- Kapitel 22 -
Friedensgespräche
Quidditch war die tollste Sache der Welt, wenn man es spielen konnte. Selbst Zuschauen war so schlimm nicht. Normalerweise.
Doch heute war es für Toireasa eine Qual. Slytherin gegen Ravenclaw und das im Januar. Das Stadion lag in prächtigem Weiß und die Zuschauer hielten sich mit heißen Getränken, zaubern und jubeln warm. Nur halt ohne sie.
Toireasa saß auf der Bank vor Hagrids Hütte und schaute zum Quidditch-Stadion. Es war einfach nicht ratsam bei den anderen Zuschauern zu sein. Da sie sich nicht überwinden konnte Malfoy und Flint zuzujubeln, war der Slytherinblock für sie verboten. Natürlich hätte niemand ihr verboten zu den Ravenclaws, Gryffindors oder Hufflepuffs zu gehen, nur das wäre dann wohl zuviel des Guten gewesen. Ihr Selbsterhaltungstrieb hielt sie davon ab, denn beim Quidditch hörte bei vielen der Spaß einfach auf.
Obwohl – gestern hatte sie sich für einen Moment vorgestellt, wie sie eine Ravenclaw-Flagge inmitten sehr erstaunter Slytherins schwang. Wahrscheinlich kam daher der Spruch von wegen – mit wehender Flagge untergehen.
Das Spiel hätte eigentlich vor fünf Minuten beginnen sollen, doch noch immer tat sich nichts. Was sie jedoch nicht weiter verwunderte. Flint wartete in der Hoffnung, das Juckpulver, das er heimlich auf der Bank der Ravenclaws verstreut hatte (dort wo die beiden hervorragenden Treiber immer saßen), würde so besser wirken. Immerhin brauchte das Zeug eine Weile, um sich durch den Stoff der Hose zu drücken. Was Flint jedoch nicht wusste war, dass Toireasa mit ihrem Taschentuch heimlich das Pulver aufgewischt und danach über Hausmeister Filchs Platz ausgeschüttelt hatte.
Auf diese Weise würde es heute ein faires Quidditchspiel geben und gleichzeitig bekam der Hausmeister etwas dafür ab, wie er Tarsuinn jeden Tag mit seinem gezischten – Du schaffst es niemals, Muggel! – verfolgte. Und da sie gerade an den Teufel dachte, da kam er auch schon aus dem Stadion, verlegen an seiner Hose ziehend. Er wirkte sehr motiviert schnell ins Schloss zu kommen. Kurz hinter dem Mann folgte eine deutlich kleinere Gestalt. Doch diese ging nicht zum Schulgebäude zurück, sondern kam direkt auf Toireasa zu. Wenige Sekunden später erkannte sie auch, wer da durch den Schnee stapfte. So bedachtsam setzte nur einer einen Fuß vor den anderen – Tarsuinn.
Seit ihrer kurzen Begegnung an ihrem Geburtstag, hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen. Sie hatte es zwar oft gewollt, war aber immer an ihrer Beklemmung gescheitert. Außerdem hatte er sie auch sicher nicht dazu ermutigt. Toireasa war versucht wegzugehen, aber sie hatte Angst, er würde glauben, sie schäme sich mit ihm gesehen zu werden.
Plötzlich – kurz bevor er die Bank erreichte, blieb er stehen und legte den Kopf leicht schräg.
„Wer immer da sitzt", sagte er. „Darf ich mich dazu setzen?"
„Ja", antwortete sie nach einem harten Schlucken und selbst das brachte sie kaum heraus.
Ein kurzes Zucken in seinem Gesicht verriet ihr, dass er ihre Stimme erkannt hatte. Trotzdem trat er an die Bank heran, schob den Schnee beiseite und setzte sich dann. Seinen Mungo hatte er nicht mit dabei und doch bewegte er sich fast so sicher, als könne er sehen.
Wenige Minuten danach konnte das Spiel endlich beginnen, weil – wie dieser Lee Jordan, der alle Spiele kommentierte, anmerkte – sich die Slytherins endlich von ihrer warmen Kabine hatten trennen können.
Und es war eine durchaus erwärmende Angelegenheit, wie Toireasa trotz der eingeschränkten Sicht von außerhalb des Stadions feststellen konnte. Es war gleich zu Beginn klar, dass die Slytherins dank ihrer sieben Nimbus 2001 technisch überlegen waren. Doch wo die Gryffindors noch versucht hatten mit Können gegenzuhalten und dank des besseren Suchers auch noch gewannen, setzten die Ravenclaws klar auf eine Verteidigungstaktik. Sie versuchten gar nicht erst den Slytherins über das gesamte Feld hinweg den Quaffel abzujagen, stattdessen verteidigten sie nahe des Torraumes mit allen Kräften und zwei sehr geschickten Treibern. Sobald sie dann den Quaffel den Slytherins abgejagt hatten, stießen alle Jäger und Treiber gleichzeitig und in enger Formation vor und versuchten jeden Angreifer abzublocken. So wie es aussah, funktionierte dies recht gut, denn der Punktestand beider Mannschaften erhöhte sich ziemlich gleichmäßig, wenn auch ungewohnt langsam. Plötzlich sah Toireasa, Malfoy hinab ins Stadion tauchen.
Inzwischen fieberte sie so mit, dass sie aufsprang, so als ob ihr das helfen würde, um über die Zuschauertribünen ins Stadion hineinzusehen. Der Ravenclaw-Sucher war natürlich Malfoy gefolgt, doch wenige Sekunden später tauchten beide unverrichteter Dinge wieder auf und begannen hoch über dem Spielfeld zu kreisen. Toireasa setzte sich wieder.
„Warum bist du nicht im Stadion?", fragte die ruhige Stimme Tarsuinns plötzlich neugierig.
„Bin kein Slytherin-Fan", antwortete sie.
„Ahh", brummte er.
Er nickte, als würde er verstehen. Wahrscheinlich tat er das auch. Bei seinem guten Gehör musste er einfach einige Gespräche zwischen Slytherins mitbekommen haben, die sich um Toireasa drehten.
„Und warum du nicht?", erkundigte sie sich nach einer Weile. Das Spiel verbiss sich gerade in einer unschönen Pattsituation.
„Zu laut", antwortete er ebenso kurz, wie sie zuvor.
Auch das war selbsterklärend.
Danach verfolgten sie wieder das Spiel. Nicht, dass es viel zu verpassen gab. Die Partie hatte sich festgelaufen, beziehungsweise festgefroren. Eine halbe Stunde später gab es eine Auszeit, welche die Slytherins gefordert hatten. Nach Toireasas Ansicht viel zu spät. Im Laufe der letzten Viertelstunde war überdeutlich geworden, dass die Ravenclaws ihre Gegner langsam kräftemäßig zermürbten und deshalb verdient mit fünfzig Punkten in Führung lagen.
