- Kapitel 31 -
Wildes Talent
„Tarsuinn! Aidan!", schrie Toireasa erschrocken, als sie sich wieder aufgerappelt hatte. Ihr Bruder war schon fast wieder auf den Füßen, doch unter Tarsuinns Kopf bildete sich eine kleine Blutlache. Sie taumelte zu ihm. Fühlte am Hals nach seinem Puls und presste dann ihre Hand auf die Wunde am Hinterkopf.
„Tarsuinn, wach auf!", bettelte sie.
„Das wollt ich nicht!", stotterte Aidan. „Wirklich, das wollt ich…ich meine…kann ich helfen?"
„Hau ab!", schrie Toireasa ihn zornig an. „Hau ab. Ich will dich nicht mehr sehen! Du versaust alles!"
Ihr bösartiger Blick ließ ihn zurückweichen. Wäre nicht ihre rechte Hand an Tarsuinns Wunde gewesen, sie hätte ihn auf der Stelle verflucht. Dafür stürzte sich jedoch ein kleiner grauer Blitz auf ihren Stiefbruder. Tikki tauchte wie aus dem Nichts auf und attackierte Aidan.
„Hol Hilfe, du Idiot", brüllte sie ihn an, als er Anstalten machte, sich gegen Tikki zu wehren. „Hol Hilfe oder ich behaupte, du hättest ihn ohne Grund angegriffen."
Das brachte ihn dann doch zum Laufen, denn sie konnte die Angst in seinen Augen sehen. Angst vor ihr. Angst vor den Konsequenzen. Und Angst vor der wütenden Tikki.
Da sie sich nicht sicher war, ob er nun wirklich jemanden holte, schrie sie laut um Hilfe. Die Druckwelle, die Tarsuinn so verletzt hatte, war völlig lautlos gewesen. Sie bezweifelte, dass irgendwer bemerkt hatte, was passiert war. Tröstlicherweise war Tikki nicht ihrem Bruder gefolgt, sondern bei ihr geblieben.
Während sie so um Hilfe rief, wurde ihr Blick fast zwanghaft von dem leuchtenden Stein am Boden angezogen. Tarsuinn würde nicht wollen, dass man den Stein sah. Seinen Kopf immer noch haltend, tasteten ihre Finger nach dem leuchtenden Rubin. Sie hatte Angst, dass es erneut eine solche Druckwelle geben würde, doch diesmal geschah nichts. Nur eine angenehme Wärme ging von ihm aus.
Gerade noch rechtzeitig ließ sie den Stein in ihrer Tasche verschwinden, denn schon bald kamen andere Schüler hinzu, die ihre Rufe gehört hatten. Wenige Momente später tauchte auch die stellvertretende Schulleiterin Professor McGonagall auf. Sie übernahm sofort das Kommando.
„Blundell, Fletcher. Bringen Sie den Jungen zum Krankenflügel. Keary, lassen Sie Ihre Hand da, wo sie ist. Der Rest – gehen Sie wieder zurück in die Eingangshalle und erwarten Sie die Kutschen."
Murrend wich die Menge zurück. Nur die beiden angesprochenen Schüler, einer aus Hufflepuff und eine Slytherin, schwangen ihre Zauberstäbe und sofort begann Tarsuinn zu schweben. Tikki sprang sofort auf Tarsuinns Brust, bereit jeden anzugreifen, der ihm etwas Böses wollte.
Doch daran dachte niemand. Die beiden älteren Schüler ergriffen ihn an den Schultern und zogen ihn im Laufschritt zur Krankenflügel. Toireasa lief hinterher und presste immer noch ihre Hand gegen seinen Hinterkopf. Kurze Zeit später erreichten sie den Krankenflügel, wo sie eine Madame Pomfrey vorfanden, die schon ihre Schwesterntracht abgelegt hatte und nun wie eine ganz normale Hexe gekleidet war. Sogar einen Koffer und einen Regenschirm hielt sie in der Hand. Doch diese beiden Gegenstände fielen sofort an Ort und Stelle zu Boden.
„Legen Sie ihn auf das Bett", befahl sie, ohne jemanden zu Wort kommen zu lassen. Erst dann erkannte die Krankenschwester, wen sie da hatte.
„Ach herrje", murmelte sie. „Schon wieder."
Die Frau brauchte nur Sekunden, um eine Salbe und einen Verband zu holen und ihn dann um Tarsuinns Kopf zu wickeln. Endlich konnte Toireasa ihre vollgeblutete Hand entfernen.
„Ist halb so wild", beruhigte Madame Pomfrey mit einem Seitenblick auf Toireasa. „In seinem Fall kaum der Rede wert."
„Ihn hat auch etwas Magisches getroffen", erklärte Toireasa besorgt.
Daraufhin schwang Madame Pomfrey einige Male den Zauberstab, schüttelte aber danach den Kopf.
„Was es auch war, anscheinend hat es ihm nicht geschadet", verkündete sie dann. „Ich behalt ihn aber vorsichtshalber hier. Du hingegen wäschst dich schnell und gehst dann hinunter. Die Kutschen müssten jeden Augenblick vorfahren. Beeil dich."
Toireasa nickte, obwohl sie nicht vorhatte den Worten Folge zu leisten. Sie lief zwar in den Waschraum und säuberte sich dort, dann aber schlich sie sich – unter Verwendung ihres Zaubers für lautlose Schritte – zurück in den Krankensaal und versteckte sich hinter dem Rücken von Madame Pomfrey unter dem Bett, das sie schon einmal verborgen hatte.
Von dort konnte sie sehen, wie Madame Pomfrey, unter Tikkis wachsamem Blick, viele verschiedene Zauber ausprobierte, Fieber maß und recht häufig den Puls fühlte. Jetzt, wo die Krankenschwester sich unbeobachtet glaubte, war ihre professionelle Maske verschwunden und Besorgnis war auf ihr Gesicht getreten. Doch nicht lange, denn Minuten später betrat ein eiliger Professor Dumbledore den Raum und ihr distanzierter Blick kehrte zurück.
„Was ist es diesmal, Poppy?", fragte der Professor.
„Nur eine Platzwunde am Kopf. Eigentlich nichts Schlimmes", antwortete die Schwester sofort. „Bis auf die Tatsache, dass ich ihn wieder mal nicht wach bekomme."
„Hat er denn Schlafmittel genommen?"
„Soweit ich weiß, nein. Aber die kleine Keary sagte was von Magie."
Dumbledore zog nun auch seinen Zauberstab und auch er murmelte einige Worte. Ohne sichtbaren Erfolg.
„Hat sie genau gesagt, was es war?"
„Ähem, nein. Ich hab sie hinunter geschickt. Ich habe keine Anzeichen einer weiteren Verletzung entdeckt."
„Gut!", sagte Dumbledore. „Die Kutschen sind gerade weg, aber ich erreiche sicher noch den Express. Dauert nur einen Mom…"
„Das ist nicht nötig, Professor", mischte sich Toireasa ein und kroch aus ihrem Versteck. Verlegen trat sie näher. Madame Pomfreys Gesicht war voller Missfallen für ihren Ungehorsam, während Professor Dumbledore fast zu lächeln schien.
„Das trifft sich gut. Kannst du aufklären was passiert ist?"
„Ich denke schon, Professor. Ich glaube, es liegt an diesem Stein hier."
Sie holte den Feuerrubin hervor.
„Tarsuinn sagte, es ist ein Geistergefängnis und wollte ihn mir geben, aber mein Bruder schlug es ihm aus der Hand und als er den Stein berührte, gab es eine Art Luftwelle, die uns zu Boden warf. Ich glaube, dabei ist Tarsuinn mit dem Kopf gegen die Wand geknallt."
Professor Dumbledore und Madame Pomfrey schauten interessiert den Stein an.
„Gibst du ihn mir?", fragte der Professor.
„Natürlich", sagte sie, legte den Rubin vorsichtig auf einen Tisch und zog hastig ihre Hand weg. Nur für den Fall, dass ihn nicht zwei Personen gleichzeitig berühren durften.
„Danke", sagte der Professor und ergriff den kleinen Stein. Aus einer der Taschen seines Umhanges zog er ein Vergrößerungsglas und betrachtete intensiv das leuchtende kleine Ding.
„So etwas hab ich noch nicht gesehen", erklärte er dann nachdenklich. „Ich muss jemanden konsultieren. Poppy, bitte beobachte ihn und rufe mich auf dem üblichen Weg, sollte etwas passieren. Und du, Toireasa…"
„Ich möchte hier bleiben, Professor", sagte sie und sah ihn flehend an. Sie dachte dabei nicht mehr an den Plan wegen ihrer Eltern. Sie wollte nur wissen, dass es Tarsuinn gut ging.
Der Direktor schaute sie scharf an.
„Na gut", sagte er dann. „Hol deinen Rucksack! Den, welchen du versteckt hast und ruf deine Eule. Du kannst hier im Krankenflügel bleiben und dich nützlich machen. Zum Beispiel indem du den Darkclouds einen Brief schreibst, damit sie sich keine Sorgen machen."
„Verstanden, Professor."
„Dann lauf!"
Und das tat sie auch. Es beunruhigte sie furchtbar, woher der Direktor von ihrem Extra-Rucksack wusste. Konnte er Gedanken lesen oder wusste er prinzipiell, was alles in seinem Schloss vorging. Wie aber hatte dann Tarsuinn diesen Stein vor ihm verheimlichen können?
Sie sprintete durch die leeren Hallen, schrammte haarscharf an einem völlig überraschten Filch vorbei, versah den Boden hinter sich mit einem Schmieren-Zauber, damit er sie nicht aufhalten konnte, schnappte sich ihren Rucksack aus einem Besenschrank, hörte den Hausmeister ausrutschen, rannte wieder zurück, sprang über den glatten Bereich und an Filch vorbei und erreichte den Krankenflügel in Rekordzeit.
Verpasst hatte sie nichts. Tarsuinn lag bewegungslos im Bett, Madame Pomfrey machte was Schwestern so tun und Professor Dumbledore war verschwunden.
„Richte dich da drüben ein", befahl Madame Pomfrey unfreundlich. Sie schien immer noch sauer auf Toireasas Ungehorsam zu sein. Zumindest schien Toireasa dem Hausmeister entkommen zu sein, denn er tauchte nicht im Krankenflügel auf.
Und dann hieß es warten.
Stunden vergingen. Quälend langsam und in einer solchen Stille, dass sie selbst das Ticken ihrer Taschenuhr hörte.
Irgendwann war dann auch die vierte Stunde vorbei und noch immer passierte nichts. Das war ungewöhnlich. Winona und Luna hatten erzählt, dass Tarsuinn immer nach drei Stunden Alpträume bekam und nach vier Stunden aufwachte. Diesmal anscheinend nicht. Stattdessen lag er ruhig da und hätte sich sein Brustkorb nicht regelmäßig bewegt – er hätte auch tot sein können.
Am späten Nachmittag, ging Madame Pomfrey in dem Nebenraum um ein Medikament anzurühren, das sie eventuell gebrauchen konnte, und beauftragte Toireasa sie zu rufen, wenn irgendetwas passierte.
Und natürlich suchte sich Tarsuinn genau diese eine Stunde aus, um seine Show zu starten.
Zunächst war es so langweilig wie zuvor und sie vertrieb sich die Zeit damit das Fell der kleinen Mungodame zu streicheln, doch dann begannen seine Augen unter den Lidern zu zucken. Das sollte die erste Phase seiner Alpträume und eigentlich ziemlich harmlos sein. Und zunächst stimmte das auch. Bis ihr ein leises Klirren auffiel.
Leicht ungläubig schaute sie auf ein Glas neben Tarsuinns Bett, das langsam und zitternd über den Tisch wanderte und nur die Umrandung des Möbels hielt das Glas vom Herunterfallen ab.
„Madame Pomfrey!", rief sie laut und sprang von ihrem Stuhl auf. Das hätte sie wohl besser etwas leiser getan. Das Glas explodierte in einem Scherbenregen. Toireasa hielt schützend den Arm über Tikki. Sie wollte zu dem Jungen laufen umzuschauen, ob ihn einer der Splitter verletzt hatte, doch dann entdeckte sie die Scherben am Boden. Alle waren vom Bett weggefallen. Kein einziger Splitter hatte das Bett oder auch den Jungen berührt. Wieder klirrte es leise. Diesmal zitterte in ihrer Nähe eine Vase. Ohne groß nachzudenken, warf sie sich auf den Boden und zog ihren Umhang über den Kopf und Tikki. Keinen Moment zu spät, denn schon knallte es erneut und Scherben regneten auf sie herab.
Kaum war das vorbei kroch sie unter ein Bett.
„Was ist los?", fragte Madame Pomfrey von der Tür aus.
Fast augenblicklich vibrierte die halbe Einrichtung. Über die Fensterscheiben schienen Wellen zu laufen.
„In Deckung, Madame", schrie Toireasa und dann splitterte es auch schon. Zuerst Vasen, Tassen und dergleichen. Sekunden später folgte ein Kronleuchter und danach splitterten die Fenster eines nach dem anderen. Toireasa riss panisch die Matratze vom Nachbarbett herunter. Splitter rissen dabei die Haut über ihren Händen auf, doch so hatte sie wenigstens eine Art Schild für sich. Tikki zitterte ängstlich in Toireasas Armen.
„Sagitta scutum!", sagte Madame Pomfrey über den Lärm hinweg.
An der Matratze vorbeilinsend, konnte sie Madame Pomfreys Schuhe sehen, die von einem bläulichen Schimmer umgeben waren und sich Tarsuinns Bett näherten. Nun begannen auch Türen zu knarren. Ein kleiner Tisch wurde hochgehoben und aus Toireasas Sicht nach oben getragen. Aber dafür sah sie, wie Madame Pomfrey in die Hocke ging, anscheinend um dem Geschoss auszuweichen.
Der Boden war übersäht mit Splittern und trotzdem versuchte die Krankenschwester näher an Tarsuinn heranzukommen. Doch dies schien alles noch schlimmer zu machen. Jetzt flogen schon Bettpfannen und halbzerfetzte Bilder, deren Bewohner laut um Hilfe schrien.
