- Kapitel 28 -

Feierlichkeiten

Das Quidditchspiel Hufflepuff gegen Gryffindor rettete Toireasa am Samstag vor weiteren Schwimmstunden, nachdem sie noch weitere zwei Tage fast ausschließlich in der dunklen Höhle unten am See zugebracht hatten. Ihre Arme schmerzten vor Muskelkater und obwohl sie sich inzwischen halbwegs auch mit Brustschwimmen über Wasser halten konnte, mochte sie tiefes Wasser immer noch nicht sonderlich. Und prinzipiell weigerte sie sich zu tauchen oder ins Wasser zu springen, wie es die beiden Ravenclaws so gern machten.

Wasserschlachten fand sie dafür umso besser, solange diese im flachen Wasser stattfanden.

Aber selbst wenn ihr das Spaß machte, es war nichts im Vergleich zu Quidditch. Selbst als Zuschauer fühlte sie sich lebendig dabei und sie hatte auch an dieses Gefühl gedacht, als sie in der Geisterhütte den Schutzzauber geübt hatte.

Außerdem konnte sie nur Spiele richtig genießen, an denen Slytherin nicht teilnahm. Erstens, weil sie so näher am Geschehen war, schließlich mied sie das Stadion, wenn ihr Haus spielte, und zweitens, weil sie für den jubeln konnte, den sie wirklich favorisierte und es egal war, mit wem sie jubelte. Selbst wenn sie, wie heute, dies für beide Mannschaften tat. Im Grunde genommen war es natürlich besser für ihre Freunde bei Ravenclaw, wenn Hufflepuff gewann, aber heimlich drückte sie eher den Gryffindors die Daumen, da die, ihrer Meinung nach, das mitreißendere Quidditch spielten und außerdem auch den besseren (und süßeren) Torwart besaßen. Die Position vor den Ringen, das war eigentlich auch das, was sie am liebsten spielte und wenn heute alle den Jägern und Suchern hinterher schauten, würde sie sich ganz auf das Verhalten der Torwarte konzentrieren. Sicher gab es einige Tricks, die sie sich abschauen konnte.

Es war bald elf und in wenigen Minuten würde das Spiel beginnen. Die besten Plätze waren sicher schon alle besetzt, aber leider hatte es Snape für nötig befunden, ihr erneut ins Gewissen zu reden. So schob sie sich verspätet durch die älteren Ravenclaws in den hinteren Reihen und suchte Winona. Man machte ihr dabei so beiläufig Platz, als wäre es das Normalste von der Welt, dass sich ein Mädchen mit dem Slytherin-Abzeichen, einem Hufflepuff-Schlips und einem Gryffindor-Schal (beides hatte sie Vertretern der jeweiligen Häuser vorübergehend abgeschwatzt), durch ihre Reihen schob.

Sie erreichte schließlich die anderen Erstklässler in der vorderen Reihe, die sie schon erwarteten, doch Toireasa war erstaunt auch Tarsuinn anzutreffen, der etwas über den Ohren trug, das wie zwei kleine Dachse aussah.

„Ist dir das nicht zu laut?", schrie sie ihn über den schon jetzt herrschenden Lärm hinweg an. Er reagierte nicht.

„Du musst normal sprechen!", antwortete stattdessen Winona laut. „Luna hat ihm, zusammen mit Penelope, Ohrenschützer gebastelt. Alles was sehr laut ist, hört er nicht!"

„Dann geht ihm doch die ganze Stimmung verloren!", antwortete sie und legte selbst die Hände auf die Ohren, da lauter Jubel ertönte, als die Spieler das Feld zum ersten Mal überflogen. Noch waren ihre Ohren etwas empfindlich, was sich jedoch im Laufe des Spieles schon geben würde.

„Wenigstens ist er dabei!", strahlte Winona.

Das Mädchen stieß Tarsuinn an und sagte etwas Unhörbares, aber sofort drehte sich der Junge zu Toireasa um und ein Lächeln blitzte auf.

