- Kapitel 23 -

Eine grosse Dummheit

Montag war eigentlich ein wirklich abwechslungsreicher Schultag für die Ravenclaws und wäre nicht die letzte Stunde Zaubertränke gewesen, dann sicher auch einer der schönsten.

Tarsuinn hingegen mochte Zaubertränke, nur Snape halt nicht. Vor allem, wenn dieser mieser drauf war als üblich. Natürlich war Tarsuinn schuld. Winona hatte ihm einen ziemlich langen Vortrag über sein überstürztes und unkluges Handeln gehalten. Und dann auch noch einer Slytherin zu vertrauen! Wie dämlich musste man denn dazu sein?!

Zugeben musste er, es war wirklich keiner seiner helleren Momente gewesen Snape zu provozieren und ihn auf die Sache mit dem neuen Besen hinzuweisen. Dass Snape deshalb besorgt war, ihn verhörte und daraufhin Dumbledore holen würde, war jedoch kalte Berechnung gewesen. Leider hatte er vergessen, dass Snape sehr gut wusste, wie er Tarsuinn provozieren konnte und er hatte nur mit Mühe die Beherrschung behalten. Snape war verflucht neugierig und Tarsuinn fürchtete sich ein wenig davor, nach der Stunde allein dem Zaubertranklehrer seine Stundenarbeit vorzulegen. Dazu kam auch noch der Strafaufsatz über die Herstellung eines Schutzsteins. Sechs Fuß lang und, wie ihm einige ältere Ravenclaws versichert hatten, niemand hatte je von diesen Stein gehört. Zunächst war Tarsuinn davon ausgegangen, dass Snape ihn mit dieser Aufgabe unbedingt versagen lassen wollte, doch dann hatte er das Buch über Artefakte aus der Verbotenen Abteilung zur Hand genommen und mehr als zwanzig Seiten zu diesem Thema gefunden. Woher aber wusste Snape, dass Tarsuinn dieses spezielle Buch besaß? Konnte es sein, dass…? Nein! Professor Dumbledore hatte es Tarsuinn gegeben und musste es Snape gesagt haben. Doch warum?

Zunächst hatte er dann das Ganze als Zufall abgetan und war davon ausgegangen, dass Snape ihm einfach eine unlösbar scheinende Aufgabe hatte geben wollen.

Doch während der Arbeit – die ihm den gesamten freien Sonntag versaut hatte – war er immer unsicherer geworden. Nicht, dass er wirklich begriffen hatte, auf welchen Theorien und Wechselwirkungen die Funktion eines Schutzsteins beruhte, dazu fehlte ihm einfach das Grundwissen und das Verständnis, aber zumindest wusste er nun, was dieser Stein bewirken konnte und wie man ihn herstellte. Doch warum wollte Snape, dass Tarsuinn sich mit einem Artefakt beschäftigte, das eine Zeit lang Schutz gegen Zauber bot, die Erinnerungen verändern konnten? Irgendwie wusste Tarsuinn nicht mehr, was er glauben sollte. Snape hatte ihn fast bis zur Weißglut gereizt, als sie allein im Büro gewesen waren, und jetzt in der Zaubertrankstunde drangsalierte er sämtliche Ravenclaws, während er die Hufflepuffs diesmal vollkommen in Ruhe ließ. An Tarsuinn verschwendete er jedoch wie immer kein Wort.

Als dann endlich das ersehnte Klingeln die Qual beendete und Snape ihnen einen dicken Packen Hausaufgaben schenkte, begann für Tarsuinn das große Zittern.

„Könntest du draußen warten", bat er Winona. „Nur damit er meine Leiche nicht ohne Zeugen entsorgen kann."

„Verdient hättest du es", antwortete das Mädchen flüsternd, klang aber auch ein wenig mitleidig. „Augen zu und durch! Wird schon so schlimm nicht werden."

„Du erbst alles was mir gehört", erklärte er – nur für den Fall des Falles – und schlich sich langsam vor zum Lehrertisch.

Er wartete, bis der letzte Schüler den Raum verlassen hatte, dann legte er Snape seinen Trank aus dieser Stunde, seinen Standard-zwei-Ellen-Aufsatz über den Trank der letzten Stunde und die Strafarbeit vor.

„Unterirdisch", urteilte Snape, nachdem er den Strafaufsatz gelesen hatte.

„Also kein ZAG?", rutschte es Tarsuinn heraus und sofort biss er sich auf die Lippe.

Idiot!, schalt er sich selbst. Das war wieder absolut unnötig.

Doch zu seiner Überraschung hörte er so etwas wie ein amüsiertes Schnauben von Snape.

„Wenn man glaubt nichts mehr verlieren zu können, dann ist man immun gegen Strafarbeiten, nicht wahr?", fragte der Professor in einem Tonfall, der bei ihm fast als freundlich gelten konnte.

Diesmal zuckte Tarsuinn lieber nur mit den Schultern. Er misstraute seinem Mundwerk zutiefst.

„Sie haben aus meinem Buch einige Passagen abgeschrieben", unterstellte Snape noch immer mit ruhiger, ja fast überlegener, Stimme. „Und aus irgendeinem Grund wussten Sie auch, dass ein Zauber mir dies sagen würde, und haben deshalb das Buch versteckt, um davon abzulenken."

Tarsuinn würdigte den Professor keiner Antwort. Schließlich hatte er damit gerechnet, dass dieser davon erfuhr. Abstreiten war sinnlos, aber gestehen wollte Tarsuinn auch nicht.

„Sie werden mir die Abschrift aushändigen", verlangte Snape.

„Hab ich nicht", log Tarsuinn.

„Wer hat sie dann?"

„Vergessen."

„Ich könnte Ravenclaw fünfzig Punkte abziehen!", drohte der Professor und seine Stimme hatte wieder seine übliche Schärfe.

Ungerührt zuckte Tarsuinn nur mit den Schultern. Sollte Snape doch! Ob Ravenclaw nun verlor weil er vierzig oder neunzig Punkte abgezogen bekam, störte ihn jetzt auch nicht mehr.

„Ihnen egal? Wie wäre es mit hundert?"

Das Penelope und den anderen zu erklären würde sicher schwer werden, aber je mehr Punkte Snape ihm abzog, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass sich die anderen Lehrer einmischen würden.

„Schon traurig, McNamara. Wie Sie die verraten, die eine so große Geburtstagsparty für Sie organisiert haben. Waren Sie jemals wirklich ein Teil des Hauses Ravenclaw?"

Tarsuinns Kiefer spannten sich. Snapes Worte waren ein ziemlicher Schlag unter die Gürtellinie gewesen. Ravenclaw war ein zu Hause für Tarsuinn geworden, solange er nicht bei Rica sein konnte. Es ihm zu nehmen, wenn auch nur mit Worten, war herzlos.

„Das einzuschätzen fehlt Ihnen die Objektivität", flüsterte Tarsuinn so ruhig er konnte.

Es war eindeutig, Snape wollte wieder seine Kontrolle brechen.

„Dann helfen Sie doch meiner Objektivität auf die Sprünge. Was ist für einen Schüler wichtiger als sein Haus? Die Familie? Warum dann aber Hilfsmittel für und gegen Geister lesen? Wie man ein Geist wird, steht da nicht drin und doch war etwas interessant genug für Sie, um es abzuschreiben! Was war es?"

„Schauen Sie doch nach", bot Tarsuinn mit leicht zittriger Stimme an. „Sie kennen ja den Weg. Am Alptraum vorbei, gleich links."

„Nun – ich dachte da eher an Veritaserum", kommentierte Snape überlegen das Angebot.

Doch damit konnte er Tarsuinn nicht kommen.

„Die Benutzung von Veritaserum wurde durch die Richtlinien des Ministeriums von 1985 stark eingeschränkt. Sein Gebrauch ist nur zulässig mit der Zustimmung des Zaubereiministers, eines Gerichtes oder des Vorsitzenden des Zauberergamots."

„Wem sollten Sie es sagen? Erst das Veritaserum, dann drei Tropfen von einem Vergessenstrank und niemand wird es erfahren."

Damit hatte Snape natürlich Recht, wobei er sich vielleicht auch irrte. Je nachdem, ob Winona an der Tür lauschte.

„Also – Wahrheit oder Serum, Sie haben die Wahl, Mr McNamara!"

Damit steckte Tarsuinn in einer Zwickmühle. Wenn er Snape erzählen würde, wozu er die Tränke aus dem Buch brauchte, würde der Zaubertrank-Lehrer sich die Hütte im Verbotenen Wald anschauen und von allen Personen aus Hogwarts, die Tarsuinn ganz sicher da nicht sehen wollte, stand Snape ganz oben auf der Liste.

„Ich hab nach einer Möglichkeit gesucht einen Geist eine Zeit lang zu fangen oder zu kontrollieren", erklärte Tarsuinn langsam und nutzte die Zeit, um sich eine plausible Lüge auszudenken.

„Wozu?"

„Ich wollte Slytherin das Foulspiel vom Quidditch heimzahlen", log er. Wenn er Snape richtig einschätzte, dann war es wohl am besten dessen Paranoia in Bezug auf Verschwörungen nachzugeben.

„Wie das?", erkundigte sich Snape auch recht interessiert.

„Peeves sucht schon lange eine Möglichkeit, dem Roten Baron einige Demütigungen heimzuzahlen. Ich wollte den Baron eine Weile festsetzen, auf dass Peeves sich im Slytherin-Kerker austoben kann."

„Ist das alles?", forschte der Professor.

„Na ja – und ich hoffte natürlich, er würde seinen Streifzug auf Ihr Büro ausdehnen."

„Wer hat Ihnen dabei geholfen?", fragte Snape kalt nach.

„Niemand!", versicherte Tarsuinn.

„Lüg nicht!", fauchte Snape und klang endlich so wie immer.

„Auch wenn Sie behaupten, ich wäre kein Ravenclaw", freute sich Tarsuinn über den Klang in der Stimme des Professors. „Ich bin ein Ravenclaw und deshalb werden Sie nur eines von mir hören – ich war es allein."