„Gehen Sie nicht näher", schrie Toireasa der Schwester zu, als sie sah, wie sich die Scherben am Boden zu regen begannen. „Das macht es nur schlimmer!"
Dann erhob sich plötzlich ein Wirbelsturm aus Glassplittern rings um Tarsuinns Bett und Madame Pomfrey kam zu der gleichen Einsicht wie Toireasa zuvor. Die Krankenschwester kam zu ihr gelaufen, brachte eine zweite Matratze mit und verlieh auch Toireasa, mit einer kurzen Berührung ihres Zauberstabes, den Zauber, der auch sie schützte.
„Wir müssen Professor Dumbledore rufen", schrie Toireasa über den Krach hinweg, als auch der letzte Leuchter das Zeitliche segnete.
„Nicht nötig!", antwortete die Schwester erstaunlich ruhig und deutete Richtung Tür, die eben aus den Angeln gedrückt wurde. Die Stiefel und der untere Umhang des Professors schritten in den Raum.
„Expergisci", sagte er laut. Ein relativ leiser Knall ertönte. Ein heller Schein flog vom Professor Richtung Tarsuinn, traf den Wirbel und wurde von diesem in den Boden reflektiert.
Langsam, aber unaufhaltsam betrat nun Dumbledore den Raum und ging sofort auf Tarsuinns Bett zu. Kein Ausweichen, keine schnellen Bewegungen, aber jetzt lag noch mehr Magie in der Luft. Wo der Direktor war, fielen die Scherben kraftlos herunter. Nur der Wirbelsturm blieb erhalten, auch als der Professor mitten in ihn hinein trat. Erschrocken schrie Toireasa auf, aber kein Blut spritzte zu Boden. Dafür erklang ein weiteres, alles übertönendes – Expergisci – des Professors und von einem Augenblick zum anderen war alles vorbei. Alle Dinge, die zuvor noch als gefährliche Geschosse den Luftraum unsicher gemacht hatten, fielen gleichzeitig zu Boden und nachdem das Scheppern verklungen war, lag nur noch kurz Tarsuinns panischer Schrei in der Luft. Dann war es still, wenn man vom keuchenden Atem des Jungen absah.
Vorsichtig linste Toireasa hinter ihrer Deckung hervor. Der Krankenflügel war ein einziges Schlachtfeld. Nichts aus Glas oder Porzellan war heil geblieben. Auch alle Bilder sahen recht mitgenommen aus, sämtliche Matratzen und Kissen waren von den Scherben zerfetzt worden und Federn schwebten langsam zu Boden. Einzig Tarsuinns Bett lag vollkommen unberührt da. Sie konnte sehen, wie die Hände des Jungen über die Decke tasteten.
„Ah, der Krankenflügel", sagte er locker und fühlte nach dem Verband an seinem Kopf.
Als Toireasa und auch Madame Pomfrey aufstanden und näher kamen – die Krankenschwester sah ein wenig geschockt auf die Zerstörung ihres Reiches herab – legte Tarsuinn den Kopf schräg und runzelte die Stirn.
„Warum liegen hier überall Scherben, Professor?", fragte er erstaunt und drehte den Kopf Richtung Direktor. Toireasa hatte sich inzwischen an seine Fähigkeit gewöhnt, Menschen ohne Augen zu erkennen, aber begreifen konnte sie es immer noch nicht so richtig. Sie setzte Tikki auf seinem Bett ab, die sofort in die Arme des Jungen sprang.
„Ein kleiner Unfall", erklärte Dumbledore, was Toireasa für die Untertreibung des letzten Monats hielt.
„Wie spät…?", stellte der Junge eine Frage und tastete dann nach seiner eigenen Uhr. „Oh je!"
„Ein wenig zu spät für den Express", lächelte Dumbledore.
Madame Pomfrey trat hinzu und hielt ihre Hand kurz an die Wange des Jungen.
„Das Fieber scheint weg zu sein", sagte sie.
„Was ist passiert?", fragte Tarsuinn verwirrt.
„Gleich, gleich", antwortete Dumbledore. „Zunächst sollten wir hier aufräumen, bevor sich noch wer verletzt. Reparo!"
Die Fensterscheiben setzten sich wieder zusammen und schwebten in die Rahmen zurück. Trotzdem Madame Pomfrey dem Professor dabei half, dauerte das Beseitigen der Schäden einige Minuten und viele Zauber.
Toireasa versuchte dabei nicht im Weg zu stehen und machte die Betten ordentlich, nachdem die Kissen wieder ganz und mit Federn gefüllt waren. Immer wieder schaute sie dabei zu Tarsuinn herüber. Er schien sich an nichts zu erinnern und verfolgte offensichtlich verwirrt die umfangreichen Aufräumarbeiten. Erst als alles fertig war, versammelten sie sich wieder alle drei bei ihm.
„Wie fühlst du dich, Tarsuinn?", fragte Toireasa, die es kaum noch aushielt.
„Nicht anders als sonst", antwortete er. „Mit ein wenig Kopfschmerzen. Warum?"
„Weil Toireasa Hoffnung hat", schmunzelte Dumbledore. „Fühlst du dich in der Lage aufzustehen, Tarsuinn?"
„Ich denke schon", antwortete er und seine Stirnfalte wurde immer tiefer.
„Dann komm bitte mit zum Fenster", forderte Dumbledore ihn auf und er kletterte aus dem Bett.
Die Fenster öffneten sich wie von selbst vor dem Professor, ohne dass dieser seinen Zauberstab benutzte.
„Und jetzt?", fragte Tarsuinn.
„Nimm bitte deinen Zauberstab und zaubere ein paar Funken aus dem Fenster", bat der Professor.
Tarsuinn folgte der Bitte, zog seinen Zauberstab, machte die erforderliche Geste und sagte deutlich und in der richtigen Betonung: „Viridis Micare!"
Nichts geschah.
„Darf ich?", sagte der Direktor und nahm dem Jungen den Zauberstab aus der Hand. Er schwang ihn kurz und schüttelte den Kopf.
„Da fehlt der Zauberstoff im Kern", urteilte er. „Der Stab ist wertlos. Versuch es mal mit meinem."
Dabei reichte der Professor Tarsuinn seinen eigenen Zauberstab. Toireasa blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. Den Zauberstab des wohl mächtigsten Magiers der Gegenwart angeboten zu bekommen – was für ein Privileg und was für eine Ehre. Doch Tarsuinn zog sofort seine Hände zurück und verbarg sie hinter seinem Rücken. Sogar einen Schritt wich er zurück, bis ein Tisch ihn bremste.
„Nein, danke!", schüttelte er ängstlich den Kopf. Verlegen griff er erneut in den Ärmel seines Umhanges und zog einen weiteren – nachtschwarzen – Zauberstab hervor. Diesen hatte Toireasa noch nie bei ihm gesehen. Der Stab schien mit schwarzem Lack überzogen zu sein.
„Darf ich?", fragte der Professor erneut, doch Tarsuinn brachte den Stab umgehend hinter seinem Rücken in Sicherheit.
„Nein!", schrie er fast und fügte dann gefasster hinzu: „Das wäre wohl nicht so gut!"
Dumbledore lächelte nur wissend.
„Dachte ich mir schon", verkündete er. „Möchtest du es jetzt nicht noch einmal versuchen, Tarsuinn?"
Der Junge trat zögerlich ans Fenster, so weit es ging vom Direktor entfernt, und sprach erneut die Worte. Nichts geschah.
„Noch einmal", forderte der Professor. „Und achte etwas mehr auf die Bewegungen."
Tarsuinn versuchte es erneut und plötzlich brach ein Funkenorkan aus seinem Zauberstab. Überrascht schrie der Junge auf, ließ seinen Zauberstab fallen – den Dumbledore mit einem schnellen Zauber daran hinderte nach unten auf den Rasen zu fallen – und hielt sich mit schmerzerfülltem Gesicht den Arm. Trotzdem lächelte er nur einen Augenblick später.
„Ich hab gezaubert!", meinte er versonnen. Dann hüpfte er plötzlich wild durch den Raum.
„Ich hab gezaubert, Tikki", rief er übermütig und fiel über einen Stuhl. „Sie können Rica helfen!"
Toireasa konnte nicht anders als auch zu lachen. Sie freute sich sehr für ihn.
„Die Ärzte in St. Mungos werden ihr auch nicht helfen können", beendete Professor Dumbledore jedoch den Freudentanz. Toireasa blieb die Fröhlichkeit im Halse stecken, genau wie Tarsuinn.
„Es gibt aber Hoffnung!", fügte der Professor schnell hinzu, doch Tarsuinns Gesicht heiterte sich nicht wieder auf.
„Warum kann St Mungos nicht helfen?", wollte der Junge mit verzweifelter Stimme wissen.
„Weil deine Schwester, genau wie du selbst, nicht an Muggelkrankheiten leidet. Sie sind magischen Ursprungs und nicht heilbar."
Tarsuinns Schultern sanken in sich zusammen.
„Nicht heilbar?", flüsterte er gebrochen.
Professor Dumbledore ging zu ihm hin und hob ihn auf eines der Betten.
„Ich sagte doch, es gibt trotzdem Hoffung. Oder sagen wir es besser: Es gibt berechtigte Hoffung."
„Aber wie?", fragte Toireasa dazwischen. „St Mungos ist doch das beste Hospital auf der Welt."
„Nun...", begann Dumbledore „…dazu muss ich wohl etwas weiter ausholen. Weißt du was das ist?"
Der Professor legte Tarsuinn den hell leuchtenden Rubin in die Hände.
„Mein Feuerrubin, ein Geistergefängnis", antworte der Junge sofort.
„Nicht wirklich", korrigierte Dumbledore. „Dies ist ein magisches Siegel. Es ist nur als Geistergefängnis getarnt. Wobei ich es selbst nicht auf Anhieb erkannt hätte. Ich hab es nur auf Grund gewisser Ungereimtheiten einem alten Freund gezeigt, der das Geheimnis entschlüsseln konnte."
„Und was macht dieses Siegel?"
„Es verhindert, dass die Ordnung der Dinge wiederhergestellt wird", antwortete der Professor geheimnisvoll, erklärte sich dann aber doch etwas eingehender. „Seht. Es gibt seit Urzeiten ein Ritual, mit dem ein Zauberer oder eine Hexe sich die Kräfte und Körperteile eines Tieres zu Eigen machen kann. Sie hofften so, sich zu verbessern. Die Kraft eines Bären, die Schnelligkeit des Geparden, die Augen eines Adlers. Ein verführerischer Gedanke, nicht wahr? Doch es war immer nur ein Tausch und wenn das Tier starb, wurde die Veränderung auf recht schmerzhafte Art und Weise wieder rückgängig gemacht. Und die beraubten Tiere lebten nicht sonderlich lange. Ein Adler mit Menschenaugen kann nicht in Freiheit leben und die meisten Tiere sterben frühzeitig in Gefangenschaft.
Außerdem tauschte der Magier auch immer ein wenig von seiner Menschlichkeit mit ein, die nie wieder zurückkehrte, wobei bei jedem Tausch das tierische Wesen immer dominanter wurde. Aus diesem Grund kam das Ritual auch recht schnell aus der Mode. Bis heute war jedermann der Ansicht, dass ein Tausch zwischen zwei Menschen nicht funktionieren könnte.
Doch dieser Stein, du, Tarsuinn, und deine Schwester, ihr seid der Beweis, dass es doch funktioniert."
„Eine Art Transplantation?", fragte Tarsuinn geschockt. Toireasa selbst sagte das Wort nichts. Aber nach dem Ton des Jungen, musste es sich um etwas ganz Schlimmes handeln.
„Muggel würden es wohl so nennen", bestätigte Dumbledore. „Aber es geht noch viel weiter. Und ich wage zu behaupten, es wurde ohne euer Einverständnis durchgeführt."
In Tarsuinns Gesicht stand kaltes Entsetzen geschrieben.
„Rica! Diese tödliche Krankheit", stammelte er. „Die ist von jemand anderem?"
„Richtig! Und deine Zauberkraft…"
„Hatte mein Bruder Aidan", brach der Horror der Erkenntnis aus Toireasa heraus. Ein entsetzlich dicker Kloß lag in ihrem Hals und kalte Schauer liefen über ihren Rücken.
„Ja, Toireasa", bestätigte Dumbledore. „Aber verurteile ihn nicht. Wahrscheinlich weiß er das selbst nicht."
„Aber warum kann ich dann jetzt zaubern?", fragte Tarsuinn.
„Weil die gleichzeitige Berührung des Steines eines der Siegel gelöst und alles wieder rückgängig gemacht hat", erklärte Dumbledore.
„Eines der Siegel?", mischte sich Madame Pomfrey nun auch neugierig ein. Sie klang nicht so entsetzt wie Toireasa oder Tarsuinn, sondern eher extrem zornig.
„Oh ja. Eines", bestätigte der Direktor ernst. „Anscheinend ist man in der Lage, mit einem solchen Stein einem Menschen genau drei Sachen zu nehmen oder aufzubürden."
„Meine Augen und…?", flüsterte Tarsuinn.
„Zum Beispiel", sagte Dumbledore. „Ahnst du, wie verführerisch dieser Gedanke für einige sein muss? Wer will schon sterben oder seine Lieben sterben sehen? Viele würden diese Alternative erwägen und manche würden sie nutzen, selbst wenn das bedeutet, dass ein Unschuldiger stirbt."
„Vor allem, wenn es nur ein Muggel ist", flüsterte Tarsuinn mit ätzender Bitterkeit.
Eine Weile sagte niemand ein Wort. Alle schauten auf den Jungen, der offensichtlich mit seinen Emotionen rang.
„Der Stein könnte also auch meiner Schwester helfen?", fragte er nach einigen langen Minuten. „Aber wie finden Sie diejenigen, die ihr das angetan haben? Die müssen doch dabei sein und den Stein mit berühren."
„Nein, es ist komplizierter und einfacher zugleich", sagte der Professor. „Der Stein da, er gehört zu dir und kann nur dir auf diese einfache Art helfen. Für deine Schwester bräuchten wir theoretisch den Stein, der ihre Siegel enthält."
