- Kapitel 26 -
Ein Sieg auf der ganzen Linie
Wenn es irgend etwas gab, das Tarsuinn am nächsten Morgen ein Grinsen auf das Gesicht zeichnete, dann war es die Erinnerung an Penelopes überraschten Aufschrei, nachdem sie den Punktestand im Kampf zwischen den Häusern gesehen hatte. Winona und er hatten sich einen Spaß daraus gemacht, vollkommen unschuldig und überrascht zu tun. Selbst Professor Flitwick gratulierte am Frühstückstisch nur den Ravenclaws, welche die Punkte gesammelt hatten. Namen nannte er nicht und so begann ein großes Spekulieren am Tisch. Irgendwann verdächtigte dann Cassandra Luna, Winona und ihn, da sie alle drei nicht beim Astronomieunterricht erschienen waren. Eine Theorie, die Luna mit dem beiläufigen Kommentar tötete, dass sie gestern zwanzig Punkte verloren hätte. Dass damit sofort der Verdacht auch von Winona und ihm abfiel, war dann irgendwie auch logisch. Eine Tatsache, die fast einen Lachkrampf bei Tarsuinn auslöste. Er erstickte ihn mit einem großen Bissen Pfannkuchen.
Zwei andere Sachen waren jedoch nicht so komisch.
Zum einen unternahmen sie, zusammen mit Professor Dumbledore, noch zwei Mal den Versuch zur Geisterhütte zurückzukehren, aber weder er, noch Winona, Toireasa oder Tikki fanden den Weg. Es war aber auch alles anders und er begriff, dass er kaum noch Erinnerungen hatte, wie er überhaupt den Weg gefunden hatte. In seinem Kopf gab es von – wir gehen los – zu – wir sind da – eine ziemliche Lücke, die mit dem Lied angefüllt war. Die Mädchen hatten erst recht keine Chance den Weg zu finden und selbst Tikki wirkte vollkommen ratlos. Sie blieb fast überrascht vor einer Felswand stehen und wusste einfach nicht weiter.
Die zweite unangenehme Sache war ihm dann am Freitag passiert. Professor Dumbledore hatte entschieden, dass Tarsuinn, statt in der Doppelstunde Flugunterricht herumzusitzen, am Wahrsageunterricht der dritten Klasse teilnehmen sollte.
Nicht, dass ihm das etwas brachte.
Im Grunde genommen machte er da das Gleiche, wie in der Flugstunde: Seine zusätzlichen Zaubertrankhausaufgaben. Das lag aber nicht unbedingt daran, dass er es nicht mit Wahrsagen versuchen wollte, es war nur so, dass Professor Trelawney mehr als nur ein wenig auf die Optik fixiert war. Schon als sie ihn bat in eine Glaskugel zu schauen und ihr zu sagen, was er dort erblickte, waren ihm leise Zweifel am Sinn dieser Stunde und an den Fähigkeiten dieser Frau gekommen.
Trotzdem hatte Wahrsagen aber auch einen Vorteil – es war nur eine einfache und keine Doppelstunde, womit er eine volle Stunde zu seiner freien Verfügung hatte. Natürlich ging er immer hinunter zu den anderen, die Spaß beim Fliegen hatten – aber er musste nicht.
So kam es, dass er eines Freitags allein mit Tikki durch die leeren Gänge schlenderte. Irgendwie war es schon schön zu wissen, wie allen anderen die Köpfe rauchten, während man selbst machen konnte, was man wollte. Obwohl – er wäre auch gern mit einem Besen durch die Luft geflogen. Wenigstens Toireasa musste hart arbeiten, tröstete er sich, als er bemerkte, wie der Feuerrubin an seiner Halskette leicht warm wurde. Das passierte immer, wenn das Slytherin-Mädchen in seiner Nähe war. Er hatte ihr das noch nicht verraten, weil es ihm Spaß machte sie zu verblüffen. Sie versuchte sich immer an ihn anzuschleichen, indem sie entweder einen Zauber benutzte oder aber ihre Art zu gehen änderte, in der Hoffnung, er würde sie nicht gleich erkennen. Dank des Rubins hatte sie damit keine Chance. Selbst durch Wände schien der Stein zu funktionieren, denn er musste sich wohl gerade über Snapes Folterkammer, bei manchen auch als Klassenzimmer bekannt, befinden. Er bog eben um eine Ecke, als ihm zwei Slytherins den Gang entgegen kamen.
Was suchten die denn hier?
„He, Muggel!", sagte ein Junge unfreundlich und stellte sich ihm in den Weg.
„He, Zauberer", äffte Tarsuinn ihn nach. „Da wir das geklärt haben, kann ich jetzt weiter?"
„Erst, wenn wir mit dir gesprochen haben", sagte eine andere Stimme, die schon relativ erwachsen klang.
„Macht es kurz!", entgegnete er ungehalten. „Ich hab noch Unterricht."
„Oh, kein Problem!", sagte der Jüngere und stieß ihm einen Finger auf den Brustkorb. Tikki zu seinen Füßen fauchte warnend.
„Du wirst die Finger von unserer Schwester lassen! Ist das klar?", fuhr der Sprecher fort.
„Von wem?", rutschte es Tarsuinn raus, doch dann begriff er. „Ach, Toireasa! Ihr seid ihre Stiefbrüder. Interessant, euch mal kennen zu lernen."
„Du wirst uns noch viel besser kennen lernen, wenn du sie nicht in Ruhe lässt", drohte jetzt der Ältere. „So gut, dass du es bereust."
