wie in Dumbledores Büro. Nur dass hier ihm nicht ein Buch zuwisperte, sondern ein Schild. Das würde ja doch einfacher werden, als er gedacht hatte. Stellenweise war die Zaubererwelt richtig praktisch.

Und so verbrachte er mehrere Stunden, die angefüllt waren von den merkwürdigsten Menschen und Dingen, denen er je begegnet war. Er kaufte beinahe einen Rennbesen, bis ihm einfiel, dass er diesen gar nicht mit nach Hogwarts nehmen durfte, löste bei Madame Malkin Bestürzung aus, als er fragte, ob es die Umhänge auch mit Kapuze gäbe und stieß in einer Apotheke eine Flasche um, die natürlich auch sofort zerbrach. Was im Laden und auf der Straße davor zu spontanen Ausbrüchen an Gesangstalent führte. Leider ließ die Wirkung einige Zeit später nach und der Verkäufer beendete seine Arie, woraufhin Tarsuinn den Schaden bezahlen musste. Dabei bemerkte er, dass Hagrid Recht gehabt hatte. Die Leute hier waren allgemein betrachtet recht freundlich. Madame Malkin hatte ihm sogar angeboten, auf all sein eingekauftes Zeug aufzupassen, da er doch sowieso am späten Nachmittag seine Hogwartskleidung (mit Kapuze) bei ihr abholen musste.

Das einzige negative Erlebnis war sein Besuch in einem Buchladen von Flourish & Blotts. Er hatte es gerade mal geschafft die Tür zu öffnen, als ihn tausende Stimmen anschrien, er solle sie kaufen. Erschrocken hatte er die Tür wieder zurück ins Schloss geworfen und schwor sich, nie wieder einen Fuß in diesen Laden zu setzen.

Es war schon nach fünf Uhr nachmittags, als er endlich den Laden fand, mit dem er die größten Erwartungen verband. Ollivander – Gute Zauberstäbe seit 382 v. Chr., flüsterte ihm die obligatorische, aber sehr alt klingende Stimme ins Ohr. Er hätte fast schwören können, dass die Stimme auch noch schwer hustete, als sich die Tür hinter ihm schloss.

Im Geschäft war es sehr still und er schien der einzige Kunde zu sein. Hinten im Laden hörte er gedämpfte Geräusche und wenige Sekunden später eine männliche heisere Stimme:

„Einen Augenblick bitte. Ich werde mich sofort um Ihre Wünsche kümmern", sagte diese.

Tarsuinn hatte es nicht eilig. Da Hagrid bis jetzt nicht aufgetaucht war, würde in Madame Rosmertas Kamin jetzt ein Feuer brennen und erst gegen elf Uhr war eine kühle Ankunft wieder möglich.

Also wartete er geduldig einige Minuten.

„Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten…", erklang die Stimme des Mannes erneut, diesmal etwas näher, „…aber ich musste noch einen Zauberstab aufpolieren, der stark gelitten hatte."

Der Mann war jetzt nur noch wenige Schritte von ihm entfernt.

„Willkommen. Ich bin Ollivander", sagte die Stimme sanft. „Womit kann ich Ihnen behilflich sein? Kauf oder Reparatur?"

„Ich möchte gern kaufen, Sir", sprach er höflich Ollivander an.

„Ihr erster Zauberstab, junger Mann?"

„Ja, Sir."

„Sie sind etwas spät dran für das Schuljahr, nicht wahr?", bemerkte Ollivander. Er stand nun ganz dicht bei Tarsuinn. So dicht, dass er den flachen Atem des Mannes im Gesicht spüren konnte. Tarsuinn zwang sich ein paar Mal zum Zwinkern, sagte aber lieber nichts.

„Es gibt Gerüchte, dass es eine kleine Besonderheit während der Auswahl in Hogwarts gegeben hat", fuhr Ollivander lauernd fort, dabei ging er langsam um Tarsuinn herum.

„Ein Zauberer ohne Macht oder ein Muggel, der glaubt ein Zauberer zu sein, soll ab heute in Hogwarts zur Schule gehen?"

„Na, so richtig stimmt das erst ab morgen, würde ich sagen", konnte Tarsuinn es sich nicht mehr verkneifen.

„Möglicherweise", schränkte Ollivander ein und beendete seine Wanderung um Tarsuinn herum. „Falls wir für denjenigen einen Zauberstab finden. Wie heißt der Glückliche denn überhaupt?"

„McNamara, Sir", antwortete Tarsuinn.

„Hm. Einen Kunden dieses Namens hatte ich noch nie. Nun – das macht die Sache nur interessanter. Welche ist ihre Zauberhand?"

„Ich habe keine Führungshand", erklärte Tarsuinn „Falls sie das meinten."

„Nicht? Hoch interessant. Solche Kunden habe ich recht selten. Mit welcher Hand schreiben Sie denn normalerweise, Mr McNamara?"

„Immer mit der Seite auf deren Schulter Tikki nicht sitzt."

„Und ansonsten?"

Er überlegte kurz.

„Rechts glaube ich."

„Gut, dann halten Sie bitte still, damit ich Ihre Maße nehmen kann."

Ollivander begann mit einem Maßband an ihm herum zu messen. Ließ ihn ab und zu mal den Arm heben, auf einem Bein stehen und manch andere alberne Position einnehmen.

„Ich hätte gern einen schwarzen Zauberstab, wenn es so etwas gibt", sagte er.

