Teil 7 – Schnittwunden

Tränen tropften wie strömender Regen von seinem Kinn. Die salzigen Rinnsale liefen seine Wangen hinunter und hinterließen einen trüben, dunklen Schmerz, der bis tief hinein in sein Herz zog.
Die eben noch stille Oberfläche des Sees kräuselte sich – ein starker Wind war aufgekommen und peitschte pfeilschnell in Legolas' Gesicht.
Noch immer saß er am Ufer und hielt Andeliniels leblosen Körper in den Armen. Er sah auf ihr zartes Gesicht hinab. Auf ihre immer noch leicht rosigen Lippen, die ein wenig geöffnet waren, als hätte sie noch nicht alles gesagt, dass sie hatte sagen wollen.
Doch würde sie nie wieder aussprechen können, was sie jetzt verschwiegen hatte.
Unterdrückte Schluchzer schüttelten Legolas' Körper, als er seine Hand zu Andeliniels Augenlidern bewegte, um sie für immer zu schließen. Er warf einen letzten Blick in die Tiefe ihrer nachtblauen Augen, die für ihn nie wieder zugänglich sein würde.

*-*-*

Leise Schritte rissen ihn aus seinen dunklen Gedanken. Vorsichtig bettete Legolas Andeliniels Körper ins feuchte Gras.
Dort, umgeben von den schönsten Blüten Bruchtals, sah sie noch hübscher aus. Der frühe Tau perlte von ihren Lippen, verfing sich in ihren langen Wimpern und brachte ihr totes Gesicht zum Schimmern. Die Sonne machte sich hinter dem Horizont bereit, um aufzugehen.
Langsam drehte Legolas sich um, um den Besucher zu erwarten.
"Legolas? Was ist passiert? Ich sah Euch von meinem Gemach aus. Ihr solltet im Bett liegen und Eure Krankheit kurieren.", sprach Elrond, als er vor Legolas zum Stehen kam.
Sein Blick fiel auf Andeliniels Leiche. „Ich wusste, dass sie sterben würde. Aber so bald?", murmelte er und senkte den Blick.
Legolas sah ihn weiterhin stumm an. Es gab nichts, dass er hätte sagen können - nichts, dass er hätte sagen wollen.
Inzwischen musterte Elrond ihn genau. „Wart Ihr etwa die ganze Nacht hier draußen, Legolas? Ihr seid krank, Ihr gehört ins Bett."
Legolas schüttelte verächtlich lächelnd den Kopf. „Nein, Herr Elrond, ich bin nicht krank. Es gibt keinen Arzt, der mich heilen könnte. Meine Wunden können nicht mit Salben kuriert werden, meine Schmerzen nicht mit Schlaf… Aber Ihr könnt das nicht verstehen, Ihr werdet es nie verstehen können! Zu sehr seid Ihr gefangen in Eurer eigenen, kleinen Welt, in der es den Tod nicht gibt. Eine Welt, in der Ihr alle Zügel in der Hand habt, in der Ihr das Schicksal lenken könnt. Aber glaubt mir, Elrond, die Wirklichkeit ist anders! Dort seid Ihr ein unbedeutendes Nichts, das auch bald von den stampfenden Schritten der Orks zermalmt wird! Auch Imladris wird Euch nicht schützen können! Der Tod rollt auf uns zu, unaufhaltsam und grausam. Vielleicht ist er sogar schon hier und lacht uns höhnisch ins Gesicht! Ich kann ihn hören… Ich kann hören, wie er uns auslacht, uns als Narren bezeichnet. Er hat seine wahre Freude an Eurer Torheit, Herr Elrond!", zischte Legolas durch die Zähne und zog eines seiner beiden Messer. Die Klinge blitze bedrohlich auf, als die ersten Sonnenstrahlen des Tages auf den blanken Stahl trafen.
Verängstigt tat Elrond ein paar Schritte zurück und blickte entsetzt auf die blitzende Schneide.
Doch Legolas drehte das Messer ein paar Mal um die eigene Achse, um es von allen Seiten zu betrachten. Er warf einen genauen Blick auf sein Spiegelbild, das die Klinge zeigte und ließ das Messer achtlos auf den Boden fallen. Die Spitze bohrte sich tief ins grüne Gras.
"Sind wir nicht vielleicht alle bereits tot?", flüsterte Legolas kaum hörbar. „Seht mich an, Elrond – seht Euch an. Und dann sagt mir, ob wir tatsächlich noch leben! Nur die Blinden reden noch von einem Ausweg! Ihr mögt Euch vielleicht in Eurer Blindheit wohl fühlen, doch ich sehe. Und das, was ich sehe, ist einzig und allein der Tod!"
Legolas bückte sich, hob sein Messer auf und verstaute es. Dann ging er in die Knie und schob seine Arme unter Andeliniels Rücken und ihre Beine. Vorsichtig hob er sie auf und wand sich um, um zu gehen.
"Was habt Ihr vor, Legolas?", fragte Elrond scharf und blickte Legolas finster ins Gesicht.
"Ich werde sie begraben…", murmelte Legolas. „Oder soll ich sie hier etwa liegen lassen, Elrond, damit sie Euch an Euer Schicksal erinnert?"
Elrond bebte vor Zorn, doch trotzdem brachte er ein Kopfschütteln zustande. „Nein, bringt sie fort…"

*-*-*

Den Nachgeborenen

Ich gestehe es:
Ich habe keine Hoffnung.
Die Blinden reden von einem Ausweg.
Ich sehe.

Wenn die Irrtümer verbraucht sind
sitzt als letzter Gesellschafter
uns das Nichts gegenüber.

(„Den Nachgeborenen" von ?)



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Hallo ihr! Frohe Ostern!
Ich konnte mal wieder nicht anders und habe wieder ein Gedicht eingebaut *sich selbst auf die Finger hau*. Das passte einfach so schön. In etwas abgewandelt und verkürzt habe ich es auch, wie euch sicher aufgefallen ist, in Legolas' Mund gelegt.
Und? Dachtet ihr, er würde Elrond umbringen? Ich wollte es erst tun, habe mich aber rechtzeitig darauf besonnen, dass ja Ostern ist. Da kann ich schlecht schon wieder jemanden abmorcheln *g*.
Wahrscheinlich ist dieses Kapitel das Vorletzte. Nach meiner Planung (ja, manchmal besitze auch ich so was *g*) folgen nur noch ein Kap und wahrscheinlich ein Epilog.
Aber wer mich kennt, weiß, dass sich das noch tausendmal ändern kann *g*
Z.B. hatte ich eigentlich vor Legolas ins Koma zu schicken und ein paar Jahre später aufwachen zu lassen. Die Idee hatte ich aber dann auch nach ein paar Tagen über den Haufen geworfen.
Ich weiß also eigentlich selbst noch nicht genau, wie das Ganze ausgeht und wie lange es noch brauchen wird *g* Der Chaot in mir lässt grüßen *lol*
Also, ich wünsche euch noch allen einen ganz lieben Ostermontag und hoffe, dass ihr mir viele Reviews schreibt. Ich würde mich sehr darüber freuen!
Ach ja, ganz liebe Grüße noch an Meldis und Strumpfhase, die nicht nur fleißig reviewen, sondern die ich auch ganz furchtbar gern habe. So, das musste an dieser Stelle einfach mal gesagt werden *g*
Bevor jetzt der „Nachspann" länger wird als das eigentliche (mal wieder zu kurz geratene) Kapitel mach ich jetzt an dieser Stelle mal Schluss!
Tschüß! Kröte