~°~°~°~Briefe aus Askaban~°~°~°~
6.
:Vergangenheit:
Hermine kämpfte sich gerade durch die Menge zu ihrem Tisch. Ron hatte sie zum Tanzen aufgefordert, was ihren Füßen nicht sonderlich bekommen war. Deshalb hatte sie sich nach dem letzten Tanz auch entschuldigt und drängelte sich nun zu ihrem Platz.
Plötzlich verstummte die Musik und Dumbledore erhob sich von seinem Platz. Die meisten Schüler setzten sich wieder an ihre Tische, der Rest, der gerade noch getanzt hatte, blieb einfach stehen. Dann lauschten alle gespannt ihrem Schulleiter.
„Meine lieben Absolventen, es freut und stimmt mich gleichzeitig traurig, heute zum letzten Mal mit Ihnen feiern zu können. Sieben Jahre lang haben Sie alle ihr bestes an unserer Schule gegeben-", an dieser Stelle blickte Ron etwas beschämt auf die Tischplatte, „-und nun sind Sie bereit, die Welt dort draußen zu erobern. Die Erfahrungen, welche Sie hier gemacht haben, werden Sie ihr Leben lang begleiten. Die Freunde, die Sie gefunden haben, aber auch die Gefahren, die Sie erlebt haben, haben sie geprägt und stark gemacht für Ihre Zeit nach der Schule. Das Lehrerkollegium und Ich wünschen Ihnen alles Gute für Ihr weiteres Leben. Doch nun möchte ich Sie nicht länger vom Feiern abhalten."
Dumbledore erntete donnernden Applaus und begeisterte Pfiffe und gab der Band dann ein Zeichen, mit der Musik fortzufahren. Als er sich gerade setzen wollte, flatterte eine Eule durch ein Seitenfenster der Halle und ließ einen Brief auf Dumbledores Platz fallen. Verwirrt öffnete er die Nachricht und seine Augen glitten über das Pergament. Dann verfinsterte sich seine Miene und er wechselte kurz ein paar Worte mit McGonagall, die verstehend nickte. Damit rauschte der Schulleiter aus der Halle.
Hermines Blick folgte ihm verdutzt, als er zwischen der Eingangtür verschwand. Mit gerunzelter Stirn ließ sie ihre Augen durch die Halle schweifen, wo sie an Dracos düsterer Gestalt hängen blieben. Er starrte ihr direkt in die Augen. Hermine senkte schnell ihren Blick, damit er die Röte nicht sah, die ihr in die Wangen stieg.
Draco hatte sie keine Sekunde aus den Augen gelassen. Wie groß war sein Bedürfnis, einfach zu ihr zu gehen und sie zum Tanzen aufzufordern. Doch würde sie denn ja sagen? Wohl kaum. So saß er stumm auf seinem Platz und beobachtete sie, wie sie immer wieder von irgend einem Jungen auf die Tanzfläche geführt wurde. Mal Ron, mal Harry, ja selbst Neville traute sich, Hermine einfach zu fragen. ‚Sogar Neville ist mutiger als ich', dachte Draco bitter. Doch als sein Blick auf die große Pendeluhr an der Wand fiel, die dreiviertel zwölf anzeigte, nahm sein Gesicht einen entschlossenen Ausdruck an. ‚Das ist meine letzte Chance', sagte er sich, als er aufstand und über die Tanzfläche auf Neville und Hermine zuschritt.
Hermine tanzte gerade mit Neville, als diesem plötzlich auf die Schulter getippt und er leicht beiseite gedrängt wurde. „Darf ich um den nächsten Tanz bitten, Hermine?" Verwirrt blickte sie an Neville vorbei. Dort stand, wie eine Erscheinung, Draco Malfoy. Hatte sie sich verhört? Er forderte sie tatsächlich zum Tanzen auf? War das sein Ernst? Oder träumte sie nur?
Neville war auf der Stelle erstarrt und blickte Hermine nervös an. Ihm schien die Situation sehr unangenehm zu sein. Sie nickte ihm kurz zu und wandte sich dann an Draco.
„Ja, sehr gerne", sagte sie mit sanfter Stimme. Draco schien etwas geschockt, doch dann nahm er ihre Hand und legte seine andere leicht auf ihre Hüfte. Dann blickte er ihr kurz in die Augen, wie um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich sicher war. Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln, dann verstärkte Draco seinen Griff und sie begannen zu tanzen. Es war, als wären sie perfekt auf einander abgestimmt. Ihre Körper kannten instinktiv jede Bewegung, jede Drehung. Es war, als ob sie über den Boden schweben würden, so leichtfüßig bewegten sie sich. Und die ganze Zeit waren ihre Blicke aneinander gefesselt.
Plötzlich beugte Draco den Kopf und brachte seinen Mund nah an ihr Ohr. „Du siehst wunderschön aus, Hermine." Bei diesem Satz machte ihr Herz einen Sprung. Er fand sie schön? Verwundert blickte sie ihn an. In Dracos Augen spiegelten sich die unzähligsten Farben wider. Sie schienen von innen her zu leuchten, wie als ob eine leuchtende Flamme hinter ihnen brannte.
