Teil 4 – Irrwege

Die Nachmittagssonne zeichnete lange Schatten vor ihnen auf den Weg, als ein plötzliches Geräusch Legolas herumwirbeln ließ. Andeliniel war hinter ihm stöhnend auf den Erdboden gesunken. Ihr zerbrechlicher Körper krümmte sich unter Schmerzen. „Legolas...", keuchte sie heiser.
Sofort stürmte er zu ihr und ließ sich neben ihr in die Hocke. Tröstend nahm er ihr Gesicht in beide Hände. Erschrocken riss er die Augen auf. „Du fühlst dich heiß an! Was ist los?!"
"Ich habe Durst, Legolas.", wisperte sie mit einer Stimme, die kaum mehr erkennbar war. „So schrecklichen Durst..."
Prüfend sah er sie an. „Daran kann es nicht liegen... Noch nicht... Doch noch vor wenigen Augenblicken habe ich das Rauschen einen kleinen Flusses gehört. Bist du stark genug, um bis dorthin zu gelangen?"
Andeliniel nickte zögerlich. Legolas' kräftige Arme schlossen sich um ihren Körper und zogen Andeliniel hoch. Einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke und beide wussten, dass sie nicht allein waren.
Dann jedoch schob Legolas seine Schulter unter Andeliniels Arm und das Einzige, das blieb, war eine tröstende Wärme, die von ihm ausging, als er sie wortlos hinab zum Fluss zerrte.
Schon bald erfüllte das hoffnungsvolle Rauschen eines kleinen Flusses die Stille der weitläufigen Ebene.
Langsam ließ Legolas Andeliniel auf die Erde sinken und kniete sich selbst ans Ufer des schnell dahin fließenden Bachs.
Kurz hielt er seine Hand in das kühle Wasser, doch dann prallte etwas, das flussabwärts getrieben war, an Legolas' Fingerspitzen.
Blitzschnell griff Legolas zu und zog den Gegenstand an Land. Noch bevor er, das Gebilde näher betrachtete, fiel sein Blick auf seine Hand, die sich durch das Wasser des Flusses blutrot gefärbt hatte.
"Bei Eru...", murmelte Legolas angewidert und wischte sich das Blut am Umhang ab.
Erst jetzt schenkte, er dem merkwürdigen Ding, das er so eben aus dem Fluss gefischt hatte Beachtung.
Der Schädel eines Orks grinste ihn hämisch an.
Hastig wand sich Legolas zu Andeliniel um. „Das Wasser kannst du nicht trinken.", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Mit letzter Kraft setzte Andeliniel sich auf. „Aber wieso nicht?"
"Weil kein Wasser diesen Bach mehr füllt. Vielmehr ist es Blut, das über das Flussbett rauscht.", antwortete er ihr niedergeschlagen.
Eine einsame Träne bahnte sich einen Weg über Andeliniel dreckiges Gesicht. „Wir sind verloren...", wisperte sie heiser.
Legolas senkte den Blick. Er wusste keine Antwort mehr. Unter diesen Umständen würden sie niemals Bruchtal erreichen. Andeliniel wurde von Fieber geplagt und er selbst war durch seine Trauer beinahe ebenso geschwächt.
Doch da war noch etwas anderes, das ihn zutiefst beunruhigte.
Zuerst war es nicht mehr als ein leiser Verdacht gewesen. Leise und unscheinbar, wie ein schnell vergehender Tagtraum. Doch mit jeder Stunde wurden sie lauter, unerträglicher – die Stimmen in seinem Kopf.
Manchmal engelsgleich, dann wie eine Schlange zischend, bohrten sie sich in sein Hirn und zerfraßen jeden vernünftigen Gedanken. Manche von ihnen befahlen ihm sein Leben zu beenden, andere gaben ihm die Schuld an allem, das passiert war. Doch noch war seine Stimme die, die am lautetesten schrie und ihn unaufhaltsam aufforderte durchzuhalten.
Legolas wusste, dass auch sie bald leiser werden würde, um dann schließlich ganz zu verstummen. Er betete, dass es noch eine Weile dauern würde.
Mutlos folgte Legolas' Blick dem Flusslauf gen Westen. Unaufhaltsam schlängelte sich das Gewässer, bis es schließlich hinter dem Horizont im Gebirge verschwand.
Plötzlich sprang Legolas auf. „Er fließt nach Bruchtal! Der Fluss fließt nach Bruchtal, Andeliniel! Sicher wird den Elben der blutige Fluss auffallen! Sie werden jemanden senden, um uns zu helfen! Es kann nicht mehr lange dauern!", rief er hoffnungsvoll.
Doch Andeliniel antwortete nicht. Sie lag regungslos auf dem matschigen Boden und hielt ihre Augen geschlossen. Kleine Schweißtropfen hatten sich auf ihrer Stirn gebildet und ließen ihr leichenblasses Gesicht unnatürlich glänzen.
"Verdammt!", zischte Legolas und schob einen Arm unter ihre Knie und den anderen unter ihren Rücken. Vorsichtig richtete er sich auf und lief dem Sonnenuntergang entgegen.

*-*-*

Die untergehende Sonne tauchte ganz Mittelerde in blutrotes Licht. Legolas schleppte sich und Andeliniel noch immer über die schier endlose Ebene. Die Kraft der Verzweiflung hatte ihn vorwärts getrieben, doch nun waren all seine Reserven aufgebraucht.
Mit einem letzten, heftigen Luftholen, dass in seiner Lunge stach, sank er bewusstlos zu Boden.
"Du bist zu schwach! Schwächling!", schrie eine der Stimmen in seinem Kopf schadenfroh, bevor Legolas in die tiefe Stille der Ohnmacht hinabtauchte.

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Hallo ihr lieben Leser! *schleim* Ja, ich weiß, es hat wieder ganz schön lang gedauert... Es tut mir auch wieder sehr leid! *auf dem Boden herumkriech und euch die Füße abschlabber*
Ich hoffe, dass Kapitel hat euch trotzdem gefallen. Ich mag es eigentlich ganz gern.
Ach ja! Ich weiß nicht, ob Elben am Kindbettfieber erkranken können, und ich weiß eigentlich auch nicht wirklich was genau das ist, aber Andeliniel hat es nun erhascht. *böse grins* Hihi! Ich find's toll: Andeliniel ist todkrank (oder zumindest ein bisschen krank) und Legolas wird langsam verrückt... Höhö!
Ich hoffe, es stört euch nicht, dass ich einfach mal einen Fluss, der von Düsterwald nach Bruchtal fließt, in die Geographie von Mittelerde reingebastelt habe, aber ich plädiere in dieser Hinsicht einfach auf meine künstlerische Freiheit. Bei mir gibt es halt irgendwelche kleinen Flüsse und der ist ja nun mal auch zum Vorrankommen der Handlung wichtig! *ätsch*
Sollten sich noch irgendwelche Logikfehler eingeschlichen haben, dann tut mir das aufrichtig leid und ich hoffe ihr teilt sie mir mit!
Wäre schön, wenn ihr mir ein Review hinterlassen würdet!

Viele liebe Grüße! Kröte