- Kapitel 8 -

Geheimnisse

Der Schulunterricht am Freitag war eine angenehme Einstimmung auf das Wochenende. Tarsuinn hatte nur vormittags Unterricht und ab dem Mittag frei. Außerdem gefielen ihm die Fächer.

Zuerst hatte er Geschichte der Zauberei, in der er den vielen interessanten Büchern lauschte. Den Lehrer in diesem Fach, der ein Geist sein sollte, hatte er – laut Winona zu seinem Glück – noch nie gehört. Aus irgendeinem Grund konnte Tarsuinn einfach keinen Toten hören.

Die zweite Schulstunde des Tages war Flugunterricht. Was sich als ein nicht unerwarteter Reinfall für ihn herausstellte. Sicher mehr als eine Viertelstunde lang hatte er versucht, seinen Besen zum Schweben zu bringen, bis Madame Hooch ein Einsehen hatte und ihn vom Unterricht befreite. So hatte er eine weitere Gelegenheit seine Hausaufgaben zu machen und den verpassten Stoff des ersten Schultages nachzuholen. Natürlich wäre er lieber mit den anderen auf Besen durch die Luft geflogen, doch so würde er nicht den Nachmittag mit Snapes Extraaufgabe verschwenden.

Nach dem Mittagessen saßen dann alle Erstklässler im Gemeinschaftsraum der Ravenclaws und machten unter der Aufsicht von Penelope Clearwater ihre Hausaufgaben. Was eigentlich keiner wirklich wollte, aber die Vertrauensschülerin hatte darauf bestanden. Sie war der Ansicht, dass die Erstklässler erst einmal eine gewisse Routine entwickeln sollten, bevor sie sich eigenständig an die Zeitplanung machten. Dies war zwar extreme Bevormundung, aber auf der anderen Seite konnte man sich bei Fragen problemlos an das große Mädchen wenden. Penelope beantwortete diese zwar nicht, aber sie gab Tipps, wo man die Lösung finden konnte oder in welche Richtung man denken musste.

So verbrachten sie den ganzen, wunderschönen, sonnigen Nachmittag im Turm und Tarsuinn brachte kaum noch die Konzentration auf, um den Aufsatz über Professor Lockharts größten Sieg zu verfassen (das Schlimmste immer zum Schluss), als ihn jemand anstieß.

„Aua!", beschwerte er sich. „Muss das immer sein, Winona?"

„Woher weißt du, dass ich das war?", fragte sie leise.

„Niemand sonst haut mir den Ellbogen so gegen die Rippen", erklärte er grinsend und rieb sich die schmerzende Stelle. „Scheint ne schlechte Angewohnheit von dir zu sein."

„Zu viele ältere Brüder, würde ich sagen. Die wollten mir nie zuhören", lachte sie nun auch. „Aber sag mal – was schreibst du da?"

„Was meinst du?", erkundigte er sich erstaunt.

„Na, was du hier geschrieben hast! Allein die Überschrift: Professor Lockhart ein gebildeter Zauberer! Glaubst du, das fällt ihm nicht auf?"

„Oh – hätte ich es zusammen schreiben sollen?", fragte er ironisch.

„Bloß nicht!", kicherte Winona. „Du könntest dir unheimlich viele Feinde unter der weiblichen Schülerschaft hier schaffen."

„Auch bei dir?"

„Ich? Nicht doch. Ich bin eh als halber Junge erzogen."

„Entschuldige", sagte er und meinte es ernst, was ihr jedoch nur ein weiteres Lachen entlockte.

„Muss es nicht. Ich hab nen tolles Leben bei meinen Eltern und meinen zwei Brüdern."

„Sind deine Brüder auch hier in Hogwarts?"

„Nein, die sind schon lange erwachsen."

„Ach, dann bist du ein Nesthäkchen?", grinste er.

„Sei froh, dass du eben nicht Nachzügler gesagt hast", erklärte sie ihm. „Sonst hättest du jetzt ein blaues Auge."

„Oh", entfuhr es ihm gespielt besorgt. „Hat es dann noch Zweck, dich um einen Gefallen zu bitten?"

„Natürlich", kam die freundliche Antwort.

„Eigentlich sind es mehrere Gefallen", gestand er zurückhaltend.

„Na, schieß schon los."

„Na ja – erstens, sag mir, wenn ich dir zur Last falle. Du bist sehr freundlich zu mir, aber ich möchte dich nicht ausnutzen!"

„Keine Angst. Ich meld mich schon und zweitens…?

„Zweitens, hoffte ich, du könntest mir heute Abend zeigen, wie das mit den Eulen funktioniert."

„Kein Problem – ich schreib heut auch noch nach Hause."

„Und drittens, wenn ich Bücher aus der Bibliothek brauche, könntest du sie mir holen?", flüsterte er ihr verschwörerisch zu.

„Warum das? Hat dir wer verboten da rein zu gehen?", fragte sie ihn genauso leise.