„Es war ihre Idee, also lasst mich zufrieden", zischte Tarsuinn.
„Das ist egal! Du bist kein Umgang für sie. Geht das in deinen dreckigen Muggelschädel? Also halt dich von ihr fern!", schrie jetzt der Jüngere.
„Wisst ihr…", sagte Tarsuinn verächtlich, „…ich bin euch fast dankbar. Hättet ihr sie nicht wie Dreck behandelt und stattdessen zu ihr gehalten wie richtige Brüder, dann wäre sie nicht so allein gewesen, dass sie sich andere Freunde suchen musste! Und jetzt entschuldigt mich."
Er drängte sich an den beiden Slytherins vorbei, die anscheinend so verblüfft waren, dass sie ihn in Ruhe ließen. Doch nur zunächst. Er war fast an einer Flurecke angekommen, als ein Stupor ertönte und der Schockzauber ihn erwischte.
Was hatte er auch von Slytherins erwartet?
Natürlich hätte er auch aufmerksamer sein können. Man konnte Angriffszaubern durchaus ausweichen, wenn man sich konzentrierte und sich nicht darüber freute, ein paar Idioten die Meinung gesagt und sie damit getroffen zu haben.
Mühsam erhob er sich wieder.
„Noch mal!", forderte die Stimme des Jüngeren.
Doch der Ältere kam der Aufforderung nicht nach. Stattdessen erklang die nur allzu bekannte Stimme von Professor Snape.
„Das war der schlechteste Schockzauber, den ich mir jemals habe ansehen müssen, Mr Davian", erklang die aufgebrachte Stimme des Professors. „Zehn Punkte Abzug für diese Unfähigkeit und jetzt gehen Sie beide sofort in Ihre Klassen!"
Was war aus dem Verbot geworden auf den Fluren zu zaubern? Okay – für Snapes Verhältnisse war es eine Riesensache überhaupt einem Slytherin Punkte abzuziehen. Die Begründung war wahrscheinlich nur eine Art den Ruf zu wahren, aber ob die beiden Slytherins aus dieser Strafe eine Lehre ziehen würden, war mehr als zweifelhaft. Wahrscheinlich würde der hinterhältige Typ jetzt Schockzauber üben.
„Und Sie, Mr McNamara?", rief Snape Tarsuinn dann über den Gang zu. „Was suchen Sie noch hier? Gehen Sie sofort in Ihre Klasse oder ich muss Ihnen auch Punkte abziehen!"
Klar, dachte Tarsuinn zynisch, die muss er mir abziehen. Verdammter Heuchler!
Trotzdem sagte er nichts und verdrückte sich. Er war gerade so froh, wie harmonisch es in Ravenclaw seit dem unerwarteten Punktezuwachs zuging.
Darum erzählte er auch niemandem, selbst Toireasa und Winona nicht, was passiert war. Ihm gefiel es so, wie es im Moment war. Ein problemloses eigenes Haus, viele lustige Freunde, und das Beste war, die Slytherins hatten ihren einfallsreichsten Quälgeist verloren.
Und nicht nur das. Im Grunde genommen verbrachte er fast seine gesamte Freizeit mit Toireasa und Winona, immer wieder verstärkt durch andere seiner Ravenclaw Freunde, wenn man mal von Alec absah. Sie waren zusammen in der Bibliothek, übten, spielten zusammen Torball, wie Merton es nannte, und manchmal hingen sie einfach nur faul herum.
Es war eine schöne Phase, wenn man die üblichen kleinen Gemeinheiten von Kosloff und ihrer Gang außer Acht ließ.
Leider gab es an der – Können-Sie-Zaubern-Front? – immer noch keine Fortschritte. Kurzzeitig hatte er nach der Begegnung mit dem Einhorn gehofft, er hätte ein magisches Geschenk bekommen.
Dem war leider nicht so.
Trotzdem übte er immer noch unverdrossen. Vor allem – wie Tante Glenn ihn immer wieder ermahnte – Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Mit der Zeit hatte auch Penelope sich wieder einbekommen (nachdem es irgendwann doch herausgekommen war, wer insgesamt einhundert Punkte gesammelt hatte) und sie war es, die den Erstklässlern Lektionen in Verteidigung gegen die Dunklen Künste gab. Von Lockhart lernte man ja nichts. Das hatten inzwischen auch seine größten Fans und vor allem alle die Schüler in den ZAG und NEWT Jahrgängen begriffen. Und für Penelope schien es eine gute Wiederholung ihrer alten Lektionen zu sein.
Auch Tikki wurde immer glücklicher, je wärmer es wurde. Trotzdem war sie auch etwas seltsam. Immer, wenn er längere Zeit mit einer großen Gruppe Ravenclaw lernte, verschwand sie und stromerte durch das Schloss, so als würde sie etwas suchen. Er machte sich deshalb einige Sorgen, denn schließlich lagen oben im Krankenflügel zwei versteinerte Schüler und eine Katze. Ach ja – und ein unbeweglicher Geist war da auch noch irgendwo aufgeräumt. Aber hindern konnte er Tikki nicht. Sie machte was sie wollte und er hatte kein Recht ihr irgendetwas zu verbieten. Außerdem hatte er das dumpfe Gefühl, dass Tikki sich etwas langweilte. Ein wenig fühlte Tarsuinn sich dafür schuldig. Er kannte die wichtigen Wege im Schloss inzwischen so gut, dass er kaum noch auf die Hilfe seiner kleinen Freundin angewiesen war.
