„Aua!"Mit einem lauten Rumpsen landeten die vier auf dem Fußboden. „Bill! Steh auf, du liegst auf meinem Bein!"Gwen ärgerte sich, dass er mitgekommen war und ließ ihn deutlich spüren, dass sie ihm längst noch nicht verziehen hatte.

Sie stand auf und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Sie sah sich um. Der Raum kam ihr verdächtig bekannt vor. In der Mitte stand ein großes Bett, in der Ecke ein Stuhl und im Kamin loderte ein wärmendes Feuer. Das Zimmer sah genauso aus, wie sie es in Erinnerung hatte. Sie mussten wirklich in Bree angelangt sein.

Die Tür flog mit einem mal auf und vor ihnen standen drei kleine Hobbits. „Haben wir dich, du hinterhältiger Entf- ". Die drei Halblinge konnten sich vor Lachen kaum halten. Der Anblick war einfach zu witzig. Frodo und sein vermeintlicher Entführer waren eindeutig als Frauen verkleidet. Warum auch immer, aber es war einfach zum schießen. Sie sahen so schön lächerlich aus. Merry klopfte Frodo belustigt auf die Schulter: „Machst du ´ne Faschingsparty?" Daraufhin prusteten die drei Hobbits wieder los. „Müssen wir dich jetzt Fräulein Beutlin nennen?", kicherte Pippin.

Sam war der einzige von ihnen, der sich halbwegs bemühte ernsthaft zu bleiben, damit er seinen Herrn nicht beleidigte. Doch es fiel ihm sehr schwer, sein Grinsen zu verbergen.

Frodo blickte Gwen finster an. „Danke, wegen dir bin ich nun zum Gespött meiner Freunde geworden. Gib mir meine Sachen!" Wütend zog Frodo sich um und wusch sein Gesicht in einer Schüssel mit klarem Wasser. Aragorn trug auch wieder seine Waldläuferklamotten.

Pippin, Merry und Sam hatten sich mit viel Mühe von ihrem Lachanfall erholt. Pippin räusperte sich und stellte sich neugierig vor Gwen. „Ich bin Peregrin Tuk, das ist Meriadoc Brandybock und der da hinten ist Sam Gamdschie. Wer bist du?" „Ich bin Gwen. Das ist Bill und das – "

Aragorn erhob sich zu voller Größe und sagte mit geschwellter Brust: „Ich bin Aragorn, Sohn des Arathorn und Erbe von Isildur!" Pippin sah ihn mit großen Augen an. „Tut mir leid, der Name sagt mir nichts. Wer sagtest du bist du?" Merry blickte argwöhnisch zu Aragorn hinüber. Als er Pippins Gesichtsausdruck sah, wusste er, dass sein Freund das gleiche dachte wie er. `Dieser Kerl ist etwas zu selbstbewusst. Das gefählt mir gar nicht, aber das können wir ändern!`

Aragorn hatte sich zutiefst beleidigt auf sein Bett gesetzt. Diese Ignoranten! Er hatte sich damit abgefunden, dass die Leute in Gwens Welt ihn nicht zu kennen schienen, aber er hätte erwartet, dass wenigstens in seiner Heimat alle wüssten wer er ist. Gekränkt drehte er den Hobbits den Rücken zu und starrte stur zum Fenster hinaus.

Die Hobbits, angeführt von Merry, bewegten sich in Richtung Tür und sagten: „Wir gehen jetzt auf unser Zimmer, gute Nacht." „NEIN!!", riefen Bill, Gwen und Aragorn wie aus einem Munde. „Was ist los?", fragte Frodo unsicher.

„Die Ringwächter die euch verfolgt haben, werden doch bestimmt im Hobbitzimmer nach euch suchen. Ihr bleibt hier. Das Bett ist groß genug für uns alle."Aragorn wies auf das Bett. Er wusste nicht warum, aber er hatte eindeutig das Gefühl, dass sie alle in großer Gefahr schwebten. Er hatte schließlich den Auftrag, Frodo unbeschadet nach Bruchtal zu bringen, somit musste er alles zur Sicherheit des kleinen Kameraden tun.