„Oh, die gibt es durchaus, aber nicht Sie entscheiden. Der Stab sucht sich den Magier, nicht umgekehrt. Natürlich kann man auch jeden anderen Zauberstab verwenden, jedoch seine volle Kraft kann man nur mit diesem Einen entfalten. Und nach dem was ich hörte, sind Sie auf jedes bisschen mehr an Kraft und Kontrolle angewiesen."

„Dann kann ich also nur hoffen, dass er nicht gerade rosa ist, oder?", murrte Tarsuinn.

„Nun, da kann ich Sie beruhigen, Mr McNamara. Es ist eine Untugend einiger traditionsarmer Länder, Zauberstäbe mit Farbe zu überziehen. Doch dies brauchen Sie hier nicht zu befürchten. Ein klarer Überzug aus feinster Harz-Melange sorgt für die lange Haltbarkeit und Schönheit meiner Zauberstäbe. Nur so könnt Ihr Euch des Holzes sicher sein, das verwendet wurde."

„Wissen Sie, eigentlich ist mir das Aussehen doch egal. Hauptsache er funktioniert."

„Na, das wollen wir doch hoffen!"

Ollivander lief weg, kletterte irgendwo in einer hinteren Ecke eine Leiter hinauf und kam wieder zurück. Er stellte eine Schachtel auf den Tisch und nahm den Deckel ab.

„Erle und Einhornhaar, neun Zoll. Sehr sensibel im Umgang. Probieren Sie."

Tarsuinn griff nach der Schachtel und dann hinein. Er berührte etwas Hölzernes, wollte es ergreifen, doch da durchfuhr ein Schmerz seine Hand, als hätte ihm jemand eine Nadel in den Finger gestochen.

„Autsch!", entfuhr es ihm.

„Was ist?", fragte Ollivander erstaunt.

„Ich hab eine Art Stromschlag bekommen", erklärte Tarsuinn, dessen Finger noch immer ein wenig wehtat.

„Das ist unmöglich. Moment."

Wieder verschwand Mr Ollivander in den hinteren Ecken seines Lagers und kam nach einer Weile zurück.

„Versuchen Sie den. Rotbuche und Harpyienfeder, sechs Zoll. Sehr widerstandsfähig."

Vorsichtig griff Tarsuinn danach und wollte sich schon freuen, dass nichts geschah, doch dann durchzuckte seine ganze Hand ein fast unbeherrschbarer Schmerz. Er ließ den Stab fallen und biss sich auf die Lippen, in dem Versuch nicht laut aufzuschreien. Seine Hand schmerzte furchtbar und wurde langsam taub. In seiner Fantasie faulte sie ihm gerade ab, doch ein schnelles Tasten beruhigte ihn. Alles war noch da wo es hingehörte.

„Mehr als ein – Nein!", murmelte Ollivander und hob den Stab wieder auf. „Noch ein Versuch."

Darauf hatte Tarsuinn eigentlich keine Lust.

„Eiche und zermahlene Drachenschuppe, elf Zoll. Sehr kraftvoll. Seien Sie vorsichtig. Nur

mit einem Finger. Vielleicht diesmal mit der linken Hand. Nur versuchsweise."

Tarsuinn war eigentlich froh, dass es inzwischen nicht mehr so schmerzte. Trotzdem berührte er auch den dritten Zauberstab.

Es hätte ihm zu denken geben sollen, dass Ollivander ein paar Schritte zurückwich, genauso, dass Tikki von seiner Schulter herunter sprang.

Doch seine Furcht vor weiteren Schmerzen störte seine Aufmerksamkeit.

Zur Strafe durchfuhren ihn höllische Schmerzen. Diesmal fühlte es sich nicht nur an, als würde seine Hand brennen, sie brannte wirklich. Er roch es und hörte es.

Aqua creare!", donnerte Ollivander laut über seinen Scherzensschrei. Kühles Wasser überflutete Tarsuinn, löschte das Feuer auf seiner Hand, durchnässte sein Shirt und linderte etwas sein Leid. Er war auf die Knie gesunken und presste seine Hand zwischen die Oberschenkel. Tränen des Schmerzes liefen über seine Wangen und er fühlte sich furchtbar elend. Tikki versuchte ihn zu trösten, doch das nahm er nur durch einen Schleier war.

„Zeig mal deine Hand her", bat Mr Ollivander und er klang ein wenig geschockt.

„Warum…?", würgte Tarsuinn und brauchte all seine Kraft, um seine Hand zu zeigen. Lieber hätte er Ollivander ins Gesicht geschlagen, als ihm noch einmal zu vertrauen.

„Es war mein Fehler", gestand der Mann ein. „Ich hatte bei weitem nicht mit einer so heftigen Reaktion gerechnet. Habe es ja selbst nicht geglaubt."

Ollivander murmelte sehr leise einige Worte und wenige Minuten später stellte sich ein Gefühl der Linderung ein. Ein leichtes Jucken und ein Spannen der Haut blieben jedoch zurück.

„Ziemlich eindeutig ein Muggel, oder?", vermutete Tarsuinn laut und gab seine Hoffungen damit auf.

„Mitnichten ein Muggel", widersprach Ollivander energisch und half ihm auf die Füße. „Wären Sie ein Muggel gewesen, dann wäre einfach nichts passiert."

„Heißt das, wir müssen weiter probieren?", fragte er entsetzt und zugleich froh. „Wie halten das all die anderen Kinder nur aus?"

„Keinem Zauberer und auch keiner Hexe, die ich in meinem Leben traf, erging es so wie Ihnen, Mr McNamara."

„Und das bedeutet was?"

„Das weiß ich auch nicht", gab Ollivander zu. „Aber ich kenne jemanden, der es wissen könnte."

„Und wo finde ich den?"

„Du findest sie in der Nokturnegasse!"

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