„Nein. Es ist nur – so laut da drin."

„Laut?", rutschte es ihr nicht gerade geflüstert heraus. „In der Bibliothek?"

Es fiel ihm schwer, ihr das zu erklären. Nicht, weil er nicht die richtigen Worte fand, sondern weil er ungern jemand Fremdem vertraute. Vorsichtig beugte er sich zu ihr hinüber und hoffte, dass sie ihm das Ohr zuwandte.

„Ich kann sie hören, die Bücher", erklärte er. „Und wenn es zu viele sind, dann schreien sie und ich kann sie nicht zur Ruhe bringen. Manche wollen auch gar nicht leise sein."

Sie schwieg einige Sekunden.

„Das ist eine private Unterhaltung, Luna. Könntest du bitte…", sagte sie dann laut. Danach legten sich ihre Hände an sein linkes Ohr und durch diesen Tunnel flüsterte sie die nächsten Worte.

„Lass uns nach draußen gehen. Das sollte niemand anders hören."

Er nickte und packte sein Zeug zusammen.

„Schon fertig?", fragte Penelope laut.

„Noch nicht", antwortete Tarsuinn ihr wahrheitsgemäß. „Nur noch Professor Lockharts Aufsatz. Doch wenn ich nicht bald für eine Stunde frische Luft bekomme, platzt mir der Kopf und die Arbeit aller Schüler um mich herum wäre umsonst gewesen. Könnte ich mir nicht diese eine Aufgabe bis morgen aufheben? Wenn ich wieder klar denken kann, wird die Arbeit sicher viel besser, als wenn ich sie jetzt noch zu Ende schreibe."

Penelope schien darüber einen Moment nachzudenken. Um Tarsuinn herum erklang zustimmendes Gemurmel der anderen Erstklässler.

„Okay – eine Aufgabe löst morgen jeder selbstständig. Aber ich will nicht nächste Woche erfahren, dass jemand sie vergessen hat. Klar?"

Allgemeine Zustimmung wurde laut, und nun war es nicht nur Tarsuinn, der begann seine Sachen zu packen und aufs Zimmer zu schaffen. Dort schnappte er sich noch schnell Tikkis Spielbeutel.

Minuten später traf er sich wieder mit Winona und sie gingen zum See. Er schämte sich ein wenig, mit Winona Hand in Hand den See entlang zu marschieren, aber Tikki war einfach nicht mehr zu stoppen, nachdem sie einen ganzen Tag hatte still halten müssen. Sie tobte durch die Gegend und schien die gesamte aufgestaute Energie des Tages loswerden zu wollen.

Dass Tarsuinn und Winona dadurch einigen Spott von einigen älteren Schülern ertragen mussten, schien weder Winona noch Tikki zu stören. Auf der anderen Seite – musste Tarsuinn zugeben – war es aber auch ein recht angenehmes Gefühl, ausnahmsweise mal nicht allein zu sein.

Winona führte ihn ein ganzes Stück weg von den anderen Schülern, recht nah zum Wasser, wie das Plätschern des Sees ihm verriet, dann setzten sie sich beide ins Gras.

„So – und jetzt erklärst du mir das noch mal", sagte sie. „Du meinst, du kannst Bücher wirklich hören?"

„Ja. Sie reden die ganze Zeit über. Außer nachts. Wobei es auch Bücher gibt, die nur nachts zu reden scheinen."

„Und was sagen sie?"

„Am Anfang meist nur wie sie heißen oder was im Allgemeinen in ihnen steht."

„Und dann?"

„Na ja – bei Professor Snape konnte ich nicht an der Tafel lesen und da hat mir ein Buch ständig die Zutaten und die Rezeptur gesagt, weil ich es darum bat. Bei Professor Lockhart jedoch, haben alle seine Bücher mir immer die Antworten auf seine Fragen zu geschrien. Es war kaum zum Aushalten."

„Also hast du diesen Punkt für Ravenclaw nicht gerade verdient", sagte sie nüchtern.

„Nein", gestand Tarsuinn. „Aber ich hielt das für einen Ausgleich für Snapes Punktabzug."

„Trotzdem war es falsch!", bestand sie.

„Ja, ich weiß. Ich kann nur nicht weghören. Und in Lockharts Test, habe ich auch absichtlich alles falsch gemacht, da ich eigentlich nichts davon wusste."

„Und was machen wir jetzt?", fragte sie nachdenklich.

„Ich wollt es geheim halten. Mein Plan war, mich nicht mit Wortmeldungen am Unterricht zu beteiligen und vor den Prüfungen Bescheid zu sagen."

„Das geht so nicht", sagte sie entschieden.

„Aber wie soll ich sonst bei Snape bestehen? Du hast es doch heute vielleicht auch gemerkt. Er hat nicht alles, was an der Tafel stand, vorgelesen. Hätte ich mich an seine Worte gehalten, dann wäre die Salbe vollkommen schief gegangen."

Sie war eine Weile still.