Aber das war noch nicht alles. Er übte ständig mit Madame Pomfrey um seine magische Sicht zu verbessern und auch die Lektionen aus dem Buch – Für das Auge, das nicht sieht – halfen ihm sehr weiter. Geister waren zwar immer noch nur Flecken in seiner Wahrnehmung, aber er musste sich kaum noch konzentrieren, um sie zu sehen. Bei Zaubern war das etwas schwieriger, aber auch das bekam er langsam in den Griff. Doch am meisten half ihm etwas anderes: Das, was er wirklich für das Geschenk des Einhorns hielt.
Tarsuinn hatte schon an dem Abend des Todes des Tieres eine Veränderung in der Welt bemerkt, aber erst mit der Zeit war ihm klar geworden, dass er sich das alles nicht nur einbildete – er konnte Leben fühlen. Das hatte er zwar schon früher immer behauptet, aber jetzt war es etwas anderes. Früher hatte er aus Riechen, Hören und Fühlen gefolgert, wo Menschen oder Tiere waren und wie sie sich bewegten.
Aber jetzt war das anders!
Er verstand es nicht wirklich, aber es war fast so, als hätte er einen weiteren Sinn geschenkt bekommen, um Leben und Tod zu sehen. Nicht mit den Augen, es war eher ein warmes oder kaltes Gefühl im Bauch. Wie eine Art Radar. Leider ein furchtbar empfindliches Radar. Meist war er völlig überfordert einzelne Dinge oder Personen zu unterscheiden. Aber langsam, quälend langsam, gewöhnte er sich daran und – was noch viel wichtiger war – er lernte das Gefühl zu ignorieren, wenn es zu intensiv wurde.
Doch nichts war so schwierig, wie an Rica Briefe zu schreiben. Er hatte zwar inzwischen gelernt ihren kommenden Tod ein wenig zu akzeptieren, doch leicht fiel es ihm trotzdem nicht fröhliche Briefe zu schreiben, wenn er nur zu deutlich den langsamen Verfall an ihrer Schrift bemerkte. So schrieb er immer weniger über sich selbst und konzentrierte sich auf lustige Anekdoten rund um ihn herum oder auf interessante Geschichten, die man ihm erzählte. Ab und an peppte er diese auch noch etwas auf, damit Rica sich nicht langweilte. Ab dem Beginn der Osterferien musste er dies jedoch nicht mehr tun.
Sie lagen gerade alle auf mitgebrachten Decken in der ersten Frühlingssonne am See und beglückwünschten sich zu der Tatsache Erstklässler zu sein, für welche die Prüfungen noch keinen so großen Schrecken bedeuteten. Tarsuinn spielte mit Tikki Frisbee und die anderen diskutierten über das aktuelle Dauerthema der Schule – wer denn wohl der Erbe Slytherins sein konnte.
„Und ich sage euch, es könnte wirklich Potter sein", vertrat Ian überzeugt eine weit verbreitete These und zählte die Indizien auf. „Er spricht Schlangensprache, er war immer der Erste der einen Versteinerten gefunden hat und auf alle, die es erwischt hat, war er sauer."
„Das ist Quatsch!", urteilte Cassandra überzeugt. „Er ist ein Gryffindor, seine Freundin ist eine Muggelgeborene, seine Mutter genauso. Er hat Du-weißt-schon-wen aufgehalten."
„Das hat er mit einem Jahr sicher nicht absichtlich gemacht", gab Ian zu bedenken.
„Es würde seinem Schicksal zuwider laufen", summte Luna melodisch. „Der-Junge-der-lebt ist kein Bote des Todes."
„Na, wenn das nicht der Beweis ist", erwiderte Ian sarkastisch. „Wenn Luna eine Theorie verwirft, dann muss sie doch stimmen."
„Das ist nur ein Indiz, kein Beweis", ließ sich Merton vernehmen. „Dass Luna nicht besonders fest auf der Erde steht, hindert sie nicht daran, ab und zu Recht zu haben. Außerdem – erst wenn es im Quibbler stand, muss man dran zweifeln. Trotzdem glaube ich, Ian könnte durchaus einen Treffer damit landen. Potter ist nicht gerade sehr gesellig und zu Colin war er richtig gemein."
„Ich wäre auch grantig, wenn mich jemand alle fünf Minuten fotografiert, obwohl ich das nicht will", meinte Cassandra.
„Bei all deinen Sommersprossen kein Wunder", frotzelte Ian. „Ist ja kaum noch Platz für ein Gesicht."
„Wenigstens habe ich eines", sagte Cassandra und obwohl sie offensichtlich versuchte Ians Kommentar als das zu nehmen was er war – ein Scherz – hörte Tarsuinn doch heraus, dass sie ein wenig verletzt war. Leider konnte er nicht einschätzen, wie objektiv diese Selbsteinschätzung ihres Aussehens war und ein aufmunternder Kommentar von seiner Seite war sicher auch nicht hilfreich.
„Also, ich halte übrigens Malfoy für einen genauso guten Tipp auf den Erben, wie Potter", brachte Merton wieder das Grundthema zur Sprache. „Und seine offensichtliche Grundeinstellung ist um einiges passender zu dem alten Slytherin."
„Ja, aber wenn er es wäre, dann wäre er doch offensichtlich dämlich", zweifelte Ian. „Er trägt seinen Schwachsinn von Reinblütigkeit so zur Schau, dass er sich doch selbst extrem verdächtig macht."