„Theoretisch?", forschte Tarsuinn.
„Ja, denn wir glauben einen anderen Weg gefunden zu haben. Nicht ungefährlich zwar, aber er könnte deiner Schwester das Leben retten."
„Wie?"
„Wir müssen den Stein in ihrer Nähe vorsichtig zerstören!", erklärte der Professor. „Die freiwerdende Energie müsste ihre Siegel zerstören, die den Ausgleich verhindern. Dafür brauchen wir aber niemand anderen als sie selbst und den Stein. Nur sicher, dass es funktioniert, sind wir nicht."
„Machen Sie es!", forderte Tarsuinn sofort, fügte danach jedoch noch ein – Bitte! – hinzu.
„Ich will dir nichts vormachen", schränkte der Professor ein. „Es könnte sein, dass es nicht funktioniert oder sie dabei stirbt. Der Stein wäre dann aber auf jeden Fall zerstört.
„Egal", entgegnete der Junge. „Besser als keine Chance!"
„Wenn du das so möchtest, werde ich es tun", versprach der Direktor. „Aber davor müssen wir noch etwas klären. Du könntest durchaus für dich…"
„Nein!", unterbrach Tarsuinn und kaute danach sofort auf seinen Lippen.
„Sie gehören dir!", sagte der Professor fest.
„Ich sagte: Nein!", wiederholte er und seine Hand suchte nach der des Professors. Toireasa konnte sehen, wie er diese fest drückte. „Nicht, Professor. Ich kann damit leben und meine Schwester ist mir viel wichtiger."
„Bist du dir sicher?", fragte Dumbledore mit einer fast liebevollen Stimme.
„Überhaupt nicht", entgegnete er und seine Lippen wurden langsam blutig, so kaute er auf diesen herum. „Könnten Sie sich deshalb beeilen?"
„So schnell es geht", entgegnete der Professor. „Zuerst muss ich, und Madame Pomfrey, als Zeugin, zum Ministerium, um deine Zauberkraft dort zu bestätigen. Sobald das erledigt ist, arbeiten wir ein Ritual und Schutzmaßnahmen aus und holen deine Schwester aus dem Muggelkrankenhaus."
„Wenn ich zaubern kann, kann dann auch meine Schwester vielleicht?", fragte Tarsuinn.
„Nein!", entgegnete Madame Pomfrey an Dumbledores Stelle. „Drei Erkrankungen magischen Ursprungs."
„Aber Poppy?", neckte Dumbledore verschmitzt. „Das sollten Sie doch gar nicht wissen."
„Habe ich so gehört, Professor", sagte Madame Pomfrey ein wenig verlegen.
„Professor!", lenkte Toireasa ab. Da war etwas, was sie schon seit Minuten beschäftigte. „Gibt es noch mehr wie Tarsuinn und Rica?"
Das Lächeln auf Dumbledores Lippen und in den Augen verschwand.
„Ich befürchte ja, aber hier in England wohl nur wenige."
„Indien", flüsterten Tarsuinn und sie gleichzeitig und als Professor Dumbledore sie aufforderte das zu erklären, erzählte Tarsuinn, an was er sich aus Indien erinnerte.
„Kannst du schätzen, wie viele dort eingesperrt waren?", fragte Dumbledore zum Schluss.
„Ich weiß es nicht!", entgegnete Tarsuinn nachdenklich. „Ich war vier. Aber es waren viele. Rica weiß es bestimmt besser."
„Ich werde sie fragen", erklärte Dumbledore. „Ich denke, wenn sie gesund wird, werden wir uns einmal etwas genauer unterhalten müssen. D weißt über welche Dinge, Tarsuinn! Aber bevor ich jetzt mit Madame Pomfrey aufbreche, noch eine wichtige Sache. Du hattest starke Schmerzen beim Zaubern, Tarsuinn, nicht wahr?"
„Ja, Professor."
„Nun, das wird nicht so bleiben. Du musst nur dich und die Magie kontrollieren, denn du hast etwas, das man ein Wildes Talent nennt. Das bedeutet – im Gegensatz zu normalen Schülern hast du nicht das Problem Magie zu bündeln, sondern diese zu zügeln und zu kontrollieren. Das musst du üben! Sehr vorsichtig. Solange du das nicht unter Kontrolle hast, wird die überschüssige Kraft dich treffen oder sehr seltsame bis gefährliche Auswirkungen auf deine Umwelt nehmen."
„Ich glaub, ich verstehe", erklärte Tarsuinn mit abwesender Stimme, von seinem Blick ganz zu schweigen. „Das mit den Scherben war ich, oder?"
„Ja", bestätigte Dumbledore. „Aber das bedeutet nur, dass du ab jetzt in einem Einzelzimmer schlafen wirst. Das ist alles."
„Bin ich so nicht eine zu große Gefahr für die Schule und die anderen Kinder?"
„Wir hatten schon ganz andere Kaliber hier", lächelte Dumbledore und wechselte einen viel sagenden Blick mit Madame Pomfrey. „Das ist nur eine Frage der Organisation."
Tarsuinn nickte nur dankbar. Mit seinen Gedanken schien er immer noch woanders zu sein.
„Ich denke, es wird Zeit für Madame Pomfrey und mich aufzubrechen", erklärte der Professor sanft und stand auf. „Ihr beide werdet hier bleiben und den Krankenflügel nicht verlassen. Ich habe die Hauselfen gebeten, sich um euer Wohl zu kümmern. Tarsuinn, gibst du mir bitte den Stein?"
Der Junge händigte den leuchtenden Rubin aus.
„Sie werden sicher üben wollen", sagte Madame Pomfrey zum Abschied. „Tun Sie das bitte zum Fenster hinaus. Und bitte – gehen Sie erst schlafen, wenn ich wieder zurück bin, damit wir Sie in ein passendes Quartier stecken können."
Und damit gingen die beiden Erwachsenen. Toireasa war mit Tarsuinn allein. Dessen Zauberstab schwebte immer noch vor seiner Nase. Neugierig besah sie sich ihn.
„Den darfst du nicht berühren! Unter keinen Umständen", sagte Tarsuinn leise und sah auf. Sein Blick zielte genau auf den Zauberstab. Fast in Zeitlupe hob er die Hand und packte dann punktgenau mit Zeigefinger und Daumen den Stab.
„Du siehst?", fragte sie erstaunt.
„Magie – aber nur manchmal", sagte er mit undefinierbarem Blick.
Verträumt fühlten seine Finger über den Zauberstab.
„Es ist seltsam", murmelte er. „Jetzt, wo ich zaubern kann, habe ich Angst davor."
„Warum? Das sollte dich freuen. Es gibt nichts Schöneres. Glaub mir."
„Vielleicht hast du Recht", sagte er düster und versank wieder in Schweigen.
Lange Minuten ließ Toireasa ihn in Ruhe, doch dann machte die Stille sie immer unruhiger. Sie musste etwas sagen.
„Es tut mir Leid", gestand sie leise ein.
„Was denn?", erkundigte er sich verwundert.
„Das mit Aidan. Ich bin sicher, er wusste es nicht!"
„Das sagte Professor Dumbledore schon", winkte der Junge ab.
„Ja, aber meine Stiefmutter muss es gewusst haben", brach die Wahrheit aus ihr heraus.
„Genauer, sie muss es bezahlt oder selbst gemacht haben", korrigierte Tarsuinn bitter. „Konnte es wohl nicht ertragen, einen Muggel als Kind zu haben."
„Das nennt man Squib", erklärte Toireasa ihm. „Nichtmagische Kinder von magischen Eltern nennt man Squib."
„Ist eine ziemliche Schande, vermute ich mal?"
„In manchen Augen, ja", gab Toireasa zu und dann kam ihr ein unangenehmer Gedanke.
„Ich könnte eigentlich auch ein Squib sein", murmelte sie.
„Mach dich deswegen nicht verrückt", schüttelte Tarsuinn den Kopf. „Das könnte für jeden zutreffen. Komm, hilf mir lieber üben."
Er ging zum Fenster und begann wieder den einfachen Funkenzauber zu sprechen, den sie in den ersten Schulwochen bei Professor Flitwick gelernt hatten. Am Anfang machte ihm das große Probleme. Entweder passierte gar nichts, er bekam seine Energie selbst ab oder sein Zauber war viel zu heftig. Doch seinen Zauberstab ließ er nicht noch einmal fallen.
Toireasa half ihm mit Hinweisen so gut sie konnte. Sie korrigierte seine Bewegungen und ermahnte ihn sich zu konzentrieren, wenn er nach einigen guten Versuchen zu viel wollte.
„Du bist gar nicht richtig bei der Sache!", warf sie ihm vor, nachdem er ungefähr fünf Minuten ohne eine Regung einem heftigen Funkenflug nachgeschaut hatte.
„Du auch nicht", entgegnete Tarsuinn ohne den Blick abzuwenden. „Sonst hättest du die beiden Hauselfen bemerkt, die uns Essen gebracht haben."
Sie wandte sich um und erblickte zwei Tabletts mit belegten Broten und zwei Gläser Limonade.
„Okay, dann essen wir halt", sagte sie.
„Gute Idee", stimmte er ernst zu.
Sie aßen etwas, doch irgendwie schien es ihnen beiden nicht sonderlich zu schmecken. Toireasa vermisste sein Lächeln, das normalerweise immer für einige Augenblicke aufblitzte, auch wenn er nur so in die Gegend starrte. So, als wenn er an etwas Witziges dachte. Doch heute schienen seine Gedanken absolut trüb. Das gefiel ihr überhaupt nicht.
„Sag mal!", sagte Tarsuinn unvermittelt. „Wie würdest du es aufziehen, wenn du wissen würdest, wie man Fähigkeiten, Krankheiten und Ähnliches austauschen kann?"
„Ich würde so etwas nicht machen!", entgegnete sie entschieden.
„Das meinte ich nicht", entschuldigte er sich halb. „Ich meinte, wie würde jemand ohne Gewissen das aufziehen?"
„Na ja", sagte sie recht unangenehm berührt. „Man wähle sich ein Land mit laschen Gesetzen…"
„…und suche sich Muggel, die niemand vermisst…"
„…oder muggelgeborene Zauberer, deren Kraft man noch nicht erkannt hat."
„Und was macht man dann mit den Spendern?"
„Einsperren natürlich. So wie mit dir und deiner Schwester."
„Würdest du dich als Kunde darauf verlassen, dass nicht einer der Spender plötzlich in der Weltgeschichte herumspaziert und dazu noch den passenden Rubin hat?"
„Eigentlich schon."
„Und was, wenn dein Sohn plötzlich nach Hause kommt und verschwunden ist, wofür du bezahlt hast?"
„Ich wäre sauer."
„Deine Stiefmutter auch?"
„Die geht bei so was an die Decke. Das tut sie eigentlich bei jeder Kleinigkeit."
„Also beschwert sie sich!"
„Aber sofort."
„Und wie würden die Leute dann reagieren, die dafür verantwortlich sind? Ein Rubin weg, zwei Spender und anscheinend wissen sie, wie man den Rubin benutzt. Was würden die tun?"
„Risikominimierung", sagte Toireasa sofort.
„Und was wissen sie?"
„Wo deine Schwester ist und vielleicht auch, dass du alles für sie tun würdest."
„Genau! Sie werden sich Rica holen!", rief er aus und sprang auf die Füße. „Ich muss hin!"
Das war überhaupt nicht, was Toireasa hören wollte.
„Mach keinen Unsinn, Tarsuinn!", sagte sie. „Was ist, wenn sie genau damit rechnen? Lass Professor Dumbledore das machen."
„Aber was ist, wenn er nicht daran denkt?"
„Er ist viel intelligenter als wir. Außerdem können wir ihm schreiben!"
„Eh eine Eule bei ihm ist, ist es Morgen!"
„Madame Pomfrey wollte bald wiederkommen."
„Aber wird sie auch bald genug da sein?"
„Der Professor möchte, dass wir hier bleiben!"
„Das ist mir egal!", fauchte Tarsuinn genervt.
„Ich weiß!", sagte sie und versuchte ihre Emotionen zu kontrollieren. „Aber bitte versuch logisch zu denken. Wie willst du überhaupt schnell genug nach Irland kommen? Wie willst du überhaupt dahin finden? Wie willst du über das Meer kommen? Wie des Nachts in ein Krankenhaus einbrechen? Und was willst du dann tun, wenn du dort bist? Schalt dein Hirn ein, bevor du dich und Rica ins Unglück stürzt."
„Das war unfair!", beschwerte er sich verletzt und endlich gelang es ihr, ihn sich zu greifen und von der Ausgangstür zurückzuziehen. Tikki unterstütze sie dabei, so gut es das kleine Wesen konnte.
„Denk vorher nach!", forderte Toireasa.
„Das habe ich", sagte er. „Bald ist der Hogwarts-Express in London. Deine Stiefeltern holen Aidan ab. Wenn er noch nicht bemerkt hat, dass er nicht mehr zaubern kann, besteht eine gute Chance, dass niemand es bemerkt, da er ja außerhalb von Hogwarts nicht zaubern darf. Wenn es aber bemerkt wurde, dann bringen deine Stiefeltern ihn nach Hause, beschweren sich dann und schon fangen gewisse Leute zu rotieren an."
„Wie lange, denkst du, braucht das?", fragte Toireasa interessiert.
„Ein paar Stunden. Vielleicht einen Tag. Wenn sie Telefone statt Eulen benutzen, weniger."
„Und was willst du mit Rica tun?"
„Da raus bringen!"
„Und wenn sie deswegen stirbt?"
„Aber ich kann doch nicht einfach hier rumsitzen!", sagte er verzweifelt.
Anscheinend begann er endlich nachzudenken.
„Was würdest du denn an meiner Stelle tun?", verlangte er zu wissen und das brachte sie in arge Gewissensnöte. Denn diese Frage hatte sie sich selbst noch nicht gestellt.
„Wahrscheinlich würde ich auch etwas tun wollen", gab sie leise zu.
„Dann hilf mir!", bat er. „Du bist meine Freundin! Sei meine Augen…und im Moment vielleicht auch mein Hirn! Bitte!"