„Du musst das einem Lehrer erzählen", bestand sie dann. „Und am besten gleich das mit Snapes Unterricht hinzufügen. Du willst doch nicht betrügen, oder?"

„Nein, will ich nicht."

„Dann sag es einem Lehrer, denn wenn das später irgendwie herauskommt, dann werden alle behaupten, du hättest die ganze Zeit betrogen. Das kannst du dir einfach nicht leisten. Es würde alle, die was gegen Muggel oder Muggelgeborene haben, noch weiter bestätigen."

„Wem meinst du denn, sollte ich davon erzählen? Flitwick oder gleich Dumbledore?", fragte er, wobei sich alles in ihm sträubte, sein Geheimnis weiterzugeben.

„Es wäre sicher besser, wenn Flitwick es von dir statt von Dumbledore erfährt", sagte sie. „So rum wäre es der richtige Weg."

Er dachte darüber nach. Ihm blieb wohl jetzt nichts anderes mehr übrig. Da Winona davon wusste, brachte er sie wahrscheinlich in arge Probleme, wenn er Stillschweigen erwartete.

„Bedauerst du jetzt, es mir gesagt zu haben?", fragte sie nach einiger Zeit.

„Ein wenig", sagte er, fügte jedoch noch hinzu. „Aber nur weil du Recht hast."

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen", neckte sie ihn.

„Typisch weiblich so etwas zu behaupten", wehrte er sich.

„Typisch männlich, das nicht anzuerkennen", schoss sie zurück.

„Tikki ist wie du!"

„War das jetzt eine Beleidigung oder ein Kompliment", erkundigte Winona sich ironisch.

„Such's dir aus", versuchte er geheimnisvoll zu tun, wusste aber, dass er bis über beide Ohren grinste.

Sie quittierte das mit einem Schubs, der ihn halb umwarf.

„Mist, sie hat mich durchschaut", lachte er.

„Oh", unterbrach plötzlich eine Mädchenstimme. „Seht euch nur diese kleinen Turteltäubchen an."

Tarsuinns und Winonas gute Laune verflog sofort. Die Stimme hatte nicht den gutmütigen Spott beinhaltet, den sie auf dem Herweg hatten ertragen müssen. Das hier klang anders und wurde vom hämischen Lachen einiger anderer Schüler begleitet. Tarsuinn hatte die Gruppe zwar schon lange bemerkt, sich aber nichts dabei gedacht.

„Slytherin!", flüsterte Winona ihm zu.

Sie blieben still, in dem Glauben, die Slytherins würden weitergehen, was jedoch leider nicht geschah. Die gesamte Gruppe – etwa zehn Schüler – kam direkt zu ihnen hinüber.

„Wo ist Tikki?", erkundigte sich Tarsuinn leise. Er konnte den Mungo nicht mehr hören.

„Kann sie nicht sehen!", gab Winona zur Antwort und dann waren die Slytherins auch schon da und kreisten sie ein.

„Heh, Ravenclaw. So verzweifelt, dass du dich schon jetzt nach nem Muggel umschaust?", höhnte ein Junge.

„Wahrscheinlicher ist, dass sie Sonderpunkte dafür bekommt, sich um ihn zu kümmern", berichtigte eine distanzierte Stimme, die er als die Toireasas erkannte.

„Haben eure Eltern die Hochzeit schon geplant?", fragte ein anderes Mädchen ätzend.

„Selbst wenn…", antwortete Winona eiskalt und Tarsuinn hörte sie aufstehen, „…ginge das dich überhaupt nichts an, Regina Kosloff. Aber wenn doch, dann lade ich deinen Onkel ein."

„Halt den Mund!", wurde sie von dem Mädchen namens Regina angebrüllt.

Vorsichtshalber erhob Tarsuinn sich auch. Er hatte genug Schlägereien an öffentlichen Schulen und im Waisenhaus miterlebt, um zu wissen, dass sie eben auf eine zusteuerten.

„Ein wunder Punkt in der Familienchronik, was, Regina?", stichelte Winona weiter. Bemerkte sie nicht eine gewisse – kaum erwähnenswerte – Unterlegenheit in der gegenwärtigen Situation?

„Ich sagte – Klappe halten!"

„Die Wahrheit tut…"

Tarsuinn machte einen Schritt auf Winona zu, um sie von einer Dummheit abzuhalten, doch leider stolperte er, fiel nach vorn und riss sie mit um. Schallendes Gelächter von den Slytherins.

„Zu dumm zum Gehen", ertönte Toireasas Stimme.

„Sorry", sagte Tarsuinn zu Winona. „Ich weiß auch nicht…"

Seine Worte wurden wieder mit lautem Lachen kommentiert.

„Verknotungsfluch! Schnürsenkel!", flüsterte Winona, selbst für ihn kaum hörbar.