Gwen hatte sich in eine Ecke des Zimmers gesetzt und die Arme um ihre Knie geschlungen. Sie war traurig und fühlte sich einsam. Am liebsten wäre sie jetzt weit weg, an einem Ort wo sie alleine über alles nachdenken konnte. Ihr war nach weinen zumute, doch die Tränen wollten nicht kommen und sie scheute sich, in der Gegenwart ihrer Gefährten zu weinen.

Aragorn hatte ihre Zurückgezogenheit bemerkt und vergewisserte sich, dass Bill außer Hörweite war und setzte sich neben sie. „Alles in Ordnung mit dir?", fragte er mitfühlend. Gwen nickte stumm. Sie wollte jetzt keine Gesellschaft, auch nicht die von Aragorn. „Lass mich bitte allein", sagte sie mit schwacher Stimme. Aragorn legte sich daraufhin ins Bett um ein Nickerchen zu machen.

Gwen saß stumm in ihrer Ecke und grübelte. Sie konnte immer noch nicht verstehen, wieso Bill sie betrogen hatte. Bedeutete sie ihm denn so wenig? Sie ärgerte sich außerdem darüber, dass sie auf Bills Hilfe angewiesen war um den Spiegel zu aktivieren und hierher zu gelangen. Sie war sich sehr wohl bewusst, dass sie es ohne Bill niemals bis hierher geschafft hätte, aber sie war zu stolz um es zu zugeben. Ihr kam der Gedanke in den Sinn, dass Bill vielleicht doch die Wahrheit gesagt hatte. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie Cara mit ihm gesehen hatte. Doch jetzt zweifelte sie an der ganzen Sache. Sie blickte zu Bill hinüber, der sich ausgelassen mit den Hobbits unterhielt.

Sie merkte, dass sie immer noch tiefgehende Gefühle für ihn hatte, doch die ganze Geschichte mit Cara konnte sie einfach nicht vergessen. Der Schmerz war zu groß. Sie würde ihm niemals verzeihen können. Bill bemerkte, dass er von Gwen beobachtet wurde und sah sie an.

Erschrocken senkte sie ihren Blick wieder auf den Fußboden, der jetzt unglaublich interessant zu sein schien. Wie lange sie dort verharrte und nachdachte, wusste sie nicht mehr, sie wusste nur, dass ein Riesenlärm sie aufschrecken ließ.

´Das Stadttor`, dachte sie verzweifelt. Und Gwen hatte sich nicht geirrt, es waren die Ringgeister, die auf ihrer Suche nach Frodo und dem Ring alles zerstörten das ihnen im Weg war. Das Hufgetrappel kam immer näher.

Inzwischen hatte auch alle andern aufgehorcht. Bill und die Hobbits saßen aufrecht auf dem Bett und lauschten. Nur Aragorn schlief immer noch tief und fest. Sie hörten, wie die Gasthaustür niedergerissen wurde. Frodo saß mit angsterfüllten Augen neben Sam und schien sich an seinem Kissen festzuklammern. Eine eisige Kälte erfüllte den Raum. Sie wagten es kaum zu atmen und die Angst stand ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben.

Jeder verhielt sich mucksmäuschenstill, bis auf Aragorn. Der schnarchte gemütlich vor sich hin. Frodo drückte ihm sein Kissen aufs Gesicht und hoffte somit das Schnarchen zu ersticken. Aragorn blieb die Luft aus und er setzte sich auf. Nach Luft schnappend sah er Frodo angriffslustig an, verstand jedoch sogleich, dass er ruhig sein musste.

Für einen Moment herrschte kurze Stille, dann erfüllte ein markerschütterndes, zorniges Kreischen die Nacht. Die Schwarzen Reiter hatten die Abwesenheit der Hobbits bemerkt und galoppierten rasend vor Wut davon. Langsam kehrte die Wärme wieder ins Zimmer zurück. Es wurde wieder angenehm und sie beruhigten sich alle ein wenig von ihrem Schock.

Gwen atmete erleichtert auf, als der Klang der Hufe verstummte. Sie nahm sich eine dicke Decke vom Bett und breitete sie auf dem Fußboden auf. In ihrer Ecke kauerte sie sich zusammen und versuchte, ein wenig zu schlafen.