Kapitel 1: Never knew

Diplomatische Beziehungen. Was für ein Schwachsinn! Ich bin Krieger, kein Diplomat, dachte er wütend. Er hob den Kopf um den Gesängen der Vögel zu lauschen. Die goldene Morgensonne kleidete ihn in einen milden Schimmer und tauchte seine Waffen in glänzendes Gold, aber im Moment war Legolas nicht mal nach Krieger sein zumute. Der Wald war ungewöhnlich, einen ähnlichen hatte er in keinem anderen Menschenland gesehen. In Rohan gab es kaum Wälder, und auch Gondor war knapp an Bäumen, da die meisten Wälder in früheren Jahrhunderten für den Schiffsbau gerodet worden waren ohne dass man einen Gedanken an Aufforstung verschwendet hätte. Dieser Wald hier in Cardolan bestand aus jungen, hochgewachsenen Kiefern, die wie Zahnstocher nebeneinander in den Himmel ragten. Der Boden war trocken und übersäht mit braunen Kiefernnadeln und die Luft war ungewöhnlich trocken, aber nicht heiß. Aufgrund der schon länger anhaltenden Trockenheit waren die Baumkronen licht und auch die noch am Baum hängenden Nadeln oftmals schon braun. Das schlimmste war allerdings, dass Legolas die Bäume nicht sprechen hörte. Er war es gewöhnt, aus jedem Wald das Summen und Flüstern der Bäume zu hören, leiser bei Windstille, lauter wenn der Wind durch die Zweige fuhr und das Laub schüttelte. Diese Kiefern sprachen nicht miteinander. Nun, der Wind ließ im Moment auch auf sich warten, aber Legolas konnte nur selten ein leises, ängstliches Flüstern zwischen den Nadelbäumen ausmachen. Nun, vielleicht war dieser maulfaule Pulk an Kiefern nicht gerade der Grund, sich Sorgen zu machen, denn die Vögel sangen trotz alledem mit lieblicher Stimme und sein Pferd trabte ohne Scheu voran. Nun, seit dem Ringkrieg sehe ich hinter jedem Baum einen Nazgûl, beruhigte er sich mit einem Grinsen. Ich sollte nicht dauernd Sauron an die Wand malen. Durch diese Gedanken beschwichtigt ritt er weiter gen Süden. Es war die dämliche Idee seines Vaters gewesen, mit Cardolan Handelsbeziehungen aufzunehmen. Seitdem die Könige von Numenor nicht mehr im benachbarten Arnor regierten (Anm. d. Autorin: Cardolan findet man auf guten Mittelerde-Karten unter den Wetterbergen und der allbekannten Wetterspitze, also südlich von Arnor.) war das Königreich Cardolan ein heruntergekommener Staat mit wenig interessanten Handelsgütern. Legolas verwunderte jedoch am meisten, dass sein Vater sonst kaum Handelsbeziehungen knüpfte – am wenigsten mit einem so primitiven Menschenvolk! – und erst recht nicht lange aufrecht erhielt. Im großen und ganzen war sein Vater, König Thranduil, immer ziemlich passiv was die Wirtschaft im Mittelerde anging. Umso verwunderlicher war es doch, dass er nach einem Handelsvertrag mit Cardolan strebte... Und Legolas war immer noch sehr verstimmt darüber, dass sein Vater ihn alleine in dieses Niemandsland schickte. Nun, er hatte nichts mehr gegen die Menschen, seitdem er mit ihnen in den Krieg gezogen war, und er hatte gelernt, dass es auch bei den Menschen gute und böse Vertreter ihrer Art gab. Aber alleine. Er schüttelte sich. Seit dem Abenteuer mit den Gefährten war er irgendwie zum Gesellschaftstier geworden. Legolas war gerade tief in den Gedanken über die genauen politischen Gründe der Pläne seines Vaters verstrickt, als Arod zögerlich stehen blieb. „Was hast du denn?", fragte Legolas und tätschelte dem Hengst ermunternd den Hals. Seit ihrem Treffen in Rohan hatte Legolas kaum mehr ein anderes Pferd geritten, Arod war ihm lieb und teuer. Die fünf Jahre, die sie nun ein eingespieltes Team waren, ließen Legolas erahnen das der Hengst etwas gewittert hatte, das ihm nicht gefiel oder zumindest seine Aufmerksamkeit erregte. Mit leichtem Schenkeldruck bewegte Legolas Arod dazu, weiter zu laufen, bemerkte aber die vorsichtigen Schritte des Pferdes, das wachsam die Ohren aufgerichtet hatte. Es dauerte eine Weile bis Legolas der verstummte Vogelgesang auffiel. „Arod.", sagte er leise. „Das gefällt mir nicht." Die Natur schwieg nie ohne Grund. Das war eine alte Elbische Weisheit, und sie stimmte immer. Legolas griff zu seinem Bogen und fragte sich, ob er nicht doch zu ängstlich reagierte. Als der Pfad, dem er seit geraumer Zeit folgte eine Biegung machte wurde er selbstsicherer, und tatsächlich, hinter der Kurve verbarg sich nichts bösartiges. Aber schön anzusehen war es trotzdem nicht. Legolas sprang erschrocken aus dem Sattel, als er die Gestalt sah. Gebettet in die trocknen Tannennadeln lag sie wie ein weggeworfenes Kleidungsstück im Wald. Die Nadeln knirschten unter Legolas Gewicht unheimlich, als er rannte. Es war eine junge Frau, die man fürchterlich zugerichtet hatte. Blut sickerte aus ihren Mundwinkeln und ließ Legolas schlussfolgern, dass die Tat noch nicht lange her war, und sie blutete