„Nun, wenn Sie es allein waren, dann ist es wohl an der Zeit, Sie auch allein zu strafen. Dabei gehe ich davon aus, dass sie allein zu viert waren. Was bedeutet, ich beschränke Sie vier Wochen auf den Unterricht, die Große Halle und Ihren Gemeinschaftsraum. Sie werden vier Strafaufsätze schreiben und sich vier Mal am Samstagmorgen hier unten zu Strafarbeiten einfinden. Natürlich verliert Ravenclaw auch Punkte, aber nur dreißig, da Sie Ihren Plan nicht ausführen werden. Sollte er jedoch doch noch umgesetzt werden, dann werden es einhundert Punkte sein."

Snape war ja so was von gnädig und fair! Sicher würde man ihn irgendwann zum Richter berufen, vielleicht hatten sie in China noch eine Stelle frei für ihn.

„Und jetzt – aus meinen Augen, McNamara. Ihr Anblick widert mich an", zischte Snape zum Abschied.

Tarsuinn ging ohne ein Wort, da er Angst hatte, sein Zorn über die Bestrafung könnte seine Erleichterung darüber verraten, dass Snape sein Geflunker akzeptiert hatte.

Draußen wartete Winona.

„Du musst dich beschweren", sagte sie ungehalten, nachdem sie aus der bedrückenden Atmosphäre der Kerker entkommen waren. Tikki pflichtete ihr lautstark bei. „Das ist vollkommen übertrieben!"

„Lieber nicht", entgegnete er und bedeutete ihr leiser zu sein. „Er hat die Story geschluckt und Ravenclaw nur dreißig Punkte abgezogen. Wenn Flitwick oder Dumbledore da mit rein gezogen werden, könnten sie die richtigen Fragen stellen und auch wenn ich Snape belügen kann, die beiden finden die Lücken in meiner Geschichte."

„Dann erzähl es ihnen einfach", erklärte Winona zum wiederholten Mal in diesen Tagen.

„Du kannst ja aussteigen", bot Tarsuinn kühl an.

„Keine Chance. So einfach wirst du mich nicht los", fauchte sie. „Allein bist du vollkommen aufgeschmissen!"

Damit hatte sie natürlich Recht, doch Tarsuinn ließ sich nicht erweichen, egal wie schwer Snape ihm das Leben machte und Winona ihm ins Gewissen redete.

Zumindest hatte er dadurch kaum noch Freizeit. Snape müllte ihn die nächsten vier Wochen derartig mit Arbeiten zu, dass er trotz seines schlafmangelbedingten 20-Stunden-Tages das Pensum kaum schaffte. Schließlich musste er die Zaubertränke aus Snapes Buch auch noch brauen. Dabei ahnte wohl nicht mal Snape, wie viel er, dank einer Kopierfeder von Luna, hatte abschreiben können. Das Ding war wirklich praktisch. Da diese Feder – laut Hausmeister Filchs Liste – ein illegaler Gegenstand war, hatte Luna sie ihm auch nur ungern und leihweise überlassen, ohne zu wissen worum es ging. Anscheinend war das Mädchen auch ein wenig beleidigt darüber nicht eingeweiht zu werden. Aber Tarsuinn war der Ansicht, dass es schon reichte, dass Winona sich nicht heraushalten ließ.

In den wenigen Stunden, in denen es für ihn mal nichts zu tun gab, las er im Gemeinschaftsraum – mit Teddy (dem Geschenk von den Lovegoods) und Tikki in den Armen – sein Buch: Für das Auge das nicht sieht. Das Beste war, dass man für einige der Übungen keinerlei Zauberkräfte brauchte. So glaubte er inzwischen, dass er viel besser Magie erfühlen, hören oder schmecken konnte. Wobei er nicht wirklich erklären konnte, wie er es machte. Tikki und er hatten ein Spiel daraus gemacht. Tikki versteckte den Feuerrubin irgendwo im Ravenclaw-Turm und Tarsuinn versuchte ihn dann zu finden. Seit einer Woche war seine Fehlerquote dabei nahezu Null.

Im Moment ruhte der Rubin jedoch sicher in einem kleinen Netz aus hauchdünnen Silberketten ruhend, an einer Kette um seinen Hals, die ein Geburtstagsgeschenk von Winona war. Seine Vertrautheit mit dem Rubin war sogar so stark geworden, dass er fühlte wie seine Kraft anschwoll, wenn Toireasa in der Nähe war. Das war etwas, was er sich nicht wirklich erklären konnte. Er wagte es nicht den Stein hervorzuholen, wenn das Slytherin-Mädchen in seiner Nähe war, um von Winona zu hören, ob er auch leuchtete. Dazu vertraute er Toireasa nicht genug.

Trotzdem musste er zugeben, es fiel ihm immer leichter mit ihr umzugehen. Es war keine Verstellung mehr, wenn er sie zur Begrüßung anlächelte. Selbst Winona, die es nicht schaffte sonderlich freundlich gegenüber dem Slytherin-Mädchen zu sein, musste zugeben, dass diese sehr gute Arbeit mit den Bücherwürmern leistete. Inzwischen hatte sie einige Stämme gezüchtet, die mehr als zwanzig Minuten der Berührung eines Geistes widerstehen konnten. Laut Tarsuinns Schätzung konnte das ausreichen. Nachdem er heute die letzte Strafarbeit bei Snape hinter sich gebracht hatte und morgen die Ausgangssperre endete, konnte Tarsuinn mit der Umsetzung seines Plans beginnen.

Wie immer wollte er gerade das Kapitel – Krankheiten und das Leben damit – überspringen, als ihn das Buch überredete doch damit fortzufahren. Eigentlich mochte er die ausführlichen Beschreibungen und Bilder von leidenden Menschen ja nicht – er musste dann immer sofort an Rica denken – doch diesmal ließ er sich von den Bitten des Buches erweichen. Wenig begeistert las er eine Passage über Verstümmelungen und mögliche Prothesen und überflog gerade einen Abschnitt über die Todespest der Sinne, als ein paar Worte seine Aufmerksamkeit erregten.

der Sinnestod ist eine heute fast vollständig ausgerottete Zaubererkrankheit und selbst wenn eine Infektion erfolgt, ist sie sehr gut heilbar.

Die Krankheit hat einen festen und gut erkennbaren Verlauf und sie tötet nicht den Zauberer oder die Hexe, sondern nur dessen Sinne. Die Reihenfolge ist dabei immer die Gleiche. Erst das magische Sehen, dann das Sehen und das magische Hören. Daraufhin das Hören und das magische Riechen, gefolgt vom Riechen und dem Schmecken von Magie. Folgerichtig sterben zuletzt der Geschmacksinn und magisches und weltliches Fühlen. Sind alle Sinne abgestorben, endet die Krankheit und in den meisten Fällen wird der Erkrankte ohne seine Sinne wahnsinnig und man sollte ihm ein schnelles und gnädiges Ende bereiten. Er wird keinen Schmerz empfinden.

Doch diese Fälle sind höchst selten geworden. Erstens, weil der Zauberer oder die Hexe schon früh bemerken, wie Geister und Zauber immer blasser werden und zweitens, weil die Tränke eine fast sofortige Heilung garantieren und den Sinn wieder herstellen, sofern dieser noch nicht vollständig abgetötet wurde. So kommt es, dass es nur selten Fälle von magischer Blindheit gibt, mit der man jedoch gut leben und deren Behinderung man mit speziellen Übungen ausgleichen kann.

Einzige traurige Ausnahme ist – und es könnte ein Grund sein, weshalb Sie dieses Buch lesen – wenn diese Krankheit bei Kindern im Säuglingsalter auftritt. Diese können sich nicht äußern und so hängt es von der Aufmerksamkeit der Eltern ab, ob die Krankheit rechtzeitig bemerkt wird und wie viele Sinne sie kostet. Aus diesem Grund empfehlen viele Ärzte, regelmäßig vor den Augen der Kleinkinder mit Lichtzaubern zu experimentieren und die Augenbewegungen des Kindes zu beobachten. Ein Hausgespenst ist in dieser Beziehung zur Früherkennung auch sehr nützlich. Durch solche Maßnahmen sind ernsthafte Erkrankungen zum Glück recht selten geworden, was jedoch auch dazu führt, dass es immer wieder junge Eltern gibt, welche die Gefahren nicht kennen oder sich ihrer nicht bewusst sind.

Leider ist es niemals möglich, die normalen Sinne jemals wieder herzustellen. Nur die magischen können durch starke Reize und Training wieder auf ein normales Level gebracht werden, solange man Geduld und Ausdauer beweist…

Tarsuinn klappte das Buch heftig zusammen, so dass Tikki erschrocken aufsprang und ihn anschimpfte, weil er sie beim Dösen gestört hatte. Er nahm sie auf die Schulter und ging zum Ausgang des Turmes.

„Halt!", hielt Penelope ihn sofort auf. „Du hast heute und morgen noch Arrest."

„Ich will zu Madame Pomfrey", erklärte Tarsuinn. „Das ist sicher nicht verboten, oder?"

„Geht es dir nicht gut?", erkundigte sich die Vertrauensschülerin und fügte kühl hinzu: „Oder ist das nur eine Ausrede, um noch mehr Ärger zu machen?"

„Wenn ich Ärger machen wollte…", fuhr er sie böse an, „…dann würde ich einfach warten bis ihr alle schlaft und dann gehen."

„Und wenn ich Wachen aufstellen müsste", fauchte sie. „Für einen richtigen Ravenclaw…"

„Was?!", fauchte Tarsuinn sie an.

Snapes Worte hallten plötzlich unangenehm in seinem Kopf wieder.

„…wäre es einfach beschämend, dem Haus so viel Schande zu bereiten", beendete Penelope den Satz. „Außerdem würde er versuchen seinen Fehler mit herausragenden Leistungen wieder gut zu machen. Aber du hast es nicht mal versucht."

„Ich hatte Wichtigeres im Kopf!", sagte er, sich wohl bewusst, dass ihnen viele andere Schüler still zuhörten.

„Deine Schwester kann es nicht sein, denn der schreibst du kaum…"

Tarsuinn Hände hatten sich zornig geballt – es ging Penelope nichts an, dass er nur wenig Zeit hatte Rica zu schreiben. Am liebsten hätte er der Vertrauensschülerin…dann hörte er schnelle Schritte und es knallte schallend.

„Wage es nicht noch einmal ihm das zu unterstellen", erklang Winonas wutverzerrte Stimme. „Und wenn Tarsuinn uns sagt, er will zu Madame Pomfrey, dann will er das auch!"

Einen langen Augenblick war es still im Raum.

„Du hast mich geschlagen", stammelte Penelope leise.