„Das ist doch der Trick!", mischte sich Alec ein, der bis dahin geschwiegen hatte. „Wer würde ihn schon verdächtigen, weil er sich selbst so verdächtig macht."
Tarsuinn verdrehte die Augen (soweit er das konnte) und warf ein laut flatterndes Frisbee, was Tikki zu einem abfälligen Geräusch veranlasste. Wenn es um Slytherin ging, verlor Alec immer noch jegliches Gefühl für Logik, obwohl er zumindest Toireasa inzwischen so etwas wie eine vorläufige Lebensberechtigung einräumte.
„Na, Malfoy ist nicht der einzige Slytherin mit einer solchen Ansicht", meinte Cassandra. „Wenn man danach geht, käme ein großer Teil von denen in Frage."
„Einige mehr, einige weniger. Es gibt ein paar, die haben einfach nicht das Hirn für so was", lachte Alec abfällig.
„Um der Erbe zu sein, braucht es kein Hirn", gab Ian zu bedenken. „Da reicht Abstammung."
„Aber um nicht erwischt zu werden, sollte man schon ein wenig Befähigung aufweisen."
„Wenn es darum geht, dann wäre es ja Cassandra", warf Tarsuinn lächelnd ein und warf das Frisbee so unglücklich, dass dieses zurück kam und ihm gegen den Kopf knallte. Alles lachte.
Um ehrlich zu sein, er hasste dieses Spiel und machte das nur zum Vergnügen von Tikki.
„Entschuldige", kicherte Cassandra. „Manchmal vergisst man richtig, dass du blind bist."
„Geschenkt", kommentierte Tarsuinn, packte das Frisbee trotz Tikkis Protesten in den Spielzeugbeutel und nahm einen weichen Schaumstoffball zur Hand.
„Mir zuliebe!", bat er Tikki.
„Wo sind eigentlich Winona und Toireasa?", fragte Ian. „Mich würde interessieren, was die beiden darüber denken. Vor allem müsste doch Toireasa wissen, wem es in Slytherin besonders zuzutrauen wäre."
„Sie ist nicht gerade am Leben in Slytherin beteiligt", antwortete Tarsuinn. „Und ich glaub, die beiden sind in der Bibliothek und prüfen irgendetwas."
„Und was?", fragte Alec.
„Keine Ahnung", log Tarsuinn, obwohl er wusste, dass es um die Familienangelegenheiten des Slytherin-Mädchens ging. „Zusatzaufgaben von Professor Flitwick glaub ich."
„Toireasa und Zusatzaufgaben in Zauberkunst?", zweifelte Cassandra. „Kann nicht sein."
„Hab ich falsch formuliert", fühlte sich Tarsuinn ertappt. „Eher eine Art Bonusaufgabe. Ich glaub, die waren so krank und haben darum gebeten."
„Ja. Ferien sind soooo langweilig", kommentierte Merton. „Fühle mich ohne Unterricht richtig mies. Muss sofort Snape um Bonusaufgaben bitten! Haltet mich davon zurück! Na los – haltet mich sofort zurück! Worauf wartet ihr?"
Alle lachten.
„Du kannst meine Aufgabe haben", bot Tarsuinn an, um die Sache zu krönen.
„Du meinst…?"
„Natürlich meine ich das", bestätigte Tarsuinn grinsend. „Snape hat mir mal wieder etwas seiner Zuwendung geschenkt und mir einen seltsamen Trank aufgegeben. Dauert sieben Tage den Mist zu brauen und ich hab keine Ahnung, was das für ein Zeug ist."
„Ist ja unfair", fluchte Merton.
„Ach, so schlimm ist es nicht", wehrte Tarsuinn ab und nahm so gegen seine eigene Überzeugung Snape in Schutz. Wahrscheinlich waren ihm doch ein paar Radieschen aus den Ohren gewachsen und dies war seine einzige Möglichkeit, Tarsuinn an Dumbledore vorbei zu bestrafen.
„Für dich sicher nicht", meinte Cassandra. „Für mich wäre es die Hölle."
„Na, so ungeschickt bist du auch nicht mehr", schmeichelte Ian. „Nicht, seitdem Tarsuinn wieder etwas mehr mit dir übt."
„Oh ja. Ich schneid mir nicht mehr selbst in die Finger!", gab sie frustriert zu. „Aber ich hab noch keinen einzigen Trank hinbekommen! Das werd ich auch niemals…"
„Heh – da sind sie ja", unterbrach Merton. „Winona scheint sich ziemlich aufzuregen."
„Wann tut sie das mal nicht?", brummte Tarsuinn betont schicksalsergeben.
„Immer dann, wenn zwei bestimmte Personen sie nicht auf die Palme bringen", lachte Cassandra.
„Hallo!", grüßte Toireasa fröhlich. „Sprecht ihr gerade über Winona?"
„Nein, wir lästern über drei bestimmte Personen im Allgemeinen", stellte Merton klar.
„Und sie stören sich nicht daran, dass ich direkt daneben stehe", maulte Tarsuinn ironisch.
„Du hast doch eh deine Ohren überall!", kicherte Toireasa und setzte sich anscheinend hin.
„Ich verstehe nicht, wie du so ruhig bleiben kannst", meckerte Winona frustriert. „Ich würde ausflippen!"
Das Mädchen klang wirklich sehr gereizt. So sehr, dass Tarsuinn sich gedrängt fühlte nachzufragen.