„Ziemlich ruhig hier", schrie er laut. „Ich wünschte, sie hätten eine Lärmdämpfung hinbekommen, statt alles, was zu laut ist, zu blocken. Ich würde gern mehr hören."

„Sei lieber froh!", schrie Toireasa.

Tarsuinn schüttelte den Kopf und deutete auf die Dachse auf seinen Ohren.

„Sei lieber froh!", wiederholte sie in normaler Lautstärke. „Heut ist hier die Hölle…"

„Seht mal, McGonagall!", unterbrach Winona, zupfte den Jungen am Arm und deutete aufgeregt auf das Feld, wo die kleine Gestalt der Lehrerin energisch mit einem purpurnen Megafon zur Mitte strebte.

„Das Spiel ist abgesagt!", sprach die Frau durch das Megafon und war damit bis in die letzte Reihe zu hören. Laute Buhrufe und Pfiffe waren die Reaktion nach einem Moment der Stille. Auch Toireasa beteiligte sich enttäuscht. Das konnte doch nicht wahr sein! Auch ihr heimliches Torwartidol Wood schien nicht mit der Absage einverstanden zu sein. Doch McGonagall sprach schon laut weiter.

„Alle Schüler gehen zurück in die Gemeinschaftsräume, wo die Hauslehrer Ihnen alles Weitere erklären. So schnell Sie können, bitte!"

Der Lärmpegel senkte sich umgehend, bis auf ein allgemeines, fragendes Gemurmel. Die Vertrauensschüler versuchten die leicht unwillige Menge an Schülern zum Schloss zu treiben.

„Was ist nur los?", fragte Toireasa besorgt, während sie zurückströmten.

„Professor McGonagall war sehr besorgt und ein wenig ängstlich", sagte Tarsuinn stirnrunzelnd. „Wirklich sehr besorgt. Du solltest sehen, dass du nicht allein zu eurem Kerker zurückkehrst, Toireasa."

Er hatte die Ohrenschützer abgenommen und so wie er den Kopf bewegte, versuchte er fünfzig Stimmen gleichzeitig zu verstehen. Sein Gesicht verdunkelte sich immer mehr.

„Was ist, Tarsuinn?", erkundigte sich Winona.

Dieser schüttelte den Kopf.

„Keiner der Lehrer redet Klartext. Aber alle sind besorgt", sagte er. „Toireasa! Snape ist da drüben."

Der Junge deutete quer durch eine Horde Schüler.

„Geh zu ihm und lass dich nach unten bringen. Ich glaube, das ist übel. Nein! Ich weiß, es ist übel. Selbst Dumbledore klingt anders."

Dabei drängte er Toireasa in die Richtung, in die er zeigte.

„Wir treffen uns nachher", versprach er. „Falls sie uns lassen."

Ihr war klar, dass er mehr hörte, als er eigentlich sagte, aber der Nachdruck in seiner Stimme ließ sie seiner Anweisung Folge leisten.

„Bis dann", verabschiedete sie sich von ihm und Winona und sah zu, dass sie in die Nähe von Professor Snape gelangte.

Gerüchte und Vermutungen umschwirrten sie. Wenige Minuten später befand sie sich im Gemeinschaftsraum und starrte, wie alle anderen Slytherins, Professor Snape an, der am Eingang stehen geblieben war.

So gefüllt hatte Toireasa den Raum noch nie gesehen. Jeder Stuhl, jede Sessellehne, jedes Stück Teppich war besetzt, und alle Blicke ruhten in nervöser Erwartung auf Snape, der sich mit unbewegtem Gesicht im Raum umsah und jeden Einzelnen musterte.

„Alle Slytherins vollzählig!", meldete schließlich Samuel, ging vorsichtig an den am Boden Sitzenden vorbei und reichte dem Professor die abgehakte Liste. Dieser prüfte sie intensiv und erst dann sprach er leise zu der erwartungsvollen Menge.

„Es kam zu einem weiteren bedauerlichen Vorfall", begann der Professor ohne große Einleitung. Köpfe wandten sich überall für bedeutungsvolle Blicke, aber niemand wagte es ein Wort zu sagen.