„Ja, zum Teufel!", bestätigte Winona kampfeslustig. „Was ist nur los mit dir, Penelope?! Ist dir so ein blödes, glänzendes Trinkgefäß wirklich so wichtig? Und wenn ja – warum bist du dann zu dämlich, um auf den Gedanken zu kommen, ihn einfach zu Madame Pomfrey zu begleiten? Eine richtige Vertrauensschülerin, die nicht nur die Fehler bei anderen sieht, würde das nämlich tun und darum entschuldige mich bitte – ich bringe Tarsuinn an deiner Stelle zu Madame Pomfrey!"

Winona hakte sich bei Tarsuinn unter und zog ihn energisch aus dem Gemeinschaftsraum. Einige Flure entfernt erst schaffte es Tarsuinn ein leises – Danke! – zu murmeln.

„Keine Ursache", sagte Winona und klang immer noch gereizt. „In den letzten vier Wochen hat sie ab und zu laut darüber nachgedacht, dass man uns eigentlich deine Minuspunkte erlassen müsste und dass wir ohne dich mit Abstand führen würden und da dachte ich, es ist besser für sie, wenn ich die Beherrschung verliere, anstatt du. Sie ist so doof."

„Aber vielleicht hat sie ja Recht?", flüsterte er.

„Red dir nicht so einen Mist ein", fluchte Winona, blieb stehen und schüttelte ihn ein wenig. „Okay – du kostest uns Punkte, aber nur die dreißig Punkte aus dem Januar hattest du wirklich verdient und das wissen die meisten."

„Und was ist mit den fünfzig fürs illegale Brauen?", fragte er, nicht sehr überzeugt.

„Das hätte jeder von uns auch gemacht, verdammt. Im Grunde sind wir alle dumm uns davon beeinflussen zu lassen. Genau das will doch Snape, dass wir uns gegenseitig zerfleischen, statt Punkte zu machen. Schließlich sind wir trotz all der Abzüge immer noch knapp hinter Gryffindor und Slytherin, was glaubst du, wie ihn das wurmt. Dieses Ekel weiß genau, dass wir das beste Haus sind und er nimmt dich nur als Vorwand…"

„So, so! Wer ist denn hier im Flur, obwohl ihm das verboten ist", krächzte die Stimme des Hausmeisters plötzlich, weit vom Ende des Flures her. „Bleibt wo ihr seid."

Wahrscheinlich wollte er bedrohlich klingen und Tarsuinn war auch wirklich zusammengezuckt, denn er war so unkonzentriert gewesen, dass er den Mann nicht gehört hatte, doch Winona war so in Fahrt, dass sie keinerlei Zeichen für Angst zeigte.

„Wir sind auf dem Weg in den Krankenflügel!", fuhr sie Filch an und zog Tarsuinn hinter sich her, in die Richtung des Mannes.

„Vorher werde ich euch zu Professor Snape bringen", freute der Hausmeister sich. „Ich denke das wird ihn…"

„Sie können Professor Snape meinetwegen Bescheid sagen. Wir warten dann auf Sie im Krankenflügel. Aber bis dahin gehen Sie uns aus der Richtung!", erklärte Winona kampfeslustig.

„Das werden wir doch seh…steck den Stab weg, Gör. Das Zaubern ist in den Fluren verboten."

„Gehen Sie doch zu Professor Snape sich ausweinen", zischte Winona gefährlich und hätte sie Tarsuinn gegenübergestanden, er wäre zur Seite getreten. Anscheinend sah Filch das genauso, denn Sekunden später wurde Tarsuinn weiter gezogen.

„Wieso darfst du unhöflich und unbeherrscht sein?", fragte er bewundernd, aber auch ein wenig geschockt. Den Hausmeister zu bedrohen, war schon ein starkes Stück.

„Weil ich einen Zauberstab habe und ich nicht versuche Menschen zu erdolchen, wenn ich ausflippe!", erklärte sie ernst.

„Ich bezweifle, dass Filch den Unterschied bemerkt hätte", kommentierte er trocken.

„Oh ja. Sein Gesichtsausdruck war zum Schießen komisch, aber eigentlich dachte ich, er holt seinen Zauberstab raus und klatscht mich an die Wand."

„Hätte ich auch gedacht", gestand Tarsuinn und lauschte. „Vielleicht sollten wir uns beeilen, um noch vor Snape im Krankenflügel zu sein? Filch ruft ziemlich laut nach ihm."

Sie rannten los und erreichten recht kurzatmig den Krankenflügel, da einige der beweglichen Treppen sich einen Spaß mit ihnen erlaubt hatten.

Madame Pomfrey schien sie fast erwartet zu haben.

„Na?", fragte sie. „Welchen Notfall haben wir denn diesmal…oh, Mr McNamara, Sie und Ihr Tier können diesmal ja selbst laufen."

„Wunder geschehen", brummte Tarsuinn und atmete tief durch.

„Und warum sind Sie dann hier?", fragte sie misstrauisch und besorgt. „Doch nicht schon wieder jemand versteinert?"

„Nein, nein", beruhigte Winona noch etwas außer Atem vom Rennen. „Wir sind hier weil…weil…warum eigentlich?"

„Ich brauch eine Antwort wegen meiner Augen!", half Tarsuinn aus.

„Was ist mit ihnen?", fragte Madame Pomfrey und sofort spürte er, wie sie seinen Kopf anhob und wahrscheinlich schaute sie gerade besorgt in seine Augen.

„Kann es sein, dass ich den Sinnestod als Kind hatte?", stellte er die Frage, die ihn drängte.

„Die Idee hatten wir auch und haben deshalb Ihr Blut mit einer Tiefenlupe getestet, aber nichts gefunden", antwortete die Krankenschwester.

Tarsuinn war ein wenig enttäuscht darüber, aber er weigerte sich aufzugeben.

„Warum mein Blut und nicht meine Augen?", fragte er nach.

„Das muss man heut nicht mehr. Das Heilmittel, das die Krankheit bekämpft, hüllt die Erreger ein und lässt sie absterben, aber sie bleiben auf ewig im Blut und mit einer Tiefenlupe – das ist eine Apparatur mit der man in einen Körper hineinsehen kann – kann man sie auch sehen. Bei Ihnen haben wir aber keine gefunden."

„Aber es passt doch. Ich kann Magie nicht sehen. Ich kann auch normal nicht sehen. Und ich kann keine Geister hören. Das passt doch. Gibt es denn eine andere Krankheit, die genauso verläuft?"

„Sie haben mir nie gesagt, dass Sie die Geister nicht hören können", erklärte Madame Pomfrey mit einer Mischung aus Vorwurf und Besorgnis. „Ich dachte, sie hätten das bei Professor Binns nur gespielt, um…"

„Entschuldigung – ist das nicht muggeltypisch?", entschuldigte er sich.

„Ganz und gar nicht", wehrte sie nachsichtig ab. „Aber…"

„Ja?", fragte Winona ungeduldig, als Madame Pomfrey nichts sagte und nur Tarsuinns Kopf von links nach rechts drehte.

„Aber es gibt keine andere Krankheit mit diesem Ergebnis und sie betrifft nur Zauberer und Hexen! Ach verda…ach was soll's. Komm, McNamara."

Sie führte ihn zu einem der Betten und setzte ihn darauf.

„Okay, Tarsuinn…darf ich dich Tarsuinn nennen?", sie wartete nicht auf seine Antwort. „Also, Tarsuinn. Die Sache ist die. Es gab früher Tests – recht schmerzhafte wohlgemerkt – mit denen man feststellen konnte, ob die Sinne durch den Sinnestod zerstört wurden und ob sie sich noch heilen lassen. Um ehrlich zu sein, ich habe starke Zweifel und ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll. Auf der einen Seite hätte ich sofort auf diese Krankheit getippt, wenn wir nicht mit der Tiefenlupe nachgeschaut hätten. Andererseits bist du laut Professor Flitwick in Asien aufgewachsen und da kann es durchaus andere, alte Heilmittel geben. Darum frage ich dich, ob du das wirklich auf dich nehmen willst– im Grunde bringt es dir nicht viel mehr als Gewissheit darüber, warum du nichts sehen kannst."

„Aber würde es nicht auch beweisen, dass ich ein Zauberer bin?", fragte Tarsuinn hoffnungsvoll.

„Es würde beweisen, dass eine gewisse Veranlagung in dir ruht. Nicht mehr. Es tut mir Leid – aber das Ministerium – und darauf spielst du sicherlich damit an – wird nur einen Zauber von dir als Beweis akzeptieren."

„Ach verdammte Sch…", fluchte er frustriert.

„Achte auf dein Mundwerk, junger Mann", fuhr ihm die Schwester über den Mund.

„Ist es denn zuviel verlangt, mal etwas Glück aus dem Unglück machen zu wollen?", beschwerte er sich weiter und ließ sich nach hinten auf das Bett fallen. „Ein Mal nur!"

Doch nach ein paar Sekunden hatte er sich wieder unter Kontrolle und setzte sich.

„Machen Sie es trotzdem, bitte", verlangte er. „Ich will es wissen und es wäre doch ein Beweis, wenigstens für mich."

„Deshalb musst du es nicht tun, Tarsuinn", mischte sich Winona ein. „Professor Dumbledore und Professor Flitwick glauben es, das reicht doch."

„Sie hat Recht", pflichtete Madame Pomfrey bei.

„Aber ich glaube es nicht wirklich", gestand Tarsuinn ein. „Ich versuch es zwar, aber immer sind da diese Zweifel! Bitte, Madame Pomfrey!"

„Ich weiß nicht…", zweifelte diese.

„Bitte", bat nun auch Winona. „Ich glaube, er braucht einfach die Gewissheit."

Eine Weile dachte Madame Pomfrey nach und strich ihm dann kurz über den Kopf.

„Gut! Wenn es denn sein muss", erklärte sie dann und begann den Sichtschutz um das Bett aufzubauen. „Zieh dich um, du weißt ja wo der Schlafanzug liegt. Ich hole was nötig ist. Mädchen, du kannst hier bleiben. Schließ schon mal alle Türen und Fenster, während Tarsuinn sich umzieht."

Die Krankenschwester ging in den Raum, in dem sie ihre Medizin lagerte. Winona und Tarsuinn taten sofort, was die Frau ihnen aufgetragen hatte. Wohl fühlte Tarsuinn sich dabei nicht. Die Aussicht auf Schmerzen löste keinerlei Begeisterung bei ihm aus.