Toireasa konnte ihn nicht ansehen. Er war immer so selbstständig, dass man fast vergessen konnte, wie hilflos ihn seine Behinderung in manchen Situationen machen konnte.
„Ich schulde dir mein Leben", sagte sie förmlich. „Ich helfe dir!"
„Nein!", lehnte er entschieden ab. „Nicht deshalb. Bitte nicht deshalb. Als Freundin, nicht wegen irgendeiner Schuld."
„Dann als Freundin", stimmte sie zu und ohne es zu wollen, schlich sich eine Träne in ihre Augen. Es war ein unheimlich gutes Gefühl, so viel Vertrauen zu erhalten und gleichzeitig war es beängstigend.
„Also, was tun wir?", fragte er.
„Keine Ahnung! Was hattest du denn vor?"
„Ich wollte das Einhorn bitten, mich nach Irland zu bringen."
„Und was ist mit dem Meer dazwischen?"
„Daran hatte ich nicht gedacht", gestand er betreten ein.
„Nehmen wir einfach Besen", schlug Toireasa vor und begann auf und ab zu gehen.
„Woher willst du die nehmen?"
„Die Schulbesen sollten ausreichen."
„Du meinst – klauen?"
„Natürlich nur borgen! Und jetzt behaupte nicht, das würde deinem Gewissen Probleme bereiten!"
„Ganz sicher nicht", sagte er und endlich blitzte wieder sein kurzes Lächeln auf. „Aber wie flieg ich?"
„Gar nicht! Ich fliege. Du versuchst nicht runterzufallen. Wird zwar recht eng, aber wir sollten beide auf den Kissenzauber passen."
„Okay, wenn das so geht", nickte er. „Da fällt mir ein, besitzt du überhaupt normale Kleidung. Ich meine – Muggelkleidung?"
„Nein", sagte sie. „Aber du auch nicht! Dein Gepäck ist doch auch im Express. Schon vergessen?"
„Oh – stimmt ja! Laufen wir halt rum wie Freaks."
„Freaks?", fragte sie empört.
„Sonderlinge, Verrückte und so weiter", entgegnete er.
„Ich weiß, was das heißt!", giftete sie kurz. Sie war kein Freak!
„Nun reg dich nicht auf!", wehrte er ab. „Bin halt nur ich ein Freak."
„Okay – damit kann ich leben", lenkte sie ein.
„Was müssen wir sonst noch bedenken?", fragte Tarsuinn. „Oder können wir los?"
„Nicht ganz. Wir müssen noch Briefe schreiben!"
„Damit Madame Pomfrey sich keine Sorgen macht, oder?"
„Nicht nur das. Erstens schreiben wir ihr zusätzlich, was wir vorhaben. Wenn sie Professor Dumbledore Bescheid sagt, ist der vielleicht vor uns da und wir haben keine Probleme mehr.
Und zweitens werden wir den Darkclouds und meinen Großeltern schreiben und sie bitten uns zu helfen."
Sie sah, wie er protestieren wollte.
„Nein. Hör mir zu", bat sie schnell. „Nehmen wir mal an, man will sie wirklich entführen. Dann muss sie so schnell wie möglich ins St Mungos und um das hinzubekommen, brauchen wir Erwachsene."
„Aber nicht deine Großeltern. Das könnte doch die Sache mit deinen Stiefeltern versauen!"
„Ist nicht zu ändern", entgegnete sie. „Allein sind wir ab einen gewissen Zeitpunkt aufgeschmissen. Das sind wir eigentlich schon jetzt."
„Sei nicht so negativ", beschwerte er sich.
„Ich bin realistisch!"
„Ich auch, aber ich lass es nicht raushängen", antwortete er mit einem verschmitzten Lächeln. „Und ich versuche auch nicht Zeit zu schinden, in der Hoffnung, Madame Pomfrey würde hier auftauchen."
Toireasa stellte ihre Wanderung abrupt ein. Er hatte sie durchschaut und trotzdem war er nicht sauer auf sie. Im Gegenteil, es schien ihn sehr zu amüsieren.
„Seit wann weißt du es?", fragte sie.
„Lass uns Briefe schreiben", sagte er, statt zu antworten. „Oder besser – du schreibst. Meine tolle Feder müsste jetzt bald in London sein."
Toireasa gab es auf. Im Grunde genommen blieben ihr nur zwei Möglichkeiten. Ihn hier festzusetzen oder ihn zu begleiten. Da sie Ersteres nicht fertig brachte, musste sie die zweite Variante wählen.
Also schrieb sie schnell drei kurze Briefe, wovon sie einen auf dem Fußboden vor der Tür ablegten und dann machten sie sich zum Aufbruch bereit. Im Grunde war das nicht viel an Vorbereitung. Ordentliche und für den Sommer recht warme Kleidung, ihre Zauberstäbe und Toireasas geleerten Rucksack.
Doch schon beim Verlassen des Krankenflügels gab es das erste Problem. Sie hatte gerade die Tür geöffnet und wollte mit Tarsuinn raus gehen, als wenige Zentimeter vor ihren Nasen zwei Hellebarden durch die Luft schnitten und ihnen den Weg versperrten. Links und rechts der Tür standen zwei Rüstungen, die gerade langsam den Helm in ihre Richtung drehten. Fast so, als würden sie überheblich vor jedem weiteren Schritt warnen.
„Was war das?", fragte Tarsuinn. „Klang ziemlich scharf!"
„Die Rüstungen versperren uns den Weg", erklärte sie.
Er drängelte sich an ihr vorbei.
„Wow", sagte er fasziniert. „Was für Magie!"
„Du kannst auch das sehen?", erkundigte sie sich erneut.
„Nicht so wie meinen Zauberstab", sagte er und seine Finger berührten die Klinge einer der Hellebarden. „Das hier ist nur ein zeitweiliger Zauber. Ist eher ein Kribbeln im Bauch."
„Und was machen wir jetzt?"
„Das Fenster?"
„Versuchen wir es", sagte Toireasa ohne Überzeugung und behielt Recht.
Sie knoteten Bettlaken zusammen, banden ein Ende an eine Säule und warfen den Rest aus dem Fenster. Nur, um das Laken einen Moment später wieder hereinfliegen zu sehen und darin fest eingewickelt zu werden. Allein sich daraus wieder auszuwickeln, dauerte fünf Minuten.
„Noch mal die Tür", schlug Tarsuinn vor, ging hin und bekam jetzt selbst die Hellebarden vor der Nase zusammengeschlagen.
„Wie intelligent sind normalerweise solche Aufpasser?", fragte er Toireasa, während er versuchte die Stangenwaffen wegzuschieben.
„Etwa wie ein Hund", antwortete Toireasa, deren Kinderbett ähnlich gut ihre Fluchtversuche unterbunden hatte.
„Und was denkst du? Würde Professor Dumbledore uns verletzen wollen?"
„Bestimmt nicht!"
„Gut, dann tritt nen Schritt zurück und mach dich für einen kleinen Sprint bereit", bat er sie.
„Was hast du vor?", erkundigte sie sich besorgt und ergriff seine Hand, denn offensichtlich wollte er loslaufen.
„Nicht ich", korrigierte er. „Tikki will mal etwas spazieren gehen. Sie glaubt anscheinend, die Rüstungen würden ihr folgen."
„Woher will sie das wissen?", sagte Toireasa erstaunt. „Und woher vor allem willst du das wissen?"
„Göttliche Intuition", grinste er lausbubenhaft. „Aber erzähl es nicht weiter."
„Ich mach mich doch nicht zum Gespött der Leute."
„Na dann. Bereit?"
„Yep!"
„Tikki, drei…zwo…eins…Start!"
Und schon sauste das Tier los. Toireasa war schon ein wenig über die Phase des Staunens hinaus und so akzeptierte sie einfach, dass der Junge anscheinend wirklich genau verstand, was Tikki sagte.
Die Hellebarden sausten herunter um Tikki aufzuhalten, doch im letzten Moment sprang das Tier behände zur Seite, so dass die eine Rüstung der anderen ein Bein abschlug, woraufhin diese rasselnd zu Boden fiel. Die noch stehende Rüstung aber verfolgte Tikki.
„Dumbledore hat bestimmt gesagt: Lasst niemanden aus dem Raum außer den Hauselfen", erklärte Tarsuinn.
Tikki bog am Ende des Flures links um die Ecke und deshalb wollte Toireasa schon loslaufen, doch Tarsuinn hielt sie fest.
„Noch nicht…", flüsterte er „…noch nicht…jetzt!"
Und dann rannten sie los. Hand in Hand und sie wollte zunächst rechts abbiegen, änderte ihre Meinung jedoch, als sie den Gang von unzähligen Rüstungen flankiert sah.
Also folgten sie vorerst dem blechernen Scheppern, bogen dann links ab und rannten die Treppen hinauf zur Eulerei. Sie verschickten die Briefe an Dumbledore und die Darkclouds, dann schlichen sie wieder nach unten. Je näher sie dabei dem Ausgang kamen, desto mehr Rüstungen versperrten ihnen den Weg. Und nicht, dass die einfach so herumstanden wie das gesamte Schuljahr über, sondern sie patrouillierten durch die Gänge, bewachten Türen und einmal sah Toireasa eine in der Toilette verschwinden. Kurz darauf gefolgt von dem Geräusch einer Spülung und dem Waschbecken. Da die Eingangshalle zu gut bewacht war, kletterten sie aus einem Fenster in den Innenhof des Schlosses und huschten hinüber zum Besenschuppen.
Ein dickes Vorhängeschloss hing vor der schweren Holztür.
Toireasa zog ihren Zauberstab.
„Alohomora!", flüsterte sie und schwang den Stab. Der Erfolg war eher mittelmäßig oder genauer – nicht vorhanden. Sie versuchte es noch einige Male, nur um festzustellen, dass darüber lesen noch lange nicht die Praxis ersetzte. Winona hatte diesen Zauber viel besser drauf.
„Zauberkraft verloren?", frotzelte Tarsuinn.
„Moment", erklärte sie hektisch.
„Beeil dich. Tikki kommt zu uns. Mit Begleitung."
„Keine Angst", beruhigte sie. „Ist nur eine Frage der Konzentration und…"
Sie hob einen Stein auf, holte aus und schlug mit aller Kraft auf das Vorhängeschloss, das ächzend nachgab und mit einer beleidigten Stimme ein – Jiie Juuh, Jiiie Juuh – durch den Abend brüllte.
„…der rohen Gewalt."
Durch den Alarm herbeigerufen, konnte Toireasa plötzlich von allen Seiten lautes Scheppern und Quietschen hören. Sie hastete in den Schuppen, suchte sich hektisch den am besten aussehenden Besen – im Grunde waren das alles ziemlich veraltete Krampen – und rannte zu Tarsuinn.
Der Anblick draußen war nicht gerade ermutigend. Wie eine Horde Zombies kamen unzählige Rüstungen von allen Seiten auf sie zugelaufen.
Tarsuinn hatte gerade Tikki in den Rucksack gesteckt und schulterte diesen.
„Also, ich wäre dann soweit", drängelte er.
Toireasa antwortete nicht. Sie schwang sich auf den Besen, rutschte auf dem Kissenzauber so weit es ging nach vorne und zog Tarsuinn hinter sich.
„Halt dich fest!", schrie sie und zog seinen Arm um ihre Hüfte, dann stieß sie sich vom Boden ab.
Der Besen war alt und so mancher Wurm hatte schon an ihm genagt, aber in diesem Moment strafte er sein Alter Lügen und schoss in die Höhe. Entweder hatte sie ein gutes Auge gehabt oder einfach nur Glück – in den Übungsstunden zumindest war ihr dieses Ding noch nicht untergekommen.
„Es war eine gute Idee Madame Hoochs Besen zu nehmen", rief Tarsuinn ihr ins Ohr.
„Ja!", rief sie zurück. „War ne Eingebung!"
Damit log sie zwar, aber warum durfte sie nicht auch mal das Glück für sich beanspruchen.
„Sie wird bestimmt sauer sein, wenn sie das rausbekommt", lachte Tarsuinn.
Und schon hatte er ihr Glück in Unglück gewandelt.
„Ich werd besser sagen, es war Zufall", murmelte sie und sagte dann laut: „Sollten wir nicht gleich durchfliegen?"
„Nein", antwortete er. „Das Einhorn glaubt, es ist schneller und heimlicher."
„Woher willst du das wissen?", fragte sie zweifelnd, landete aber doch am Rand des Waldes.
„Ihre Lieder erzählen davon", erklärte Tarsuinn und stieg vom Besen.
„Und das verstehst du auch?"
„Natürlich nicht. Nur wenn ich sie höre, dann habe ich das Gefühl unheimlich schnell zu rennen."
„Und darauf verlässt du dich?"
„Im Zweifelsfall haben wir doch immer noch den Besen, oder?"
„Stimmt."
„Dann komm."
Diesmal führte er sie in den Wald.
Weit mussten sie nicht gehen. Schon nach nur wenigen Schritten tauchte ein großes Einhorn hinter einem Baum auf, der eigentlich zu klein war, um es zu verbergen.
„Hallo", sagte Tarsuinn einfach, ging auf das Einhorn zu und berührte es entgegen aller Regeln. Toireasa wusste ja, dass er einen besonderen Draht zu diesem Wesen hatte, aber der völlig vertraute Umgang zwischen einem Jungen und einem Einhorn war trotzdem bemerkenswert.
„Wir brauchen deine Hilfe", sagte er und streichelte den weißen Hals des großen Tieres.
„Ein schneller Transport so nah es an Irland ran geht", fuhr er fort.
„Wo das von hier aus ist? Ähem – so genau weiß ich das auch nicht. Eine große Insel im Westen…?"
„…da wo die Sonne untergeht…"
„…am besten nach Norden – da wo die Sonne niemals am Himmel steht – und dann am Strand entlang…"
„…so schnell es geht…"
„…ja, sie soll auch mit…"
„…ach, komm schon…"
„…sie hilft mir…"
„…ja…"
„Danke!"
„Komm, Toireasa", Tarsuinn wandte sich wieder ihr zu. „Wir dürfen aufsitzen."