Er tastete nach seinen Schuhen, leider kannten Zauberer keinen Klettverschluss, und musste feststellen, dass die Schnürsenkel seiner beiden Schuhe miteinander verknotet waren. Er fluchte still in sich hinein. Knoten waren ein, im wahrsten Sinne, fast unlösbares Problem für ihn. Darum zog er einfach die Schuhe aus.

„Sehr lustig", kommentierte Tarsuinn kühl. „Fühlt ihr euch nicht etwas unsicher so allein?"

„Hat da wer was gesagt?", fragte ein Slytherin.

„Nichts gehört!", antwortete ein anderer.

„Komm, Tarsuinn", sagte Winona nur. „Wir ge…"

Silencio", sagte eine älter klingende Jungenstimme und Winona verstummte mitten im Wort.

„Oh je – hat es da jemandem die Sprache verschlagen?", fragte Regina gemein. „So soll es sein. Jetzt…"

„Nicht so vorschnell, Regina", ließ sich Winona wieder vernehmen. „Ein Stille-Zauber! Ich bitte dich. Und dann noch so ein schlechter!"

Tarsuinn musste bei ihrem abfälligen Ton unwillkürlich lächeln. Sie war – cool. Ein anderes Wort fiel ihm im Moment nicht ein und dafür bewunderte er sie.

„Vielleicht solltet ihr ein paar Funken fliegen lassen!", schlug Tarsuinn den Slytherins vor und hoffte, dass Winona begriff. „Damit euch noch ein paar Leute zu Hilfe kommen."

Irgendwer machte plötzlich einen schnellen Schritt auf Winona zu. Ohne zu überlegen sprang Tarsuinn dazwischen, prallte mit diesem Jemand zusammen und konnte sich ein kurzes Zucken seiner Faust in die Magengegend seines Gegenübers nicht verkneifen. Hoffentlich hatte man das nicht gesehen. Sein Opfer fiel zu Boden und blieb da auch einen Moment. Hinter sich hörte Tarsuinn ein Rauschen, wie beim Start einer Feuerwerksrakete.

„Er hat mich geschlagen", jammerte der Slytherin, den er zu Boden geschickt hatte. „Das wird er bereuen."

Tarsuinn hörte ihn aufstehen und ein paar Schritte zurücktreten. Er war schon erstaunt, dass die anderen Slytherins keine Vergeltung übten. Sicher zog der Junge gerade seinen Zauberstab. Das war der Moment, den Tikki sich aussuchte, um den Schlamassel zu bemerken. Ihr recht weit entfernter Kampfschrei gellte über die Wiese, ziemlich schnell näher kommend.

„Mist, Flitwick kommt", sagte einer der Slytherins plötzlich.

„Zauberstäbe weg!", befahl sofort Regina Kosloff.

„Aber er hat mich geschlagen", beharrte der eine Junge.

„Du hast später noch dafür Zeit! Zauberstab weg! Sofort!", befahl der Junge, der diesen Stille-Zauber gesprochen hatte, nachdrücklich. „Und die anderen, hier geblieben und ganz ruhig."

So warteten sie.

„Das werden sie bereuen", flüsterte Winona wieder so leise, dass es nur für seine Ohren bestimmt sein konnte und sie klang dabei unangebracht glücklich. Sie stand jetzt neben ihm und sprach in die Richtung, aus der Tikki angehetzt kam.

Hinter Tikki hörte er die dünne und leicht keuchende Stimme Professor Flitwicks.

„Wundervoll. Unglaublich. Und so farbrein", sagte der kleine Mann begeistert.

Dann stand er vor ihnen. Der Kreis der Slytherins war inzwischen nur noch ein Halbkreis und alle schauten dem Professor entgegen. Nur Tikki drohte jedem Slytherin mit einem steten Strom an Kampfrufen.

„Wirklich wundervoll", begeisterte sich der Professor erneut. „Wer hat den Funkenzauber so schön geübt."

„Ich, Professor!", meldete sich Winona.

„Und die älteren Schüler aus Slytherin haben Ihnen dabei geholfen? Das ist wirklich nett und ich sehe das sehr gern", freute er sich noch mehr.

„Nur indirekt, Professor", schränkte Winona ein. „Wissen Sie, Regina Kosloff hier hat um einen Sickel gewettet, dass ich keinen Funkenschwarm hinbekomme, der vom Schloss aus gesehen werden kann. Ich schätze, Sie sind der Beweis für den Erfolg, Professor."

Winona drehte sich um und ging auf den Halbkreis der Slytherins zu.

„Den Wetteinsatz bitte!", forderte Winona frech.

„Nein, ich…Ich hab keinen Sickel dabei", wehrte Regina säuerlich ab.

„Nicht doch. Hast ihn mir doch vorher gezeigt", stellte Winona fest. Tarsuinn bewunderte, wie sie so ernst bleiben konnte. Er selbst kämpfte mit einem furchtbaren Lachanfall. Dass sie so abgebrüht war, hätte er nicht gedacht. Regina hatte nur die Wahl zu zahlen, oder aber dafür zu sorgen, dass Winona dem Professor die Wahrheit über das erzählte, was sich eben hier abgespielt hatte.