Nach wie es schien einer Ewigkeit war das Lied zuende, und Hermines Herz sank. Jetzt würde er vermutlich gehen... Daher war sie mehr als überrascht, als er ihre Hand festhielt und sie zu einer der Terrassen hinausführte. Ihr Herz klopfte wie wild, als er sie in eine dunkle Ecke zog. Dann fand sie endlich ihre Stimme wieder. „Was machen wir hier draußen, Draco?" Wie selbstverständlich hatte sie seinen Vornamen benutzt, als ob es nie anders gewesen wäre.
Bei ihren Worten wandte er sich um und blickte ihr tief in die Augen. Vor Aufregung hielt sie unbemerkt die Luft an. „Wir sind hier, weil ich dir etwas zeigen wollte." Seine Stimme schien leicht zu zittern. War er etwa nervös? „Und was wolltest du mir zeigen?" Hermine blickte ihn unverwandt an. Draco holte tief Luft und dann beugte er seinen Kopf, bis sein Mund fast ihren berührte.
„Das hier", flüsterte er und senkte seine Lippen schließlich, um sie sanft zu küssen. Überrascht riss Hermine die Augen auf, doch nach einigen Augenblicken schloss sie sie und gab sich dem Kuss hin, der sie schier zum Schmelzen brachte. Ihre Umgebung war vergessen, nur noch er zählte und die Gefühle, die er in ihr auslöste... Der Druck seiner Lippen, zart und doch fordernd, die Wärme, die sie dabei durchflutete...
Nach einem endlosen Augenblick machte er sich von ihr los und seufzte erleichtert auf. Hermines Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Wieso hast du das nicht schon früher getan?", fragte sie ihn. Erstaunt hob er die Augenbrauen. „Na ja, anstatt uns all die Jahre lang zu streiten, hätten wir doch eher das hier tun können, oder?", verteidigte sie sich hastig. Das ließ Draco leise auflachen. „Ja, was für eine Zeitverschwendung", brachte er lachend hervor und legte seine Arme um sie, um sie ein weiteres Mal zu küssen. „Anscheinend bist du wohl doch nicht so böse wie ich immer dachte", sagte Hermine neckend bevor er ihren Mund mit Seinem versiegelte.
Draco lief wie auf Wolken. Wohin, wusste er nicht. Er ließ sich einfach von seinen Beinen tragen. Dann blieb er kurz stehen, um verträumt zum Mond hinauf zu starren. Sie hatte ihn geküsst. Er konnte es kaum glauben.
Irrte er sich, oder spiegelte sich tatsächlich Hermines lächelndes Gesicht in der hellen Scheibe des Mondes? Er ging weiter, durch die kühle Nachtluft. Es roch nach Sommer und kühler Luft und der Wind rauschte sacht in den Bäumen. Moment, Bäume? Auf den Ländereien von Hogwarts gab es nur vereinzelte Bäume. Außer...
Da blickte er sich zum ersten Mal richtig um. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Unbeabsichtigt war er zum Verbotenen Wald gelaufen... dem Treffpunkt mit seinem Vater.
Und Voldemort.
Eilig wollte er sich umdrehen, um zu fliehen, wegzurennen, doch da lösten sich auch schon dunkle Schatten aus dem Dickicht. Wie erstarrt blieb er stehen. Sein Herz klopfte so laut, dass Draco das Gefühl hatte, es würde laut durch die Nacht hallen. Als die Schatten näher kamen, erkannte er Voldemort mit seinem Vater und den restlichen Todessern. Geschockt starrte er sie an. Wie war er nur hierher gekommen? Wieso, wieso hatte er denn nicht auf den Weg geachtet?!
Die Todesser in ihren dunklen Umhängen bildeten langsam einen Kreis um ihn herum. Er erkannte keines der Gesichter, die alle mit schwarzen Kapuzen verdeckt waren. Doch das war auch nicht nötig. Er kannte sie alle. Dann trat einer von ihnen in den Kreis und strich mit bleichen Händen die Kapuze zurück. Angstvoll blickte er in das grausame Gesicht seines Vaters.
„Nun, mein Sohn. Endlich ist dein großer Tag gekommen." Fast verträumt lächelte ihn Lucius an.
„Nein, Vater, bitte nicht. Ich..." Bevor er auch nur irgendetwas sagen konnte, wurde er grob an den Schultern gepackt und in die Knie gezwungen. Nun schritt auch Voldemort, der leibhaftige Albtraum, vor. Mit einem abscheulichen Grinsen im Gesicht stand er über Draco gebeugt. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Voldemorts Augen waren zu Schlitzen verengt und glühten gefährlich rot in der schwarzen Nacht.
„Das ist eine Ehre, mein Junge. Von mir persönlich auserwählt zu werden. Ich hab dich schon lange beobachtet. Du wirst einen perfekten Todesser abgeben." Damit zückte er seinen Zauberstab und richtete ihn auf Dracos Unterarm. „Nein, das könnt ihr nicht tun!", schrie Draco verzweifelt. Panisch versuchte er sich loszureißen, doch die eisenharten Griffe um seine Schultern verstärkten sich dabei nur noch mehr.
Sein Vater stand mit brennenden Augen neben ihm und beobachtete alles genau. Er war das Letzte, was Draco sah, bevor Voldemort seinen Fluch sprach und ihn der Schmerz ohnmächtig werden ließ...