„Zwei weitere Schüler wurden angegriffen und versteinert", fuhr Snape fort. „Leider gibt es auch diesmal keine Hinweise auf den Täter. Deshalb sieht der Direktor sich gezwungen, Maßnahmen zur Sicherheit aller Schüler zu ergreifen. Es wird keine abendlichen Freizeitaktivitäten mehr geben! Nach dem Abendessen, spätestens um sieben Uhr, befindet sich jeder Schüler im Gemeinschaftsraum oder in seinem Schlafsaal. Die Vertrauensschüler werden dafür Sorge tragen und zusätzlich die Lehrer abends bei ihren Kontrollgängen unterstützen.

Jeden Morgen werde ich Sie hier abholen und geschlossen zum Frühstück führen. Von da wird Sie Ihr jeweiliger Lehrer zur nächsten Unterrichtsstunde bringen. Niemand wird ohne die Begleitung eines Lehrers durch das Schloss spazieren. Weder zum Gang auf die Toilette, noch in die Eulerei oder sonst wohin."

Damit wandte sich Snape zur Tür und wollte gehen, als ein älteres Mädchen ein wenig zu früh und zu laut, ihre Meinung kundtat.

„Was sollen diese Kindereien? Uns passiert doch nichts!", sagte sie kichernd zu ihrer Sitznachbarin.

Snape fuhr herum, als hätte sie ihn einen Idioten genannt. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, den er normalerweise für Gryffindors reserviert hatte.

„Miss Fulpryde", sagte er ätzend. „Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie es schaffen würden Ihren Mund zu halten, so dass Sie die jüngeren Schüler nicht mit Ihrer Dummheit anstecken. Oder ist Ihnen jemals aufgefallen, dass die Geschichte mit dem Erben Slytherins nur eine unbewiesene Annahme ist und dass, selbst wenn es doch zutrifft, es immer wieder zu Unfällen, Zufällen und Missverständnissen kommen kann? Oder vielleicht ist die Person, die eventuell dafür sorgt, dass diese Schule geschlossen werden muss, jemand der Sie – Miss Fulpryde – hasst und dann unser Haus von der Last befreit, die Sie darstellen!"

Nach vorn gebeugt fixierte Snape das vorlaute Mädchen mit hartem Blick und Toireasa sah erste Tränen fließen. Es war ungewöhnlich, dass der Professor so mit Schülern aus seinem eigenen Haus sprach, aber dies gab seinen Worten eine besondere Wirkung.

„Ich hoffe, Sie alle haben verstanden!", sagte er dann, richtete sich auf und verließ den Raum mit wehendem Umhang.

Und die meisten hatten. Der Raum war voll von leisen, ernsten Gesprächen. Vielen war nur zu bewusst, dass die Schließung der Schule ihr weiteres Leben nur negativ beeinflussen konnte. Erbe Slytherins hin oder her, im Moment zerstörte er oder sie die Hoffungen vieler und da war es schwer, stolz auf so jemanden zu sein.

Es war eine Stimmung, die Toireasa ein wenig verwirrte. Bisher hatte ein großer Teil der Slytherins mit Zustimmung oder Desinteresse auf die Versteinerungen reagiert. Aber jetzt, als sich zeigte, wie der Erbe auch ihr eigenes Leben unangenehm beeinflusste, machten sich viele dann doch Sorgen und die Stimmung schwang um. Man sah die Sache plötzlich viel kritischer.

Bis auf die Gruppe um Malfoy herum, zu der immer öfter auch die Fabelhaften Fünf gehörten.

Statt sich Sorgen um Hogwarts zu machen, spekulierten diese lautstark und bei bester Laune, welche Schlammblüter es wohl diesmal erwischt hatte. Malfoy bedauerte es sehr, dass es offensichtlich nicht Potter sein konnte, da dieser ja auf dem Quidditchfeld gewesen war.