„Miss Kosloff", half Professor Flitwick aus. „Sie sollten nicht wetten, wenn Sie den Gegenwert nicht dabei haben. Soll ich für Sie auslegen?"

„Nein, nein, Professor", wehrte Regina Kosloff ab. „Ich bezahle meine Schulden immer."

Ihre Stimme klang dabei wie bei einer Todesdrohung.

Winona bedankte sich freudig.

„Das wäre dann alles. Ihr dürft jetzt gehen", erklärte sie dann hoheitsvoll und Tarsuinn fand, dass sie in diesem Augenblick etwas den Bogen überspannte. Doch im Moment war ja Professor Flitwick da und deshalb hatte es keine unmittelbaren Konsequenzen. Die Slytherins zogen geschlagen ab, während Flitwick bei ihnen stehen blieb.

„Ich hätte schwören können, dass Ihr Tier Sie in Gefahr glaubte, McNamara", sagte er fröhlich.

„Tikki irrt sich wirklich selten", meinte Tarsuinn doppeldeutig, da der Professor sicherlich eh schon ahnte, was wirklich geschehen war.

„Nun ja – wie dem auch sei. Ein wirklich guter Zauber, Miss Darkcloud. Man sieht, dass Sie recht motiviert waren. Weiter so."

„Danke, Professor."

Flitwick wandte sich zum Gehen. Winona stieß wieder einmal ihren Ellenbogen in Tarsuinns Rippen.

„Das ist die Gelegenheit!", flüsterte sie auffordernd.

„Au – ähem – Professor? Könnte ich Sie einen Moment sprechen?", beeilte Tarsuinn sich zu fragen.

„Aber natürlich. Was für ein Problem haben Sie denn?", fragte der kleine Mann und Tarsuinn erzählte von den sprechenden Büchern, wobei er weder die unverzichtbare Hilfe in Sachen Unterricht bei Professor Snape, noch den erschummelten Punkt bei Professor Lockhart ausließ. Flitwick hörte still und aufmerksam zu und als Tarsuinn geendet hatte, war seine erste Frage:

„Sagen Sie, beschweren sich meine Bücher, wenn ich auf ihnen stehe?"

Damit verblüffte er Tarsuinn für einen langen Moment und erst dann versuchte er ernsthaft über die Frage nachzudenken.

„Ich glaube, das dritte Buch von unten hat sich nur beschwert, dass die geknickte Seite so niemals wieder glatt wird", sagte er dann. „Den anderen war es eigentlich egal, weil sie froh waren, überhaupt mal wieder aus dem Schrank genommen zu werden."

„Na, dann muss ich wohl nachher eine Seite glätten", kommentierte Flitwick ungerührt. „Aber zuvor muss ich wohl mit Professor Dumbledore reden. Bis dahin empfehle ich Ihnen zu schweigen und abzuwarten, was der Direktor zu tun gedenkt. Ich bin übrigens beeindruckt von Ihrer Ehrlichkeit, McNamara."

„Da wurde etwas nachgeholfen, Professor", gab Tarsuinn zu.

„Sie wären schon auch von selbst zu mir gekommen", wehrte Flitwick nur ab. „Nur manchmal wissen andere eher als wir, was gut für uns ist. Das haben Sie im Gegensatz zu Miss Darkcloud schon gelernt."

„Was meinen Sie, Professor?", erkundigte sich Winona.

„Finden Sie es heraus, Miss. Ich muss jetzt los, um Professor Dumbledores Meinung zu erfahren, bevor er wieder…ach, das muss ja keiner wissen. Sehen Sie zu, dass Sie nicht das Essen verpassen und im Schloss sind, bevor es dunkel wird. Am besten ist eh, wenn Sie sich nicht aus der Sichtweite der älteren Schüler entfernen."

Mit diesen Worten stand er auf und ging zurück zum Schloss. Tikki sprang dabei dankbar um ihn herum. Tarsuinn zog seine Schuhe wieder an, deren Knoten sich, wie von Zauberhand – na ja, wie hier halt üblich – gelöst hatten. Dann folgten sie Flitwick ein Stück und setzten sich an den See, in Sichtweite des Schlosses und einiger anderer Schüler. Sofort begann Tikki an ihrem Spielzeugbeutel herumzuschnüffeln und zu drängeln.

„Was ist da drin?", fragte Winona neugierig.

„Tikkis Spielzeug", antwortete er und holte ein kleines Frisbee hervor.

Er warf es fort, Tikki fing und legte es zwei Meter entfernt ab. Dann kam sie wieder zu ihm.

Ein überdeutliches: Nein!", kommentierte Tarsuinn.

„Ollivander", erkannte Winona sofort. „Eine Frisbeescheibe! Plastik mit Aufkleber. Wundervolle Arbeit. Aber nichts für Tikki."

Tarsuinn lachte laut auf. Sie konnte viel besser als er andere Leute nachmachen.