„Warum benutzt du dann keinen Ohrenschützer?", nutzte Toireasa die Pause, schaute aber nicht zur Seite.
„Dann kann ich dem Spiel nicht mehr folgen", erklärte er.
„Willst du damit sagen, du kannst die Spieler auf diese Entfernung hören?", fragte sie verblüfft. Dass er so gut hörte, konnte selbst sie nicht glauben. Und schließlich hatte sie heimlich intensive Testreihen an ihm durchgeführt.
„Diese Nimbus 2001 klingen irgendwie anders und außerdem rufen sich die Spieler ziemlich viel zu."
„Aber der Krach von den Zuschauern?", staunte sie noch immer.
„Was sich nicht bewegt...", lächelte er verhalten, „…wird ausgeblendet."
„War es Tikki auch zu laut?"
„Ne. Ihr ist es schlicht und einfach zu kalt."
Sein zaghaftes Lächeln wurde etwas offener.
„Wie geht es Keyx?", stellte er nun seinerseits eine Frage.
„Laut Tante Glenn gut. In acht Tagen ist er wieder mein."
„Freut mich", sagte er und versank erneut in Schweigen, da die Auszeit vorbei war.
Eine Zeit lang holte Slytherin wieder auf, ging sogar kurzzeitig in Führung, nur um nach einigen Minuten wieder langsam nachzulassen. Flint hatte offensichtlich kein richtiges Konzept gefunden. Die einzige taktische Änderung war vielleicht, dass seine Treiber öfter mal versuchten den Ravenclaw-Sucher auszuschalten, was aber angesichts der besseren Treiber auf der Gegenseite vergebliche Mühe war.
„Ich hab gehört, du hättest ein paar Probleme in Slytherin und mit deiner Familie", sagte Tarsuinn unvermittelt – mitten in einer heißen Phase des Spiels. Beinahe wäre Toireasa vor Schreck von der Bank gerutscht.
„Das muss dich nicht kümmern", wehrte sie ab und fragte sich, wie sie überhaupt darauf kam, es könne ihn berühren.
„Winona sagt, du wärst mir verpflichtet?", gab er ihr keine Möglichkeit, sich von der ersten überraschenden Frage zu erholen.
„So sehe ich das."
„Könntest du das bitte vergessen, wenn ich dich jetzt um etwas bitte?", fragte er vollkommen ernst.
„Ich kann nichts versprechen", gab sie sich vorsichtig.
Das überzeugte ihn offensichtlich nicht wirklich und er kaute nachdenklich auf seinen Lippen.
„Hagrid ist voll des Lobes über deine Fähigkeiten im Umgang mit Tieren", stellte er vorsichtig fest, wobei sie sich jetzt zum zweiten Mal fragte, warum ihn das interessierte.
„Ich helf ihm manchmal. Das ist alles", schränkte sie ein.
„Das qualifiziert dich schon", bemerkte er und atmete tief durch. „Okay – ich brauche geisterresistente Bücherwürmer und ich bitte dich, mir welche zu züchten! Meine Versuche sind allesamt fehlgeschlagen."
Das Spiel war vergessen, die Welt war vergessen, Toireasas Verstand konnte man für einen Moment vergessen. Sie starrte den blinden Jungen nur entsetzt an.
„Die sind illegal!", schnappte sie nach einer Weile atemlos. „Und wenn Madame Pince davon Wind bekommt, schafft es maximal unser Staub nach Askaban."
„Wenn kein Unfall passiert, wird niemand in Hogwarts etwas davon mitbekommen", versprach er. „Ich will die Bücherwürmer jemand anderem…ähm…zukommen lassen."
„Ich hab aber keine Ahnung von Bücherwürmern!"
„Das passende Buch hab ich!"
„Und die Würmer?"
„Hab ein paar."
„Was ist mit den Büchern, die die als Nahrung brauchen?"
„Professor Lockhart stellt ein paar seiner Werke für wohltätige Zwecke zur Verfügung."
„Weiß er davon?", grinste Toireasa für einen Moment.
„Keine Ahnung. Ich schätze – nach Wissen hungernde, aber arme Wesen, auf der Suche nach der Nahrung ihres Geistes – war eine recht ungenaue Beschreibung. Oh – Ravenclaw führt mit hundert Punkten."
Toireasa schaute hoch zum Spiel und dann zur Uhr. Schon über achtzig Minuten. Soweit sie gehört hatte, war das für Hogwarts eine ungewöhnlich lange Spielzeit.
„Weißt du…", sagte Toireasa nach einer Weile des Zuschauens, „…was immer du vorhast, vielleicht würde ich dir besser helfen, wenn ich das Dumbledore oder Flitwick sage."
„Mag sein…", sagte er und seine Lippen zuckten amüsiert, „…ich habe aber nur gesagt, ich würde dich bitten mir zu helfen. Dein Stillschweigen würde ich notfalls aber auch erpressen."
„Und wie?", erkundigte sie sich neugierig.
„Soweit habe ich im Moment noch nicht nachgedacht", gab er zu.
„Du könntest drohen, dass deine Freundin meinen Zauberstab zerbricht", schlug Toireasa vor.
„Oh – gute Idee. Aber schwierig umzusetzen. Winona würde ihn dir als Dank wahrscheinlich wiedergeben, wenn du mich verpetzt."
„Das wäre schon wieder eine Überlegung wert."
„Ja – aber wo bliebe dann der Spaß? Das kindliche Rebellieren gegen die Ordnung?"
„Ist mir im Verbotenen Wald verloren gegangen", sagte sie ernst.
„Gut. Dann anders – kann ich dir mit etwas helfen? Du könntest ja wieder auf mir rumhacken, dann hast du es sicher leichter mit deinem Haus."
Das brachte Toireasa auf einen Gedanken.
„Ich will das Gegenteil!", sagte sie.
„Ich soll auf dir rumhacken?", runzelte er die Stirn. „Bezweifle, dass ich das überzeugend kann."
„Nein – ich…", den Gedanken zu fassen und ihn auszusprechen waren zwei verschiedene Paar Schuhe, „…ich hätte gern, dass alle glauben, wir würden uns gut verstehen."
„Alle sollen annehmen wir wären Freunde?", fragte er verblüfft.
„Um ehrlich zu sein…", und jetzt schluckte sie schwer, „…es würde mich nicht stören, wenn wir wirklich gut miteinander auskämen. Wie damals im Express."
Nachdenklich hielt er den Kopf gesenkt. Dann drehte er den Kopf zu ihr und es war fast so, als würde er sie richtig anschauen.
„Darf ich mir Keyx ab und zu mal ausleihen?", fragte er und sie erkannte das indirekte Angebot. Trotzdem sah er nicht gerade freundlich aus. Eher so, als würde er sich intensiv nach dem Warum fragen.
„Bevor er das Post ausfliegen verlernt, warum nicht?!", nahm sie an.