„Was regt dich denn so auf?", fragte er interessiert und warf den Ball knapp über Tikki hinweg, die sofort sprang und den Ball aus der Luft pflückte.
„Man hat mein Zimmer geflutet", erklärte Toireasa ruhig, bevor Winona Luft holen konnte.
„Wie? Geflutet?", wollte Alec wissen.
„Sie haben einen Schlauch gelegt und Wasser unter der Tür durchlaufen lassen", war diesmal Winona die Schnellere.
„Unsere Schlafräume liegen unterhalb des Gemeinschaftsraumes", ergänzte das Slytherin-Mädchen zur Erklärung. „Wird einiges an Aufräumarbeit werden!"
„Von wie viel Wasser sprechen wir hier eigentlich?", erkundigte sich Tarsuinn.
„Na ja…", lachte Toireasa, „…eine Handbreit…"
Sie machte eine effektvolle Pause.
„…Luft war noch zwischen Wasser und Decke."
„Aber dann sind ja all deine Sachen völlig nass! Deine Bücher, Mitschriften und all dein anderer Kram", warf Cassandra empört ein. „Völlig zerstört!"
„Ja", bestätigte Toireasa immer noch fröhlich.
„Reg dich endlich darüber auf!", fauchte Winona. „Du kannst das doch nicht so hinnehmen! Du musst das Snape oder einem anderen Lehrer erzählen."
„Auf den Vorteil verzichten und Slytherin Minuspunkte einbringen?", lachte Toireasa. „Nee!"
„Was für einen Vorteil?", fragte Winona immer noch ungehalten.
„Hättest du mir zugehört, dann wüsstest du, dass Samuel, ein Vertrauensschüler von Slytherin, hinzugekommen ist, als Regina so dumm war und ihren Triumph ein wenig auskosten wollte", erklärte Toireasa geduldig.
„Und?"
„Ganz einfach. Er hat ruhig erklärt, dass alle anwesenden Verursacher und Zuschauer sich unter seiner Aufsicht daran machen, den angerichteten Schaden ohne Magie zu beseitigen und wenn sie das gut machen, gibt es keine Strafpunkte."
„Das wieder gut zu machen, ist ja wohl das Mindeste!", kommentierte Ian fest. „Wo ist denn da die Strafe?"
„Och – die!", tat Toireasa unschuldig. „Nun, es liegt im Bereich des Möglichen, dass eine hier anwesende Schülerin Phasen der geringen Mitarbeit hatte, in denen sie nicht sonderlich viel im Unterricht mitgeschrieben hat. Leider ist jetzt nicht mehr erkennbar, wo diese Lücken waren und somit werden einige Leute sehr intensiv und ordentlich für vollständige Mitschriften sorgen müssen. Und jetzt sagt – warum sollte ich nicht fröhlich sein? Kosloff war so doof sich erwischen zu lassen und ist den Rest der Ferien beschäftigt. Ist die Welt nicht schön?"
Eine Weile herrschte vollkommene Stille, wenn man von Tikkis Drängeln nach dem nächsten Ball absah.
„Slytherins machen mir Angst", sagte Alec schließlich langsam und ein klein wenig Bewunderung schwang mit.
„Na ja – ein wenig geärgert habe ich mich schon", gab Toireasa dann doch zu. „Und wär Samuel nicht gewesen, dann würde ich so kochen wie Winona. Na ja – vielleicht nicht so schlimm."
„Ich weiß nicht, wie es euch geht", meinte Alec sinnend. „Aber ich genieße die Vorstellung, dass Kosloff schuften muss, während ich faul in der Sonne liege."
Und das wurde dann auch das Motto des Tages. Nichts tun und faul sein. Ab und zu suchte sich Tikki ein Spiel- und Streichelopfer aus, aber das war auch die einzige Bewegung zu der sie sich hinreißen ließen.
Natürlich diskutierten sie mehr oder weniger die verschiedensten Sachen. Vor allem natürlich immer noch über den Erben Slytherins (Toireasa tippte zum Erstaunen aller auf Tarsuinn, erklärte aber nicht wieso) und über das Quidditchspiel am Wochenende. Auch wenn es nur um Hufflepuff gegen Gryffindor ging, so eröffnete dieses Spiel Ravenclaw die Chance auf den Pokal, vorausgesetzt die Gryffindors verloren. Schließlich hatte ihre eigene Mannschaft zwar gegen Slytherin verloren, aber gegen Hufflepuff knapp gewonnen. Wenn Gryffindor verlor, dann war jedes Team schon einmal geschlagen.
Tarsuinn musste zugeben, die Beschreibung von Flugmanövern und Spielzügen langweilte ihn. Zum einen, weil er es hasste nicht mitreden zu können, und zum anderen, weil er sich heimlich wünschte, das Spiel mal auszuprobieren. In seiner Vorstellung war es ein Abenteuer, aber eines, bei dem es nicht gleich um Leben und Tod ging.
Es wurde schon langsam Abend und die meisten anderen Schüler, die am See herumgegammelt hatten, waren schon beim Abendbrot, als Tarsuinns Ohren auf ein seltsames Geräusch reagierten. Es war eine Art tiefes Summen. Ein Geräusch, das er nicht zuordnen konnte.
„Hört ihr das?", fragte er die anderen stirnrunzelnd und unterbrach damit ein angeregtes Gespräch über mögliche Prüfungsthemen im Sommer. „Dieses Brummen!"
„Nein!", antwortete Merton nach einem Augenblick der Stille.
Das Brummen wurde lauter.