„Bist du sicher?", fragte sie ein wenig ängstlich. Sie erkannte jetzt das Einhorn wieder. „Er ist sicher immer noch sauer auf mich."
„Ist er", lächelte Tarsuinn. „Aber du bist ein Mädchen. Dir kann er vergeben. Nun komm schon. Das ist wie bei Lehrern. Die werden bei kleinen, süßen Mädchen auch immer weich."
„Gar nicht wahr!", maulte sie und wusste, dass dies so falsch nicht war.
Dann halfen sie sich gegenseitig auf das Einhorn, was nicht so einfach war, denn diesmal legte sich das Wesen nicht für sie auf den Boden.
Doch nachdem sie diese Schwierigkeit überwunden hatten und sicher saßen, lief das Einhorn auch schon los. Erst in einem langsamen, regelmäßigen Trab, aber nach wenigen Minuten in vollem Galopp.
Und was für einen Galopp. Der Wald verschwamm zu zwei grünen Streifen, die links und rechts an ihnen vorbei flogen und sie wurden extrem durchgeschüttelt. Dies war nicht mehr der gleichmäßige Lauf, mit dem sie damals den verletzten Tarsuinn zum Schloss zurückgebracht hatten. Dies war ein Sprint ohne Rücksicht auf Bequemlichkeit. Und doch war es vollkommen still um Toireasa herum. Kein Hufgetrappel, kein Pfeifen des Windes.
Sie sprangen über ein Dorf, ließen einige der Muggelfahrzeuge innerhalb von Sekunden hinter sich und ignorierten einfach die Brücke über einen Fluss. Sie waren deutlich schneller als selbst ein Nimbus 2001 unterwegs. Und als sie das Meer erreichten, wurde es noch schneller. Am Strand entlang, stellenweise im Wasser, gab es nach Toireasas Empfinden keinen Unterschied zum Fliegen. Wenn sie sich umdrehte, konnte sie gerade noch weit hinter sich erkennen, wie die ersten Tropfen aufstiegen, die der Hufschlag des Einhorns aufgewirbelt hatte.
Unvermittelt war dann plötzlich der Ritt vorbei und Toireasa wurde beinahe abgeworfen, so abrupt geschah es. Das Einhorn schnaufte schwer.
„Weiter kann er uns nicht bringen", erklärte Tarsuinn ihr überflüssigerweise und sprang ab. Sie folgte ihm und strich dann dem Einhorn dankbar und entschuldigend über die Stirn. Dann verabschiedeten sie sich beide artig und das Einhorn lief davon.
„Wohin jetzt?", erkundigte sich Toireasa.
„Im Westen müsste Irland liegen", entgegnete er.
„Tja. Ich weiß zwar nicht, ob Irland nah genug an England dran liegt, dass man die Insel sehen könnte, aber da wir es schon ziemlich dunkel haben, ist es eh unerheblich."
„Dann einfach nach Westen."
„Und wo liegt Westen?", fragte sie nach.
„Heh, du bist mein Auge und Astronomie sollte zumindest für dich doch irgendeinen Sinn gehabt haben, oder?"
„Hatte es auch – aber dafür braucht man einen wolkenlosen Himmel!"
„Na, dann heißt es einfach…", er deutete aufs Meer hinaus „…die Richtung und hoffen wir, dass wir ein paar Lichter finden."
Toireasa fühlte sich überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, im Dunkeln einfach so aufs Meer hinaus zu fliegen. Allein der Gedanke, sie könnte herunterfallen…
„Alternativ kannst du mir auch einfach zeigen wie man fliegt", bot Tarsuinn an.
„Kommt nicht in Frage", wehrte sie ab. „Du würdest es fertig bringen und mitten in einer Ansammlung Muggel landen. Ich fliege!"
„Wenn du es unbedingt willst", lächelte er ironisch. „Aber ich hab es dir angeboten."
„Doch nur, um mich dazu zu bringen dich zu fliegen!", warf sie ihm vor und musste selbst grinsen. „Okay, steig auf."
Sie bestiegen Madame Hoochs Besen und stießen sich vom Boden ab. Toireasa wusste genug von Überlandflügen, um zu wissen, dass das Schlimmste was passieren konnte war, wenn sie ein Muggel am Himmel entdeckte. Aus diesem Grund ließ sie zunächst den Besen steigen, bis sie die ersten Wolken erreichten. Erst von diesem Augenblick an flog sie vorwärts und aufs Meer hinaus. Dabei verringerte sie in regelmäßigen Abständen die Höhe, um nach Lichtern zu spähen. Doch zum Glück hatte das Einhorn einen wirklich guten Startpunkt für sie ausgesucht, war Irland recht groß und offensichtlich liebten Muggel es, die Nacht zum Tag zu machen. Schon als sie das erste Mal aus den Wolken tauchte, konnte sie die Lichter diverser Städte erkennen.
„Also, Irland hätten wir schon mal. Glaube ich zumindest", sagte sie. „Und wohin müssen wir da?"
„Monaghan", antwortete er. „Ins General Hospital."
„Und wo ist das?"
„Relativ kurz hinter Belfast."
„Und wo zur Hölle liegt Belfast?"
„Irgendwo in der Nähe des Meeres."
„Und wo da genau?"
„Keine Ahnung. Müssen wir halt wen fragen."
Frustriert stöhnte Toireasa auf. Sie hatte so etwas befürchtet. Noch mehr Chancen gegen das Geheimhaltungsgesetz zu verstoßen. Schon jetzt hatten sie gegen mehrere Gesetze verstoßen. Fliegen ohne erwachsene Begleitung, unangemeldete Grenzüberschreitung, unsachgemäße Benutzung eines einsitzigen Fluggerätes.
Sie legte den Besen in eine sanfte Kurve und landete in einer kleinen Baumgruppe unweit eines einzelnen Hauses.
Danach führte sie Tarsuinn an der Hand zu dem Haus, in dem noch Licht brannte.
„Besser ich rede", sagte er. „Dein Umgang mit Muggeln ist schon legendär."
„Ha, ha!", meckerte sie. „Sehr witzig."
„Ja, find ich auch."
Tarsuinn suchte mit den Fingern den Türrahmen ab, zu dem sie ihn geführt hatte, dann drückte er einen Knopf, der sich da befand. Ein unangenehmes Brummen ertönte. Das musste wohl so etwas wie eine Türglocke sein.
Im Haus polterte es und Sekunden später erschien ein Mann in Unterhose und Unterhemd an der Tür. Er hatte eine große Glatze, die umgeben war von einem Kranz lockiger Haare.
„Was?", sagte er unfreundlich und hustete Unmengen Schleim aus.
„Entschuldigen Sie bitte, Sir!", begrüßte Tarsuinn ihn freundlich. „Dürften wir Ihnen eine Frage stellen?"
„Ich bin ein guter Katholik", fauchte der Mann. „Verzieht euch von hier, ihr Jehova Gesindel! Schicken die jetzt schon Kinder."
„Nein. Das ist es nicht, Sir", entgegnete Tarsuinn noch immer lächelnd. „Wir möchten Sie nur bitten uns zu sagen, wie wir nach Monaghan kommen."
„Verzieht euch, ihr Freaks!", sagte der Mann und schlug die Tür vor ihnen zu.
„Sagt ich's doch", murmelte Tarsuinn unbewegt. „Wir sehen wie Freaks aus."
„Und was machen wir jetzt?", fragte sie angewidert. Ihre gerade mühsam abgelegten Vorurteile gegen Muggel waren soeben wieder aufgeflammt.
„Wir suchen uns jemand Nettes", erklärte er locker und ging zur Straße. „Am besten da drüben im Dorf. Ist doch nicht weit weg, oder?"
„Ja, aber um da hin zu kommen, müssen wir hier lang", antwortete sie. „Es ist besser, wir gehen über die Brücke, statt durch den Fluss."
„Du darfst führen", lächelte er und hielt ihr die Hand hin.
Toireasa ergriff sie und ging auf der Straße Richtung der Häuseransammlung.
„Warum lässt du nicht Tikki aus dem Rucksack?", fragte sie interessiert.
„Weil sie mich letztes Mal so gekriegt haben", erklärte er mit saurem Gesicht. „Sie haben einfach nach Tikki gesucht und nicht nach mir. Ich hatte vergessen, dass Mungos in Asien relativ normal sind, aber nicht hier. Also versteckt sie sich diesmal."
„Hast du Angst vor denen?", erkundigte sie sich vorsichtig.
„Höllische", bestätigte er. „Denn ich glaube, diesmal lassen sie mich nicht weg."
Still gingen sie die Meile bis zum Dorf und Toireasa wollte ihn schon zum erstbesten Haus führen, aber er hielt sie zurück.
„Wir gehen dort fragen", sagte er und deutete auf ein recht hässliches Haus.
„Warum gerade da?", fragte sie.
„Fröhliche Kinder", antwortete er.
„Ich war auch kein Kind von Traurigkeit", gab sie zu bedenken. Trotzdem sind meine Eltern unfreundlich, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Egal, versuchen wir es einfach."
Sie gingen zu dem Haus und diesmal war es Toireasa, die den Knopf an der Tür drückte. Normale Häuser hatten einen Klingelzug und nicht so etwas. Muggel waren schon seltsam.
Die Tür wurde langsam geöffnet. Ein kleiner Junge, der die Finger nur auf Zehenspitzen bis zur Klinke bekam, starrte sie mit großen, erstaunten Augen an.
„Entschuldigen Sie…", begann Tarsuinn und schaute dabei viel zu hoch.
„Er ist erst vier", flüsterte Toireasa.
„Oh – hallo, Kleiner", änderte Tarsuinn sofort seine Taktik. „Könnten wir mal deine Eltern oder großen Geschwister sprechen?"
Der kleine Junge rannte weg.
„Mama, Mama", schrie er und ließ die Tür offen stehen.
„Was ist denn, Lucas?", fragte eine weibliche Stimme.
„An der Tür!", berichtete der Kleine aufgeregt. „An der Tür…"
„Ja, was denn?", lachte die Frau.
„Eine Hexe!", brach es ganz plötzlich aus Lucas heraus. „Sie hat auch einen Besen."
„Lass uns abhauen!", flüsterte Toireasa Tarsuinn zu, doch der schüttelte nur den Kopf.
„Ach, herrje", sagte die Frau und klang eher amüsiert, denn alarmiert. „Komm, versteck dich hinter Mama. Wir schauen uns mal deine Hexe an."
Wenig später erschien eine junge Frau an der Tür.
„Du darfst doch nicht die Tür offen lassen, Lucas, wenn eine Hexe davor steht."
Dabei zwinkerte die Frau verschwörerisch Toireasa zu. Sie sah nett aus. Ziemlich groß gewachsen, reichlich dünn und mit langen roten Haaren.
„Also, du bist eine Hexe?", sagte die Frau und reichte Toireasa die Hand. „Dann bist du wohl ein Hexer."
Ihre Hand wanderte zu Tarsuinn, doch der hielt die seine völlig daneben, was der Frau ein kurzes Stirnrunzeln entlockte, ehe sie auch noch Tarsuinns Hand schüttelte.
„Kleine Korrektur", sagte Tarsuinn freundlich. „Ich bin ein Zauberer! Aber bei ihr hatten Sie vollkommen Recht."
„Oh", lächelte die Frau. „Müssen wir uns jetzt in Acht nehmen?"
„Nein, Ma'am. Wir sind die Guten."
„Das freut mich zu hören. Hast du gehört, Lucas? Das ist eine gute Hexe, so wie die im Zauberer von Oz. Du musst keine Angst haben."
Der Kleine sah immer noch nicht sonderlich überzeugt aus. Mit einer Hand krallte er sich an den Rock seiner Mutter fest, hinter dem er sich halb versteckte, und er schaute äußerst misstrauisch.
„Sind böse!", beharrte er.
Tarsuinn kniete sich kurz hin, griff mit einer schnellen Bewegung hinter das Ohr des kleinen Jungen und als er sie vor den erschrockenen Augen von Lucas wieder öffnete, lag darin eins von Dumbledores Brausebonbons, die es eigentlich zu fast jeder Mahlzeit in Hogwarts gab. Gerüchten zufolge, weil Professor Dumbledore nach ihnen süchtig war.
Für einen Augenblick war der Blick des Kleinen völlig auf die Süßigkeit fixiert, dann warf er einen fragenden Blick zu seiner Mutter hinauf und erst danach nahm er es zögerlich. Eine Sekunde später rannte er davon.
„Na, da hat er was im Kindergarten zu erzählen", lachte die Frau. „So ihr beiden, darf ich jetzt fragen, womit ich euch helfen kann?"
„Wir haben nur eine einfache Frage, Ma'am", lächelte Tarsuinn gewinnend. „Können Sie uns sagen, in welcher Richtung Monaghan liegt?"
„Das liegt etwa zwanzig Meilen nordwestlich. Zwei Orte weiter", erwiderte sie und schaute dabei sehr nachdenklich auf sie hinunter.
„Danke, Ma'am", entgegnete Tarsuinn. „Wir wünschen einen guten Abend noch."
Er drehte sich um, Toireasa tat es ihm nach und Hand in Hand wollten sie gehen.
„Wartet doch mal", rief ihnen die Frau hinterher. „Was wollt ihr denn da? Und ist es nicht schon ein wenig spät für euch, um draußen herumzustromern?"
Toireasa konnte sehen, wie Tarsuinn innerlich fluchte. Da hatten sie nun jemand Nettes gefunden und dann war dieser einfach zu nett. Sie konnte sehen, wie sich sein Gesicht wieder entspannte und ein trauriges Lächeln zeigte. Erst dann drehte er sich um. Sie folgte seinem Beispiel.
„Wir müssen noch heute nach Monaghan, Ma'am. Unsere Mutter liegt da im Hospital."
Das war hinterhältig! Besonders für Tarsuinns Verhältnisse.
„Oh", reagierte die Frau betroffen. „Ist es schlimm?"
„Ja!", setzte Tarsuinn noch unverfroren einen drauf. Obwohl es natürlich irgendwie auch stimmte.