aus zahlreichen weiteren Wunden, die allen Anschein nach nicht mit Waffen verursacht wurden waren. „Arod!", keuchte Legolas, wissend das der Hengst ihm eine Antwort schuldig bleiben würde. „Irgend etwas hat sie halb zerfleischt! Das sind Bisswunden!" Mit einigen schnellen Griffen stellte Legolas fest, dass sie noch lebte und man sie wohl tragen konnte, ohne ihren Zustand zu verschlimmern. Wenn die Bissspuren nicht gewesen wären, hätte Legolas vermutet sie wäre beraubt und wahrscheinlich auch vergewaltigt worden. Seltsamerweise musste er feststellen, dass sie Waffen trug als er sie sanft auf die Arme nahm und zu Arod zurückkehrte. Zusammen machten Reiter und Pferd sich auf, schnell einen geeigneten Platz zum Rasten zu finden, am besten mit Wasser. Diese Bisswunden mussten dringend gesäubert werden... Was nur konnte einen Menschen derart zurichten, geschweige denn kam auf die Idee, einen Menschen anzufallen? Legolas kamen die alten Märchen von Werwölfen in den Sinn, die ihm die Menschen unterwegs erzählt hatten und er schauderte. Nicht, das er sich beobachtet fühlte, aber ein ungutes Gefühl schien sich seiner zu bemächtigen und etwas unheilvolles schwebte in der stickigen Luft. Zwei geeignete Rastplätze ließ Legolas einfach links liegen und er fühlte sich erst eine halbe Stunde weiter wieder besser. Er hatte eine kleine, mit Findlingen gesäumte Quelle erreicht, mehr ein Tümpel neben dem Waldweg. Die Bäume neben der Quelle sahen ebenfalls sehr kränklich aus, aber als Arod durstig begann zu saufen, konnte Legolas sich der Genießbarkeit des Wassers sicher sein. Das Mädchen in seinen Armen gab nicht einmal ein Lebenszeichen von sich, als er sie vorsichtig in weiches Moos legte. Trotz ihrer Waffen war sie federleicht gewesen obwohl sie eine dicke eiserne Schulterplatte trug. Legolas, der sie erst jetzt genauer betrachten konnte, bemerkte dass sie sonst sehr freizügig gekleidet war – hätte er sie in Minas Tirith oder in einer andren Menschenstadt gesehen, hätte er sie für ein leichtes Mädchen gehalten. Ihre Kleider waren in einem typischen Waldläuferdunkelbraun gehalten und wirkte seltsam alt und verschlissen, geflickt und ausgebessert an vielen Stellen, jene wilde Mischung aus Beutestücken und ehrlichen Erwerbungen, aus Altem und Neuen, Wertvollen und Wertlosen, wie alle Abenteurer es trugen – zuweilen. Ihr blasses Gesicht, eingerahmt von einer Flut schwarzen Haars war unverletzt, ihr Atem ging regelmäßig – wenn auch flach. Als Legolas ihr beim Atmen zusah, zuckte er unwillkürlich zusammen. Ein kleiner Ring aus Mithril – wie Frauen sie sonst in den Ohren zu tragen pflegten – hing in ihrer Nase wie bei einem wilden rohanischen Stier, und durch den Ring war eine feingliedrige Mithrilkette gezogen, die nicht um ihren Hals sondern an ihren Ohrringen befestigt war. Weitere dieser Mithrilketten hingen, mit Amuletten oder Anhängern verziert unter ihrem Kinn. Legolas war so verblüfft, dass er die kleine, symbolträchtige Tätowierung unter ihrem Auge kaum mehr registrierte. Er wusste, das einige Menschenstämme sich so seltsam herauszuputzen pflegten, doch wie konnte man sich so verunstalten? Ihre Haut war schneeweiß – wegen dem Blutverlust, vermutete Legolas. Das Mädchen stöhnte leise, das erste Lebenszeichen seitdem er sie gefunden hatte, und ihm fielen siedend heiß ihre schweren Wunden ein. Tiefe Bissspuren zierten ihre Schulter, ihren rechten Arm – der von den Fingerspitzen an bis über den Ellenbogen hinaus übersäht mit Tätowierungen war! - , ihre Hüften und ihre schlanken Beine. Die schlimmsten fand Legolas an ihrem Bauch. Wer oder was immer ihr das angetan hatte, war es wohl gewohnt seinem Opfer die weiche Bauchdecke aufzureißen. So tief wie die Wunde war und so stark wie sie blutete fehlte nicht mehr viel, und das Raubtier hätte wirklich ihre Innereien zu Gesicht bekommen, denn das es ein Tier war, stand für Legolas nun außer Frage, auch wenn er kein Tier kannte, das solche Spuren hinterließ. Bei dem Gedanken, er hätte das Mädchen als halb aufgefressene Leiche finden können, wurde es ihm ganz anders. Er wusch ihre Wunden, indem er etwas Quellwasser mit seinem kleinen Reisekessel kochte und verband sie dann, nachdem er Unmengen von Galadriels guter Kräutersalbe dafür verwendet hatte die gröbsten Wunden zu schließen, dann bettete er sie auf seine Satteldecke um sie ruhen zu lassen. Mehr konnte er nicht für sie tun. Der hohe Blutverlust machte sie schwach und Legolas wusste nicht, wie schwerwiegend die Wunden waren. Während er ein wenig Tee kochte und sich darauf vorbereitete, diese Nacht hier zu lagern und um das Leben dieser fremden jungen Frau zu kämpfen überlegte er, von welcher Bestie die Bissmahle stammen konnten. Die Bisse waren von großen, schmalen