„Gott verflucht noch mal!", entfuhr es Tarsuinn, was Toireasa für einen Moment verwirrte, doch der tobende Beifall und die Buh-Rufe vom Stadion waren Erklärung genug.
„Wer hat gewonnen?", wollte sie wissen.
„Slytherin. Malfoy hat den Schnatz gefangen. 340:360!"
Wieder legte er den Kopf leicht schräg.
„Viele sind der Ansicht ein Foul gesehen zu haben."
„Würde mich nicht wundern, wenn das stimmt", kommentierte Toireasa zynisch. „Für Flint ist es nur dann ein Foul, wenn es der Schiedsrichter bemerkt."
„Auch wenn es alle Zuschauer sehen?"
„Zuschauer gehören offiziell nicht zum Spiel. Egal was die sehen, es zählt nicht."
„Blödes Spiel!", brummte er. „Der Schnatz ist zu viel wert."
„Wenn du es spielen könntest, wärst du anderer Ansicht."
„Mag sein. Aber trotzdem finde ich es unfair, dass die Arbeit von sechs Spielern so wenig wert ist."
„Das System hat sich seit Jahrhunderten bewährt. Du solltest mal Quidditch im Wandel der Zeiten lesen."
„Mach ich. Aber zunächst…"
Er rückte auf der Bank etwas auf Toireasa zu.
„…sollten wir in deinem Sinne einen leicht vertrauten Eindruck erwecken. Denkst du das reicht von der Nähe her? Siegestrunkene Slytherins werden gleich hier vorbeiziehen."
„Nur nicht gleich beim ersten Mal übertreiben", gab Toireasa zu bedenken. „Ich will ja nicht, dass deine Freundin eifersüchtig wird und mir meinen Zauberstab niemals wieder zurückgibt."
Verstehend nickte er und so saßen sie still nebeneinander und warteten. Zunächst kamen nur wenige Zuschauer und vor allem Nicht-Slytherins aus dem Stadion. Alle diskutierten sie, mehr oder weniger laut, das Spiel. Tarsuinn schien angestrengt zu lauschen und auch Toireasa spitzte die Ohren. Doch wenig später gab sie den Versuch auf und schaute besorgt auf eine stille Schar Ravenclaws, die sich ihnen näherte. Einige schienen recht wütend zu sein, ein Gemütszustand, der Toireasa etwas besorgt machte. Wut und Zorn hatten die unschöne Angewohnheit, sich an den Greifbaren und Schwachen abzureagieren. Sie hatte es ja genauso gemacht. Aber es war zu spät, um sich unauffällig abzusetzen, und so war sie wenige Augenblicke später von rund dreißig Ravenclaws aller Altersstufen umgeben. Sie hatte das Gefühl, jeder würde sie anstarren, aber das täuschte – Tarsuinn war der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
„War es nun ein Foul oder nicht?", fragte Tarsuinn, nachdem niemand etwas sagte.
Keiner antwortete, doch die ernsten Mienen entspannten sich etwas. Dann hob Darkcloud einen Arm und als sie ihn ruckartig wieder senkte, schallte ein lautes – Happy Birthday – über den Schnee. Amüsiert beobachtete Toireasa, wie der so geehrte Junge erschrocken zurückschreckte. Anscheinend hatten es die Ravenclaws geschafft, ihn vollkommen im Dunkeln über ihr Vorhaben zu lassen.
„Auf dass du ein Zauberer wirst!", sagte Darkcloud nach dem Lied.
„Auf dass du dem Krankenflügel fern bleibst", kam von einem Jungen weiter hinten.
„Und darauf, dass du den Negativrekord nicht schaffst!", bemerkte ein älteres Mädchen mit dem Abzeichen eines Vertrauensschülers.
„Ich geb mir Mühe", versprach Tarsuinn, dessen Gesicht rot wie eine Tomate geworden war.
„Da sind wir uns sicher, vor allem da wir dich heute so unter Druck setzen", lachte ein Junge.
„So – und jetzt hast du drei Wünsche frei", lachte Winona. „Und keine Tricks. Rica hat Luna und mir erzählt, dass du immer sehr ungewöhnliche Wünsche hast."
„Das kommt alles so überraschend", antwortete Tarsuinn nachdenklich. „Und am liebsten würde ich die da…", er deutete angewidert in Richtung Stadion, aus dem gerade eine jubilierende Menge von Slytherins kam (mit Malfoy auf den Schultern), „…unter einer Unmenge Schnee begraben – aber dann würden wir wie schlechte Verlierer aussehen und Punkte abgezogen bekommen. Aber…"
„Also Lust hätte ich schon!", brummte ein Junge im blauen Quidditchdress der Ravenclaws.
„…aber ich denke, eine riesige Schneeballschlacht heute Abend würde es auch tun."
„Das ist alles?", fragte verblüfft ein unbekanntes Mädchen.
„Auf Besen", ergänzte Tarsuinn.
„Oh."
„Und irgendwer nimmt mich mit."
„Schwierig!"
„Und gefährlich!"
„Aber mein Wunsch", grinste Tarsuinn jetzt.
„Ich glaub, Gary aus der Sechsten von den Hufflepuffs hat nen zweisitzigen Besen. Vielleicht borgt er ihn uns", sagte ein älterer Junge. „Oder macht sogar mit."
„Vielleicht sollte mitmachen wer will?", fragte Tarsuinn. „Ich weiß nicht, aber könnte das Spaß machen? Viele Leute, heißer Punsch und geröstete Esskastanien?"
„Das solltet ihr nicht machen", mischte sich Toireasa leise ein und in ihrem Magen zog sich alles zusammen, als die vielen Augenpaare auf sie schwenkten. „Wenn ihr alle einladet, würden auch Slytherins kommen und es gibt ein paar, die sich bemühen werden, euch die Sache zu vermiesen."
„Du bist doch auch Slytherin!", hielt ein pausbäckiges Mädchen ihr vor.
„Und deshalb kann ich es euch vorhersagen", erklärte Toireasa.
„Du willst uns doch nur die Sache vermiesen", zischte das Mädchen jedoch. „Die werden doch sicher alle in ihrem Kerker allein feiern."
„Sie hat schon Recht", sagte die Vertrauensschülerin mit Blick auf die jubelnden Slytherins, die den Ravenclaws höhnisch zuwinkten. „Das Risiko besteht durchaus."
„Es sei denn, ein Lehrer wäre dabei", fiel Toireasa plötzlich ein.
„Gute Idee", lächelte Tarsuinn sie an. „Ich frag Professor Snape."
Für einen Moment herrschte geschockte Stille.
„Das machst du nicht!", keuchte die Vertrauensschülerin.
„Aber sicher doch", kicherte Tarsuinn. „Gibt es was Schöneres als das Gefühl, Snape vom Besen geschossen zu haben? Wenn ich es mir recht überlege – ich sollte auch noch Lockhart fragen."