Und so probierte er ein Spielzeug nach dem anderen aus. Doch Tikki war mit nichts zufrieden, bis Tarsuinn am Schluss einen ihm unbekannten Gegenstand in der Hand hielt.

„Was ist das denn?", fragte er sich verwundert und befühlte dieses Ding. Tikki entdeckte plötzlich doch etwas Interessantes im Stapel ihrer alten Spielsachen und tobte davon.

„Sieht aus wie ein Rubin, aber…?", sagte Winona.

„Wirklich?"

„Scheint, als würde ein Feuer darin brennen."

„Ja – er ist gut geschliffen, ganz regelmäßig, keine scharfen Kanten. Das muss im Licht wirklich schön aussehen."

„Nein, du verstehst nicht – da brennt ein Feuer drin. Auch ohne Licht."

„Da brennt ein Feuer…?"

Es machte leise Klick in seinem Kopf.

„Danach haben sie also gesucht", murmelte er unvorsichtig.

„Wer?", wurde Winona sofort aufmerksam.

Tarsuinn biss sich auf die Lippen. Er redete heute wirklich viel zu viel.

„Das willst du nicht wissen", versuchte er sie zu überzeugen.

„Warum?"

Musste sie immer so neugierig sein? Er wollte ihr ja vertrauen, aber nach nur zwei Tagen Bekanntschaft, war das ziemlich viel verlangt. Auf der anderen Seite – sie konnte sehen.

„Ich möchte dich nicht noch mal in Gewissenskonflikte bringen", sagte er ihr ehrlich.

„Probier es aus", entgegnete sie einfach.

„Nein!", blieb Tarsuinn hart. „Entweder, oder! Das ist ein wenig anders, als bei der Sache mit den Büchern."

„Ich verspreche dir, nichts zu verraten", sagte sie ihm nach einigen Sekunden des Nachdenkens ernsthaft.

Und in dem Augenblick ging Tarsuinn ein Licht auf. Luna musste recht gehabt haben, als sie in Tikki ein magisches Wesen vermutete. Sie verstand ihn, sie hatte den Stein versteckt und dann dafür gesorgt, dass Winona ihn sah. Tikki wollte das und es musste etwas bedeuten!

Tarsuinn reichte Winona den Stein, damit sie ihn genauer betrachten konnte.

„Es gibt Leute, vor denen wir – ich meine damit meine Schwester und mich – weglaufen, seit ich mich erinnern kann", begann er leise und versuchte aufkeimende Erinnerungen zu verdrängen. Winona sagte dazu nichts.

„Wir waren eingesperrt in einem goldenen Käfig. Man hatte uns alles genommen, was uns von unseren Eltern geblieben war. Als ich vier Jahre alt wurde, nahm mich meine Schwester, sie war damals elf, und lief mit mir weg. Das wäre wahrscheinlich keine so große Sache gewesen, aber meine Schwester nahm alles mit, was uns gehörte. Ich schätze, deshalb suchen sie uns noch immer."

„Woher weißt du überhaupt, dass das Zeug euch gehört? Du warst doch erst vier."

„Erstens, weil meine Schwester es gesagt hat und zweitens, weil uns niemals die Polizei verfolgt hat."

„Zum Glück für dich, weiß ich was die Polizei ist."

„Und? Was sagst du?"

„Du wirst nie ein großer Geschichtenerzähler", stellte sie nüchtern fest.

„Ich wollte nur die Fakten nennen. Der Erzählteil war mir im Moment nicht so wichtig."

„Inzwischen kann ich Luna verstehen", murmelte Winona leise.

„Warum?"

„Sie glaubt, dass dich ein dunkles Geheimnis umgibt. Deshalb beobachtet sie dich auch ständig. Aber genau genommen, glaubt sie das von jedem."

„Und warum bist du jetzt der Meinung…?"

„Weil dieser Stein so verdammt magisch ist, dass es bei mir fast die Sicherung raus haut, wenn ich ihn berühre. Am besten du versteckst ihn wieder."

Er nahm den Stein wieder zurück und verstaute ihn erneut in Tikkis Spielzeugbeutel.

„Erzähle es erst mal niemandem", sagte Winona und ihre Stimme klang besorgt. „Magische Steine bedeuten magische Gier. Magische Gier bedeutet magische Probleme."

„Jetzt mach ich mir auch Sorgen", brummte er leise.

„Solltest du auch", stimmte sie zu.

„Nicht nur deshalb. Ich wollte und durfte hier bleiben, weil wir annahmen, hier könnte mir nichts passieren. Ich dachte, sie könnten mich hier nicht finden."

„Musstest du viel weglaufen bisher?"

„Ja", sagte er traurig. „Von Indien nach Hongkong, von da kurz nach Australien. Vor einem Jahr erst sind wir dann in Schottland angekommen."

„Wow. Du bist ziemlich rumgekommen", sagte sie und klang ein wenig neidisch.