Kiefern, die ohne großen Kraftaufwand tief und wuchtig zubeißen konnten. Zu klein aber für einen Wolf, zu groß für einen Fuchs, zu schmal für einen Bären, zu spitz für einen Luchs. Die Zähne waren groß, aber spitz und scharf gewesen. Hätte Legolas es nicht besser gewusst wäre er zu dem Ergebnis gekommen, eines dieser seltsamen Reptilien aus Harad, ein sogenanntes Krokodil, hätte sie gebissen, allerdings ein sehr junges. Legolas hatte erst einmal in seinem langen Leben ein solches Wesen zu Gesicht bekommen und wollte es erst genauso wenig glauben, wie er Sam das mit den Olifanten abgenommen hatte. Aber was in Yavannas Namen machte ein Krokodil in Cardolan? Er warf seine Überlegungen über den Haufen, da sie sowieso nicht fruchteten und kümmerte sich erst mal um Arod, bevor er erneut nach dem Mädchen sah und dann an einem Stück Lembas knabberte, trotz fehlenden Hungers. Der Tag war noch verhältnismäßig jung, und die Tatsache den ganzen Tag hier zu Lagern war zumindest jetzt eine Geduldprobe. Elben waren zwar die geduldigste Rasse in Mittelerde, aber er wollte so schnell wie möglich in Cardolans Hauptstadt Tharbad reisen um seinen diplomatischen Auftrag abzuschließen. Aber jetzt hatte ihm dieses verletzte Mädchen einen Strich durch die Rechnung gemacht und er saß mindestens einen Tag fest. Doch was war ein Tag im Leben eines Elben, der schon über dreitausend Jahre lang die Sonne hatte kommen und gehen sehen? Das Leben des Mädchens war ein kleiner Preis für Legolas – und die seinen Vater – für das er bereit war, einen Tag zu zahlen. Arod jedenfalls nutzte die Zeit ausgiebig das dürre, trockne Gras zu weiden, das zumindest an der Quelle grüner und frischer war, und darum beschloss Legolas, ebenfalls die Zeit zu nutzen, und das Wasser glitzerte verführerisch in der mittäglichen Sonne. Ohne lange zu überlegen legte er seine Kleider ab und glitt in das unerwartet warme Wasser. Er fühlte, wie die Spannung langsam aus seinem Körper wich, und er schwamm ein paar Runden, beobachtet von dem neugierig dreinsehenden Arod. Legolas musste lachen als er das bemerkte. „Komm ruhig rein, Arod, dir würde ein Bad auch nicht schaden!", scherzte er mit dem Hengst. „Ihr solltet lieber stehen bleiben und mir sagen, wer zur Hölle Ihr eigentlich seid!" Er brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, wer mit ihm sprach, aber er tat es. Seine eben noch bewegungslose Patientin stand auf einem Findling, zwar gekrümmt vor Schmerz aber Legolas Bogen in ihrer Hand zitterte nicht und der Pfeil lag sicher in der Sehne. Für eine Sekunde durchzuckte ihn Schreck. „Ihr seid verletzt.", sagte Legolas ruhig, seine Überraschung überspielend. „Also lasst es bitte, auf mich schießen zu wollen." „Haltet verdammt noch mal Eure Klappe und sagt mir endlich, wer Ihr seid!", rief sie. Legolas schüttelte den Kopf. „Tztztz. Erst soll ich still sein und dann...?" „Verdammt!"Die Sehne wurde fester gespannt. „Sagt mir zum Teufel noch mal, wer Ihr seid!"Ihr wildes schwarzes Haar hing widerspenstig vor ihrer Nase und gab ihr das Aussehen des tobenden Aragorns, der dann ähnlich aussah. Legolas war fast amüsiert von so viel Temperament und hätte die Situation beinahe mit Gelächter beantwortet, wenn er nicht gewusst hätte dass sie sich mit dem Bogen übernahm. Er musste ihr so schnell wie möglich die Waffe abnehmen und sie wieder zum Hinlegen bewegen. Und dazu musste er sie von seiner Vertrauenswürdigkeit überzeugen. „Legolas Grünblatt ist mein Name.", sagte er höflich. „Und jetzt nehmt den Bogen runter oder ist dies der Dank dafür, dass ich Eure Wunden verbunden habe?" Das Mädchen wirkte skeptisch. „Ihr... Ihr habt mich also nicht angegriffen?" Legolas war fast wieder nach Lachen zumute. „Nein, ich glaube weder ich noch mein Pferd sind in der Lage, derart zuzubeißen..." Sie sah an sich hinunter. „Nun ja..." „Seht Ihr?" „Ich sehe."Sie ließ den Bogen sinken und nahm den Pfeil von der Sehne. „Ich verstehe. Wollt Ihr nicht aus dem Wasser kommen?" Legolas war auf diese großartige Idee schon von alleine gekommen, doch ärgerlich musste er feststellen, dass seine Kleider von ihm aus nicht erreichbar waren, und vor einer jungen Frau, die er grade mal eine Stunde kannte, wollte er nicht gerade nackt herumlaufen. Sie schien seine Gedanken zu erraten. „Worauf wartet Ihr? Dass es dunkel wird und ich Euch nicht mehr sehen kann? Keine Sorge, ich werde Euren Anblick ertragen ohne Euch gleich vergewaltigen zu wollen." „Ich bezweifle ernsthaft, dass Ihr dazu in der Lage seid, jetzt und auch im genesenen Zustand, Mylady....?" „Aymara. Mein Name ist Aymara."Sie hob den Kopf, und ihr langes Haar glitt in ihren Nacken zurück. Trotz ihrer schweren Wunden und den deutlichen Schmerzen, die sie spüren musste flammte in Legolas