„Ich dachte eher an Professor Flitwick", sagte die Vertrauensschülerin verzweifelt.
„Natürlich", grinste Tarsuinn noch immer frech. „Den kannst du auch fragen."
„Ein wenig Musik dazu wäre auch lustig", meinte ein kleiner, schmächtiger Junge. „Ich könnte was organisieren, Fliegen ist eh nicht mein Ding."
„Ich helf dir", bot sich das pausbäckige Mädchen an.
„Wir besorgen den Punsch und andere warme Leckereien."
„Ich frag Madame Hooch, ob wir das Quidditchfeld und die Schulbesen für die Erstklässler haben können."
„Wir brauchen aber auch Licht, wenn wir das am Abend machen."
„Einige Lumos Zauber auf den Tribünen könnten helfen."
„Und ein paar Lagerfeuer zum Aufwärmen und Grillen."
„Ähem – jetzt übertreibt ihr aber", fand Tarsuinn. „Was ist, wenn niemand kommt?"
„Dann sagen wir halt, jeder soll was mitbringen! Das verhindert Überversorgung."
„Das sollten wir aber vor dem Essen bekannt geben, nicht dass alle voll gefuttert sind."
„Na dann machen wir es doch so", entschied die Vertrauensschülerin. „Ich red mit den Schulsprechern und den Vertrauensschülern. Professor Flitwick…"
„…übernehme ich", bot Toireasa an.
„Flitwick ist unser Hauslehrer!", fuhr das dicke Mädchen sie erneut an.
„Genau, was geht das dich überhaupt an?", ergänzte ein Junge feindselig.
„Toireasa ist okay", mischte sich Tarsuinn ein, bevor Toireasa scharf antworten konnte. „Sie ist ein Ravenclaw-Fan beim Quidditch. Sie hat wirklich die ganze Zeit mit unserer Mannschaft gefiebert."
„Echt?", der Junge aus der Ravenclaw-Mannschaft klang überrascht und vielleicht auch etwas geschmeichelt.
„Ja", bestätigte Toireasa schlicht.
„Dann will ich nichts gesagt haben", lächelte der unfreundliche Junge etwas beschämt. „Nichts für ungut, aber das Foul zum Schluss…"
„Schon vergessen", beschwichtigte Toireasa.
„Na dann – Toireasa, nicht wahr – redet mit Professor Flitwick. Das mit der Musik, Madame Hooch, das Essen und die Zauber übernehmen die, die sich dafür gemeldet haben. Der Rest hilft wo er kann und macht etwas Werbung. Lasst uns zeigen, dass Ravenclaws trotz einer Niederlage zu feiern wissen."
„Genau", rief der Junge im Quidditchdress trotzig. „Denn eigentlich haben wir gewonnen und das können wir auch zeigen."
„Na, warum steht ihr dann noch hier rum. Los geht's!", scheuchte die Vertrauensschülerin die Ravenclaws auf. Befehlen schien ihr zu liegen.
Die Schülerschar zerstreute sich schnell und nach wenigen Minuten standen nur noch Toireasa, Tarsuinn und das Mädchen namens Lovegood an der Bank.
„Der Feind des Wunsches ist der Wunsch selbst", orakelte das Mädchen seltsam.
„Wem sagst du das, Luna?", kicherte Tarsuinn. „Eigentlich wollte ich ja nur wissen, wie es ist, auf einem Besen zu fliegen."
„Bescheidenheit hat nur selten jemanden umgebracht, die Gier dafür umso häufiger", fuhr das Luna-Mädchen fort. Toireasa fand sie recht seltsam. Selbst wenn man von ihren Worten absah, ihr verträumter Blick passte so überhaupt nicht zu den aggressiv aussehenden Ravenclaw-Adlern, die sie sich auf ihre Wangen gemalt hatte.
„War das eben Kritik?"
Tarsuinn schien das seltsame Wesen des Mädchens überhaupt nicht zu stören, denn er lächelte nur freundschaftlich.
„Wenn du das so siehst, dann hast du es begriffen", kommentierte das Mädchen ernst. „Erst wollen sie, dass du nicht mehr in den Krankenflügel kommst und dann tun sie alles dafür, um dich wieder hereinzubekommen. Ich werde mit Madame Pomfrey sprechen, damit sie vor Ort ist, wenn du herunter fällst."
Damit machte auch sie sich auf den Weg zum Schloss.
„Heh!", rief Tarsuinn ihr nach. „Es ist doch noch gar nicht raus, dass ich runterfalle."
Von dem Mädchen erfolgte keine Reaktion.
„Man sollte doch meinen, sie könnte wenigstens ein bisschen Vertrauen heucheln", brummte Tarsuinn. „Nicht war, Toireasa?"
„Wahrscheinlich hat sie einen guten Grund", meinte Toireasa.
„Ich bin noch nie vom Besen gefallen!", empörte Tarsuinn sich amüsiert.
„Nur mangels Gelegenheit, vermute ich."
„Ich bin von Feinden umgeben", schüttelte er den Kopf und ging langsam Richtung Schule. „Kommst du mit?", lud er Toireasa ein, als diese stehen blieb.
Mit ein paar schnellen Schritten schloss sie erfreut auf. Irgendwie fühlte sie sich befangen. Er behandelte sie so…so normal. Sie hatte nicht das Gefühl, das verdient zu haben und trotzdem genoss sie es. Zwei Monate ohne richtig mit jemandem in ihrem Alter reden zu können, hatten deutliche Spuren hinterlassen. Selbst die Ablehnung einiger Ravenclaws war ihr willkommener, als die Abscheu, die ihr viele Slytherins entgegenbrachten.
„Ich wünschte, ich hätte solche Feinde wie du", murmelte sie traurig.
„Du bist auf dem besten Wege dahin, dir welche zu machen", erklärte er ihr. „Luna hätte sonst niemals ihre Weisheiten in deiner Gegenwart zum Besten gegeben."
Sie erreichten das Schloss und erst jetzt bemerkte Toireasa, wie kalt ihr doch eigentlich war.
„Ich glaub gehört zu haben, dass Flitwick in seinem Raum ist", sagte Tarsuinn. „Ich schätze, ich werd Snape im Kerker finden."
„Du willst wirklich den Professor fragen, ob er bei einer Schneeballschlacht mitmacht?", staunte Toireasa.
„Natürlich nicht!", lachte Tarsuinn. „Ich wollt ihn fragen, ob er als Zielscheibe herhalten könnte. Das würde uns fünfzig Prozent mehr motivierte Teilnehmer bringen, da wette ich drauf."
„Ich bezweifle, dass irgendwer es wagen würde, einen Schneeball zu werfen!", bemerkte Toireasa ernsthaft.
„Also ich kenn schon einen", freute ihr Begleiter sich. „Du schätzt einfach Professor Snape falsch ein. Unter seiner harten Schale befindet sich ein mitfühlendes, weichherziges und liebevolles Wesen…oh, guten Abend, Professor."