Obwohl Toireasa dieses Gespräch anwiderte, holte sie sich ein Buch, suchte sich eine gemütliche Ecke am Boden (kein normaler Sitzplatz war frei) und tat so, als würde sie lesen. In Wahrheit lauschte sie den Gesprächen und machte sich geistige Notizen über das, was ihre Mitschüler sagten und was sie ihren Gesichtern entnehmen konnte. Teilweise mit erstaunlichen Erkenntnissen.

Sie wollte schon gegen Mitternacht ins Bett gehen, als ein Besuch den Turm betrat. Alles in ihr sträubte sich dagegen, als sie den weißhaarigen Mann sah. Es war nur Slytherin-Schülern, dem Hauslehrer und dem Direktor gestattet hier zu sein. Besuch – selbst wenn dieser einmal ein Slytherin gewesen war – hatte draußen zu bleiben!

Doch dieser Mann schritt in den Raum, als würde ihm das alles gehören. Toireasa fletschte fast automatisch die Zähne. Und nicht nur sie. Doch niemand wagte es zu protestieren.

„Vater!", sprang Draco Malfoy erfreut auf, dann versteifte sich seine Haltung und er begrüßte den Mann deutlich ernster per Handschlag.

„Es freut mich, dich bei guter Gesundheit zu sehen", sagte der ältere Malfoy mit dem Gesicht eines kalten Fisches. Freude spiegelte sich da kaum wieder.

„Mr Flint, Miss Parkinson, Miss Kosloff, Crabbe, Goyle", nickte er dann noch der üblichen Malfoy-Clique zu. „Bitte entschuldigen Sie uns."

Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort dem Schlafsaal seines Sohnes zu. Anscheinend wusste er hier sehr gut Bescheid. Sein Sohn folgte ihm, bemüht möglichst selbstbewusst und aufrecht zu erscheinen, aber zumindest Toireasa sah etwas in seinen Augen, was sie sehr an sich selbst erinnerte. Mr Malfoy war nicht gerade herzlich zu seinem Sohn gewesen. Na ja – vielleicht taute er auch auf, wenn nicht so viele Augen auf ihm ruhten. Schließlich zählten Umarmungen und Begrüßungsküsschen nicht zu dem, was Jungen gern in aller Öffentlichkeit von ihren Eltern empfingen. Wahrscheinlich glaubten sie, dies ließe sie weniger männlich wirken.

Eine Minute nachdem die beiden Malfoys verschwunden waren, tauchte ein verschlafener Aidan aus dem Schlafraum auf. Anscheinend bestand Mr Malfoy auf ein Vier-Augen-Gespräch.

Neugierig blieb Toireasa wach, nur um wenig später einen recht unspektakulären Abgang von Malfoy senior zu erleben. Dafür war der Auftritt von Malfoy junior umso bemerkenswerter. Er sah aus, als würde gerade Weihnachten, Halloween und Ostern auf einen Tag fallen.

Malfoy ging zu seinen Freunden und flüsterte ihnen etwas zu, was sofort Freude und Heiterkeit auslöste. Flint verschwand kurz in seinem Schlafraum und kehrte mit mehreren Flaschen Butterbier zurück. Sie begannen zu feiern und je länger das dauerte, desto lauter wurden sie und irgendwann konnte sich Malfoy nicht mehr zurück halten.

„Jetzt, wo mein Vater es geschafft hat Dumbledore endlich zu entfernen…", sagte er triumphierend, „…ist es nur eine Frage der Zeit, bis es sich hier grundlegend zum Besseren ändert! Allein schon die Angst vor dem Erben wird dafür sorgen, dass die Schlammbluteltern ihre Brut nicht mehr hierher schicken. Dass es Neunmalklug-Granger und diese Vertrauensschülerin der Ravenclaws erwischt hat, sollte jedem Warnung genug sein."

Toireasa kam fast die Galle hoch.

„Ja!", pflichtete Regina mit einem fiesen Seitenblick auf Toireasa bei. „Und dass Fudge diesen Primitivling von Wildhüter vorsichtshalber nach Askaban gesteckt hat, ist auch eine gute Meldung. Ist zwar völlig bescheuert ihn für den Erben zu halten, aber verdient hat er es sicher."