plötzlich die Vision einer schrecklichen Kriegerin auf, die groß und erhaben vor ihm stand und mächtig genug war, ihn zu vernichten. „Schön, Aymara. Freut mich wirklich. Würdet Ihr Euch nun bitte umdrehen?", knirschte Legolas durch die Zähne, als er bemerkte das ihre Blicke angestrengt an seinem Bauchnabel klebten. Während er aus dem Wasser kletterte und wieder in seine Kleider schlüpfte, dachte er nach. Da rettet man sie vor dem sicheren Verblutungstod (Anm. d. Autorin: Wenn man es medizinisch richtig betrachtet, verblutet man nicht „wirklich", sondern man erstickt aus dem Grund, das immer weniger Blut da ist um den Sauerstoff zu transportieren – bis gar kein Blut mehr da ist und man regelrecht den Erstickungstod stirbt...) und pflegt sie, und gedankt wird es einem mit dieser Frechheit... Als Legolas zu seinem kleinen Lagerplatz zurückkehrte, saß Aymara im Schneidersitz am Feuer, damit beschäftigt an ihren Verbänden herumzuzupfen um einen Blick auf ihre Wunden zu erhaschen, doch als sie ihn hörte sah sie auf. Legolas zuckte unwillkürlich bei ihrem Anblick zusammen. Der Ring in ihrer Nase und die dort hindurchgezogene Kette beschwor in ihm wieder das Bild des wilden Stiers hervor. Sie war das seltsamste Menschenmädchen, das ihm je begegnet war, und das mutigste noch dazu: sein Bogen lag immer noch auf ihren Knien. Aymara war seinen Blicken gefolgt. „Ich habe meinen nicht gefunden.", erklärte sie reumütig. „Ich wusste ja nicht... Elben sind in diesen Wäldern selten zu sehen, aber man verwechselt sie leicht mit..." „Schon in Ordnung.", sagte Legolas besänftigten und ging neben ihr in die Hocke. „Ihr habt die Sehne ja nicht losgelassen..." „Wieso habt Ihr mir geholfen?" Die Frage kam so schnell und unverhofft, dass Legolas eine Weile brauchte um sie zu registrieren. Dabei war sie so einfach und ehrlich. Er stocherte eine Weile mit einem Pfeil im Feuer herum. „Weil man verletzte Mädchen nicht einfach im Wald liegen lässt, höchstens wenn sie schon tot sind." „Ach, nur deswegen?"Aymara zog die Augenbraue zweifelnd nach oben. „Nicht nur deswegen!", verteidigte sich Legolas. „Aber?" Er kannte sie nicht einmal, aber er saß mit ihr am Feuer und diskutierte mit ihr über die Moralvorstellungen der Elben, anstatt sie zu fragen wie alt sie war, woher sie stammte, ob sie hier lebte und wer im Namen der Vala sie angegriffen hatte. Legolas seufzte. „Wisst Ihr, ich kenne Euch nicht. Aber Ihr hattet Hilfe nötig. Wenn ich halb tot gebissen in einem Straßengraben läge wäre ich auch über jeden froh, der mich dort aufsammelt. Oder hätte ich Euch liegen lassen sollen, erst sterbend und dann verrottend wie den Müll der Sterblichen?" Er sah sie ernst an. Aymara, deren Haar jetzt wieder gezähmter wirkte, starrte stur zurück. Erst jetzt sah Legolas ihre Augenfarbe, so dunkelgrau und geheimnisvoll wie Gandalfs altes Gewand. Irgendwie wirkten ihre Augen dreckig und verstaubt und doch funkelten sie heller als die Sterne. „Ihr hättet Euch nicht so viele Probleme aufgehalst, wenn Ihr mich hättet liegen lassen.", sagte sie dann kühl. „Und um ehrlich mit Euch zu sein, Herr Legolas: Lasst mich einfach hier sitzen und reitet weiter. Geht, solange Ihr könnt, vergesst mich. Ich komme schon alleine zurrecht." „Zur Hölle noch mal!", fuhr Legolas auf, und ihr urplötzlicher Starrsinn machte ihn wütend. Er hatte sie aufgesammelt, er hatte sie versorgt und jetzt kam er sich verantwortlich für sie vor. „Das kann ich nicht! Wer weiß, was Euch angefallen hat – es ist immer noch da draußen! Ihr seid verletzt. Ihr zieht eine für alle Tiere deutlich witterbare Duftspur aus frischem Blut hinter Euch her. Ich werde Euch nicht alleine lassen – zumindest nicht in dieser Nacht!" „Ihr... wisst... rein... gar... nichts.", entgegnete Aymara betont langsam. „Ihr solltet gehen, und ich sage das, um Euch zu schützen!" „Was Ihr nicht sagt." „Ihr seid Legolas Grünblatt, nicht wahr? Der glorreiche Held aus dem Ringkrieg. Hebt nicht so überrascht die Brauen, Ihr hofftet ich könne Eure Geschichte kennen. Glaubt nicht, Ihr törichter Narr, dass Ihr wegen diesem Krieg allmächtig seid. Ihr habt ihn vielleicht überlebt, aber eines will ich Euch sagen: Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sogar die Elben vergessen haben – oder nie gesehen." Ihre Worte waren voller Aggressivität, die nicht direkt auf Legolas gerichtet war. Das spürte er. Trotz ihrer Verletzungen brannte eine wilde Wut in ihr, ein Potential an Energie. Er wusste allerdings immer noch nicht, ob sie eine Sterbliche war oder zu seiner Rasse gehörte. Ihr Name gab keinerlei Aufschluss darauf: Aymara war kein Name aus dem Elbischen. Legolas lächelte sie sanft an. „Das mag vielleicht sein. Aymara, aber deswegen seid Ihr immer noch verletzt. Könntet