„Und wie wollt ihr jetzt dahin kommen?", fragte die Frau.
„Laufen und per Anhalter", antwortete Tarsuinn rätselhaft. „Hat bis hier ja auch ganz gut funktioniert."
„Das ist doch gefährlich!", entfuhr es der Frau. „Und was soll dieser Aufzug?"
„Wir waren auf einer Kostümfeier, als wir den Anruf erhielten", log Tarsuinn.
„Und da seid ihr einfach losgezogen!", stellte die Frau vorwurfsvoll fest.
„Nicht einfach. Wir haben Mamas Kreditkarte mitgenommen, aber wir wussten nicht, dass Taxifahrer die von Kindern nicht annehmen."
„Und deine Schwester hast du einfach so mitgeschleift?"
„Sie hat nicht widersprochen", entgegnete Tarsuinn. „Aber sie spricht eh nie, weil sie es nicht kann."
Wenn er so weiter machte, würde sie ihn töten.
„Komm, Toireasa!", fuhr Tarsuinn fort. „Wir müssen weiter. Guten Abend, Ma'am!"
Schnell gingen sie weg.
„Wo lang?", flüsterte Toireasa, nachdem sie ein Stück weg waren.
„Immer noch kein klarer Nachthimmel?"
„Yep!"
„Siehst du irgendwo ein paar Richtungsschilder?"
„Ich weiß zwar was Richtungsschilder sind, aber wo stellen die Muggel so was auf?"
„Meist an Straßenkreuzungen, glaub ich", sagte er ironisch. „Genau weiß ich das aber auch nicht, hab noch nie eins gesehen."
„Frag doch einfach Tikki!", schlug Toireasa vor. „Die meisten sagen doch eh, sie wäre cleverer als wir."
„Sie ist cleverer", betonte Tarsuinn. „Wir fragen sie, sobald wir außer Sicht sind. Obwohl ich nicht weiß, ob sie Himmelsrichtungen auf die Reihe bekommt. Immerhin kommt sie von der Südhalbkugel. Ist es da anders als hier?"
„Das alles wäre kein Problem, wenn Madame Hooch einen Besen mit Kompass gekauft hätte!", maulte Toireasa.
„Du kannst sie ja drauf ansprechen", meinte Tarsuinn grinsend. „Ich bin mir sicher, sie wird es einsehen."
Inzwischen waren sie ein ganzes Stück gelaufen und hatten fast wieder das kleine Wäldchen erreicht, als eines der Muggeltransportmittel neben ihnen hielt. Wie durch einen Zauber glitt die Scheibe herunter und das Gesicht der netten Frau schaute sie ernst an.
„Steigt ein!", forderte sie Toireasa und Tarsuinn auf. „Ich bringe euch nach Monaghan."
Toireasa sah ihren Begleiter an. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet.
„Und wer passt inzwischen auf ihren kleinen Sohn auf?", fragte Tarsuinn, nachdem er sich wieder gefangen hatte.
„Sein großer Bruder macht das", antwortete die Frau. „Steigt ein. Ich kann euch doch nicht allein durch die Dunkelheit laufen lassen."
„Versprechen Sie, uns zum Monaghan General Hospital zu bringen und nicht zu einer Polizeistation", verlangte Tarsuinn.
Man konnte sehen, dass die Frau dies nur ungern tat.
„Ich verspreche es", antwortete sie nach einem Moment.
„Gut, dann kommen wir mit", entschied Tarsuinn.
Er ging zur linken Seite des Muggelfahrzeugs, tastete kurz daran rum, murmelte etwas von Zweitürer und öffnete dann eine der seltsamen Türen.
Interessiert beobachte Toireasa, wie die Frau einen Sitz nach vorn klappte.
„Hüpf rein", sagte Tarsuinn und machte eine einladende Geste an Toireasa. Mit einem mulmigen Gefühl stieg sie in die – wie ihr Stiefvater es nannte – Muggeltodesfalle. Wie um das zu bestätigen, klappte Tarsuinn den vorderen Stuhl wieder nach hinten und sperrte sie damit ein. Danach kletterte Tarsuinn auch hinein, kniete sich jedoch auf den Stuhl vor Toireasa, griff rechts an ihrem Kopf vorbei und zog dann nach kurzem Tasten ein breites graues Band mit einer Schnalle aus der Wand. Dieses Band legte er über Toireasas linke Schulter und ihre Hüfte und ließ die Schnalle in eine Art Schloss einschnappen.
„Ist sicherer so", erklärte er, setzte sich jetzt selbst richtig hin, schloss die Tür und dann zog er sich ein ähnliches Band um seinen Körper.
Toireasa fragte sich, was das bringen sollte. Das Band war zwar relativ straff gespannt, aber wenn man daran zog, gab es nach. Doch da die Frau auch ein solches Band angelegt hatte und Toireasa ja – laut Tarsuinns Lüge – nicht reden konnte, behielt sie ihre Fragen für sich.
Was sie jedoch wusste war, dass sie Zeit durch diese Fahrt verloren. Mit dem Besen wären sie viel schneller gewesen. Allein schon, weil sie nicht diese Umwege namens Straßen hätten nehmen müssen.
Trotzdem fand sie das alles faszinierend. Die leuchtenden Zeiger hinter dem runden Ding an dem die Frau drehte, die unglaublich nah vorbeihuschenden Lichter anderer Fahrzeuge, die Art und Weise wie Tarsuinn Geschichten erzählte, ohne irgendetwas preiszugeben oder sich in Widersprüche zu verstricken. Er schien wirklich Übung zu haben, sich durch die Welt zu schummeln. Erschreckend war jedoch, wie viele Worte er benutzte, unter denen sich Toireasa überhaupt nichts vorstellen konnte. Im Grunde war sie inzwischen froh, dass er sie als stumm vorgestellt hatte. So konnte sie still dem Gespräch lauschen, ohne sie in Verlegenheit zu bringen.
Und das wäre mit Garantie passiert. Mrs Rogan – so hieß die Muggelfrau – fragte die ganze Fahrt über die unterschiedlichsten Sachen. Wo sie zu Hause waren, wo sie zur Schule gingen, wo ihr Vater war oder ob es noch jemanden gab, der sich Sorgen um sie machen würde. Tarsuinn hatte auf alle Fragen eine anscheinend befriedigende Antwort. Sicher, weil er hier schon eine Zeit gelebt hatte, bevor er nach Hogwarts gekommen war. Zumindest gab er sich keine Blöße und schaffte es außerdem, Mrs Rogan mit naiven Gegenfragen vom Thema abzulenken und so viel Zeit damit zu vergeuden, dass die Frau das Gefährt vor einem großen Gebäude anhielt, noch bevor sie nach dem Familiennamen gefragt hatte.
Toireasa zumindest war froh darüber endlich da zu sein, denn ihr war in dem Muggelfahrzeug ziemlich schlecht geworden. Es war stickig darin gewesen und dieses unangenehme Schwanken und Federn war noch schlimmer als eine Schiffsreise.
„Monaghan General Hospital", verkündete die Frau freundlich und stieg mit aus.
„Danke sehr, Mrs Rogan", sagte Tarsuinn freundlich. „Es war sehr nett uns hierher zu bringen. Sie brauchen sich keine weiteren Umstände zu machen."
„Nun, da ich schon mal hier bin…", entgegnete die Frau und noch immer konnte Toireasa ein gewisses Misstrauen in ihren Augen erkennen „…kann ich euch auch noch zum Pförtner bringen."
„Auch dafür danke", entgegnete Tarsuinn. „Bei Toireasa weiß ich nicht, ob sie den Eingang finden würde."
Irgendwie hatte sie das Gefühl, er bettelte langsam nach dem einen oder anderen Fluch.
„Lass dir das nicht von deinem Bruder gefallen", sagte Mrs Rogan. Toireasa nickte nur mit großen Augen und warf ihrem momentanen Bruder einen vernichtenden Blick zu.
„Genau!", sagte die Frau lächelnd und ergriff Toireasa und Tarsuinn bei den Händen, dann führte die Frau sie in das große Gebäude vor ihnen und zu einem seltsamen Glaskasten in dem ein älterer Mann saß.
Als sie näher kamen, schob der Mann eine Glasscheibe vor sich zur Seite.
„Die Notfallstation ist am Ende des Flures rechts", sagte er und deutete einen Gang entlang.
„Oh nein. Kein Notfall", erklärte Mrs Rogan. „Die Kinder wollen ihre Mutter besuchen."
„Besuchszeit ist von 16 bis 20 Uhr", sagte der Mann kopfschüttelnd. „Kommen Sie morgen wieder."
„Sie liegt auf Station sieben", mischte Tarsuinn sich schnell ein.
Im Gesicht des Pförtners veränderte sich etwas. Es war nur ein Zucken, ein kurzer Anflug von Bedauern.
„Das ist natürlich etwas anderes", sagte er. „Sie wollen zu wem?"
„Rica McNamara", erklärte Tarsuinn selbstsicher. „Meine Schwester und ich sind als erwünschte Besucher eingetragen."
Der Mann schaute einen Moment zur Seite in einen großen Kasten, drückte auf ein zerklüftetes Ding, auf dem alle Buchstaben und Zahlen zu sehen waren und nickte dann.
„Rica McNamara, Station sieben, Zimmer zwölf. Erwünschte Besucher…ihr seid wer?"
„Ich bin Tarsuinn McNamara, das ist meine Schwester Toireasa."
„Ah hier, Tarsuinn McNamara. Aber von einer Schwester steht hier nichts!"
Tarsuinn stellte einen überraschten und geschockten Gesichtsausdruck zur Schau. Toireasa tat es ihm nach.
„Das muss ein Fehler sein!", sagte Tarsuinn.
„Tut mir ja Leid, aber die Vorschrift besagt…"
„Aber wir sind von so weit hierher gekommen!", schrie Tarsuinn mit einer Darstellung eines verzweifelten Jungen. „Wie können Sie meiner Schwester das antun?"
Das nahm Toireasa als Stichwort, um den Mann bettelnd anzusehen. Für einen Moment wünschte sie sich auf Kommando weinen zu können, doch dann war sie der Meinung, dass dies vielleicht doch etwas zu übertrieben gewirkt hätte.
Sie konnte deutlich sehen, wie der Blick zweier Kinder das Herz des Mannes erweichte.
„Wie war doch gleich der Name?", fragte er.
„Toireasa", antwortete Tarsuinn und fügte noch ein: „Sie ist stumm", hinzu.
Der Mann tippte kurz auf diesem Ding mit den Buchstaben herum.
„Gut und wer sind Sie?", fragte er mit Blick auf Mrs Rogan.
„Ich hab keine Besuchserlaubnis", erklärte die Frau. „Ich hab die beiden nur auf der Landstrasse aufgegabelt. Ich kann hier warten."
„Das sollten Sie nicht", sagte Tarsuinn. „Wir werden hier bleiben."
Überrascht sah Mrs Rogan zu dem Pförtner, der jedoch bestätigend nickte.
„Auf Station sieben gibt es immer Betten für Anverwandte", erklärte er. „Geht Kinder. Einfach um die Ecke zum Fahrstuhl und dann in den siebenten Stock."
Sie bedankten sich bei dem Mann und Mrs Rogan und gingen den gewiesenen Weg. Diesmal führte Tarsuinn. Er ging zu einer Tür und drückte einen Knopf, woraufhin eine Weile nichts geschah. Dann jedoch gab es ein leises Ping und die Türen glitten nach links und rechts in die Wand hinein. Dahinter war ein kleiner leerer Raum. Er führte sie hinein.
Bevor die Tür sich hinter ihr wieder schloss, konnte Toireasa noch hören, wie Mrs Rogan etwas fragte.
„Was ist Station sieben?"
Die Antwort des Pförtners konnte Toireasa jedoch nicht mehr hören. Stattdessen hörte sie die gemurmelte Erklärung Tarsuinns.
„Die Sterbestation", flüsterte er.
„Drück bitte die Sechs!", sagte er und deutete auf Seitewand mit vielen Knöpfen. „Ich kann mich nicht mehr an die Zahlenreihenfolge erinnern."
„Was ist das hier?", fragte sie.
„Ein Fahrstuhl", erklärte er.
„Und was macht der?"
„Das ist ein Zimmer, das an einem Seil hängt und immer rauf und runter gezogen wird. Man drückt einfach auf eine der Zahlen und wird schon in das richtige Stockwerk gefahren."
„Aber müsste ich dann nicht auf die Sieben drücken?"
„Schon, aber willst du mit einem lauten Ping ankündigen, dass wir vorbeikommen, wenn hier wirklich diese Leute sind?"
Sie drückte die Sechs.
„Ich hab dich nie gefragt, was das eigentlich für Leute sind? Wie erkenne ich sie?"
„Achte einfach auf Leute die irgendwie frei von Gefühlen scheinen und viel funken."
„Die was?"
„Du solltest unbedingt Muggelkunde belegen", sagte er. „Sagen wir einfach, schau nach Leuten, die zu sich oder in seltsame kleine Geräte reden."
Ein weiteres Ping ertönte und die Tür öffnete sich wie durch einen Zauber.
Vorsichtig linste sie in den Gang links und rechts und dann zog sie den Jungen nach draußen.
„Wohin jetzt?"
„In der Nähe vom Fahrstuhl muss eine Treppe sein", flüsterte er.
Sie sah sich kurz um und entdeckte über einer Tür ein grünes Schild, auf dem ein weißes Männchen eine Treppe hinaufging.
„Gefunden!", sagte sie, obwohl sie nicht wirklich sicher sein konnte.
Sie zog ihn dorthin, öffnete die Tür und stellte zufrieden fest, dass sie sich nicht getäuscht hatte.
„Leise hinauf", sagte Tarsuinn. „Aber nur bis zur Tür."
Sie schlichen nach oben. Im Schleichen hatte sie ja schon genug Übung, wobei Toireasa noch zur Sicherheit ein wenig mit ihrem Zauber nachhalf. Sie hoffte, es war richtig, dass das Ministerium für Zauberei nur die Wohnorte von Minderjährigen überwachte und man hier in Irland die Sache auch nicht so eng sah.