Er entkleidete sich und hoffte, der Sichtschutz war wirklich aufgebaut, dann griff er unter das Kopfkissen und nahm den Schlafanzug, der dort lag. Als er diesen anzog, spürte er, wie sich der Stoff seiner Körpergröße anpasste. Dann hörte er, was er eigentlich schon längst erwartet hatte.

„Winona", rief er seiner Freundin zu. „Du solltest von der Tür weggehen. Snape ist im Anmarsch!"

Augenblicke später flog die Tür auf und der intensive Geruch nach Zaubertränken wehte herein und Snape schob den Sichtschutz energisch beiseite. Tarsuinn wappnete sich gegen einen Wutausbruch, der jedoch nicht kam.

„Krank, McNamara?", fragte Professor Snape scharf.

„Nicht im Moment, Sir", sagte Tarsuinn ruhig und setzte sich aufs Bett.

„Und was machen Sie dann hier?", interviewte der Lehrer ihn weiter.

„Ich lasse mich untersuchen", antwortete Tarsuinn.

„Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie noch Hausarrest haben?", erklärte Snape. „Sie werden sich übermorgen untersuchen lassen! Warum auch immer."

„Ich denke nicht, dass dies Ihre Entscheidung ist, Professor", mischte sich Madame Pomfrey ein, die wieder im Raum erschien.

„Mr McNamara hier hat Hausarrest. Solange er nicht akut erkrankt ist, sollte er nicht hier sein", erwiderte Snape mit einer Höflichkeit, die er sonst vielleicht nur noch Professor Dumbledore zollte.

„Das mag sein. Aber ich halte sein Anliegen für recht wichtig!", sagte Madame Pomfrey. „Er hatte meine Erlaubnis heute hier zu sein!"

„Na wenn das so ist, entschuldigen Sie bitte mein Eindringen", erwiderte Snape respektvoll. „McNamara hat wohl vergessen mir dies mitzuteilen."

„Eingesperrt in unserem Turm, hatte er ja wohl kaum die Gelegenheit", murmelte Winona und Snape sog hörbar die Luft ein. Woraufhin das Mädchen noch schnell ein „Sir" nachschob.

„Dürfte ich fragen, was Mr McNamara für ein Problem hat?", überging Snape vorerst den Kommentar des Mädchens.

„Nur eine weitere Untersuchung seiner Augen", erklärte Madame Pomfrey schwammig. „Aber er wird über Nacht hier bleiben müssen."

„Dann entschuldigen Sie bitte noch einmal mein Eindringen. Ich werde die Sache auf sich beruhen lassen", verabschiedete sich Snape und ging dann mit schnellen Schritten davon.

Tarsuinn blieb staunend zurück.

„Ich hätte erwartet, dass er mir den Kopf abreißt", murmelte er.

„Er ist der Meister der Zaubertränke. Er hat erkannt, welchen ich für dich gebracht habe", erklärte Madame Pomfrey Snapes Verhalten.

„Übersetzt bedeutet das, es tut richtig bis unheimlich weh, nicht wahr?", vermutete Tarsuinn.

„Leider", bestätigte die Schwester. „Komm, lehn dich zurück. Wenn du noch magst?!"

„Bringen wir es hinter uns", sagte er nur.

„Gut. Dann lehn dich jetzt zurück und entspann dich. Mädchen, wie heißt du eigentlich?"

„Winona…ähem ich meine natürlich Darkcloud, Madame", antwortete Winona und man merkte deutlich, dass sie nicht wusste, wie sie auf den persönlichen Ton der Krankenschwester reagieren sollte.

„Also schön, Winona. Bist du aus Zucker?", fragte Madame Pomfrey und verwendete damit, zu Tarsuinns Überraschung, eine Muggel-Redewendung.

„Ich denke nicht", erklärte Winona, nicht sonderlich überzeugend im Ton.

„Dann wirst du jetzt Tarsuinns Hände festhalten und sobald er den ersten Reflex die Augen zu reiben überwunden hat, wirst du mit diesem Tuch alles, was aus seinen Augen herausläuft, abtupfen. Das ist sehr wichtig.

Und du, Tarsuinn, wirst unter keinen Umständen die Augen reiben und auch versuchen so wenig wie möglich zu zwinkern. Bereit, ihr beiden?"

Zwei Tropfen einer kühlen Flüssigkeit fielen in seine Augen und zunächst war nichts zu spüren. Es war eher so, dass Winonas warmer und unnötig fester Griff eher schmerzhaft für ihn war. Doch dies blieb leider nur einige Sekunden so. Plötzlich, und trotz aller innerer Vorbereitung völlig überraschend, war es so, als würden seine Augen gefrieren. Reflexartig wollte er seine Augen schützen, doch Winona hielt seine Arme mit ihrem Gewicht und ihrer für ein Mädchen erstaunlichen Kraft fest. Nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, zwang er sich, nicht mehr gegen das Mädchen anzukämpfen und begann, die Schmerzen so gut es ging zu kontrollieren. Seine Augen begannen zu tränen und diese liefen, von einem unangenehmen Kribbeln begleitet, seine Schläfen hinunter.

„Madame! Sehen Sie", keuchte Winona entsetzt auf. „Seine Augen bluten."

„Das ist normal, Kind!", erklärte die Krankenschwester mit kühler Professionalität. „Tupf es einfach ab und red nicht drüber. Tarsuinn! Versuch dich zu entspannen und erschrick nicht, ich setze dir jetzt ein Gerät auf."

Zwei kalte Rohre wurden auf seine Augen gesetzt und seine Lider so fixiert.

„Ich sehe Lichtblitze", presste er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

„Gut", kommentierte Madame Pomfrey in unverbindlichem Tonfall. „Und jetzt?"

„Nein."

„Mmh?! Und jetzt?"

„Nein."

Irgendwie zog der Schmerz immer weiter in seinen Kopf hinein.

„Und jet…was ist das? Spürst du…"

Er stand in einem Raum. Alles um ihn herum war zerstört. Fenster, Vasen, Tische, Menschen. Sein Innerstes.

„Alles in Ordnung mit dir?", erkundigte sich Madame Pomfrey.

„Ja", log Tarsuinn mit trockener Stimme. „Es tut nur weh."

„Wo?"

„Vor allem im Kopf."

Eine riesige, vermummte Gestalt stand vor ihm und aus der Tiefe des Umhangs hob sich eine reptilartige Klauenhand und umschloss seinen Kopf.

„Ganz ruhig!", beschwichtigte Madame Pomfrey und ihre Hand drückte seinen Brustkorb zurück ins Bett. Tarsuinn wusste nicht, warum das nötig war. Die Schmerzen waren fast verschwunden.

„Es geht mir gut", versicherte er näselnd, da seine Nase verstopft war. Er schmeckte Blut auf der Zunge.

„Sicher?"

„Die Schmerzen sind fast weg", erklärte er. „Nur noch so wie normale Kopfschmerzen."

„Und du willst auch nicht mehr um dich schlagen?", fragte sie ihn misstrauisch.

„Wollte ich das?"

„Und ob."

„Ich hab doch hoffentlich niemanden…"

„Nein", unterbrach Winona. „Wir sind okay."

Das konnte Tarsuinn nur hoffen, denn seine Freundin klang ein wenig mitgenommen und fuhr ihm unablässig mit einem nassen Lappen quer übers Gesicht. Es brachte auch nichts, dass er anbot dies selbst zu machen, denn Madame Pomfrey wollte nicht riskieren, dass seine Nase wieder zu bluten begann.

Wie er später herausfand, waren drei Stunden vergangen, die ihm einfach fehlten. Weder Madame Pomfrey noch Winona wollten groß darüber reden, eines jedoch war die Krankenschwester bereit zu sagen.

„Du hattest Recht, Tarsuinn. Es ist der Sinnestod gewesen, der dir deine Sehkraft genommen hat", erklärte Madame Pomfrey, nachdem sie sich sicher schien, dass Tarsuinn wieder normal war. „Aber erstaunlicherweise konnte ich nur die Auswirkungen der Krankheit sehen, nicht die Erreger selbst. Kein einziges Anzeichen."

„Ist das seltsam?", erkundigte er sich und sprach dabei sein Hasswort bei ärztlichen Diagnosen aus.

„Es ist unmöglich! Zumindest hätte ich das bis heute jedem gesagt, der mir etwas Gegenteiliges versichert. Ich schätze, du musst dich auf Besuche von Heilern aus St. Mungos vorbereiten."

Tarsuinn stöhnte auf.

„Hab dich nicht so. Sie wollen helfen. Außerdem können sie dir ein Rehatraining erstellen, damit du lernst Magie zu hören und vielleicht sogar zu sehen."

„Na, dann will ich nicht meckern", brummte er. „Wenigstens habe ich jetzt ein wenig Gewissheit."

„Da ist noch etwas anderes", sagte Madame Pomfrey und klang dabei sehr unsicher. So, als ob sie nicht wüsste, ob sie über etwas reden sollte.

„Was denn?", erkundigte er sich neugierig.

„Nun – das Mittel, das ich dir gab, ist ein extrem starkes Heilmittel, das jedoch nur kurze Zeit wirkt und kurzzeitig alles repariert, was nicht vollständig zerstört wurde. Deshalb konntest du kurzzeitig die magischen Lichtblitze sehen. Ich habe in deinen Kopf hinein gesehen um festzustellen, ob dein Hirn noch mit Bildern umgehen kann. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Teil deines Gehirns, derjenige der Erinnerungen speichert, beschädigt ist."

„Sie meinen, ich habe auch einen Tumor wie meine Schwester?!", entfuhr es ihm entsetzt.

„Nein, nein. Keine Panik. Es ist nur…", Madame Pomfrey zögerte einen Moment. „Du weißt ja inzwischen, dass man durch Zauber das Gedächtnis verändern kann, nicht wahr?"

Tarsuinn nickte.

„Wie du dann auch weißt, verändert man nur die Erinnerungen, man löscht sie nicht wirklich. Das ist zwar recht sicher, aber ein wirklich mächtiger Magier kann diese Erinnerungen wieder zu Tage bringen. Leider gibt es aus diesem Grund einen anderen Zauber, den zu benutzen nur in Sonderfällen erlaubt ist. Er tötet den Teil des Gehirns, in dem die Informationen gespeichert sind. Und genau das ist dir anscheinend geschehen."