„Ich hätte lieber ein festes zu Hause gehabt", gestand er traurig. „Irgendwo, wo es still ist."

Winona entgegnete daraufhin nichts, wofür er ihr dankbar war. Sicher eine halbe Stunde lang blieben sie beide stumm und spielten mit Tikki. Danach, als es langsam kühl wurde, gingen sie hinein, um in der Großen Halle etwas zu essen. Trotzdem ihm der Nachmittag neue Sorgen beschert hatte, war er doch irgendwie glücklich. Er war sich sicher, seine erste echte Freundin gewonnen zu haben. Ein sehr ungewohntes Gefühl. Er hatte überhaupt noch nie einen Freund in seinem Alter gehabt. Bindungen bedeuteten einen möglichen Verlust der Kontrolle.

„Wir sollten ein wenig über diesen Stein nachforschen", ergriff Winona auf dem Weg zum Essen das Wort. Er stimmte dem zu, wollte aber zunächst einmal sie und sich auf andere Gedanken bringen.

„Vorher haben wir aber Wichtigeres zu tun", sagte er fest.

„Und das wäre?"

„Alec von deinem Sieg über Slytherin erzählen", grinste er verschmitzt.

„Oh ja!", stimmte sie wieder fröhlich zu. „Er muss das unbedingt erfahren."

Toireasa fühlte sich lausig. Okay – ihr Verknoten-Fluch hatte perfekt funktioniert und McNamara blamiert. Sie hatte das genossen. Doch danach war alles schief gegangen. Es war ein dummer Zufall gewesen, dass sich dieses Ravenclaw-Mädchen so gut gegen den Stille-Zauber behaupten konnte und dann auch noch Flitwick in der Nähe war.

Es war von Anfang an dumm gewesen, aber auf Toireasa hatte niemand gehört. Mit einer so großen Übermacht hinzugehen, war absolut dämlich. Man nahm sich so die Möglichkeit zu behaupten, der Muggel wäre der Angreifer gewesen. Außerdem war sie dafür gewesen zu warten, bis McNamara mit seinem Mungo allein war.

„Dein Fluch war vorhin richtig gut", sagte Vivian eben anerkennend. „Sah lustig aus, wie er hinfiel."

Toireasa biss lustlos in ihr Brot. Sie hatte den einfachen Zauber von ihrem Großvater gelernt und hatte ihn eigentlich anders einsetzen wollen. Doch als Regina davon erfahren hatte, war diese der Ansicht gewesen, dass sich zuallererst Toireasa beweisen müsste.

„Ganz toll", antwortete sie zynisch. „Schau doch nur, wie eingeschüchtert die beiden sind."

Sie nickte Richtung Ravenclaw Tisch, wo gerade offensichtlich das Indianermädchen, gestenreich und lachend, die Geschichte ihrer Begegnung erzählte. Inklusive eines Funkenregens aus ihrem Zauberstab, der einige Aufmerksamkeit am Lehrertisch weckte.

„Sie lachen uns aus", stellte Toireasa fest. „Verflucht, dieses Mädchen hat sogar Regina einen Sickel abgenommen und dafür müssen wir ihr auch noch fast dankbar sein! Schließlich hätte sie uns auch verpetzen können. Flitwick wäre durch die Situation leicht zu überzeugen gewesen."

„Du bist so negativ", warf Vivian ihr vor.

„Ach, warum bloß?", hielt sie sich nicht zurück. „Alles geht schief und dann müssen wir auch noch vor dem da kuschen."

„Das hättest du auch nicht besser gemacht."

„Doch!", behauptete sie fest.

„Beweis es", forderte Vivian.

„Gern", stimmte Toireasa sofort zu.

„Gut. Machen wir es so – ich bring für Regina diese Darkcloud dazu, dass sie nach Hause will und du machst dasselbe mit dem Muggel. Hilfe darf jeder annehmen, wer mehr Punkte für unser Haus verliert, zahlt eine Galeone pro Punkt Differenz an den anderen. Schluss ist am ersten November."

„Ich hab kein Gold!", warf Toireasa ein.

„Dann verlierst du deine Eule", passte Vivian die Regeln an.

„Nicht meine Eule!"

„Ich denke, du kannst es besser? Dann besteht doch keine Gefahr, dass du sie verlierst!"

Toireasa fühlte sich herausgefordert und war zornig genug über den Nachmittag, um darauf einzugehen.

„Gut – ich hab gehört, du hast einen Sauberwisch 6 zu Hause? Meine Eule gegen deinen Sauberwisch 6."

„Abgemacht", schlug Vivian ein und grinste. „Ich denke, wir haben ein Schulprojekt."

Für einen Augenblick fragte sich Toireasa, worauf sie sich da eben eingelassen hatte. Sie liebte ihre kleine Eule und wollte sie auf keinen Fall hergeben. Doch sie hatte ihr Wort gegeben und immerhin konnte da auch noch ein guter Sauberwisch für sie herausspringen. Sie musste einfach nur vorsichtig sein. Solange sie keine Punkte abgezogen bekam, war sie auf der sicheren Seite. Irgendwie schien es nicht darum zu gehen, wer Erfolg hatte, sondern wer mehr Mist dabei baute.