Toireasa zuckte erschrocken zusammen, sah sich im Gehen um, sah jedoch nirgends die dunkle Gestalt des Professors. Augenblicke später bog sie mit Tarsuinn um eine Ecke und stieß fast mit dem dort stehenden Snape zusammen.
Sie unterdrückte einen Schrei und wenn Professor Snape sie so angesehen hätte, wie er jetzt Tarsuinn ansah, dann wäre sie umgehend geflüchtet. Der blinde Junge jedoch strahlte den Professor mit solch einer naiven Freundlichkeit an, dass sie nur gespielt sein konnte. Manchmal konnte man ihn um seine Blindheit fast beneiden.
„Wir haben Sie gesucht, Professor", erklärte Tarsuinn begeistert.
„So?", fragte Snape gedehnt und ein bedrohliches Vibrieren klang durch den Flur. Ein kurzer vernichtender Blick traf nun auch Toireasa und plötzlich wünschte sie sich doch etwas mehr Abstand zu dem Jungen.
„Wirklich!", strahlte Tarsuinn. „Wir wollen eine kleine Feier draußen organisieren und Ihre Anwesenheit würde der Sache die Krone aufsetzen. Sie sollten aber Ihren neuen Besen mitbringen."
Professor Snape sah aus, als würde er überlegen, wie er am besten und unauffällig die Leichen zweier Schüler entsorgen konnte.
„Machen Sie sich über mich lustig, McNamara?", fragte ihr Hauslehrer mit mühsam ruhig gehaltener Stimme.
„Würde ich nie in Ihrer Anwesenheit wagen!", erklärte der Junge in vollkommen unschuldigem Ton. Toireasa wollte einige Schritte zurücktreten, doch ihre Füße waren wie festgefroren. Sicher sah Snape das Entsetzen in ihrem Gesicht und würde sie verschonen.
„Das geht zu weit!", zischte Snape eisig. „Miss Davian-Keary – Sie haben sicher anderweitig etwas zu tun. McNamara – in mein Büro!"
„Nur Keary", korrigierte Toireasa automatisch, doch ihr Einwurf wurde ignoriert.
Snape war schon unterwegs, Tarsuinn folgte. Erstaunt sah Toireasa, wie der Junge ihr bedeutete zu folgen und obwohl sie an ihrem Verstand zweifelte – Snape gegen sich aufzubringen war nicht gerade ihr erklärtes Hauptziel – schlich sie den beiden hinterher. Bei Snapes Büro bedeutete Tarsuinn ihr sich zu verstecken und ging dann dem Professor nach. Die Tür knallte zu und Toireasa huschte in den Schatten einer Statue. Angestrengt versuchte sie zu erlauschen, was in Snapes Büro gesprochen wurde, doch leider waren beide nicht sonderlich laut und die Tür sehr dick.
Fünf Minuten später flog die Tür auf und Professor Snape stürmte mit wehendem Umhang hinaus.
„Sie warten hier, McNamara", rief er noch laut, knallte die Tür zu und stürmte davon.
Toireasa verkroch sich tief hinter ihrer Statue. Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür ein weiteres Mal, diesmal deutlich vorsichtiger.
„Toireasa?", flüsterte Tarsuinn und sein Kopf schob sich nach draußen.
„Hier!"
„Komm bitte schnell her. Ich darf hier nicht raus."
Sie eilte zu ihm und er drückte ihr einige dünn gefaltete Stücke Pergament in die Hand.
„Verwahre das bitte für mich und hau fix hier ab. Ich schätze, wenn Snape dieses Buch wieder findet, wird der Schutzzauber ihm sagen, dass irgendwer was kopiert hat."
„Du bringst mich in Teufels Küche", flüsterte sie und verstaute die Blätter in ihrem Umhang.
„Geht nicht – da bin ich gerade drin", kicherte er. „Geh am besten jetzt zu Professor Flitwick und gib das bitte Winona."
„Du hast ihn nur deshalb provoziert?", fragte sie, obwohl sie so schnell wie möglich weg wollte.
„Aber nicht doch – ich wollte nicht auf eine solche Stimmungskanone verzichten. Was dachtest du denn?"
„Du bist verrückter als dieses Luna-Mädchen, ist dir das klar?", zischte sie.
„Und du bekommst bald richtig Ärger, wenn du nicht gleich verschwindest. Dumbledore und Snape sind im Anmarsch. Am besten verschwindest du erst mal in die Richtung."
Dann schloss er wieder die Tür und Toireasa sah zu, wie sie sich möglichst leise und schnell vom Tatort entfernte.
Der Kerl hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank, fluchte sie dabei innerlich. Professor Snape zu provozieren und zu beklauen! Wie bescheuert musste man denn sein? Und dazu kam auch noch, dass es Toireasa gefallen hatte. Nicht, dass sie frei von Schuldgefühlen war, aber die Aufregung, die Anspannung und das Gefühl entwischt zu sein, erzeugte ein ziemliches Hochgefühl. Ob das ein Erbteil von ihren Eltern war? Sie hatte sich schon bei den Einhörnern so gefühlt, nur hatte dies eben mehr Spaß gemacht. Und jetzt – mit etwas Abstand von Professor Snape – fand sie Tarsuinns Worte gegen Snape sogar recht lustig, obwohl sie sich fragte, was der Junge gesagt hatte, das Professor Dumbledores Anwesenheit erforderte.
Ein wenig beunruhigt darüber, suchte sie zunächst nach Winona, um so schnell wie möglich das gefährliche Material loszuwerden. Sie las nicht mal, was Tarsuinn da kopiert hatte. Es brauchte glücklicherweise nicht lange, das Mädchen mit dem Zopf zu finden. Die Ravenclaws schienen den gesamten Frust ihrer Niederlage in das Projekt zu stecken. Sie zauberten und schleppten volle Kessel und Holz nach draußen und eine Gruppe Erstklässler – geführt von Madame Hooch – trug die Schulbesen zum Quidditchfeld.
Und unter ihnen fand sie auch Winona. Energisch zog Toireasa heimlich das leicht widerstrebende Mädchen beiseite und gab ihr unauffällig die Pergamente.
„Von Tarsuinn", flüsterte sie zur Erklärung, dann machte sie sich auf die Suche nach Professor Flitwick. Irgendwann fand sie einen Gryffindor, der den Professor ins Lehrerzimmer hatte gehen sehen.
So klopfte sie halt da an und bekam auch ein „Herein!" von der Stimme Professor McGonagalls zur Antwort. Etwas unentschlossen öffnete sie die Tür einen kopfbreiten Spalt.
„Ich suche Professor Flitwick, Professor McGonagall. Haben Sie ihn zufällig gesehen?", fragte Toireasa und schaute sich interessiert in dem ihr bisher unbekannten Raum um.