„Genau!", stimmte Parkinson zu. „Jetzt noch einen passenden Direktor und man kann sich wieder sauber in dieser Schule fühlen!"

Langsam wurde es zu viel für Toireasa. Sie zweifelte nicht an dem was sie da hörte. Reginas Freude war zu echt. Wut kochte in ihr hoch und da sie ihren Waffenstillstand mit Malfoy nicht aufgeben wollte, erhob sie sich, um schlafen zu gehen.

„Hoffen wir, dass vorher noch ein paar von denen ins Gras beißen, die nicht hierher gehören. Wäre eine bessere Warnung, als bloß ein paar Versteinerte, die…"

Nun riss Toireasa doch der Geduldsfaden.

„Sagt mal?", sagte sie kampfeslustig und ging auf die feiernde Gruppe zu. „Seid ihr wirklich so behämmert zu glauben, sie würden die Schule weiter geöffnet lassen, wenn hier ein Mörder umgeht? Belohnen, was dieser Irre hier anstellt? Seid ihr so naiv? Und wenn sie schon Hagrid einfach auf Verdacht einsperren, was glaubt ihr, was die nächste Maßnahme sein könnte? Schon mal daran gedacht?"

„Nein, was denn?", lachte Malfoy abfällig.

„Denk doch einmal nach!", forderte Toireasa. „Kein Slytherin wurde versteinert! Was glaubst du, was man vermuten könnte? Was eh schon alle denken!

Und selbst wenn sie Hogwarts nicht schließen, warum sollten sie zwei Drittel mit nicht reiner Abstammung rauswerfen, wenn es vielleicht schon ausreicht, einfach nur ein Haus zu schließen? Zwei Drittel – ein Viertel. Einfachste Mathematik."

„Ich kann rechnen!", fauchte Malfoy jetzt sauer. Anscheinend begriff er Toireasas Logik. „Mein Vater würde das nicht zulassen. Er hat Einfluss!"

„Sie werden es nicht wagen, die Elite von Hogwarts fernzuhalten!", mischte sich Regina ein und entlockte so Toireasa ein kaltes Lachen. „Warum die Edelsteine wegwerfen und den Müll behalten."

„Sei vorsichtig, Kosloff!", sagte Toireasa abfällig. „Bei deiner Abstammung wäre ich mir nicht so sicher, ob du nicht auch zum Müll gehörst."

„Was willst du damit sagen?!", fauchte Kosloff und sprang auf.

„Ganz einfach", sagte Toireasa, als würde sie mit einer Fünfjährigen sprechen. „Überleg dir mal, ab wann man für den Erben als reinblütig gilt? Zwanzig Generationen frei von Muggelblut? Zehn? Oder reichen genau sechs!?"

„Der Sprechende Hut hat das schon entschieden!", konterte Kosloff mit einem durchaus guten Argument.

„Nur, dass der Hut verzaubert wurde, als Salazar Slytherin eine bekanntermaßen recht nachsichtige Haltung Muggelgeborenen gegenüber einnahm und er der Reinheit des Blutes nicht so extreme Aufmerksamkeit zollte", entgegnete Toireasa überlegen.

Aufgrund ihrer eigenen Sinnkrise hatte sie selbst einige Nachforschungen in dieser Hinsicht betrieben. „Es sind sogar Kinder aus Mischehen in Slytherin aufgenommen worden."

„Das ist eine Lüge!", mischte sich Malfoy ein.

„Nehmen wir zum Beispiel Tom Riddle! Vertrauensschüler und Schulsprecher Slytherins vor fünfzig Jahren. Auszeichnung für besondere Verdienste um die Schule. Sein Vater war ein Muggel. Noch Fragen?"

„Das behauptest du jetzt nur!", warf Kosloff ihr vor.

„Oh, nein", lachte Toireasa ohne echte Fröhlichkeit. „Schau dich um. Ich bin nicht die Einzige, die das weiß. Man redet nur nicht gern darüber, nicht wahr?"