„Bei mir?"

„Ja – du hattest doch Flashbacks, oder?"

„Zwei ganz kurze", gab er zu. „Beim ersten Mal nur ein Bild und beim zweiten Mal ein paar Sekunden."

„Nur?"

„Zumindest erinnere ich mich nicht an mehr."

„Vielleicht solltest du darüber froh sein", teilte sie ihm mit. „Zumindest steht fest, dass ein Zauberer oder eine Hexe, ohne Rücksicht auf Verluste, dir eine Menge Erinnerungen gelöscht hat."

„Sie haben uns gesagt, wir wären schwer krank gewesen", murmelte Tarsuinn halb abwesend.

„Wer sie?", fragte die Krankenschwester.

„Ach nichts", wehrte Tarsuinn ab und fühlte, wie er rot wurde. „Die Muggelärzte."

Netterweise fragte Madame Pomfrey nicht weiter nach, obwohl sie die Lüge sicherlich herausgehört hatte.

Stattdessen schickte sie Winona zurück in den Ravenclaw-Turm und verordnete Tarsuinn absolute Ruhe, die er auch dringend nötig hatte, denn die Kopfschmerzen schienen einfach nicht weggehen zu wollen und Madame Pomfrey weigerte sich, ihm vor dem nächsten Morgen etwas dagegen zu geben.

Leider verweigerte Madame Pomfrey ihm auch am nächsten Tag jegliches Medikament und entließ ihn auch nicht aus dem Krankenflügel, dafür bekam er einige Besucher aus dem St. Mungos Hospital und sogar einen Mann aus dem Ministerium, der die illegale Schädigung eines Muggels dokumentieren sollte. Und damit war ihm wieder ein Wochenende versaut.

Für Toireasa waren die letzten Wochen recht angenehm gewesen. Relativ natürlich. Sie hatte sich selbst aus ihrem Schneckenhaus gewagt und ging wieder ganz normal im Slytherin-Kerker ein und aus. Toireasa scherte sich kaum noch um die Anfeindungen durch Regina und ihrer Clique. Deren Stand war auch im Moment recht schwach. Wie Toireasa feststellen musste, waren nicht nur William, Blaise, Terence, Miriam und Samuel ihr gegenüber neutral eingestellt. Es wagte nur noch immer niemand offen Toireasas Partei zu ergreifen, solange die Malfoy-Fraktion gegenteiliger Meinung war.

Aus diesem Grund war Toireasa dazu übergegangen Malfoy, sowie seine beiden Affen Crabbe und Goyle, mit ihrem Wissen über den Weihnachtsabend zu erpressen. Nach dem Motto, lasst mich in Ruhe und ich erzähle nichts darüber, wie ihr euch zu Weihnachten blamiert habt.

Und bisher funktionierte das recht gut.

Da auch Flint es endlich eingesehen hatte, dass gute Rennbesen noch nicht den sicheren Erfolg bedeuteten, hatte er angefangen deutlich intensiver mit der Mannschaft zu trainieren. Daraus folgte, nur noch Regina, ihr Hofstaat und einige wenige andere Slytherins hatten die Zeit und die Motivation Toireasa zu drangsalieren. Dies war für sie inzwischen relativ vernachlässigbar und sie ließ sich durch die fiesen Kommentare und Gelächter hinter ihrem Rücken nicht mehr irritieren oder gar aus dem Gemeinschaftsraum vertreiben.

Trotzdem wäre es gelogen gewesen, hätte sie behauptet, sie würde sich in Slytherin wohl fühlen. Dafür hörte sie zu selten freundliche Worte.

Gut war jedoch, dass ihr großer Bruder sie immer mehr als Schande bezeichnete, die eh nicht zu seiner Familie gehörte. Er war auch derjenige, der die anderen Slytherins dazu anhielt sie nicht mehr Keary-Davian zu nennen, sondern nur noch Keary. Genau das, was sie sich selbst wünschte. Sogar die Lehrer hatte sie schon soweit, wenn man mal von Professor Snape absah, der dies immer noch ignorierte.

Kleine Anmerkung: der 14.02.1993 war ein Sonntag, also nicht wundern

Na ja – wenigstens war Snape nicht der Einzige der wichtige Fakten ignorierte. Professor Lockhart schien von den grundlegenden Gesetzen der Farbenlehre noch nie etwas gehört zu haben. Es war eine grundlegende Beleidigung für jedes Auge, die Große Halle zum Valentinstag grellrosa auszustaffieren und sich selbst in eben dieser Farbe kleidungstechnisch zu präsentieren. Toireasa zumindest – die auf etwas dezentere Farben wie Weinrot und Lila stand – fühlte sich nicht gerade in liebevoller Stimmung, als sie sich zum Frühstück setzte. Wie immer linste sie heimlich zum Ravenclaw-Tisch hinüber, nur um zu schauen, ob Tarsuinn diesmal auftauchte. Gerüchten zufolge war er schon wieder für die letzten zwei Tage im Krankenflügel gewesen. Regina und Vivian behaupteten sogar, er wäre jetzt vollständig verrückt geworden und würde demnächst mit dem Messer durch das Schloss ziehen, wenn Dumbledore ihn nicht endlich aus Hogwarts entfernte.

Toireasa hatte sich kaum gesetzt, als all diese Gerüchte sich in Luft auflösten. Zusammen mit Winona und Madame Pomfrey erschien der Junge zum Essen und auch wenn er etwas blass um die Nase wirkte, so war in seinem Lächeln nichts Bedrohliches zu sehen. Ja, er wirkte sogar deutlich entspannter als sonst. Tikki thronte mit einer solchen Selbstverständlichkeit auf seinem Kopf, als würde ihr der gesamte Mensch darunter gehören. Ein Anblick, der nicht nur Toireasa ein Lächeln entlockte. Es war erstaunlich, wie die beiden das Gleichgewicht hielten. Vor allem bei dem riesigen Beutel, den Tarsuinn mit sich herumschleppte und der recht schwer zu sein schien.

„Schau dir Keary an, wie sie den Muggel anhimmelt", hörte Toireasa Riolet Mokkery genau so laut flüstern, dass sie es einfach hören musste.

„Wahrscheinlich hofft sie auf eine Karte von ihm", führte Regina den Faden weiter.

„Immerhin ist es ihre einzige Chance", lachte Vivian. „Schließlich ist er der Einzige, der von ihrem Aussehen nicht abgeschreckt wird."

„Was aber, wenn er sie berührt?", kicherte Riolet. „Sagt man nicht, Blinde sehen mit den Fingern."

„Muss du immer so eklig werden?", fuhr Regina sie an. „Der Gedanke ist widerlich!"

Na wenigstens würde er bei mir Haut und nicht Farbe berühren, dachte Toireasa ärgerlich bei sich.

„Sie wäre sicher gern bei ihrem Liebsten", stichelte Riolet weiter.

„Dann wäre sie das Gespött der ganzen Schule."

Langsam reichte es Toireasa, sich dass anhören zu müssen. Hilfesuchend schaute sie zu Miriam, die ihr recht nahe saß, doch das Mädchen schaute nur angestrengt auf ihren Teller, obwohl dort nicht mal Krümel lagen.

Steh auf! Sag was!, wollte Toireasa am liebsten ihre Mitschülerin anschreien, doch das konnte sie sich nicht leisten und außerdem würde sie so jemanden verlieren, der sie wenigsten heimlich unterstützte. Das Problem war nur, Toireasa wollte Freunde, echte, welche sich auch mal vor einen stellten und nicht den Weg des geringsten Widerstandes gingen. Sie hatte die Slytherin-Art einfach satt.

Sorgsam stellte sie ihre – mit rosa Herzchen verzierte Tasse – auf einen ebenso hässlichen Teller, legte Besteck dazu, stand auf und ging mit weichen Knien am Huffelpuff-Tisch vorbei und zu den Ravenclaws. Hinter ihr verstummte das Gelästere am Slytherin-Tisch. Jetzt gab es für sie keinen Rückzug mehr.

„Winona? Tarsuinn?", sprach sie mit zittriger Stimme die beiden Ravenclaws an, die mit dem Rücken zu ihr saßen und miteinander tuschelten. „Darf ich mich heute zu euch setzen?"

Die nächsten Sekunden zählten sicher zu den längsten in ihrem Leben.

„Nein!", sagte ein Junge, der auf der anderen Seite des Tisches saß, barsch.

„Sie hat uns gefragt! Nicht dich, Alec", erklärte Tarsuinn überraschend heftig.

„Sie ist eine Slytherin!", entgegnete dieser Alec streitsüchtig.

„Und?", fragte Tarsuinn ernst. „Ist das ein Verbrechen? Gibt es eine Schulregel, dass sie nicht bei uns sitzen darf? Sicher nicht. Also, ich hab nichts dagegen, wenn sie neben mir sitzt."

Damit rutschte er auf der Bank etwas beiseite, was jedoch nur einem halben Platz gleichkam. Doch nach einem peinlichen Moment rückte auch Winona zur Seite.

„Ach, egal", sagte sie etwas unterkühlt. „Es gibt keine Vorschrift dagegen."

„Filch oder Snape werden bald eine erfinden", erklärte ein schlanker Junge. „Schaut nur, wie böse er herüberschaut."

„Ach – der schaut schon den ganzen Morgen so", kicherte ein weißblondes Mädchen mit einer Unzahl Sommersprossen rund um die Nase. „Ich schätze, Professor Lockharts herzliche Art schlägt ihm furchtbar auf den Magen!"

Vorsichtig stellte Toireasa ihr Geschirr ab und kletterte dann auf die Bank, ängstlich bemüht niemanden mit ihren Schuhen schmutzig zu machen. Bis auf den Jungen namens Alec, schien niemand damit größere Probleme zu haben. Einzig ein paar musternde Blicke, bei der Erwähnung Professor Snapes, musste sie über sich ergehen lassen.

Doch Toireasa konnte nicht anders, sie musste lächeln. Ihr Hauslehrer sah wirklich nicht sonderlich begeistert aus. Nur bezweifelte sie, dass er sie bei den Ravenclaws bemerkt hatte. Dazu war er noch nicht sauer genug.

Dafür zuckte sie überrascht zurück, als Tarsuinn ihr den Kopf zuwandte und die bisher geschlossenen Augen öffnete.