Sie beschloss, die Sache sehr überlegt anzugehen und am besten gleich damit anzufangen. Schnell schnappte sie sich noch ein Sandwich, dann stand sie auf und verließ die Große Halle. Ihr Opfer hatte soeben sein Abendbrot beendet und ging – ausnahmsweise mal allein – wieder aus dem Saal. Toireasa hatte nicht vor, ihm jetzt irgendetwas anzutun, sie wollte ihn nur beobachten. Es hatte sie etwas verwundert, wie ruhig – ja fast emotionslos – McNamara vorhin geblieben war. Dem Mädchen hatte man die Besorgnis durchaus angesehen, auch wenn sie nachher ziemlich gefasst und überlegt reagiert hatte.

Mit viel Abstand folgte sie nun McNamara. Es war sehr ratsam unauffällig zu sein, da ein Slytherin relativ wenige Gründe hatte, sich in Richtung Ravenclaw-Turm zu bewegen. Genauso auffällig wäre jeder andere Schüler, der nicht ihrem Haus angehörte, in den Kellergewölben gewesen.

Als er dann die unterste Treppe des Ravenclaw-Turms erreichte, wollte sie eigentlich schon umkehren, als das Ravenclaw-Gespenst – eine wunderschöne junge Frau in klassischen Gewändern, die fast immer ein durchscheinendes Buch las – die Treppe herunter schwebte, McNamara freundlich grüßte und sich dann empört herumdrehte, weil dieser sehenden Auges direkt durch sie hindurch ging.

Toireasa ging hinter einer Ecke in Deckung.

„Das ist ja unerhört", empörte sich die Geisterdame. „Wenigstens entschuldigen solltest du dich!"

Auch McNamara war stehen geblieben. Eine Hand ruhte auf seiner Brust, so als hätte er sich eben sehr erschrocken und er sah sich ziellos um. Toireasa wusste, wie unangenehm es war durch ein Gespenst zu gehen – es war, als würde der Tod nach einem greifen.

„Na, man ist in Ravenclaw im Allgemeinen etwas höflicher!", fuhr die Dame den Jungen an, doch der schien das überhaupt nicht zu registrieren.

„Ist da wer?", hörte sie ihn fragen. Besorgt schaute er sich um. Entweder wollte er die Geisterfrau ärgern oder aber, er konnte sie weder sehen noch hören. Ganz im Gegensatz zu seinem Mungo, der das Gespenst freundlich anbrummte.

„Aber da ist niemand?", sagte McNamara erneut und meinte anscheinend seinen Mungo. Seine Stirn lag in angestrengten Falten.

Auch das Gespenst schien nun zu merken, dass etwas nicht stimmte. Sie streckte die Hand aus und wedelte vor McNamaras Augen herum, der darauf nicht reagierte. Tastend griff er mit seiner Hand aus und das Gespenst tat das Gleiche. Es war, als würde man einem Kleinkind zusehen, das zum ersten Mal Feuer kennen lernt und Angst davor hat. Erst eine kurze Berührung, ein Zurückzucken, dann einen Moment länger und danach eine Art intensives Erforschen. Das ging so mehrere Minuten. Die Gespensterdame streichelte ihm sogar einmal über die Wange, was ihn erschrocken zurückweichen ließ.

„Ähem, entschuldigen Sie bitte", sagte er nach einer Weile. „Ich hoffe, die erste Berührung war für sie nicht so unangenehm, wie sie es für mich war."

In einer archaisch wirkenden Geste verbeugte er sich leicht und setzte dann seinen Weg in den Ravenclaw-Turm fort. Toireasa begab sich schnell auf den Rückweg, um nicht von dem Gespenst gesehen zu werden.

Ein triumphierendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sicher konnte sie sein, dass McNamara keine Gespenster sehen oder hören konnte. Und sie vermutete, dass er auch normalerweise nicht oder nur sehr schlecht sah. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, war es eigentlich so offensichtlich. Wie er sich bewegte, wie er immer anderen folgte, wie er den Kopf neigte, wenn jemand mit ihm sprach. Sein Blick, der immer durch einen hindurch zu schauen schien, die Erlaubnis, sein Tier mit in den Unterricht zu nehmen. Das alles waren eigentlich deutliche Hinweise, die niemand richtig beachtete, weil McNamara sich mit einer solchen Sicherheit bewegte. Eine Sicherheit, die sie auch sofort wieder an ihrer Erkenntnis zweifeln ließ. Sie musste diese Theorie erst einmal testen, bevor sie etwas unternahm. Aber sie hatte zumindest schon mal einen Ansatzpunkt. Es würde sie ein wenig trösten, ihm etwas von dem Leid zukommen zu lassen, das sie seinetwegen ertragen musste.

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