„Ich bin hier, Toireasa", meldete sich Professor Flitwick mit seiner Piepsstimme und seine kleine Hand winkte hinter einem Stapel Bücher hervor. „Komm doch herein."
Toireasa folgte der Aufforderung und verschloss leise die Tür. Unter dem interessierten Blick von Professor McGonagall ging sie um den Tisch herum, so dass sie den kleinen Professor hinter seinem riesigen Buch sehen konnte.
„Was kann ich für dich tun?", fragte Flitwick – Filius, ermahnte sie sich – freundlich. Toireasa schaute fast automatisch zu Professor McGonagall, ob sie die vertrauliche Anrede bemerkte und warf dem kleinen Professor warnende Blicke zu. Filius verstand sofort.
„Kein Grund zur Heimlichkeit", kicherte er. „Alle Lehrer, die länger als elf Jahre hier sind, wissen darüber Bescheid. Und um gleich deine Frage vorweg zu nehmen, Professor Snape ist erst Ende 1981 zu uns gestoßen."
Leicht beruhigt nickte Toireasa und bei Professor McGonagall zeigte sich vorübergehend so etwas Ähnliches, wie ein Lächeln.
„Also noch mal. Wie kann ich dir helfen oder ist es eine Sache für vier Ohren?", fragte der kleine Professor erneut.
„Es ist nichts Geheimes", lächelte Toireasa, denn Flitwick zwinkerte ihr so verschwörerisch zu, als wollte er die ganze Welt auf etwas äußerst Geheimes aufmerksam machen. „Und genau genommen ist es auch eine Frage an Professor McGonagall. Und zwar wollen die Ravenclaws einen Geburtstagswunsch erfüllen und das beinhaltet eine Einladung an alle."
„Oh…", Professor Flitwick klatschte begeistert in die Hände. „Tarsuinn bekommt eine Geburtstagsparty. Wie schön!"
Er klappte das dicke Buch vor seiner Nase zu – für den kleinen Zauberer ein nicht unerheblicher Kraftakt – und sprang vom Stuhl.
„Wo wird das stattfinden?", erkundigte er sich. „Ich kann sicher bei den Vorbereitungen helfen. Es muss etwas Klingendes sein, damit er was davon hat. Ach, ich liebe es zu dekorieren!"
„Da Madame Hooch anscheinend keine Einwände hatte, auf dem Quidditchfeld", erklärte Toireasa.
„Draußen? Bei der Kälte?", staunte Flitwick.
„Auf dem Quidditchfeld?", erkundigte sich Professor McGonagall etwas befremdet.
„Na ja", zierte Toireasa sich etwas mit der Erklärung. Die Professorin galt nicht gerade als besonders vergnügungssüchtig. „Tarsuinns Wunsch war nicht direkt eine Party. Das ergab sich einfach so."
„Und welchen Wunsch hatte er genau?", forschte McGonagall mit ihrem unnachgiebigen Blick.
„Er wollte eine große Schneeballschlacht…", begann sie fest und fügte gemurmelt hinzu, „…auf Besen."
„Noch mal, bitte!", verlangte Professor McGonagall. „Ich hab nicht richtig verstanden."
„Eine Schneeballschlacht auf Besen hat er sich gewünscht", antwortete Toireasa jetzt etwas deutlicher.
„Eine interessante Idee", sagte Professor Flitwick, wobei jedoch sein Enthusiasmus ein wenig gedämpft schien. „Aber auch etwas gefährlich."
„Sehr gefährlich!", bemerkte McGonagall wie befürchtet. „Soweit ich weiß, kann McNamara nicht allein fliegen und zu zweit auf einem Besen zu sitzen, ist schon beim normalen Fliegen recht unsicher."
„Es gibt einen Hufflepuff, der hat einen Zweisitzer, Professor", beeilte sich Toireasa einzuwerfen. „Das ist genauso sicher, wenn nicht gar noch sicherer als ein Rennbesen!"
„Vielleicht", zweifelte Professor McGonagall.
„Dann sollten wir hingehen und das Schlimmste verhindern, Minerva", sagte Flitwick. „Es ist eindeutig, dass dieser jugendliche Übermut etwas Kontrolle braucht."
„Ja, ja", stimmte die Hexe schicksalsergeben zu und rollte gespielt übertrieben die Augen. „Sie zündeln, ich lösche. Wie immer!"
„Wir sind ein gutes Team", grinste Flitwick. „Aber das sollte Sie nicht hindern, auch ein wenig Spaß…"
Die Tür zum Lehrerzimmer öffnete sich und Tarsuinn wurde von Professor Snape recht unsanft hereingeschubst. Hintenan folgte Professor Dumbledore mit einem recht unergründlichen Gesichtsausdruck. Nicht besonders ernst, aber auch nicht wirklich belustigt.
„Gut, Miss Davian-Keary ist auch hier", sagte Snape zur Begrüßung.
„Nur Keary", korrigierte Toireasa zum zweiten Mal und wurde erneut übergangen.
„Her damit!", forderte Snape kühl und streckte Toireasa die Hand entgegen.
Wie jedes Kind in einer solchen Situation reagierte sie vollkommen natürlich – sie stellte sich erst mal dumm.
„Was meinen Sie, Professor?", fragte sie unschuldig.
„Mein Buch! Her damit!", befahl er nachdrücklich.
Toireasa unterdrückte ein Lächeln, da Tarsuinn anscheinend das Buch gut versteckt hatte, und schaute sich gespielt verwirrt um.
„Ich habe kein Buch von Ihnen", erklärte sie wahrheitsgemäß. „Es sei denn, eines der Bücher, die ich aus der Bibliothek habe, gehört…"
„Nein. Ich meine das, welches McNamara Ihnen gegeben hat", erklärte Snape selbstsicher.
„Ich hab Ihnen nichts gestohlen!", mischte Tarsuinn sich ein und diesmal klang seine Stimme, als wäre er in seiner Ehre verletzt.
Im Grunde genommen hatte er ja auch nichts gestohlen, nur etwas aus einem – anscheinend verbotenen – Buch kopiert.
„Taschen ausleeren!", forderte Snape jetzt.
„Professor Snape", ließ sich jetzt Flitwicks Stimme vernehmen. „Sie mögen zwar wissen, warum Sie McNamara und Keary wie Verbrecher behandeln, aber weder Professor McGonagall noch mir erschließt sich, was hier vorgeht."
Das brachte dem kleinen Zauberer einen vernichtenden Blick ein, jedoch brachte es auch Snape dazu, sich wieder etwas zu beruhigen.
„Natürlich, Professor", sagte Snape, ein wenig von oben herab. „McNamara hat – wahrscheinlich, weil er die Niederlage im Quidditch heute nicht verkraftet hat – sich äußerst unhöflich mir gegenüber verhalten. Sein Benehmen war fast beleidigend. Ich maßregelte ihn in meinem Büro, musste dann jedoch kurz etwas erledigen und befahl ihm dort zu bleiben. Als ich zurückkam, fehlte eines meiner wertvollsten Bücher. Taschen ausräumen, habe ich gesagt, Miss Davian-Keary!"