Widerspruch fordernd sah sie sich im Raum um. Manche wichen ihrem Blick aus, andere nickten, einige waren erschrocken. Zu ihrem Erstaunen war Malfoy noch bleicher als es normalerweise war.

„Ja!", nickte Toireasa. „Salazar Slytherin war zur Gründungszeit der Schule noch nicht von der Reinheit des Blutes besessen. Das kam erst später und als er Hogwarts verließ, waren seine Ideen die gleichen, wie sie Ihr-wißt-schon-wer später aufgriff. Wozu das geführt hat, sollte jeder hier von seinen Eltern erfahren haben. Wie also könnt ihr euch freuen, wenn das jetzt schon wieder jemand versucht?"

„Weil endlich jemand was gegen diese Krankheit tut", schimpfte Malfoy überzeugt. „Diese Schlammblüter verderben unsere Welt, stehlen unsere angestammten Positionen, verlachen die Traditionen und ziehen unsere Blutlinien in den Dreck. Durch sie wird unser Blut verunreinigt und wir werden schwach, bis es keinen einzigen richtigen Zauberer mehr gibt. Kein wahrer Slytherin kann das hinnehmen."

Malfoy war aufgestanden und sah sich, genauso wie Toireasa zuvor, langsam um. Genau wie sie wollte er die anderen Slytherins von seiner Meinung überzeugen. Am liebsten hätte Toireasa sich aus dieser Situation zurückgezogen, aber diese Möglichkeit hatte sie schon verspielt, als sie sich auf dieses Gegeneinander eingelassen hatte. Im Endeffekt konnte sie bei dem gegenwärtigen Kräfteverhältnis in Slytherin nur verlieren.

„Dann muss man aber auch besser sein. Aus einer alten Familie zu stammen reicht nicht!", fuhr Toireasa ihn an und holte zu einem Tiefschlag aus. „Ist es für Slytherin nicht peinlich, wie viele ehemalige Schüler von Ihr-wißt-schon-wem zu Verbrechen gezwungen werden konnten?"

Im Gemeinschaftsraum war es plötzlich totenstill. Toireasa war anscheinend zu weit gegangen. Zumindest was Malfoy und seine Freunde betraf, war dies sicher der Fall. Sein Zauberstab richtete sich auf Toireasa und seine Gorillas Crabbe und Goyle ballten die Fäuste, während sie sich ihr näherten.

„Nimm – das – zurück!", forderte Malfoy abgehackt.

„Was?", fragte Toireasa unschuldig, wich aber einen Schritt zurück. Sie wusste genau, dass Malfoy kein verwendbares Argument gegen sie hatte.

„Dass meine Familie für Slytherin peinlich ist!", schrie Malfoy sie an.

„Ich habe nur gefragt, ob es nicht peinlich ist", korrigierte Toireasa und sparte es sich, nach ihrem Zauberstab zu greifen. „Persönlich wundere ich mich nur, warum fast ausschließlich Slytherins, und vor allem in so großer Zahl, unter den Imperius-Fluch gerieten. Ist das nicht auch deinem Vater passiert, Malfoy? Hat er nicht unter Tränen bereut, was er damals den Muggelgeborenen angetan hat?"

Und wenn sie vorher die Grenze vielleicht nur knapp überschritten hatte, damit war sie einen deutlichen Schritt übergetreten. Vor allem Malfoys Anblick machte ihr richtiggehend Angst. In seinen Augen lag ein Hass, der unmöglich mit der Unterstellung von Schwäche bei seinem Vater zu erklären war.

Und in diesem Moment wurde es ihr so deutlich klar, dass sie beinahe nach hinten gekippt wäre – Malfoy Senior war damals ein Todesser aus eigenem Willen gewesen, genau wie es die Gerüchte besagten, und er war es noch heute, was sein Sohn bewunderte.