„Brummelnde Hummeln?", sagte Luna plötzlich fragend.
„Genau!", stimmte Tarsuinn zu.
Jetzt hörten es auch die anderen. Das Geräusch kam immer schneller näher.
„Verfluchte Sch…", entfuhr es plötzlich Toireasa laut und Tarsuinn hörte sie aufspringen. Nur Augenblicke später fiel etwas zwischen die Gruppe und nur eine Sekunde später war auch das Brummen direkt bei ihnen.
„Reddbees!", schrie Toireasa auf.
Etwas stach Tarsuinn durch die Hose ins Bein. Um seinen Kopf summte es und dutzende kleine Füße versuchten auf ihm zu landen. Ian, Alec und Cassandra probierten zu zaubern, doch das war zum Scheitern verurteilt. Wie sollte man sich konzentrieren, wenn unzählige Bienen einen umsummten und stachen. Außerdem offenbarte sich so die Sinnlosigkeit von Lockharts Unterricht.
„Ins Wasser!", schrie Winona und packte Tarsuinn am Arm. Sie liefen ein paar Schritte und die anderen folgten. Einzig Toireasa kam nicht mit. Wie ein Blitz durchfuhr Tarsuinn eine alte Erinnerung. Er riss sich von Winona los und lief zurück. Mit seinem linken Arm versuchte er sein Gesicht zu schützen, während er nach dem Mädchen suchte. Er fand sie am Boden knien, den Kopf von den Armen bedeckt. So problemlos, wie die Bienen durch Kleidung stachen, war dies ein sinnloses Unterfangen. Etwas rücksichtslos – das Summen machte ihn langsam panisch und er war kurz davor die Orientierung zu verlieren – riss er das Mädchen hoch und zerrte sie zum See. Tikkis Laute führten ihn ins Wasser. Toireasa wehrte sich immer heftiger, je näher sie dem Wasser kamen. Ja, sie trat sogar nach ihm.
Sein Gesicht schien in Flammen zu stehen, der Pferdekuss von Toireasa lähmte ihm das Bein, dann wurde er plötzlich selbst ergriffen und fast ins Wasser geworfen. Trotz seiner Überraschung darüber hielt er Toireasa fest und tauchte sie und sich unter die Wasseroberfläche.
Das Wasser war furchtbar kalt, doch im Moment kühlte es die Stiche der Bienen wohltuend. Aber darauf konnte er kaum achten. Toireasa gebärdete sich wie wild und es war nicht einfach sie unter Wasser zu halten. Doch solange er sie mit den Händen ergriffen hielt, konnte er das Mädchen kontrollieren.
Trotzdem war er dann froh, als er wieder auftauchte und von den Bienen nichts mehr zu hören war. Er zog Toireasa nach oben.
Obwohl das Mädchen irgendwo zwischen panischen Schreien und krampfartigem Husten schwankte, fand sie noch immer die Zeit ihn zu schlagen. Das aber eher halbherzig, weh tat es nicht sonderlich. Zumindest relativ zu den Stichen auf seiner Haut.
„Sind sie weg?", fragte er seine Freunde, die prustend und keuchend neben ihm im Wasser standen. Vorsichtshalber hielt er noch immer Toireasa fest. Nur für den Fall, dass das Summen wieder ertönte. Im Moment hörte er jedoch nichts in dieser Richtung.
„Sie schweben bewegungslos über uns!", sagte Winona relativ gefasst, jedoch etwas undeutlich. So klang normalerweise ein Junge nach einer herzhaften Prügelei.
„Erstarrungszauber", erkannte Cassandra, die es anscheinend nicht so schlimm erwischt hatte. „Wer hat…oh nein!"
„Braucht ihr kleinen Ravenclaws noch ein wenig mehr Hilfe?", fragte eine Stimme. Es sollte vielleicht mitfühlend klingen, aber Tarsuinn konnte die Häme nur zu deutlich heraushören.
„Ihr habt uns die Reddbees auf den Hals gehetzt", unterstellte Alec feindselig. Tikki unterstützte diese Aussage lautstark.
„Das ist unerhört…"
„…unglaublich…"
„…undankbar…"
Da waren mehr Leute am Ufer. Einige der Stimmen erkannte Tarsuinn problemlos als Slytherins und keiner von ihnen konnte seine Freude über die Situation ganz verbergen.
„Was für ein erstaunlicher Zufall euch hier zu sehen", fauchte Winona kalt und sie watete zum Ufer. Tarsuinn folgte ihrem Beispiel und zog Toireasa mit, die sich ein wenig beruhigt hatte.
„Mr Flint!", bellte plötzlich Professor Snapes Stimme.
„Ja, Sir", antwortete dieser und da war eindeutig ein Hauch von Angst in seiner Stimme.
Der Professor kam ohne ein weiteres Wort näher, bis er Flint gegenüberstand, dann sagte er nur: „Hervorragender Zauber, zehn Punkte."
„Was?", konnte es Alec nicht glauben. „Dieser hinterhältige Affenarsch…"
„Sie werden etwas dankbarer sein", bellte Snape ungehalten. „Mr Flint hat Sie alle eben vor Schlimmerem bewahrt."
Normalerweise zuckte jeder zusammen, wenn Snape jemanden so anging, nur wirkte es bei Alec heute nicht.
„Ich erinnere Sie daran, wenn ich Flint anzünde und ihn nachher lösche!", fauchte er. „Dann will ich auch zehn Punkte und vielleicht nen Umweltorden!"