Buh!", sagte er dabei.

Blutrote Augen, in denen mehr als ein Äderchen geplatzt war, schauten sie kurz an und schlossen sich dann tränend. Toireasa war für einen Moment entsetzt, während alle um sie herum lachten, selbst der ihr feindlich gesonnene Junge. Toireasa wusste mal wie er hieß, hatte es aber über die letzten Monate vergessen.

„Du hast einen unheimlichen Schlag bei Frauen, Casanova", frotzelte ein schlanker Junge.

„Heh – ich hab sie nicht geschlagen, Merton", wehrte Tarsuinn sich grinsend.

„Ich wette, sie ist nicht mal wegen deiner Augen zusammengezuckt", lachte Winona. „Und wenn ich dich noch mal erwische, wie du die Augen öffnest, dann gehe ich zu Madame Pomfrey und nehme zurück sie überredet zu haben, dich schon heute weg zu lassen."

„Das würdest du nicht tun!", antwortete Tarsuinn in offensichtlich gespieltem Entsetzen.

„Lass es drauf ankommen!", sagte sie und diesmal klang die Warnung durchaus ernst.

„Muss nicht sein. Ich warte bis…"

„Einen glücklichen Valentinstag!", rief Lockhart.

„Was ist ein Valentinstag?", erkundigte sich Tarsuinn reichlich naiv, doch zunächst beantwortete niemand diese Frage, denn der Professor fuhr schon fort.

„Und danken möchte ich den inzwischen sechsundvierzig Leuten, die mir Karten geschickt haben. Ja, ich habe mir die Freiheit genommen, diese kleine Überraschung für Sie alle vorzubereiten – und es kommt noch besser!"

Lockhart klatschte in die Hände und durch das Portal zur Eingangshalle marschierte ein Dutzend recht düster dreinschauender Zwerge. Unheimlich peinlich mit goldenen Flügeln und Harfen ausstaffiert. Lockhart musste ihnen ein Vermögen geboten haben, dass die ansonsten so stolzen Zwerge sich dafür hergaben.

„Meine freundlichen Liebesboten", strahlte Lockhart. „Sie werden heute durch die Schule streifen und ihre Valentinsgrüße überbringen. Und damit ist der Spaß noch nicht zu Ende! Ich bin sicher, meine Kollegen werden sich dem Geist der Stunde nicht verschließen wollen. Warum bitten wir nicht Professor Snape, uns zu zeigen, wie man einen Liebestrank mischt? Und wenn wir schon dabei sind, Professor Flitwick weiß mehr als jeder Hexenmeister, den ich je getroffen habe, darüber, wie man jemanden verzaubert – der durchtriebene alte Hund!"

Mit der Begeisterung über Lockharts Ankündigung hätte man am Lehrertisch Lava schockgefrieren können. Bei den Schülern war die Meinung zumindest geteilt. Vor allem bei den Mädchen war durchaus so was wie Freude zu sehen. Auch ein paar heimliche Blicke flogen durch den Raum. Bei den Jungs war vor allem eine Mischung aus gespieltem oder echtem Desinteresse zu bemerken. Tuschelnde Mädchen wurden mit meist kühlen Blicken abgestraft.

Nur Tarsuinn hatte den Kopf in die Armbeuge gelegt und lachte leise.

„Was ist?", fragte Toireasa leise und wagte damit zum ersten Mal das Wort am Ravenclaw-Tisch zu ergreifen.

„McGonagall hat gerade Poppy flüsternd gefragt, ob ihre Gegengifte mit den Giften von Severus mithalten können", erklärte er, sich nur schwerlich beherrschend. „Und Madame Pomfrey meinte nur, sie wäre sich nicht sicher, ob sie die richtigen schnell genug finden könnte."

„Könnte es sein, dass ihr Professor Lockhart nicht mögt?", fragte Toireasa erstaunt weiter. „Er ist doch eigentlich recht nett."

„Er ist nen Windbeutel!", urteilte Winona zu ihrer Rechten.

„Ist er nicht!", verteidigte das sommersprossige Mädchen den Lehrer.

„Cassandra, nenn mir einen Zauber, den wir bei ihm gelernt haben", forderte Winona.

„Keinen! Geb ich zu", entgegnete das Mädchen namens Cassandra. „Aber wir sind noch nicht bereit. Im Moment lernen wir doch noch, wo und wann man einer Bedrohung begegnen kann und wann es gerechtfertig ist, sich zu verteidigen."

„Man sollte aber annehmen, dass dies die älteren Klassen schon wissen", wagte Toireasa anzumerken.

„Heh – bist du eine Schwester von Winona, oder was?", fuhr Cassandra sie an. Zunächst war Toireasa unsicher, ob sie beschämt den Blick senken oder aufbegehren sollte. Doch dann bemerkte sie ein kaum merkliches Lächeln auf den Lippen des Mädchens.

„Ich denke, sie hofft das nicht", antwortete Toireasa versuchsweise.

„Wäre ja noch schöner", fuhr sie der unfreundliche Junge namens Alec an.

„Zwei von der Sorte wären wirklich unerträglich", nahm Tarsuinn der Sache etwas die Spitze. „Was mich jedoch viel mehr interessiert: Warum schmeckt das Essen nach Papier und was zum Teufel ist ein Valentinstag?"

„Erstens – Konfetti ist nun mal aus Papier und es rieselt gerade auf unser aller Essen", erklärte Winona. „Zweitens – am St. Valentins Tag schenkt man den Menschen, den oder die man mag Blumen, Süßigkeiten und/oder eine Valentinskarte. Und drittens – werde ich dich, für deinen dummen Kommentar über mein gewinnendes Wesen, leiden lassen."

„Oh. Das mit dem Valentinstag hab ich nicht gewusst, aber das erklärt das hier ein wenig", ignorierte Tarsuinn die Drohung und hob seinen Beutel auf den Tisch.

„Verzeihung", sagte er dabei. „Aber Karten und Blumen hab ich nicht."

Und dann begann er Unmengen Süßigkeiten aus den Tiefen des Beutels zu fördern.

„Könntet ihr das mal am Tisch verteilen", lächelte er und verteilte Hände voll Leckereien nach links und rechts. Allgemeines Erstaunen war die Folge. Auch Toireasa ging nicht leer aus.

„Woher hast du denn das alles her?", erkundigte sich Alec, seinen Zorn auf Toireasas Anwesenheit anscheinend kurzeitig vergessend.

„Heiler sind Sadisten mit Gewissen", grinste der blinde Junge. „Wenn sie einen aus Neugier quälen, dann fühlen sie sich verpflichtet, das wieder gut zu machen."

„Und wie viele Heiler braucht man, um eine solche Menge zusammenzubekommen?", erkundigte sich Toireasa staunend.

„Mehr als zwanzig", antwortete er mit unangebrachter Fröhlichkeit. „Habt ihr übrigens gewusst, dass ich einen krankhaften Hang zur Auflehnung gegenüber Autoritätspersonen habe?"

„Nö – ist uns nie aufgefallen", erwiderte Winona sofort ironisch.

„Keine Sekunde", pflichtete Merton bei.

„Die Diagnose hätten sie von uns billiger haben können!", ergänzte Alec ernst.

„Kostenlos sogar", lachte Cassandra.

„Also – das enttäuscht mich jetzt wirklich!", kicherte Tarsuinn und wandte sich, von einem Moment zum anderen todernst, an Toireasa. „Möchtest du nicht auch noch eine Gemeinheit hinzufügen?"

Sein plötzlicher Stimmungsumschwung verwirrte sie ein wenig. Die ganzen Ravenclaws am Tisch kamen ihr seltsam vor. Ständig frotzelten sie sich gegenseitig und trotzdem nahm es keiner wirklich ernst.

„Ich bin mir nicht sicher", erklärte sie lahm, sich der vielen abwartenden Blicke nur zu bewusst und wurde zu allem Überfluss auch noch rot.

Für einen Moment sah Tarsuinn sie ernst an, doch dann zuckten seine Mundwinkel unvermittelt nach oben.

„Ich nehm das mal als Verteidigung meiner selbst", erklärte er feierlich. „Damit bin ich offiziell als geheilt anzusehen."

„Davon träumst du", stellte Cassandra fest und schlug sich vor Schreck die Hand auf den Mund. Das Lächeln war den Ravenclaws eingefroren. Wahrscheinlich erinnerten sich alle nur zu gut an Tarsuinns furchtbaren Schrei, als er damals auf der Krankenstation aufgewacht war.

„Nein, tue ich nicht", antwortete Tarsuinn deutlich leiser und rang sich dann ein tapferes Lächeln ab. „Heh Winona, ist Penelope immer noch sauer auf mich?"

Es war offensichtlich, dass er von einem unangenehmen Thema ablenken wollte, doch nach dem Seitenblick Winonas auf Toireasa zu urteilen, war es keine gute Gesprächsrichtung.

„Sie hat sich sicher noch immer nicht ganz einbekommen. Du weißt schon warum!"

„Sag es doch frei heraus…", fauchte Merton und warf einen kurzen Seitenblick auf Toireasa. „…du hörst jetzt bitte mal kurz weg…sie hat Winona fünf Punkte abgezogen, hat ihr vor der halben Welt eine Predigt gehalten und ist bei Professor Flitwick gewesen."

„Oh je", brachte Tarsuinn nur hervor. „Was sagt der Professor?"

„Keine Ahnung. Bisher gar nichts", erklärte Cassandra. „Was eigentlich erstaunlich ist! Bei dem was passiert ist."

„Ja, das war wirklich ein Hammer das mit der…na ihr wisst schon", sagte Merton.

„Wenn ihr offen darüber sprechen wollt, sollte ich euch vielleicht allein lassen", bot Toireasa an, die sich etwas unwohl fühlte.

„Ach, Quatsch!", wehrte zu ihrer Überraschung Winona ab. „Ich hab unsere Vertrauensschülerin geohrfeigt. Nichts Besonderes."

Für Toireasas Ohren klang das nicht, wie nichts Besonderes. Eine Vertrauensschülerin zu ohrfeigen war ein ziemlich schweres Vergehen.

„Du hattest sicher einen guten Grund", sagte sie vorsichtig.

„Und ob sie den hatte", murrte Merton. „Sie ist einfach eine ehrgeizige, ordnungsverherrlichende…"

„Im Grunde genommen ist sie okay", mischte Tarsuinn sich ein. „Nur halt zu erfolgsorientiert. Sie hat mir auch schon sehr geholfen!"