„Das wirst du bereuen", knurrte Draco Malfoy drohend. Sein Mund öffnete sich für den Zauberspruch, seine Gorillas wichen hastig aus der Bahn und andere Zauberstäbe erhoben sich ebenfalls. Doch nicht alle waren auf Toireasa gerichtet.

Zauberstäbe runter!", befahl Samuel laut. „Crabbe, Goyle! Bei Fuß!"

„Sie hat meine Familie beleidigt!", fauchte Malfoy und hielt seinen Zauberstab immer noch erhoben.

„Hat sie nicht!", erklärte Samuel kühl. „Sie hat Tatsachen aufgezählt, wenn auch mit den falschen Worten."

Toireasa bekam einen bösen Seitenblick geschenkt.

„Sie hasst unser Haus und säht Zwietracht!", fand Kosloff. „Merkt ihr das nicht?"

„Diesmal, denke ich, sagte sie nur, was mal gesagt werden musste", erklärte ein Siebtklässler, der sich etwas abseits erhob. „Ihr mögt den Erben hochleben lassen, ich und andere, wir machen uns ähnliche Sorgen, wie das kleine Mädchen da."

„Genau!", meldete sich ein weiteres Mädchen aus der Fünften. Toireasa hatte sie ab und zu mit Samuel Hand in Hand gesehen. „Eure Meinung ist nicht die aller Slytherins. Ihr seid nur ein Teil des Hauses, nicht das Haus selbst."

„Der größte Teil des Hauses denkt aber so wie Malfoy", mischte sich Flint ein.

„Was zu beweisen wäre", entgegnete Samuel trocken. „Zumindest denke ich, ist es einem Mitglied des Hauses Slytherin unwürdig, eine solche schwere Verletzung eines anderen Schülers zu feiern oder sich gar den Tod anderer herbeizusehnen. Es ist Zeit für euch in eure Betten zu gehen."

„Erst wenn ich…", begann Malfoy.

„Ich werde Professor Snape berichten müssen! Zwing mich nicht, auch noch Punkte abzuziehen und dir eine kleine Lehrstunde zu erteilen", drohte Samuel. „Ins Bett. Alle! Sofort!"

Dem wollte Toireasa augenblicklich gehorchen, doch der Vertrauensschüler hielt sie zurück.

„Du nicht!", sagte er fest und führte sie in eine Ecke des Raumes, wo er wartete, bis sie allein waren.

Er drückte Toireasa in einen Sessel und setzte sich ihr gegenüber.

„Du magst ein kluges Mädchen sein, aber politisch bist du einfach instinktlos", begann der Junge und blickte sie ernst an. „Du kannst nicht einfach blind gegen eine Übermacht antreten, ohne dir über das Kräfteverhältnis klar zu sein."

„Ich wusste, wie das Kräfteverhältnis ist!", korrigierte Toireasa.

„Unsinn! Du hattest nicht mit Hilfe gerechnet", fuhr Samuel sie an.

„Mag sein", gab sie kleinlaut zu.

„Nachdem das geklärt ist, wirst du mir jetzt zuhören, obwohl ich gehofft habe, dass dies niemals nötig wird", sagte er dann und sah sie dabei enttäuscht an. „Ich heiße nicht umsonst genau wie dein Großvater. Meine Eltern wollten ihm damit ihren Respekt und Dankbarkeit für etwas zeigen und sie baten mich, ein wenig auf dich aufzupassen, ohne dabei zu offen für dich Partei zu ergreifen. Aber das hast du heute schön versaut. Damit das nicht wieder vorkommt, gebe ich dir jetzt ein wenig Nachhilfe im politischen Überleben."

Toireasa war daran eigentlich weniger interessiert, aber sie wagte nicht dem Ausdruck zu verleihen.