Ihr Euren unwiderstehlichen Charme nicht ein wenig zügeln und mir heute Nacht Gesellschaft leisten?" „Kommt überhaupt nicht in Frage." Er beobachtete sie, wie sie stur am Feuer saß, die grauen Augen so hell lodernd wie eine Stichflamme. Behutsam schürte Legolas das Lagerfeuer noch einmal an um den Tee zu wärmen, und um den Frieden zu wahren drückte er Aymara einen Becher voll in die Hand. Sie schnupperte sehnsüchtig, was ihren Ring in der Nase seltsam klirren ließ, schien aber nicht gewillt zu sein, zu trinken. Legolas nippte von seinem Becher und meinte dann: „Wenn Ihr sagt es gibt mehr Dinge als man sich vorstellen kann, was hat Euch dann angegriffen?" Die junge Frau mit dem heißen Becher in den Händen schwieg krampfhaft. „Na gut. Ihr müsst es mir ja nicht sagen. Ihr müsst mir auch genauso wenig sagen, woher Ihr kommt, wohin Ihr geht, wieso Ihr diesen Ring in der Nase tragt, wieso ihr diese Tätowierungen habt. Nein. Lasst es." Ein Schatten lag über ihren Augen, als sie beobachtete, wie er etwas Trockenfleisch auswickelte und ihr reichte. Da er nicht wusste, ob sie sterblich war oder nicht wusste er ebenso wenig, welche Nahrung sie vorzog. „Ihr macht es nur noch schwerer, Legolas.", seufzte sie. „Ich will Euch nur schützen." „Vor was? Ich finde nicht, dass es hier etwas gibt, das mir gefährlich wird.", sagte er kühl. Doch in seinen Hintergedanken spukte seine Vorstellung von jenem Wesen, das Aymara angefallen hatte. „Ihr seid arrogant.", sagte sie knapp. Ungerührt biss er in seinen Streifen Dörrfleisch. „Das mag vielleicht sein. Wenn das Bestehen auf Höflichkeiten in Euren Augen arrogant ist, so mag ich das sein.", sagte er ungerührt kauend. „Eigentlich rede ich von Eurer Überheblichkeit. Vielleicht halte ich es nicht für nötig von mir zu erzählen." „Wenn das so ist, seid Ihr auch überheblich!"" „WAS?" Legolas musterte sie streng. „Ihr wärt fast verblutet und behauptet dauernd, alleine zurechtzukommen." „Das würde ich auch!", protestierte Aymara mit funkelnden Augen, doch bevor sie aufspringen konnte hatte Legolas seine Hand auf ihre Schulter gelegt. „Na gut.", knurrte sie dann. „Nicht, das Ihr es wissen solltet: Ich bin ein Mensch, in Ordnung? Ein einfaches, unscheinbares Mädchen." Legolas deutete auf ihre Waffen. Aymara war mit einem erheblichen Arsenal bestückt: Einem gewaltigen Langschwert und zwei Klingen, die aus dem Südosten Mittelerdes stammten und „Katanas"genannt wurden, und außerdem schien sie mit dem Bogen umgehen zu können. „Unscheinbar? Menschenfrauen laufen normalerweise nicht mit einer halben Schmiede am Leib durch die Gegend!" Sie runzelte resigniert die Stirne. „Meinetwegen nicht ganz so unscheinbar. So. Ich denke, jetzt wollt Ihr auch etwas über Euch erzählen? Nur zu... wenn wir schon dabei sind."Ihre Stimme war voller Sarkasmus und Langeweile. Legolas biss erneut vom Dörrfleisch und leckte sich das Salz vom Daumen. „Oh, da Ihr wisst wer ich bin, dachte ich es gibt nicht viel großartiges zu erzählen..." „Oh, der große Held aus dem Ringkrieg.", kam es spöttisch. „Ein Narr seid Ihr, nichts weiter. Aber Ihr werdet es schon noch sehen." „Was werde ich sehen?"In Legolas wurde die typische Neugierde wach, als auch Aymara es mit dieser Ich-rede-nur-so-um-dich- neugierig-zu-machen-Nummer versuchte, stärker als sie davor schon gewesen war. Egal was – etwas an diesem Mädchen stimmte vorne und hinten nicht. „Ihr seht es schon noch.", sagte Aymara herablassend. „Keine Sorge, Ihr seht es noch. Aber sagt nicht, ich hätte nichts gesagt."Mit einer wegwerfenden Geste strich sie das lange, nachtschwarze Haar in den Nacken zurück. Legolas konnte seine Blicke nicht von ihr abwenden. „Hm... Aymara?" „Was ist?" „Wenn Ihr behauptet, ein Mensch zu sein, wieso habt Ihr dann spitze Ohren?", fragte Legolas unschuldig. Denn ihr Ohr lief tatsächlich so spitz an, wie man es von dem Volke der Elben gewohnt war. Sie sprang auf, die Hände zu Fäusten geballt und anscheinend bereit, Legolas jede Minute in Grund und Boden zu prügeln. Ihre Augen funkelten wütend. „Das, bei Ulmo, geht Euch überhaupt nichts an. Hört Ihr? ÜBERHAUPT NICHTS!" Mit einem fast schon sanften Lächeln schüttelte Legolas den Kopf. „Gebt es doch gleich zu: Ihr seid eine Elbe. Wozu die Geheimniskrämerei..." „WENN ICH SAGE ICH BIN EIN MENSCH, BIN ICH EIN MENSCH!", keifte Aymara, schleuderte wutentbrannt den Becher ins daraufhin zischende Feuer – ohne einmal am Tee genippt zu haben, welche Schande – und stolzierte hochmütig davon. Eines muss man ihr lassen, dachte Legolas im Stillen. Sie hat viel Temperament und viel Durchhaltevermögen. Ein jeder andre Mensch wäre bei diesen Verletzungen stöhnend im Gras gelegen und hätte sich nicht gerührt. Aber sie war stur. Er beobachtete, wie Aymara sich – ganz