„Deshalb muss sie sich nicht wie eine Slytherin aufführen!", meinte nun auch Cassandra. „Nichts für ungut", fügte sie dann für Toireasa noch hinzu.

„Hat nicht getroffen", erklärte Toireasa dem Mädchen und fügte gestehend hinzu. „Hab im Moment nicht das Gefühl, dazuzugehören."

„Warum?", fragte Alec jetzt wieder feindselig. „Du bist reinblütig, Slytherin und verachtest Muggelgeborene. Perfektes Todesser-Material würde ich sagen!"

Toireasa schenkte ihm nun einen verächtlichen Blick.

„Ich bin kein Todesser-Material und ich verachte keine Muggelstämmigen mehr", fauchte sie ihn an. „Das würde das Andenken meiner Eltern beschmutzen, die gegen Den-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf gekämpft haben!"

„Ach?!", zweifelte der Junge ungläubig. „Nachher gab es so viele Helden…"

Toireasa versuchte die eiskalte Wut zurückzudrängen, die in ihr aufstieg.

„Meine Mutter hatte niemals die Chance für ein Nachher…", starrte sie böse Alec an und ließ ihn den Satz in Gedanken beenden. Sie konnte sehen, wie er verstand.

Ein gemurmeltes „Tschuldigung", rang er sich aber erstaunlicherweise dann doch ab.

„Gut, da das geklärt ist", überging Tarsuinn das unangenehme Schweigen. „Warum haben wir heute zum Sonntag eigentlich Unterricht? Wegen Valentinstag?"

„Nee", erklärte Merton angewidert. „Im Januar waren doch mal alle Flure so extrem vereist, dass bis Mittag die Schule ausfiel. Das wird heut nachgeholt, weil die Fünften und Siebenten Klassen diesen Schultag dringend für ihre Abschlussprüfungen brauchen. Nur blöd, dass wir aus Solidarität auch ran müssen. Hätten sie sich wirklich sparen können."

„Die zusätzliche Stunde in Verwandlungen kann dir nur gut tun", sagte Cassandra und ihre Nase kräuselte sich amüsiert.

„Das sagst du nur, weil wir ja keine Zaubertrankstunde heute nachholen müssen", unterstellte Merton zur Antwort und zwinkerte dem Mädchen zu. „Tarsuinn kann sich noch so viel Mühe mit dir geben, aber sobald Snape neben dir steht, ist Blutverlust fast garantiert."

„Er macht mich halt nervös", verteidigte Cassandra sich und erntete allgemein zustimmendes Nicken.

Wenig später standen dann alle auf, denn es war Zeit den jeweiligen Unterricht aufzusuchen.

Der Vormittag zog sich endlos lange hin. Vor allem da Professor Binns es schaffte, das durchaus interessante Thema der ersten Zauberergesellschaft gnadenlos in nicht enden wollender Langeweile hinzurichten.

Doch in der letzten Stunde vor dem Mittag, ihr Hassfach Kräuterkunde, traf sie wieder auf die Ravenclaws und als sie sich vor den Sticheleien der Fabelhaften Fünf zu Tarsuinn und Winona flüchtete, gab es keine Beschwerden von deren Seite, im Gegenteil.

„Können wir uns heute Nachmittag treffen?", fragte Tarsuinn kaum hörbar, während sie zu dritt versuchten, eine widerstrebende Feuerrübe aus einem Blumentopf zu ziehen.

„Ja!", antwortete sie ähnlich leise.

„Bring die Würmer mit."

„Okay."

Plötzlich gab die Erde um die Feuerrübe nach, sie taumelten zurück und fielen rittlings über eine kleine Bank. Die Rübe in ihren Händen sandte über die Köpfe der lachenden Schüler einen wütenden Flammenstoß gegen das Glasdach des Gewächshauses.

„Sie sollten doch die Rübe immer senkrecht nach unten halten!", fluchte Professor Sprout und schickte die Pflanze, mit einer verschlungenen Geste ihres Zauberstabes, schlafen. „Aber trotzdem zwei Punkte für Ravenclaw und einen für Slytherin. Immerhin haben die drei es geschafft, die Feuerrübe herauszuziehen. Nehmen Sie sich ein Beispiel und arbeiten Sie zusammen. Feuerrüben kann man wirklich nur mit roher Kraft umtopfen!"

„Cool", freute Tarsuinn sich ironisch. „Nur noch 77 Minuspunkte. Wie soll ich da den Rekord schaffen?"

Amüsiert sah Toireasa wie Winona die Augen verdrehte, aber anscheinend schon bei diesem Thema resigniert hatte.

Nach dem Ende der Stunde wuschen sie sich den Dreck von den Händen und ohne groß zu fragen, bugsierten Tarsuinn und Winona sie zum Mittagessen mit an den Ravenclaw-Tisch. Sie hatte sich kaum gesetzt, als auch schon Professor Snape auf sie zukam. Das Hungergefühl, das sie Sekunden zuvor beherrscht hatte, verschwand augenblicklich.

„Einen wunderschönen guten Tag, Professor Snape", begrüßte Tarsuinn den Mann freundlich, bevor es diesem gelang irgendetwas zu sagen. Das lenkte Snapes düsteren Blick von Toireasa auf den Jungen.

„Zu Ihnen komme ich noch", erklärte der Professor, seine Augen blitzten eisig und richteten sich sofort wieder auf Toireasa.

„Sie sitzen am falschen Tisch, Miss Keary-Davian", erklärte er.

„Ich wurde eingeladen", erklärte Toireasa und wollte sich erheben. „Aber wenn Sie es heute für unangebracht halten…"

Rechts und links wurde sie am Umhang ergriffen und von Tarsuinn und Winona wieder heruntergezogen.

„Aber Professor Snape", spielte Tarsuinn den Verletzten. „Sie können mir doch nicht meine Valentins-Begleitung wegnehmen?"

Toireasa zuckte zusammen. Snapes Augen funkelten Unheil verkündend. Furchtsam zog sie den Kopf zwischen die Schultern und erwartete das Donnerwetter. Doch stattdessen ertönte die helle Stimme Professor Flitwicks.

„Ist es nicht schön, dass sich die Schüler unserer Häuser so gut verstehen?", freute der kleine Professor sich und ignorierte dabei die Tatsache, dass nur Toireasa das Haus Slytherin hier repräsentierte. Und dem Blick von Snape nach zu urteilen, tat sie das ganz schlecht.

„Ja. Unglaublich", pflichtete der Meister der Zaubertränke zähneknirschend bei.

„Dann lassen Sie den Kindern doch die Freude, auch wenn es die gewohnte Sitzordnung etwas durcheinander bringt", drängte der kleine Professor. „Ist ja nur für heute."

„Nun gut, ausnahmsweise!", gab Snape widerwillig nach und Toireasa fragte sich, ob es nur so ausgesehen hatte oder ob der Professor bei seiner Antwort wirklich seine Zähne nicht auseinander bekommen hatte.

Dann wandte er sich mit wehendem Umhang ab und schritt zum Lehrertisch. Für einen Moment glaubte Toireasa, dass Professor Flitwick ihr zuzwinkerte bevor er Snape folgte, aber dafür hörte sie ganz sicher den kleinen Mann ernsthaft fragen:

„Ich habe gehört, Sie hatten einen netten Valentinsgruß heute während der vierten Stunde. Haben Sie eine Ahnung, wer Sie so verehrt? Ich hatte auch so einen."

Winona und Tarsuinn bissen fast vor Lachen in die Tischkante.

„Ich liebe Flitwick!", kicherte Winona und ignorierte Toireasas irritierten Blick.

„Kannst du mir Snapes Gesichtsausdruck beschreiben? Bitte!", bat Tarsuinn.

„Ihr habt doch nicht etwa…", begann Toireasa entsetzt, was die beiden Ravenclaws noch heftiger kichern ließ. „Nein! Sagt, dass das nicht wahr ist!"

Der Widerspruch kam leider nicht.

„Darauf hat uns ein Slytherin gebracht", erklärte Winona. „Wir haben heute erlebt, wie irgendwer dem Potter ein wirklich lächerliches Lied über so nen Zwerg geschickt hat. Gerade als wir zum Unterricht mit den Gryffindors wollten. Es war ultra peinlich und da dachten wir, es wäre wirklich auch für Professor Snape passend. Also haben wir ein Loblied auf sein Haar und seine wundervoll geschwungene Nase verfasst und ihm das über einen Zwerg zukommen lassen. Natürlich mitten im Unterricht und nur mündlich. Wir sind doch nicht blöd."

„Nee – ihr seid wahnsinnig", stellte Toireasa entschieden fest.

„Du ahnst gar nicht, wie Recht du damit hast", sagte Tarsuinn, der sich wieder beruhigt hatte. „Wann treffen wir uns heut Nachmittag?"

Sie war erneut etwas von dem Themenwechsel überrascht, doch Toireasa gewöhnte sich langsam daran.

„Ich weiß nicht, ob ich alles ungesehen rausschmuggeln kann", erklärte sie flüsternd und war froh, dass noch nicht viele Schüler zum Mittagessen da waren. „Es sei denn, ihr braucht nur einen."

„Wie gesagt, ich brauche so viele wie möglich."

„Muss es heute sein?", erkundigte sich Winona, ohne ein einziges Lächeln. Sie sah eher sehr besorgt aus.

„Mir gehen die Lockhart-Bücher aus", erklärte Tarsuinn. „Bin eh erstaunt, dass sie so lange gehalten haben."

„Ich hab zwei von mir dazu gegeben", gab Toireasa zu.

„Wie viele hast du denn inzwischen?", fragte Tarsuinn.

„Alle zusammen? Etwa zehn Kilo. Ein paar tausend Würmer ungefähr."

„Klingt gut. Wann denkst du, kannst du die mir bringen."

„Ich würde es am liebsten verteilt über den Nachmittag machen. Immer nur ein Kilo. Am besten erst, wenn es schon dunkel ist, damit es nicht so auffällt."

„Mir wäre lieber, alles auf einmal", gab Winona ihre Meinung zu dem Thema ab. „Ich wette, Snape hat dich heut im Auge."

„Das wäre eine riesige Tasche!", erklärte Toireasa. „Wenn ich die rausschmuggeln will, muss ich schon bis nach Mitternacht warten."