Oben angekommen, hielten sie erst einmal inne und drückten beide ihre Ohren an die Tür.
Toireasa hörte nichts, doch in Tarsuinns Gesicht spiegelte sich Interesse.
„Ein Mann auf dem Flur, eine Krankenschwester schaut BBC."
Toireasa öffnete die Tür einen Spalt weit und schaute in den Gang. Den Mann im Flur konnte sie so sehen. Er las in einem Buch, saß neben dem Fahrstuhl und sah wie ein typischer Muggel aus. Schnell ließ sie ihren Blick schweifen. Zwanzig, Neunzehn, Achtzehn…
Sie schloss die Tür wieder.
„Wir müssen an dem Mann vorbei, um zu Zimmer zwölf zu kommen", flüsterte sie ihm zu.
„Können wir ihn eventuell umgehen?"
„Nein. Ist eine Sackgasse."
„Fällt dir irgendein Zauber ein, der uns hier weiterhelfen würde?"
„Nur theoretisch."
„Genau wie bei dem Vorhängeschloss?"
„Genau so!"
„Dann lassen wir das wohl lieber", urteilte er.
„Sehe ich ähnlich", stimmte Toireasa bei. „Aber ich hab eine Idee."
„Ich bin offen für alles. Mir fällt im Moment keine Möglichkeit ein, unbemerkt an diesem Typen vorbeizukommen. Was planst du?"
„Eine kleine Flugeinlage natürlich."
„Wie bekommen wir das Fenster auf?"
„Ach, Mist!", entfuhr es ihr.
„Kein Problem", beruhigte er. „Solange Rica lebt, wird sie auf ein angeklapptes Fenster bestehen. Sie erträgt es nicht, in einem vollständig geschlossenen Raum zu schlafen."
„Angeklappt heißt aber nicht offen!", gab sie zu bedenken.
„In manchen Gegenden schon", entgegnete er. „Auf geht's!"
Sie schlichen wieder hinunter, gingen zu einem Fenster auf dem Gang, öffneten es und…
„Nur zur Sicherheit…", hielt Tarsuinn sie auf „…siehst du hier irgendwelche Kästen an der Wand, die eine runde Linse an einer Seite besitzen?"
Was immer das auch bedeutete, sie schaute sich aufmerksam um und konnte nichts entdecken.
„Nichts dergleichen", sagte sie.
„Gut, dann los."
Sie stiegen auf den Besen und schwebten aus dem Fenster. Toireasa musste sich stark konzentrieren. Langsames Manövrieren war deutlich schwieriger, als schnelles Fliegen. Vor allem, wenn man noch eine zweite Person bei sich hatte, die ihr Gewicht nicht passend verlagerte. Sie steuerte langsam nach oben, hielt sich nah an der Wand und wollte schon anfangen Fenster zu zählen, als ihr eine kleine Eule auffiel, die sie interessiert von einem Fenstersims aus betrachtete. Toireasa schwebte dahin. Die Eule begrüßte sie leise.
„Ninja-chan?", fragte Tarsuinn erstaunt.
„Du kennst die Eule?"
„Ja, ist eine Schuleule. Ich schick ihn immer zu Rica."
„Na, da haben wir heute aber verdammtes Glück", sagte sie zufrieden.
Tarsuinn fasste an das Fenster und tastete den Rahmen ab, der wirklich leicht angeklappt war. Dann beugte er sich nach vorn – Toireasa gab sich Mühe den Besen am Abschmieren zu hindern – und er zog tief die Luft ein.
„Ich hasse Krankenhausgeruch", sagte er angewidert. „Aber wenigstens ist es wirklich Ricas Zimmer."
„Und wie kommen wir hinein?"
„Wie gut ist dein Schwebezauber?"
„Nicht schlecht, denke ich."
„Gut, dann lass mal das Fenster vorsichtshalber schweben."
Er nahm den Schlips seiner Schuluniform ab und formte eine Schlinge mit einem sehr kompliziert aussehenden Knoten.
„Die Fensterriegel hier sind so: nach unten ist zu, zur Seite ist angeklappt und nach oben für ganz offen", erklärte er und versuchte mit der Schlinge den Riegel zu fangen. „Und wenn man den Riegel nach oben zieht während es angeklappt ist, fällt es aus dem Rahmen."
Toireasa beeilte sich mit dem Schwebezauber.
Es war fast eine artistische Meisterleistung. Beide saßen sie freihändig auf einem Besen und Tarsuinn versuchte einen Riegel zu erwischen, den er nicht sehen konnte. Sie selbst gab sich alle Mühe zu zaubern und nebenbei auch noch so zu fliegen, dass er endlich Erfolg hatte. Er hatte nicht untertrieben, als er sagte, er würde Toireasas Augen brauchen. Dinge, die nicht lebten, sich nicht bewegten, nicht rochen und auch keinen Krach machten, waren einfach unsichtbar für ihn.
Endlich fing er den Riegel mit der Schlinge und dann zog er ihn nach oben. Wie vorausgesagt rutschte das Fenster aus dem Rahmen und nur ihr Zauber hinderte es daran scheppernd herunterzufallen.
Mit dem Zauberstab fest in der Hand und auf das Fenster gerichtet, zwang sie den Besen in das Zimmer zu fliegen. Kaum waren sie drin, sprang Tarsuinn ab und hastete zu dem einzelnen Bett im Raum. Er stellte den Rucksack mit Tikki auf den Boden, die sofort heraussprang.
„Rica", flüsterte er aufgeregt. „Rica!"
Toireasa nahm sich die Zeit das Fenster an der Wand abzulegen. Erst dann trat sie hinzu und wich sofort wieder etwas zurück. Winona hatte ihr zwar erzählt, dass Tarsuinns Schwester nicht normal aussah, doch besonders genau war sie dabei nicht gewesen. Vielleicht war es aber auch vor einem halben Jahr noch nicht so schlimm gewesen. Sie zwang ihren Blick wieder zurück zum Bett, wo Tarsuinns Finger gerade über das leichenbleiche Gesicht eines Mädchens tasteten. Sie schien nur noch Haut und Knochen zu sein und das halbe Gesicht war bis auf die Augenpartie eine einzige Narbe. Dazu kam noch, dass kein einziges Haar zu sehen war. Nicht auf dem Kopf, nicht an den Augenlidern und auch keine Wimpern. Ein Schlauch führte zu ihrer Nase und ein weiterer führte von einer Flasche über dem Bett zu einer langen Nadel, die in ihrem Handrücken steckte. Ein seltsamer Kasten im Hintergrund machte in regelmäßigen Abständen Piep.
„Ich bin da, Rica", flüsterte Tarsuinn und hielt jetzt die andere Hand. Tränen rannen über seine Wangen. „Bitte wach auf."
Doch die Augen des todkranken Mädchens öffneten sich nicht. Selbst als Tikki sie beschnüffelte, gab es keine Reaktion.
Toireasa fühlte sich unwohl bei der Sache. Tarsuinn schien im Moment völlig bei seiner Schwester zu sein und sie brachte es nicht übers Herz ihn da rauszureißen.
Sie schlich zur Tür, öffnete einen kleinen Spalt und lauschte. Die Zeit verging und Toireasa hatte langsam die Hoffnung, es würde so ruhig bleiben wie bisher, als sie draußen auf dem Flur eine Tür sich öffnen hörte und jemand sich zu dem Mann draußen gesellte.
„Tarsuinn", flüsterte sie drängend.
Er reagierte erstaunlich schnell und kam zu ihr.
„Oh, Scheiße!", flüsterte er nach kurzem Lauschen. „Wir müssen das Fenster einsetzen und du musst uns verstecken."
Mit einem erneuten – Wingardium Leviosa – ließ sie das Fenster schweben und Tarsuinn drückte es wieder korrekt in den Rahmen. Dann nahm sie den nun leeren Rucksack und den Besen und zog Tarsuinn in den Kleiderschrank. Dies war zwar kein besonders kreatives Versteck, aber das einzige, das der Raum bot. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie Tikki sich auf dem Fensterbrett hinter der Gardine verbarg.
Wenige Sekunden später hörte sie, wie die Tür geöffnet wurde. Selbst sie konnte zwei Personen unterscheiden.
„Muss das sein?", fragte eine männliche Stimme.
„Es war eine klare Anweisung", entgegnete eine Frau.
„Aber schau sie dir doch an. Die stirbt uns doch schon auf dem halben Weg nach unten."
„Sie klammert sich schon ein halbes Jahr länger an ihr Leben, als jeder gedacht hat. Außerdem ist es irrelevant, ob sie überlebt. Hauptsache wir bringen sie weg von hier. Schalt den Herzmonitor ab."
„Okay. Aber bist du dir sicher, dass der Chef das will? Wenn wir sie wegbringen, kommt der Junge doch nie hierher."
„Anscheinend wird er dahin gehen, wo die da ist. Man wird es ihn wissen lassen, wo er seine Schwester finden kann."
„Aber mein Gott, Heather! Gehen wir da nicht etwas zu weit?"
„Nein, denn sie stirbt eh und dem Jungen passiert nichts. Also, was soll's."
„Aber…"
„Nein! Das hatten wir schon. Lös die Bremsen und dann los."
Es klappte laut, dann rollte etwas über den Boden.
Toireasa war erstaunt, dass sie Tarsuinn nicht vor irgendwelchen Dummheiten bewahren musste. Bei den Worten der Erwachsenen hatte sie ihn sich gegriffen, da sie erwartete, dass er gleich ausflippte. Doch nichts geschah und es war zu dunkel im Schrank, um sein Gesicht zu sehen. Dass er vor Angst starr war, konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen.
Doch kaum waren die beiden Entführer aus dem Zimmer, bewegte sich Tarsuinn und sie verließen den Schrank.
Die Zimmertür stand noch weit offen.
„Toireasa", flüsterte Tarsuinn leise „Versteck dich hier und sobald sie weg sind, schnappst du dir Rica und bringst sie in Etage Vier auf irgendein Zimmer."
„Aber was hast du…"
„Versprich es mir", flüsterte er hastig und seine Hand drückte schmerzhaft die ihre. „Du wirst es niemals bereuen, wenn sie überlebt!"
Draußen machte der Fahrstuhl sein übliches Ping. Tarsuinn schob Toireasa zur Wand, trat selbst mit Tikki in den Flur und folgte den beiden ein paar Schritte.
„Wo bringen Sie Rica hin, Schwester?", fragte er laut und klang sehr verwundert. Tikki zu seinen Füßen machte ein Geräusch, als würde sie sagen: Blöde Idee!
Toireasa konnte langsam bis fünf zählen, ehe eine Reaktion erfolgte.
„Du darfst ruhig mitkommen, Junge", sagte die Frau und Schritte kamen langsam näher.
„Wohin?"
„Nur eine weitere Strahlenbehandlung", behauptete die Frau.
„Sie lügen. Sie sind keine Schwester", entgegnete Tarsuinn und dann rannte er.
„Schnapp ihn dir!", rief die Frau laut und zwei Paar laute Schritte ertönten.
„Hier Zwo an alle", hörte sie die männliche Stimme rufen. „Er ist hier und läuft in den Achten."
Toireasa schaute vorsichtig um die Ecke und sah in den Gang. Von Tarsuinn und den beiden Erwachsenen war nichts mehr zu sehen. Sie konnte die drei aber noch auf der Treppe hören. Schnell lief sie zu dem Bett von Tarsuinns Schwester, das schon halb im Fahrstuhl stand. Es wunderte sie sehr, warum trotz des Krachs keine Krankenschwester nach dem Rechten sah. Obwohl es wahrscheinlich besser so war. Wie hätte Toireasa das auch erklären sollen?
Sie legte Madame Hoochs Besen vorsichtig neben Rica aufs Bett, dann schob sie dieses vollständig in den Fahrstuhl und drückte die Vier. Es ging ihr völlig gegen den Strich, ihren Freund allein zu lassen, aber was sollte sie anderes tun? Er würde es ihr nie verzeihen, wenn sie seine Schwester im Stich ließ. Das war mehr als eindeutig gewesen.
Der Fahrstuhl hielt auf der Station Vier und die Türen öffneten sich. Beinahe hätte sie aufgeschrien, als sie zwei Männer vor der Tür stehen sah, doch sie riss sich zusammen. Die beiden Männer schienen es recht eilig zu haben. Sie schauten zwar misstrauisch auf Toireasa herunter und auch der Besen zog einige verwirrte Blicke auf sich, doch trotzdem halfen sie, das Bett aus dem Fahrstuhl zu rollen. Kaum war Toireasa draußen, stürmten sie in den kleinen Raum zur Personenbeförderung.
„Hier Eins", hörte Toireasa einen sagen, während sie das Bett schnell weiterschob. „Wo werden wir gebraucht?"
Die unverständliche, weil stark verzerrte, Antwort ertönte.
„Drück drauf!", sagte der andere laut.
„Warte!", entgegnete der, welcher zuerst gesprochen hatte. „Eins an alle. Weiß jemand was über ein kleines Mädchen, das einen Patienten durch die Gegend schiebt?"
Toireasa gab dem Bett einen Schubs, drehte sich kurz um und zielte im Laufen mit ihrem Zauberstab auf den Flurbereich vor dem Fahrstuhl.
„Linere!", murmelte sie und glättete so den Boden vor der Tür, dann schloss sie möglichst schnell zu dem Bett auf. Keine Sekunde zu spät, denn nur mit aller Kraft und laut quietschenden Schuhen schaffte sie es, das Bett vor einer T-Kreuzung zum Stehen zu bringen, so dass es nicht gegen die Wand knallte.