entgegen ihrer Worte – auf seine Satteldecke bettete, ihm wütende Blicke zuwarf und sich zum Schlafen einrollte. Da kommt allerdings die Frage auf – Ist sie überhaupt ein Mensch? Oder ein Elb? Die Ohren und die hohe Schmerzgrenze lassen zumindest den Schluss zu. Vielleicht gehörte sie aber zu einem jener seltsamen Menschenstämme, die mit Messern Stücke ihrer Ohren abtrennten oder schon ihren Kindern Holzstücke an die Ohren banden, damit sie spitz waren um die Erhabenheit und vor allem die Stärke und Unsterblichkeit der Elben zu symbolisieren oder sogar zu erhalten oder zu übernehmen. Es gab sogar Stämme wilder Menschen – viele sogar im Düsterwald! – die sich bei noch unzivilisierteren Völkern als „Elben"ausgaben, um diese Völker zu unterjochen und auszubeuten. Man konnte ja nie wissen, und bei den Sterblichen noch am wenigsten. Egal, was sie war, interessant war Aymara auf alle Fälle – und geheimnisvoll. Legolas hatte nicht vor sie gehen zu lassen, bevor er das Geheimnis ergründet hatte. (Anm. d. Autorin: So, was sagt ihr? Naja, nicht sonderlich gut gewordnen. Aymara und Legolas streiten sich schon jetzt wie ein alteingesessenes Ehepaar. Stellt euch mal vor, wie das wird wenn sie sich länger kennen...uiuiui *fetzenflieg* ^-^ So, egal, weiter zur nächsten Etappe... auf, auf...)

Legolas hatte die Wache übernommen, so sehr sich Aymara auch gesträubt hatte. Als er das letzte Mal nach ihr gesehen hatte, schlief sie, in die Pferdedecke gekuschelt, die Hand auf ihrer Wunde in der Schulter. Er hatte lächeln müssen, als er dieses Bild sah. Dann schlief er selbst ein, während seiner verschlungenen Träumen, die auf den unergründlichen Pfaden des elbischen Schlafs wanderten die Augen weit offen. Er starrte hinaus auf den Waldweg. Die Nacht wirkte friedlich. Es roch nach Kiefernnadeln, nach trockener Erde und die Luft war lau, aber jenes Gefühl der Gefahr hatte sich verzogen. Der Mond versüßte die Düsternis der Nacht mit seiner fast vollendeten Scheibe, und Legolas genoss das Mondlicht, das behutsam über sein Gesicht strich. Er erwachte, als Aymara in seinem Blickfeld auftauchte. Sie hatte den Verband von ihrer Schulter gerissen und schnüffelte in die Nachtluft hinein, bevor sie sich vergewisserte, ob Legolas schlief oder nicht. Er schlief, und ihr Anblick vermengte sich bald mit seinen Träumen, den im bläulichen Mondlicht schimmerte ihr Schmuck und die Metallteile ihrer Rüstung, als wären sie aus dem selben flammenden Stahl wie Stich, Frodos Schwert. Sie war wunderschön, auch wenn der Ring in der Nase sie furchterregend wirken ließ. Legolas hatte das gewisse Gefühl, dass sie nicht wirklich so ruppig war und sich einfach nur einsam fühlte. Was immer sie allein nach Cardolan getrieben hatte, konnte kein vergnügliches Unternehmen sein. Seine Blicke fielen auf ihre Schulterwunde. Die Löcher, die von den Zähnen in das Leder gerissen wurden, waren kaum mehr zu sehen, doch wo man noch tiefe Bissspuren hätte erkennen müssen, war ihre Haut wieder glatt, wenn auch von einer dunkelroten Farbe. Darüber stutzig geworden versuchte Legolas aufzuwachen, als er sah wie Aymara mitten in ihrem Schnüffeln erstarrte und herumwirbelte. Ihr Blick war misstrauisch und finster, prüfend sog sie erneut die Luft ein und schien zu keinem schlüssigen Ergebnis zu kommen. Legolas rieb sich müde die Augen. „Aymara? Leg dich doch wieder hin, was ist los?" „Pscht!"Mit einer herrischen Handbewegung erstickte sie die Frage, immer noch in die Wälder spähend. Legolas tat es ihr gleich und drehte sich um und konnte gerade noch zwei Paar rotglühender Augen im dunklen Dickicht aufblitzen sehen. „Nein!", rief Aymara, die Hände zu Fäusten geballt. „Das kann nicht sein." Legolas wollte sprechen, doch er verstummte. Durch Aymaras schlanken Körper ging ein heftiger Ruck. Zwei große Flügel schossen aus ihrem Rücken, steil in die Nachtluft hinauf, wo sie sich so schnell entfalteten, das Legolas von dem Druck fast von seinem Sitzplatz gerissen wurde. Sprachlos starrte er auf die beiden Schwingen, die nun zur Seite gespreizt wie von Geisterhand aus Aymaras Rücken gewachsen waren, feste, dunkelbraune Lederschwingen wie die einer Fledermaus, nur um einiges größer. Die Flügelspannweite musste für jeden der beiden vier Meter betragen – acht zusammen! Aymara schien Legolas nicht mehr zu registrieren, sondern starrte vor Wut zitternd in den Wald hinein und fauchte. Die Flügel zuckten dabei leicht. Sie wurden angegriffen. Von wem oder was konnte Legolas nicht sagen, aber er spürte die Kälte, jenen Schauer der Angst durch die mondbeschienene Nacht rinnen, ein lähmendes Gefühl das von den Bäumen zu tropfen und im Gras verwoben schien und schlimmer noch – es machte ihm Angst. Legolas war stolz, das war keine Frage. Er