„Okay!", war Tarsuinn sofort einverstanden, was dem Ravenclaw-Mädchen wieder einen bösen Blick entlockte.

„Darf ich fragen, was ihr eigentlich vorhabt?", fragte Toireasa. Ihr wurde immer ungemütlicher bei der Angelegenheit.

„Nein!", antworteten beide wie aus einem Mund.

„Ist besser für dich", murmelte Tarsuinn zur Erklärung.

„Und für uns!", ergänzte Winona. „Ich schätze, wegen heute wirst du eh einen schweren Stand in deinem Haus haben."

„Das bekomme ich hin", wehrte Toireasa ab. „Nicht jeder Slytherin ist wie Malfoy oder Regina Kosloff."

„Ich lasse mir das gern beweisen, aber nicht heute", sagte Winona und man wandte sich anderen Themen zu, denn der Ravenclaw-Tisch füllte sich langsam.

Um Mitternacht schlich sich Toireasa mit einem Rucksack und einer großen Tasche voller Bücherwürmer aus dem Slytherin-Kerker. Sie war dabei extrem vorsichtig, denn ihr fiel partout keine Erklärung ein, warum sie um diese Uhrzeit mit den illegalen Tierchen unterwegs sein musste. So brauchte sie über eine halbe Stunde um das Schloss zu verlassen und zum vereinbarten Treffpunkt zu kommen, der im Verbotenen Wald lag. Kurz hinter Hagrids Hütte. Der Schnee, der Tags zwar langsam zu tauen begann, aber nachts immer wieder gefror, knirschte furchtbar laut unter ihren Stiefeln und sie glaubte, Hagrid würde jeden Moment davon aufwachen. Doch das regelmäßige tiefe Schnarchen zeugte von einem gesunden Schlaf des Waldläufers.

Toireasa erreichte eine kleine Lichtung auf der sie Tarsuinn, Tikki und Winona wartend antraf. Zwei kleine Kessel brodelten über einem gut zur Seite abgeschirmten Feuer. Außer den Kesseln und den beiden Ravenclaws lagen auch noch zwei große Rucksäcke, unzählige Einweckgläser und ein Paar Schaufeln auf dem Boden. Dazu kamen auch noch zwei seltsam aussehende, große Blechtonnen mit einem Schlauch und einem seltsamen Griff.

„Hast es doch geschafft", begrüßte Tarsuinn sie freudig, während Winona ihr eher enttäuscht entgegen sah.

„War nicht einfach, aber Filch ist ohne Mrs Norris glücklicherweise nicht mal halb so viel wert", erzählte Toireasa.

„Oh ja – wenn du Zeit hast, kannst du für das Katzen-Vieh ein paar Läuse besorgen und die ihr ins Fell pflanzen, bevor sie entsteinert wird. Am besten, welche die auch auf Menschen überspringen", machte Tarsuinn einen verführerischen Vorschlag und deutete dann auf ein paar Einweckgläser. „Tu bitte die Bücherwürmer dort in die Gläser und verschließ sie mit den Tüchern."

„Natürlich kann ich", erklärte sie. „Aber welche Sorte? Ich schätze, ihr habt nicht genug Gläser für alle."

„Sorte?", erkundigte sich Winona.

„Na ja. Ich hab drei. Eine überlebt inzwischen vierzig Minuten die Berührung eines Geistes. Die zweite lebt nicht so lange, kriecht dafür aber mehr als doppelt so schnell und die dritte verfällt in eine Art Scheintod, wenn sie von einem Geist berührt wird."

„Wir nehmen alle", sagte Tarsuinn begeistert. „Gefäße werden wir gleich genug haben. Füll schon mal die Gläser, mit dem Rest komm dann zum Kessel."

Sie tat es und dabei fragte sie sich immer wieder, was die beiden vorhatten. Das alles war viel zu viel Ausrüstung und Aufwand für einen Streich. Nach den Schaufeln zu urteilen, wollten sie vielleicht auf Schatzsuche gehen. Wozu aber dann der Aufwand mit den Bücherwürmern? Außerdem machten beide nicht gerade den Eindruck, als wären sie so aufgeregt, wie Toireasa sich Schatzsucher vorstellte.

„Ich bin hier fertig", verkündete Toireasa und kam zu Tarsuinn hinüber. Winona schien im Übrigen keine Anstalten zu machen, ihr zu helfen. Ekelte sich das Mädchen etwa vor Würmern?

„Gut", sagte der Junge zufrieden. Er rührte noch einmal um, was in den Kesseln war, prüfte den Geruch und nahm dann mit einer Kelle etwas von einer hellgrünen – im Dunkeln leuchtenden – Flüssigkeit heraus und ließ diese in eine gusseiserne Pfanne fließen. Wie bei einem Pfannkuchen.

„So – jetzt bitte in die Mitte viele Würmer", bat er sie.

Vorsichtig, damit ja keines dieser gefährlichen Tiere flüchten konnte, legte sie etwa hundert der kleinen Tierchen in die Mitte der Pfanne und umgehend goss Tarsuinn einen weiteren Schwall – diesmal pinkfarben – über die Würmer. Sofort rollte sich der Rand der grünen Flüssigkeit auf und hüllte innerhalb von wenigen Augenblicken die Würmer und das pinke Zeug ein.

„Leben sie noch?", fragte der Junge neugierig.

Vorsichtig nahm Toireasa den grünen, transparenten Ball aus der Pfanne. Er fühlte sich weich und nur wenig härter als eine Qualle an. Sie betrachtete sich alles etwas näher. Dünne lila Linien überzogen die Oberfläche des Balls und in seinem Inneren kringelten sich die Würmer recht lebendig.

„Noch leben sie, aber sicher nicht ewig ohne Luft", sagte sie ihm.

„Luft kommt da durch, keine Sorge", antwortete Tarsuinn und er klang ziemlich stolz.

„Was sind das für Flüssigkeiten?", fragte sie interessiert.

„Transportbälle, wie man sie früher benutzte, um Tiere und zerbrechliche Dinge sicher über weite Strecken zu transportieren. Funktioniert auch bei Menschen, ist aber furchtbar teuer, weil man dann viel mehr davon braucht. Man kann sich damit einhüllen und würde jeden Sturz unbeschadet überstehen. Okay – nächste Ladung bitte."

Und so ging das weiter, bis kein einziger Wurm mehr übrig war. Toireasa musste die Bälle auch noch in einen der Rucksäcke verstauen, da Winona immer noch nicht half. Als alles fertig war, erfuhr Toireasa auch wieso. Das Mädchen trat in den Lichtkreis des Feuers, den Zauberstab gezückt und auf Toireasa gerichtet. Befremdet sah sie, wie Tarsuinn zu dem Ravenclaw-Mädchen trat, wohl darauf bedacht, nicht im Weg des Zauberstabes zu stehen. Tikki sprang auf seine Schulter, nachdem er einen der Rucksäcke geschultert hatte.

„Unsere Wege trennen sich jetzt", sagte Winona und sah Toireasa dabei fest in die Augen. „Hier!"

Sie warf Toireasa ein kleines Kästchen zu, welches sie überrascht auffing.

„Da ist dein Zauberstab drin", erklärte das kleine Mädchen mit dem langen Zopf. „Jeder Zweitklässler sollte es dir öffnen können. Wir sind dir wirklich sehr dankbar."

So sah sie aber nicht aus. Eher extrem besorgt. Wie jemand der wusste, dass er im Begriff war, eine große Dummheit zu begehen.

„Was habt ihr vor?", fragte Toireasa und war hin und her gerissen zwischen der Freude ihren Zauberstab wiederzubekommen und einem unheimlichen Gefühl der Gefahr.

„Halt dich da raus!", brummte Tarsuinn. „Das hat nichts mit dir tun!"

„Ich kann mich kaum heraushalten", antwortete sie. „Ich bin dir immer noch verpflichtet!"

„Das bist du nicht mehr, mit deiner Hilfe hier ist das abgegolten", erklärte er.

„Ich weiß, dass ihr irgendetwas Gefährliches vorhabt", stellte Toireasa fest. „Das kann ich nicht zulassen. Entweder ihr sagt mir was es ist und nehmt mich mit oder ich gehe zu Professor Dumbledore."

„Das wirst du nicht!", fauchte Tarsuinn und in seiner Stimme lag ein stählerner Klang. „Winona, könntest du bitte!"

„Natürlich!", sagte das Mädchen ruhig, den Zauberstab auf Toireasa gerichtet. Toireasa wappnete sich für den kommenden Fluch. Sie hatte keine Chance sich zu wehren. Erstaunlicherweise war es Tikki, die wieder von Tarsuinns Schulter sprang und sich drohend zwischen Winona und Toireasa aufbaute.

Alohomora!", sagte Winona plötzlich und Toireasa zuckte zunächst zusammen. Erst dann realisierte sie, dass der Fluch kein Fluch war. Das Kästchen in ihrer Hand war aufgesprungen und ihr Zauberstab glänzte sie an.

„Was soll das?!", fragte Tarsuinn laut und aufgebracht.

„Wenn sie uns begleiten will, dann soll sie doch", sagte das Ravenclaw-Mädchen scharf.

„Ich will nicht, dass sie mitkommt!", fauchte Tarsuinn. „Ich will ja eigentlich nicht mal, dass du mitkommst!"

„Was du willst, ist im Moment irrelevant. Wenn du nicht einverstanden bist, lasse ich sie laufen, auf dass sie Dumbledore Bescheid sagt und der dich vor dir selbst rettet!"

„Das machst du nicht!", unterstellte er nicht sonderlich überzeugt klingend.

„Und ob ich das mache. Ich bin dafür, Tikki ist dafür, Toireasa auch. Du bist verdammt noch mal fast hilflos und ein zusätzlicher Zauberstab würde uns sicher helfen, wenn du schon keine Vernunft annehmen willst. Außerdem ist sie dumm genug mitkommen zu wollen."

„Danke!", kommentierte Toireasa und nahm ihren Zauberstab zur Hand. Für einen Moment war sie versucht, die Ravenclaws zu verfluchen und dann Hagrid zu wecken, doch sie gab dem Drang nicht nach und steckte den Zauberstab in die Tasche ihres Umhangs.

„Fein!", sagte sie. „Da das jetzt geklärt ist, wie kann ich mich nützlich machen?"

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