„Das reicht jetzt, Mr Lancaster", befahl Snape.
„Ach lecken Sie…!", wollte Alec entgegnen, überschritt damit jedoch eindeutig die Grenze.
„Ich sagte – es reicht!", befahl Snape voll eisiger Kälte. „Sie kommen mit. Alle, die nicht gestochen wurden, gehen zum Essen! Der Rest geht in den Krankenflügel. Unverzüglich! Stehen Sie hier nicht rum!"
Betreten wusste Tarsuinn zunächst nicht, was er tun sollte. Alec mit Snape gehen zu lassen, fühlte sich so an, wie einen Freund zu seiner Hinrichtung zu schicken. Unentschlossen stand er etwas fehl am Platz herum. Toireasa an seiner Hand rührte sich auch nicht. Erst als Winona ihn wegzog und Ian bei Toireasa das Gleiche tat, bewegte er sich zum Krankenflügel. Tikki, Cassandra, Merton und Luna vorweg.
„Das gibt solchen Ärger!", jammerte Cassandra besorgt. „Die werden ihn rausschmeißen. Einem Lehrer zu sagen…oh je, oh je!"
„Ich denke nicht, dass er deshalb fliegt", versicherte ihr Tarsuinn. „Ansonsten wäre ich schon längst nicht mehr hier!"
„Ach! Du hast auch Snape so beleidigt?", zweifelte Cassandra schnippisch. „Glaubst du doch selbst nicht."
„Hab ich auch nicht", grinste Tarsuinn. „Ich hab nur nen Messer nach ihm geworfen."
Cassandra blieb so plötzlich stehen, dass er schmerzhaft mit ihr zusammen stieß.
„Au", entfuhr es ihm. Neben den unzähligen juckenden Stichen hatte er jetzt auch noch eine schmerzhafte Beule am Kopf. „Musste das sein?"
„Du hast nicht wirklich Snape angegriffen, oder?", ignorierte sie seinen Kommentar.
Für einen Moment war er versucht darauf zu bestehen, doch dann besann er sich eines Besseren.
„Natürlich nicht", beruhigte er sie. „War nur der Versuch dich zu beruhigen."
„Tu mir einen Gefallen", fuhr sie ihn an. „Beruhige mich nie wieder!"
„Wie du meinst", gab er sofort nach, dann setzten sie ihren Weg fort.
Madame Pomfrey war überhaupt nicht über ihr Erscheinen erfreut. Sie machte keinerlei Hehl daraus und schimpfte leise, während sie Sichtschirme aufbaute, Handtücher und trockene Sachen verteilte und jedem eine Dose mit eiskalter Salbe gab.
Bevor Tarsuinn sich selbst damit Linderung verschaffte, kümmerte er sich um Tikki. Erst danach versorgte er alle seine Stiche – großzügig verteilt über seinen gesamten Körper, aber vor allem auf Gesicht und Händen – mit Creme. Das unangenehme Jucken ließ sofort etwas nach. Mitleidig dachte er an Alec. Der Junge würde sicher wie auf Kohlen sitzen, ohne die lindernde Salbe. Ein Gefühl, das Tarsuinn durchaus vertraut war und er war entgegen seiner eigenen Worte etwas besorgt, was mit Alec passieren würde.
Deshalb wollte er auch schnell wieder weg aus dem Krankenflügel. Hier wurde immer der ganze Klatsch und Tratsch von einem fern gehalten. Madame Pomfrey gab sich in dieser Beziehung sehr viel Mühe.
Leider befahl die Krankenschwester ihm, sowie Toireasa und Winona, über Nacht im Krankenflügel zu bleiben. Sie hatten die meisten Stiche abbekommen und anscheinend machte Madame Pomfrey sich Sorgen um Toireasa, die noch immer kein Wort sagte.
Auch er hatte nicht gerade den Drang sich mitzuteilen und so schwieg er auch. Selbst als wenig später Alec im Krankenflügel erschien, redete niemand.
Erst als Madame Pomfrey endlich zu Bett gegangen war, kam Winona zu ihm geschlichen. Er wollte sich etwas aufrichten, aber dabei wurde ihm plötzlich speiübel und er gab dem Drang auch nach, als das Mädchen ihm eine Schüssel reichte. Sie musste es ihm angesehen haben. Und sie war es auch, welche die Schüssel nachher wieder reinigte und sie auf seinen Nachttisch stellte. Er fühlte sich etwas besser und war im Nachhinein Madame Pomfrey sehr dankbar, dass sie ihnen verboten hatte zu gehen.
Winona setzte sich am Fußende auf sein Bett.
„Ist ziemlich gruselig hier", sagte Winona leise. „Ich meine wegen der Versteinerten."
„Mmh", brachte Tarsuinn nur zustande, da er sich fürchtete den Mund zu öffnen.
Eine Weile blieb sie still.
„Sie haben uns voll erwischt!", sagte Winona schließlich.
„Mmh", brummte er frustriert und zustimmend.
„Und sie haben es auch richtig intelligent gedreht. Jeder andere Lehrer hätte Flint wahrscheinlich auch die Punkte geben müssen", fuhr sie fort.
Er nickte bestätigend. Die Wahrheit tat weh und frustrierte unheimlich.
„Das werden sie bereuen!", sagte Winona entschlossen.
„Erst mal nicht", widersprach Tarsuinn.
„Was?", entfuhr es Winona laut, doch sie senkte ihre Stimme sofort wieder. „Das müssen wir ihnen doch heimzahlen!"