„Du hast sicher bemerkt, woher der Wind im Moment weht. Die Kinder ehemaliger Todesser und ihrer Freunde sind nach Hogwarts gekommen. Lass dich nicht von ihren Masken täuschen. Ich wette, kaum einer von ihnen stand unter dem Imperius-Fluch. Aber sie haben wieder Macht, wichtige Positionen und ihre Kinder sind in den meisten Fällen ein Abbild ihrer selbst. Und in den nächsten Jahren werden noch mehr solcher Schätzchen nach Hogwarts kommen. Mit jedem Jahr wirst du also mehr gegen dich haben. Du kannst dagegen nicht offen ankämpfen! Zumindest, wenn du nicht vorhast sang und klanglos zu verlieren.

Ahnst du auch nur, wie viel das heute Karl und Melissa kosten könnte, sich für dich eingesetzt zu haben? Karl wird sich dieses Jahr im Ministerium um einen Job bewerben. Wenn da ein Freund der Malfoys entscheidet, wird er es schwer haben zu bekommen, was er will.

Du musst begreifen, dass du mit diesen offenen Angriffen nichts erreichst, außer andere in den Schlamassel mit hineinzureiten. Niemanden kannst du so überzeugen. Wenn du unbedingt kämpfen willst, dann konzentriere dich auf einzelne, unentschlossene Mitschüler. Bringe sie zum Nachdenken, überzeuge sie allein. Zum Beispiel deinen jüngeren Bruder. Er mag dich. Er zweifelt. Aber du überlässt ihn dem Einfluss von Risteárd und Malfoy. Auch wenn er nicht dein Bruder ist und du dich sicher verraten von ihm fühlst, so kannst du ihn nicht einfach wegwerfen. Für dich ist es leichter als für ihn, da er sich gegen sein eigenes Blut stellen müsste.

Und erwarte nicht immer, dass jeder sich offen auf deine Seite schlägt. Ein heimlicher Verbündeter ist manchmal mehr wert, als ein offener Freund."

„Das weiß ich!", brach es nun doch aus ihr heraus.

„Dann begreif auch endlich, dass du über die Zeit am verlieren bist. Vielleicht hast du gemerkt, dass die meisten gemäßigten Slytherins in die oberen Klassen gehen. Du hast noch zwei Jahre Schonfrist, dann musst du allein klarkommen, ohne dass ich auf dich aufpasse. Also lerne, beobachte und nimm subtil Einfluss. Verstell dich auch mal, wenn es sein muss, und versuch nicht jedes Mal eine kleine Revolution anzuzetteln."

„Um ehrlich zu sein, ich suche eher einen Weg in ein anderes Haus zu wechseln", erklärte Toireasa leise.

Erst entsetzt, dann traurig schaute Samuel sie an.

„Ich kann das ein wenig verstehen", sagte er nach einer Weile leise. „Aber ich würde das bedauern. Abgesehen davon, ist es einfach unmöglich das Haus zu wechseln und das solltest du in deiner Zukunftsplanung bedenken. Lerne das von deinen Ravenclaw-Freunden. Es gibt nicht nur das Ziel und den Erfolg. Ziehe auch immer deine Niederlage und ihre Konsequenzen in Betracht. Plane auch für diesen Fall. Wäge Risiko und möglichen Erfolg ab. Und dann lass ab und zu auch mal deinen Verstand über das Herz triumphieren!"

Toireasa starrte etwas beschämt zu Boden.

„Es ist schwer, an das Wohlergehen von anderen Slytherins zu denken, wenn man keinen Freund hier hat", verteidigte sie sich. „Na ja – du zählst vielleicht als befreundet und noch ein paar andere auch. Aber richtige Freunde sind so wie Tarsuinn und Winona und davon hab ich keine in Slytherin!"

Erstaunlicherweise grinste er sie an, als sie vorsichtig aufblickte.

„Solltest du nächstes Jahr immer noch in Slytherin sein, dann würde ich mich an deiner Stelle mal ein wenig mit William unterhalten", sagte er amüsiert. „Ich glaube, er bewundert dich ein wenig. Ich glaube, er wartet nur auf einen kleinen Wink von deiner Seite. Nur, wenn du das tust, geh bitte sicher, dass du ihn nicht allein hier zurücklässt. Okay?"

Sie nickte. Sicher hatte er Recht. Nur musste ihr das nicht gefallen.

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