„Nur Keary", wiederholte Toireasa zum dritten Mal, räumte aber ihre Taschen aus, wobei sie sich bei ihrem Schutzengel bedankte, der sie zuerst das Ravenclaw-Mädchen hatte treffen lassen. Kaum waren ihre Taschen leer, bedeutete Snape ihr wortlos alles wieder einzupacken.
„Was sagen Sie dazu, Mr McNamara?", erkundigte sich Flitwick.
„Das hat keinen Zweck!", erklärte Snape an Stelle des Jungen.
„Nun, Professor", entgegnete Professor Flitwick freundlich. „Ich glaube, jeder hat das Recht auf eine Verteidigung. Sie nicht mehr?"
Snape entgegnete nichts auf die Frage.
„Also, Mr McNamara", setzte Flitwick erneut an. „Würden Sie mir bitte mitteilen, womit Sie Professor Snape so beleidigt haben?"
„Ich weiß es nicht", erklärte Tarsuinn düster und Toireasa wusste, dass er log. „Ich habe keine einzige Beleidigung ausgesprochen!"
Das wiederum stimmte. Mit Worten hatte er Professor Snape wirklich nicht beleidigt. Dieser Seiltanz zwischen Lüge und Wahrheit faszinierte Toireasa gegen ihren Willen.
„Der Ton macht die Musik", erklärte Snape eisig.
Tarsuinns Gesicht bekam einen angewiderten Gesichtsausdruck.
„Es tut mir ja schon Leid, dass ich vermutet habe, Sie könnten innerlich ein mitfühlendes, weichherziges und liebevolles Wesen sein und sich deshalb über eine Einladung zu einer Party freuen. Mein Irrtum!", zischte Tarsuinn bösartig. „Und was Ihr Buch angeht – ich hab es nicht gestohlen und auch niemand anderem gegeben. Und wenn Sie es mir nicht glauben, was hält Sie davon ab noch mal in meine Erinn…"
„Ich denke, das reicht jetzt", mischte sich Professor Dumbledore ruhig ein und darüber war Toireasa sehr froh. Sie hatte bisher geglaubt, Tarsuinns Augen wären leblos, doch für einen kurzen Moment war da ein irres Flackern aus Hass und Angst gewesen, das überhaupt nicht zu dem beherrschten und fast immer freundlichen Jungen passte. Doch mit Dumbledores Worten war das Flackern verschwunden. Toireasa sah verstohlen in die Gesichter der Lehrer, ob sie es auch gesehen hatten. Nun – Professor Dumbledore bestimmt. Seine Augen blickten recht besorgt auf den Jungen. Professor Snape sicher auch, denn er schwieg zu dem Ausbruch. Auch McGonagall und Flitwick runzelten die Stirn, aber zumindest die Lehrerin für Verwandlungen hatte nur den Rücken Tarsuinns zu sehen bekommen.
„Sie haben Mr McNamara für seinen Ton eine Strafarbeit gegeben, Professor Snape?", fragte Dumbledore freundlich.
„Ja, Direktor!", erwiderte Snape unerwartet respektvoll.
„Gut. Ich bin mir sicher, das Buch ist nur nach hinten gerutscht und wird sich bald wieder finden. Alles andere haben wir ja schon geklärt. Professor Flitwick? Möchten Sie zusätzliche Maßnahmen ergreifen?"
„Nicht im Moment", schüttelte Flitwick den Kopf und nur Toireasa konnte aufgrund ihrer geringen Größe erkennen, wie der kleine Zauberer ein Lächeln vor den anderen Lehrern verbarg. „Ich vermisse auch immer Bücher, bis ich merke, dass ich auf ihnen stehe."
Toireasa verbarg ein Lachen in einem Schnauben und bemerkte zu ihrer Verwunderung, wie auch Professor McGonagalls Mundwinkel sich nach oben zogen.
Nur Professor Snape schien sich nicht zu amüsieren.
„Wenn Sie mich entschuldigen, Direktor? Professor McGonagall?", fragte er kühl und als niemand etwas sagte, verließ er ohne einen Gruß den Raum.
Einen Moment herrschte Schweigen im Raum, dann flegelte – eine anderes Wort passte einfach nicht – sich Professor Dumbledore auf einen der Stühle und legte seine Füße so auf einen weiteren Stuhl, dass er den direkten Weg zur Tür versperrte.
„So", sagte Dumbledore ernst und Toireasa brachte reflexartig einen Stuhl zwischen sich und den Direktor. „Habt ihr beiden gedacht ich merke nicht, was hinter meinem Rücken abläuft? So eine Niedertracht! Ihr solltet euch schämen."
Geradezu traurig schaute er Toireasa in die Augen, so dass sie schuldbewusst den Blick senken musste.
„Eine Party zu organisieren…", fuhr Dumbledore fort, „…und dann alle, bis auf die Lehrer, einzuladen, ist äußerst ungehörig! Ja, verletzend."
„Also, wir hier wurden eingeladen", kicherte Flitwick.
„Professor Snape habe ich auch gefragt", fügte Tarsuinn vollkommen ruhig hinzu, so als würde er eine Pizza bestellen und nicht den Direktor von Hogwarts vor den Kopf stoßen.
„Natürlich wollten wir Sie auch noch einladen", versicherte Toireasa schnell, was Dumbledore ein Lächeln entlockte.
„So, so. Und das soll mich jetzt besänftigen?", fragte er und erst jetzt begriff Toireasa, dass der Direktor es gar nicht ernst meinte.
„Ein Mann voll innerer Größe, so wie Sie es sind, wird uns sicher verzeihen und unsere Entschuldigung annehmen", sagte Tarsuinn.
„Geht das auch in einem nicht so sarkastischen Ton?", lachte Dumbledore. „Langsam beginne ich Professor Snape zu verstehen."
„Dann sind Sie der Einzige!", sagte Tarsuinn zynisch.
„Tarsuinn!", tadelte der Direktor den Jungen mild. „Du verdankst Professor Snape einiges."
„Ich weiß", erwiderte er, ernsthafter diesmal. „Und nicht nur ich."
„Schön, dass du begriffen hast", lächelte der Direktor. „Und jetzt raus ihr beiden. Reicht es nicht, uns innerhalb der Woche Ärger zu machen?"
Toireasa ergriff die Gelegenheit – und Tarsuinn am Umhang – und sah zu, dass sie das Lehrerzimmer möglichst schnell verließen.
Sie zog ihn um einige Ecken, bis er einfach stehen blieb und sich mit der Stirn gegen die Wand lehnte. Irgendwie wirkte er plötzlich ziemlich mitgenommen und sein Atem ging schwer.