„Und was ist mit ihr?", fragte Tarsuinn und deutete Richtung Toireasas Bett.
„Sie würde mir zustimmen", erklärte Winona überzeugt.
„Nicht lange", entgegnete er. „Denk doch mal nach. Jedes Mal, wenn wir sie erwischen, haben die Toireasa allein in Reichweite, um sich abzureagieren. Außerdem wissen die jetzt, wie man sie treffen kann."
„Ja – mag sein", gab Winona nach einer Weile zu. „Aber was ist überhaupt mit ihr? Sie hat überhaupt nicht mehr gesprochen."
„Sie hat Angst vor Wasser", erklärte Tarsuinn leise. „Besser gesagt – vorm Ertrinken."
Das brachte ihn dazu etwas zu tun, was er eigentlich schon längst hätte tun sollen. Obwohl ihm immer noch übel war, kletterte er mit Winonas Hilfe aus dem Bett und tastete sich zu dem Slytherin-Mädchen.
„Toireasa", flüsterte er. „Ich weiß, dass du wach bist. Bitte verzeih mir, dass ich dich untergetaucht habe, aber die Bienen… und ich hab nicht gewusst, wie schlimm es ist… war doch nur hüfthoch das Wasser."
Keine Antwort.
„Es tut mir wirklich Leid", versicherte er.
„Nicht deine Schuld", flüsterte Toireasa schließlich und für einen Augenblick berührten ihn ihre Fingerspitzen im Gesicht.
„Ich wünschte, du wärst nicht in Slytherin, sondern in unserem Haus", seufzte Winona frustriert. „Der Sprechende Hut muss sich geirrt haben."
„Damals leider nicht", antwortete Toireasa traurig. „Ich war da richtig."
„Aber jetzt nicht mehr!", beharrte Winona. „Das hätte der Hut doch voraussehen müssen."
„Das seh ich ja genauso", stimmte Toireasa zu. „Professor Flitwick hat mir aber geraten eines nach dem anderen anzugehen und im Moment will ich etwas anderes, wie du ja weißt."
„Gut!", beschloss daraufhin Winona. „Erst bringen wir dich bei deinen Großeltern unter, dann in unserem Haus. Es geht mir furchtbar gegen den Strich, dass du Punkte für Slytherin sammelst, während die dich immer beschimpfen."
„Das ist nur, weil ich mich gegen den aktuellen Trend stelle", relativierte Toireasa flüsternd. „Die meisten – auch die Familien, die gegen Ihr-wißt-schon-wen kämpften – halten Professor Dumbledore und die neue Regierung für eine schlimme Sache. Ich glaube sogar…"
Sie verstummte.
„Was?", fragte Tarsuinn vorsichtig.
„Ich glaube…", fuhr sie fort, „…viele wünschen inzwischen, Ihr-wißt-wen-ich-meine hätte damals gesiegt."
„Das können die sich nicht ernsthaft wünschen!", warf Winona entsetzt ein.
„Doch!", widersprach Toireasa. „Seit zwölf Jahren schmilzt der Einfluss der alten Familien. Immer mehr Posten werden nicht nach Familiennamen vergeben. Die Riesenjagd wurde geächtet. Viele Muggelgeborene machen mehr Geld, weil sie beide Welten viel besser verstehen und zeigen keine Ehrfurcht vor alten Namen. Es gibt einige, die der Ansicht sind, dass vor zwölf Jahren eine Krankheit besiegt wurde, die durch ein noch schlimmeres, schleichendes Gift geheilt wurde."
„Das ist doch krank!", urteilte Winona.
„Leider Realität", bestätigte Toireasa. „Und dazu kommt, dass im Moment ein Haufen Kinder ehemaliger Todesser zur Schule geht. Die mögen zwar alle offiziell behaupten, sie wären gezwungen gewesen Ihr-wisst-schon-wem zu folgen, aber wenn man ihre Kinder reden hört, dann weiß man, was sie wirklich denken."
„Und was sollen wir jetzt mit dir machen?", fragte Winona frustriert.
„Ihr könnt mir nicht helfen", meinte Toireasa.
„Oh doch, wir können", warf Tarsuinn ein.
„Ich wüsste nicht wie!", wehrte Toireasa ab.
„Ich schon!", sagte er fest und wusste, sein Vorschlag würde ihr überhaupt nicht gefallen.
„Und das wäre?", erkundigte sie sich zweifelnd.
„Ab morgen lernst du schwimmen", erklärte er selbstsicher.
„Nein!", weigerte sie sich sofort.
„Willst du ewig Angst vorm Ertrinken haben?", fragte Tarsuinn ernst. „Außerdem haben es alle gesehen. Glaubst du, Kosloff überlegt nicht, wie sie dich damit quälen kann?"
„Ziemlich sicher wird sie das machen", gab Toireasa nach einer Weile der Stille zu. „Ich selbst habe ihr gezeigt, wie das geht."
Tarsuinn überging diese Andeutung voller Selbsthass. Toireasa war es gewesen, die seine Schwächen so gekonnt ausgenutzt hatte und sie war es auch gewesen, die plante seine Alpträume gegen seine Freunde zu benutzen. Er wollte nicht daran denken.
„Dann steht es fest", sagte er einfach. „Du lernst schwimmen und wir kümmern uns darum, wie du von deinen Eltern weg kommst."
„Und danach sehen wir zu, ob wir dem Sprechenden Hut Fehlbarkeit nachweisen können!", vervollständigte Winona.
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