Ein kurzer Blick nach links und rechts, dann drehte sie das Bett nach links. Vor dem Fahrstuhl rappelten sich gerade wieder zwei Muggel auf, den Blick fest auf sie gerichtet. Die beiden Männer hatten jetzt seltsame kleine Dinger in der Hand. Sie hielten sie so wie einen Zauberstab, nur dass diese Dinger sehr klobig waren. Dann war sie aus dem Sichtbereich. Einer Eingebung folgend riss sie alle Gardinen herunter, an denen sie vorbeikam, und warf sie in den Gang. Hinter sich hörte sie schnell näher kommende Schritte. Sie schmierte deshalb die Kreuzung mit ihrem Zauber, doch diesmal nicht mit der erhofften Wirkung. Der erste der beiden Männer, der um die Ecke kam, rutschte zwar spektakulär aus, aber leider so kontrolliert, dass er noch aufrecht stand, als er gegen die Wand prallte. Außerdem schaffte er es, sich an einem Fensterbrett so abzustützen, dass er nicht umfiel. Sein Kollege stellte es noch intelligenter an. Er nahm schrägen Anlauf und schlitterte dann wie auf Eis aus dem glatten Bereich heraus, stolperte dabei zwar, als der nicht glatte Boden ihn plötzlich abbremste, aber statt sich schmerzhaft hinzulegen, rollte er sich elegant nach vorn ab und rannte weiter.
„Nodo!", zauberte Toireasa jetzt völlig offen. Sie pfiff auf das Verbot. Das hier war eindeutig lebensbedrohlich, zumindest wenn sie die Blicke der beiden Männer richtig interpretierte.
Der hintere der Männer wurde von einer Gardine zu Fall gebracht und wie eine Teufelsschlinge, begann diese ihn einzuwickeln. Genau das Gleiche gelang ihr auch mit dem zweiten, der noch gar nicht gesehen hatte, was mit seinem Kumpel passiert war.
Toireasa brachte das Bett zum Stehen und rannte zurück, warf weitere Gardinen auf die beiden Männer und verzauberte diese, bis nur noch zwei gut verschnürte Mumien vor ihr lagen. Von Triumph erfüllte wollte sie weiter, sah von ihren Opfern auf und zuckte überrascht zusammen. An Ricas Bett stand eine böse aussehende Frau. Auch sie hielt einen der klobigen Gegenstände in der Hand und den direkt auf Toireasa gerichtet.
„Wenn du ein Wort sagst oder diesen Stab benutzt, dann bist du ein zuckendes Elend!", drohte sie eisig. Sie hatte dabei etwas an sich, was einen an Professor Snape erinnerte. Toireasa hielt ihren Zauberstab deutlich zur Seite, ließ ihn aber nicht fallen.
„Lass die beiden frei!", forderte die Frau.
Toireasa fixierte die Augen der Frau und bewegte ihren Kopf ganz langsam von rechts nach links. Solange nur die Frau gegen sie antrat, hatte sie vielleicht eine Chance dem zu entgehen, was immer auch dieser seltsame Gegenstand in ihrer Hand bewirken mochte.
„Wie du willst", sagte die Frau nur, kniff ein Auge zusammen und zielte auf Toireasa.
„Warten Sie!", wehrte sie ab und suchte nach einer Möglichkeit etwas zu unternehmen. Leider zählte ihre Gegnerin nicht zu denen, die viele Worte machten.
Toireasa sah das Verderben kommen und schloss die Augen, doch nichts passierte mit ihr. Stattdessen war ein kurzes Sirren zu hören, gefolgt von einem krachenden Geräusch und dann fiel jemand. Ungläubig öffnete Toireasa erst das eine Auge, dann das andere. Nur um die Frau am Boden zu sehen. Und wenige Meter hinter ihr…
…stand Winona, die immer noch über ihr Katapult zielte.
„Mit einem Taser auf ein Kind schießen wollen", sagte das Mädchen vorwurfsvoll, ging an der gefallenen Frau vorbei – nicht ohne ihr noch in die Rippen zu treten und eine für Toireasa undenkbare Beleidigung auszustoßen – und kam herüber.
„Alles okay bei dir?", fragte Winona.
„Ja", entgegnete Toireasa, die noch immer die Frau anstarrte, der eine riesige Beule aus dem Hinterkopf wuchs und auch ein wenig blutete.
„Wo ist Tarsuinn?"
„Er lenkt die anderen ab", murmelte Toireasa, riss endlich den Blick los und fühlte sich dann gezwungen sich zu entschuldigen. „Er wollte, dass ich seine Schwester in Sicherheit bringe."
„Dann tun wir das!", sagte sie entschieden und sie sah mit dieser Entscheidung auch nicht glücklich aus. „Komm schnell, wir müssen sie in einen Raum schaffen und uns verbarrikadieren. Los! Schieb!"
Während Toireasa sich mit dem schweren Bett abmühte, rannte Winona voraus und schaute in einige Zimmer hinein.
„Warum tun die Krankenschwestern nichts?", beschwerte sich Toireasa.
„Ignoriere-das-Ungewöhnliche-Zauber", erklärte Winona kurz angebunden und schlug zum Beweis mit der Faust gegen die Fensterscheibe des Bereitschaftsraums. Die Schwester hinter der Scheibe reagierte nur mit einem kurzen Augenzwinkern.
„Du meinst, hier ist auch ein Zauberer dabei?", fragte Toireasa besorgt.
„Was hast du denn erwartet? Bei dem, was Rica und Tarsuinn passiert ist?", stellte Winona die Gegenfrage. „Komm! Hier hinein."
Das Mädchen zog die Tür zu einem leeren Raum weit auf, in den sie gerade geblickt hatte.
Dann half sie Toireasa das Bett durch die enge Tür zu schieben.
„Woher weißt du das?", erkundigte sich Toireasa erstaunt. „Das mit Rica und Tarsuinn meine ich."
„Professor Dumbledore war da und hat meinen Eltern alles erzählt und sie für irgendetwas um Hilfe gebeten. Dann sind sie weg."
Winona klemmte einen Stuhl unter die Klinke, während Toireasa ein leeres Bett vor die Tür schob.
„Heißt das, deine Eltern sind nicht bei dir?", fragte Toireasa.
„Glaubst du, die würden mich hier allein rumlaufen lassen?", entgegnete das Mädchen. „Als ich euren Brief erhielt, hab ich die Eule weitergeschickt und bin hierher gekommen."
„Dann ist Tarsuinn allein?"
„Yep und uns geht es auch nicht besser. Hilf mir mal."
Mit gemeinsamer Anstrengung kippten sie das Bett an der Tür um. Es war furchtbar laut.
„Wir sollten dafür sorgen, dass jeder der hereinappariert ein kleines Problem bekommt", sagte Toireasa danach.
„Linere, Nodo, Petrificus Totalus?", sagte Winona. „Gegen einen erwachsenen Zauberer ziemlich schwach. Und ich weiß nicht, ob ich letzteren Fluch hinbekomme."
„Geht mir ähnlich", merkte Toireasa an. „Aber Versuch macht klug! Vielleicht bekomme ich ja ein Expelliarmus hin."
„Wir sind sehr dumm!", sagte Winona lächelnd.
„Genau!", pflichtete Toireasa bei. „Wir sind dumme Gryffindors."
„Na, wir wollen es nicht übertreiben!", lachte Winona zynisch.
Sie zogen die Gardinen vor das Fenster, zerschnitten den Bettbezug von Ricas Bett, verteilten die Streifen im Raum und glätteten den gesamten Boden mit dem Linere-Zauber.
Noch während sie dies taten, versuchte irgendwer die Klinke der Tür herunterzudrücken. Wenige Sekunden später krachte es an der Tür. Einmal, zweimal. Winona und Toireasa drückten sich, links und rechts von Ricas Bett, mit dem Rücken fest gegen die Wand. So konnte niemand in ihren Rücken apparieren.
„Du achtest auf das Fenster", sagte Toireasa zu Winona und zielte selbst mit ihrem Zauberstab Richtung Tür, die schon bald den Schlägen nachzugeben drohte.
„Achte auf die Taser", empfahl Winona. „Spring zur Seite. Dad meint, mit den Dingern trifft man nicht sonderlich gut und die Reichweite ist beschissen. Aber wenigstens töten sie meist nicht."
Damit wusste Toireasa zwar noch immer nicht, was ein Taser war und sie bezweifelte, dass Reichweite in einem engen Raum eine Rolle spielte, aber es war beruhigend zu wissen, dass es nicht gleich um Leben und Tod ging.
Die Tür sprang durch einen Fußtritt auf und Toireasa versuchte sich an einem Lähmungszauber. Leider zeigte sich hier die geringe bis nicht vorhandene Übung, die sie bei Professor Lockhart erhalten hatte. Sie hatte keine Ahnung, ob der Blitz, den sie hervorrief, überhaupt die richtige Wirkung gehabt hätte, denn er ging eh meilenweit fehl.
Wie ein Schatten sprang ein Mann durch die Tür und über das Bett, das im Weg lag. Winona begrüßte ihn mit einem Nodo, während er durch den Raum rutschte und unter dem Fenster an die Wand knallte. Die bereitgelegten Stoffstreifen schossen auf den Mann zu, doch dieser hielt statt dem klobigen Ding, diesmal ein Messer in der Hand und mit diesem zerschnitt er den Stoff, bevor dieser sich um ihn wickeln konnte.
Eine weitere Person erschien an der Tür, doch statt auch in den Raum zu springen, nutzte diese das umgekippte Bett als Deckung. Ohne nachzudenken hob Toireasa mit einem Zauber den Stuhl an der Tür hoch und ließ ihn einfach blind hinter das Bett fallen.
Währendessen hatte Winona ihren Zauberstab weggesteckt und schoss mit dem Katapult auf den Mann, der versuchte sich aus dem glatten Bereich zu rollen und seinen Kopf zu schützen.
Winonas traf den Mann zwar, aber aufhalten konnte sie ihn nicht.
„Petrificus Totalus!", schrie Toireasa und aus zwei Metern traf sie ein relativ unbewegliches Ziel dann doch. Der Mann erstarrte mitten in der Bewegung und schlug hart hin.
In diesem Augenblick schoss ein dünnes Drahtseil an Toireasa vorbei und traf Winona. Diese brach sofort schreiend zusammen und zuckte krampfhaft.
Toireasa warf sich aus einem Reflex heraus zu Boden. Zu ihrem Glück. Über ihr steckte ein kleiner Metallpfeil, den ein dünner Draht mit einem dieser Taser verband, der auf Toireasa zielte.
„Expelliarmus!", rief sie in Panik und wieder funktionierte der Zauber wider Erwarten. Furcht schien ein recht guter Lehrmeister zu sein. Mit überraschender Gewalt flog der Taser aus der Hand des Mannes und krachte gegen das Fenster, das sofort zerbrach.
Der Mann tauchte wieder in den Schutz des Bettes ab und versuchte aus der Tür zu fliehen. Toireasa hatte nicht vor ihn davonkommen zu lassen. Sie sprang auf und nach vorn, doch ihr Lähmungszauber verfehlte das sich schnell bewegende Ziel, weil sie auf ihrem eigenen Schmieren-Zauber ausrutschte.
Hinter ihr machte es Plop.
Wie in Zeitlupe drehte Toireasa sich herum. Sie kannte es nur zu gut. Ein Zauberer oder eine Hexe war in den Raum hereinappariert. Als sie ihre Drehung beendet hatte, starrte sie auf einen Zauberstab der die Form eines weißen Reißzahnes hatte. Das Gesicht darüber hatte einen sehr dunklen und asiatischen Teint. Die Frau lächelte Toireasa milde an. Der Stab und ihre Lippen bewegten sich, doch mitten im Zauber unterbrach sie sich, ihre Augen zuckten über Toireasa hinweg nach oben und dann – in einer Zurschaustellung höchster Kunstfertigkeit – veränderte sie ihren Zauber.
„Stupor!", tönte eine tiefe Stimme hinter Toireasa und ein Blitz zuckte über sie hinweg, genau auf die fremde Frau zu. Doch der Fluch prallte von einem unsichtbaren Schild vor ihr ab. Die Frau machte eine halbe Verbeugung, obwohl ein weiterer Fluch – diesmal von einer Frau gesprochen – auf sie zuflog, dann disapparierte sie mit einer lässigen Bewegung. Mit erhobenem Zauberstab drehte sich Toireasa schnell um und stand nun zwei Erwachsenen gegenüber. Während sich der Mann weiter besorgt umsah, eilte die Frau, die einen langen schwarzen und kunstvoll geflochtenen Zopf ihr Eigen nannte, in den Raum. Die Ähnlichkeit mit Winona war einfach nicht zu übersehen.
„Vorsicht!", sagte Toireasa zu der Frau. „Hier ist es glatt."
Die Frau nickte ihr dankbar zu, entfernte mit einem kurzen Wink die Sturzgefahr und eilte zu ihrer Tochter.
„Nur ein Tasertreffer", sagte die Frau nach einer kurzen Untersuchung und atmete deutlich erleichtert auf.
„Enervate!", verwandte die Frau dann den Zauber, der normalerweise dazu diente, die Auswirkungen eines Lähmzaubers aufzuheben.
Erstaunlicherweise schien er auch zu helfen, wenn man von dieser Muggelwaffe getroffen worden war. Winona begann sich wieder zu bewegen.
Inzwischen war der Mann – höchstwahrscheinlich Mr Darkcloud, obwohl er kaum Ähnlichkeit mit Winona aufwies – in den Raum getreten.
„Ich hab die Erinnerungen der Muggel gelöscht, Fenella", sagte er zu Mrs Darkcloud und sah dann zu Toireasa hinunter. „Du bist Toireasa?"
Sie nickte.
„Gut", sagte er und verschloss die Tür. „Wird Zeit, dass wir euch hinaus schaffen."
Er hob Toireasa mit einem Arm vom Boden auf, so dass sie wie ein kleines Kind auf seiner Hüfte saß. Mrs Darkcloud machte dasselbe mit Winona. Die Zauberstäbe hielten beide jedoch immer noch kampfbereit.
„Was ist mit Tarsuinn!", wehrte Toireasa sich.
„Man kümmert sich um ihn. Keine Sorge", entgegnete Mrs Darkcloud. „Wir sollen euch und Rica in Sicherheit bringen."
Die Frau steckte ihren Zauberstab an die Hüfte und holte eine bunt schillernde Feder hervor, die sie auf die Stirn von Rica legte.
„Okay. Winona, Toireasa, berührt die Feder!", befahl sie und hatte auch schon wieder ihren Zauberstab in der Hand. Toireasa befolgte die Anweisung und der Raum verschwamm.
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