war stolz darauf, für die Freiheit Mittelerdes gekämpft zu haben, er war stolz darauf, ein Elb zu sein und ein guter Krieger noch dazu. Aber auch er hatte sich vor den Ringgeistern gefürchtet, auch er war ihrem grausamen Bann unterlegen. Dieses Gefühl war ähnlich, nur auf eine Weise schwächer und auf andre Art schrecklicher als die Angst, die von den Nazgûl ausging. Es war ein alter Reflex, als er seine Elbenklingen vom Rücken zog, denn bei der Dunkelheit war der Bogen ein unsicheres Werkzeug, besonders da die Lederschwingen Aymaras sein Gesichtsfeld blockierten. Diese war in die Knie gesunken und ließ ihre Blicke über den Waldrand gleiten. Nervös zuckten ihre Flügelspitzen immer wieder. Sie konnten sich nicht richtig auf den Kampf einstellen. Aus den trocken raschelnden Büschen vor Aymara brach ein dunkler, blitzschneller Schatten, rotglühende Augen rasten ihr entgegen. Mit einem Aufschrei riss sie ihr Langschwert vom Rücken, das in der Nacht gespenstisch grün leuchtete. Mehr konnte Legolas nicht sehen, denn das trockene Knacken eines Astes verhieß auch ihm einen nahenden Kampf. Er verspürte keine Furcht. Er hatte in den Schlachten am Morannon, um Helms Klamm und um Minas Tirith gegen Wesen gekämpft, die so seltsam und zahlreich gewesen waren, dass zwei Gegner keine Herausforderung für ihn waren. Von Aymara und ihrem Gegner bekam er nichts mehr mit außer das Klirren ihres Schwertes. Das zweite Wesen sprang mit den kraftvollen Bewegungen eines Raubtiers ans Feuer. Trotz der lodernden Flammen wurden seine Konturen nicht erhellt, es war als söge seine Schwärze das Licht auf. Legolas konnte nichts anderes als den Schatten mit den glühenden Augen ausmachen, der geduckt am Feuer saß, und das war seine Gelegenheit. Mit dem Aufschrei: „ELENDIL!", den er sich dummerweise von Aragorn angewöhnt hatte stürzte er vorwärts und ließ mit Wucht die Klingen niedersausen. Doch seine Schläge prallten von der Gestalt ab wie Regen von Mallornblättern davon spritzte. Ein taubes Gefühl breitete sich in seinen Handgelenken und Unterarmen aus. Zu verblüfft um rechzeitig zu reagieren prallte Legolas zurück, doch zu langsam. Sein Gegner war ebenfalls flink und ließ klauenbewehrte Schläge auf ihn herniederprasseln, die Legolas alle mit den Elbenschwertern halten konnte. Mit wildem Zischen machte sein Gegner seine Wut hörbar. Legolas griff erneut mit einem ausgefeilten Angriff an, sicher nur die Rüstung des Wesens getroffen zu haben. Seine Klingen schlugen gegen den Hals des Wesens und vibrierten, als sie erneut abprallten, so heftig das Legolas sie fallen lassen musste. Die Gestalt machte einen Satz und warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf Legolas, stürzte ihn zu Boden und fauchte ihm ins Gesicht. Erst jetzt wurde Legolas klar, dass er wirklich um sein Leben kämpfte, als er den heißen, stinkigen Atem roch. Spitze, fahl schimmernde Zähne, fein wie Nadeln ragten vor ihm auf, bereit sich in seinen Hals zu schlagen. „RAAH!"Er wand sich vergeblich, kein Druck gegen die Kehle oder gegen die Arme seines Gegners war fest genug, um ihn zum Loslassen zu zwingen. Legolas schrie noch einmal in der Gewissheit, dass er gleich spüren würde, wie sehr Aymaras Bisswunden schmerzten. „Lass ihn in Frieden!" Die grünflammende Klinge sauste aus dem Nichts hernieder und spaltete den Unhold in zwei Hälften, die zu Staub zerbröckelten und einen zu Tode geängstigten Legolas zurückließen. Er keuchte wild, genauso wie Aymara, die mit erhobenem Schwert und weit gespreizten Flügeln vor ihm stand. „Was bei allen Vala war das?", fragte er entsetzt. Aymara, die erneut schnüffelte half ihm auf die Beine. „Ein Vendul. Besser gesagt zwei."Sie wischte sich das Blut von der Nase und steckte das Schwert weg, das aufgehört hatte zu brennen. Legolas musterte sie und kam zu der Erkenntnis, das wirklich etwas mysteriöses an ihr war, wie er gedacht hatte. „Verfolgen sie dich?", fragte er dann neugierig. Aymara hielt ihren Arm fest, und Legolas sah erst jetzt die tief aufklaffende Wunde, die ihr durch den Lederhandschuh gerissen wurde. „Mist, jetzt muss ich ihn flicken. Was? Nein, sie verfolgen mich nicht. Sie versuchen mich davon abzuhalten, jemanden zu verfolgen." Natürlich, dachte Legolas, das sagt mir alles. „Du siehst so verdutzt drein.", bemerkte sie dann. Kein Wort wurde über ihre blutige Nase verloren, keines über ihren Arm. Entweder musste Aymara Legolas Ansichten nach wirklich hart im nehmen sein oder sie stand einfach unter Schock. „Bitte? Natürlich tu ich das. Da mache ich für meinen Vater eine diplomatische Reise in eines der langweiligsten Länder Mittelerdes und anstatt einer ruhigen Reise gable ich ein undankbares Menschenmädchen mit ungewöhnlichen Spitzohren auf, die auch noch Flügel