„Alles okay?", fragte sie besorgt.
„Geht schon", sagte er und sie konnte sehen, wie er sich zusammen riss. „Snape weiß einfach…ach egal. Ist schon vorbei."
Er entfernte sich etwas von der Wand und rieb sich über die Stirn.
„Ich schätze, ich sollte mich waschen gehen", sagte er. „Wir sehen uns nachher, okay?"
„Ja, okay", stimmte sie zu und sah zu, wie er davon ging.
Doch dann wandte er sich noch einmal um.
„Dank dir", sagte er ernsthaft und seine Mundwinkel zogen sich zaghaft nach oben. „War sehr mutig von dir."
Die Party am Abend war dann größtenteils ein Erfolg. Toireasa war erstaunt, als sie fast die halbe Schülerschaft am Abend im Quidditch-Stadion antraf. Sie war sehr beeindruckt, was alles auf die Beine gestellt worden war. Feuer brannten hell und warm in einem Schacht aus Schnee, der hitzeunempfindlich gezaubert worden war. Mehrere Kessel mit Punsch waren am Brodeln und man konnte auch kleine Steaks und Kartoffeln auf Spießen heiß machen. Zusätzlich zu den Feuern hatte Professor Sinistra, die Astronomieprofessorin, die Lichter der Sterne etwas verstärkt, um das Stadion genügend auszuleuchten, damit die Schneeballschlachten – von epischem Ausmaß – genug Licht hatten.
Madame Hooch organisierte das. So als hätte sie das vorhergesehen, hatte sie Regeln entwickelt, die Chaos und Gefahr erheblich einschränkten. Vorsichtshalber waren auch noch einige Meter Schnee von Professor Flitwick aufgeschüttet worden. Das sorgte dafür, dass alle Abstürze ohne jeden Schaden ausgingen – was eigentlich erstaunlich war. Toireasa hatte mehrere Runden der Schneeball-Luftschlacht in zusammengewürfelten Teams mitgespielt, hatte viel Spaß gehabt und wäre dabei selbst beinahe ein paar Mal abgestürzt oder hatte böse Zusammenstöße verhindern müssen.
Großes Vergnügen machte es jedoch auch Tarsuinn, das war ihm deutlich anzusehen. Der Sechstklässler aus Hufflepuff hatte zwar nicht seinen zweisitzigen Besen geborgt, aber dafür flog er selbst mit Tarsuinn und es machte ihnen offensichtlich beiden viel Spaß. Zumindest nach dem Jauchzen zu urteilen, das der kleine Junge bei einigen waghalsigen Manövern ausstieß. Dass er kaum in der Lage war einen Schneeball aus dem Transportkorb unter dem Besen zu nehmen, geschweige denn irgendjemanden damit zu treffen, schien ihn überhaupt nicht zu stören. Auch dass von den fünf Abstürzen drei auf seine Kappe gingen, hemmte seinen Enthusiasmus in keinster Weise.
Aber auch andere lustige Sachen gab es zu sehen. Zum Beispiel hatte Professor Flitwick alle Erstklässler zu einer Wingardium-Leviosa-Schneeballschlacht herausgefordert. Dies war zwar der unverhohlene Versuch, vor allem die Schüler zu motivieren, die noch immer nicht richtig mit dem Zauber zu Recht kamen, trotzdem war es ein großer Spaß, gegen einen erwachsenen Zauberer eine Art Duell zu führen. Frustrierend war nur, dass es niemandem gelang, den kleinen Professor zu erwischen, während man selbst gnadenlos eingeseift wurde. Zumindest verstand Toireasa jetzt, warum es Gerüchte gab, dass der Professor mal ein überragender Duellkämpfer gewesen wäre.
Professor McGonagall andererseits hatte sich der Schüler angenommen, die nicht unbedingt an Schneeballschlachten interessiert waren. Sie zeigte, wie man mit einfachen Zaubern Schneeskulpturen erschuf und am Ende hauchte sie unter tosenden Beifall den schönsten Vier, mit einen kurzen Schnippen ihrer Zauberstabes, kurzzeitig Leben ein und ließ sie herumspazieren.
Aber in Toireasas Augen setzte Professor Dumbledore allem die Krone auf. Nicht, dass er irgendetwas Besonderes machte. Er war einfach nur da und verbreitete gute Laune. Redete mal mit dem einen, mal mit dem anderen, beschwor einen kleinen Schneesturm herauf, als er der Ansicht war, Professor Flitwick fehle etwas Weiß an der Kleidung und verteilte Süßigkeiten in Massen. Außerdem verhinderte er hinterrücks, dass die beiden rothaarigen Zwillinge, die Toireasas Geburtstag schon zu einem schönen Erlebnis gemacht hatten, heimlich ein wenig Alkohol in den Punsch mischten. Nur zur medizinischen Vorsorge, wie sie beide lachend beteuerten, als Madame Pomfrey ihre Nasen in den Schnee stippte.
Es war wirklich ein schöner Abend. Vor allem weil…
„Hallo, Toireasa", erklang eine Stimme hinter ihr und ließ sie zusammen zucken.
Langsam drehte sie sich herum und erblickte vier Schüler ihres eigenen Hauses. Allen voran William aus ihrer Klasse und Terence, den Sucher des letzten Jahres.
„Hallo", grüßte sie mit eingefrorenem Lächeln.
„Wir haben einen kleinen Revanchekampf mit den Ravenclaws ausgehandelt", lächelte William unsicher. „Und uns fehlt noch ein Spieler…hättest du nicht Lust?"
Ihr klappte die Kinnlade herunter.
„Ich wollt…wirklich?", stammelte sie verblüfft und konnte es nicht fassen.
„Wenn du dich nicht so verkriechen würdest, dann wüsstest du, dass dich nicht jeder verachtet", erklärte Terence entschieden.
„Blaise und Miriam hier…", William deutete auf die zwei Mädchen, „…sehen das ähnlich – oder zumindest nicht so eng."
Die beiden Mädchen nickten ihr freundlich zu. Miriam war Toireasas Jahrgang, Blaise ein Jahr älter.
„Wart ihr es, die mir ab und zu die Hausaufgaben unter der Tür durchgeschoben haben?", fragte sie interessiert.
„Manchmal", gab William grinsend zu. „In Kräuterkunde bist du echt mies. Aber ich hab auch Aidan schon dabei erwischt."
„Wirklich?", kam Toireasa kaum noch aus dem Staunen heraus.
„Ja! Erst vorgestern."
„Wow – damit hab ich nicht gerechnet", gestand Toireasa.
„Starrsinn macht blind! Wusstet du das nicht?", lachte William.
Fast unwillkürlich musste Toireasa zu Tarsuinn sehen. Doch sie schüttelte die düsteren Gedanken ab und danach machte sie sich daran, den Ravenclaws eine faire Niederlage zu bereiten.
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