hat, und dann werde ich von „Venduls" angefallen, die ich nie in meinem Leben zuvor gesehen habe, nie von ihnen gehört, die mich zum Frühstück fressen wollen und gegen die ich nichts ausrichten kann. Abgesehen davon ist das hier wohl der chaotischste Tag meines Lebens und du meinst ich sehe verdutzt aus? Ich bin stocksauer! Du könntest mir aber auch verraten, was du bist. Sag mir verdammt, was los ist, wieso dich diese Biester verfolgen, du spitze Ohren und Flügel hast und behauptest, du seihest eine Sterbliche." Aymara war blass um die Nase geworden, noch blasser als es bei ihr überhaupt noch möglich war. „Du ... du hast meine Flügel gesehen. Nein..." „Aymara?" „Nein, verdammt!", schrie sie hysterisch. „NEIN!" „AYMARA!" „Das darf nicht..."Sie drehte um und rannte auf den Waldweg hinunter. Legolas hatte tiefe Panik in ihren Augen gelesen, was war nur mit ihr? Die Flügel während des Laufens einklappend, rannte sie was das Zeug hielt. „Aymara! Aymara! Bleib hier! Bleib bitte hier! Ich will doch nur wissen..." Sie hörte nicht, sie reagierte nicht mehr. Legolas wusste genau, dass sie zu schwer verletzt war um sich alleine durchzuschlagen und das nur die Wut, die sie im Kampf gefühlt hatte, ihr genügend Kraft gab jetzt zu laufen. Außerdem wollte er jetzt wissen, was es mit ihr auf sich hatte. Das klang vielleicht neugierig – aber das waren alle Elben nun mal. Er schnalzte mit der Zunge und schwang sich in Arods Sattel, der das Schnalzen richtig gedeutet hatte und angetrottet war. Als er aufsaß, war sie schon aus seinem Blickfeld entschwunden. Zwei geflüsterte Worte in Arods Ohren, und das Pferd schoss davon, so stürmisch dass es Legolas in dem leichten Reisesattel ordentlich durchschüttelte. Für eine lange Sekunde verweilten seine Gedanken bei der Tatsache, das Arod diese Venduls anscheinend nicht gewittert hatte, das Tier hatte keine Warnung gegeben. Mit halsbrecherischem Tempo galoppierte das Pferd den Waldweg entlang und tauchte in das ungesunde Dunkel des Nadelwaldes. Aymara war nicht weit gekommen. Sie rannte in der Mitte des Wegs, langsamer noch als vorhin, die Hand fest auf die Wunde ihres Bauches gepresst. „Noro lim, Arod!"Legolas Worte beflügelten das Pferd. Aymara, von dem Klappern der Hufe aufgescheucht spurtete erneut los, selbst als das Pferd knapp hinter ihr rannte gab sie nicht auf. Legolas lehnte sich ein wenig aus dem Sattel und umfasste ihre Taille, als Arod an ihr vorbeipreschte. Das mysteriöse Mädchen fluchte und keifte, als Legolas sie zu sich in den Sattel zog, doch ohne Erfolg. Obwohl Aymara mit ihren Waffen und ihrer Rüstung recht viel wog, schaffte Legolas es sie in den Sattel zu hieven und Arod zum umkehren zu zwingen. „Lass mich laufen, du elendiger...!", fluchte Aymara über seinem Schoß liegend und seine Schenkel schlagend. „Nein! Zum letzten Mal! Du würdest sterben, wenn man dich nicht richtig gesund pflegt!"Legolas Stimme hörte sich für ihn selbst unerbittlich an, doch für Aymara schienen sie kaum beachtenswert. „Bastard! Sohn eines Orks! Runterlassen sollst du mich, hab ich gesagt!", tobte sie. „Ich lasse dich bestimmt nicht! Versuch doch selbst, abzuspringen, selbst dazu bist du zu schwach!" „Ich bin nicht schwach!", schrie sie ihn an und trommelte wild auf seinen Schenkeln, doch damit würde sie nicht mal erreichen, dass Legolas einen blauen Flecken tragen würde. Er hielt sie mit einer Hand fest, mit der andren zügelte er Arod, als sie zurück zu ihrem Lager trabten. Aymaras Protest war sofort still geworden und Legolas wunderte sich auch, dass sie nicht mehr auf seine Schenkel trommelte, als ihn ein leises Fauchen aus seinen Gedanken warf und einen Augenblick später ein Schmerz durch seinen Oberschenkel raste wie flüssiges Feuer. Legolas war nicht von der Heftigkeit des Schmerzes erschrocken, sondern von seinem plötzlichem Auftreten. Er riss hart an Arods Zügeln, dass er dem Pferd das Gebiss im Maul verriss und das Tier in Schmerzen aufschrie, was Legolas über seinen eigenen nicht getan hatte. Er hatte Arod wieder unter Kontrolle – das Tier wollte sich vor Schmerz und Angst aufbäumen – und flüsterte ihm beruhigende Worte zu, als er endlich nachsah, wieso ihm überhaupt etwas wehtat. Legolas hätte mit vielem gerechnet – einem Dolch in seinem Oberschenkel oder etwas andrem – doch er fiel fast vom Pferd, als Aymara zu ihm hoch starrte, die Lippen voller Blut. Vier halb blutige, halb weiß strahlende Fangzähne strahlten ihm entgegen, als sie ihn anfauchte. Fangzähne wie bei einem Raubtier, silbrig schimmernd wie Perlen aus den Tiefen der See. „Was bei Vardas ewigen Sternen bist du?", keuchte Legolas bleich. „Du bist kein Mensch." „Ich!", stieß Aymara heiser aus und fauchte ihm wieder voller Wut ins Gesicht. „Ich bin ein Dämon!"