~°~°~°~Briefe aus Askaban~°~°~°~
7.
:Gegenwart:
„Hey Seamus, wir kennen uns doch schon so lange. Kannst du mir denn nicht diesen kleinen Gefallen tun?" Hermine hatte sich heute morgen zum Ministerium begeben. Draco hatte sie neugierig gemacht. Wenn er ihr nicht den Grund nennen wollte, wieso er nach Askaban gekommen war, dann musste sie es halt alleine herausfinden.
Sie wusste, dass ihr alter Mitschüler Seamus Finnigan in der Abteilung für Strafverfolgung angestellt war. Das würde es ihr erheblich erleichtern, in Dracos Akte Einsicht zu bekommen. Jetzt stand sie gerade mit bittendem Blick in seinem kleinen Büro. Unsicher betrachtete er Hermine. „Ich weiß nicht so recht, Hermine. Ich könnte dafür meinen Job verlieren." Entschuldigend sah sie dem einstigen Jungen, der nun um einiges gewachsen war, in die Augen. „Ich weiß. Aber es ist wirklich wichtig!" Sie legte soviel Verzweiflung und Flehen in ihre Stimme, wie sie nur aufbringen konnte.
Das schien ihn zu erweichen. „Na schön, aber wenn das rauskommt, habe ich dich hier nie gesehen", sagte Seamus mit fester Stimme und deutete ihr dann an, mitzukommen. Sie folgte ihm aufmerksam durch eine Verbindungstür in den anliegenden Raum, dessen Wände mit stahlgrauen Aktenschränken zugestellt waren.
Zielstrebig marschierte Seamus auf einen der Schränke zu, blätterte kurz durch die dicken Ordner und zog dann Dracos Akte hervor. Dann drückte er sie Hermine mit besorgtem Gesicht in die Hand. „Hermine, was willst du damit? Du kannst ihm auch nicht mehr helfen. Man kann das Urteil nicht mehr aufheben." „Das weiß ich doch", antwortete sie verteidigend. Dann schlug sie den Deckel der Akte zurück. In ihr befanden sich diverse Dokumente. Ein Verhaftungsbefehl, das Protokoll der Verhandlung, die Überweisung nach Askaban. Schließlich fand sie die Seite, nach der sie gesucht hatte.
Die Anklageliste.
Name: Draco V. Malfoy Registrierter Magier Angeklagt für: Einsetzen der Unverzeihlichen Flüche auf Nichtmagische Menschen Mord an Albus Dumbledore
Mord an.....? Als ihr Blick auf die letzten Worte fiel, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. Dumbledore tot? „Aber das kann doch nicht sein. Ich hätte doch davon gehört", flüsterte Hermine geschockt. Seamus sah sie fragend an. „Hast du das gewusst, Seamus?" Dabei zeigte sie auf die Anklageschrift. Er nickte langsam und fing dann an zu erklären. „Das Ministerium hat es geheim gehalten. Schließlich war Dumbledore bekanntlich der Einzige, der es mit Du-weißt-schon-wem aufnehmen konnte. Und sein Tod hätte Panik bei der Bevölkerung ausgelöst. Nicht mal alle im Ministerium wissen davon."
Hermine hörte schweigend zu. In ihren Gedanken sah sie ihren alten Schulleiter vor sich. Immer hatte er Harry, Ron und ihr zur Seite gestanden. Immer hatte er eine Lösung für die scheinbar unlösbarsten Probleme gehabt. Und jetzt sollte er weg sein? Für immer? Und das durch Dracos Hand? Sie musste die aufkommenden Tränen zurückblinzeln. „Aber was ist denn dann mit Hogwarts passiert?", hakte sie besorgt nach. „Professor McGonagall leitet jetzt die Schule. Wenn irgendwelche Eltern nach Dumbledore fragen, behauptet sie, er sei in den Ruhestand gegangen. Sonst würden sie ihre Kinder wohl nicht mehr dorthin schicken." Sie nickte verstehend. „Danke Seamus, das war alles, was ich wollte", sagte sie mit zittriger Stimme. Damit klappte sie die Akte zu und gab sie ihm zurück.
Sobald sie daheim war, griff sie zum Telefon und wählte Harrys Nummer. Nach einigen Sekunden schließlich meldete er sich. „Harry, ich bin's. Hast du heute Zeit? Ich muss mit dir reden" „Hi Hermine. Immer langsam!" Vor ihrem geistigen Auge sah sie Harry lächeln. „Ich bin im Moment sehr beschäftigt, wir haben wieder zwei Todesser erwischt. Aber heute Abend hätte ich Zeit." „Na fein, ich komme so gegen acht Uhr zu dir rüber, okay?" „Ja, bis dann." Damit legte Hermine den Hörer auf.
Pünktlich um acht Uhr stand sie vor Harrys Haustür und drückte auf die Klingel. Er wohnte nur eine halbe Stunde vom Ministerium entfernt.
Sofort nach seinem Abschluss in Hogwarts hatte Harry seine wenigen Habseligkeiten aus dem Ligusterweg geholt, und sein ganzes Geld in die Anzahlung für ein eigenes Haus gesteckt. Tja, und davor stand sie nun. Es war ein rotes Backsteinhaus in einem Vorort von London, mit weißen Fenstern, und einem leicht verwilderten Garten rundherum. Ein Lächeln huschte über Hermines Gesicht; das wild wachsende Gras, mit all dem Unkraut dazwischen, erinnerte sie irgendwie an Harrys Haare. Der ungepflegte Rasen wirkte merkwürdig neben den sonst so perfekten Vorgärten der anliegenden Häuser.
In dem Moment wurde die Tür geöffnet und ein übers ganze Gesicht strahlender Harry stand vor ihr. „Hermine, schön dich endlich wieder zu sehen." Damit schloss er sie in seine Arme und drückte sie herzlich. Sie erwiderte die Umarmung genauso aufrichtig. Für einige Augenblicke standen sie einfach nur so da, zwei alte Freunde, Harry und Hermine, als wären sie wieder elf Jahre alt. Doch schließlich trat sie ein paar Schritte zurück und betrachtete ihn. Zwar erinnerte sie sein Lächeln immer noch an den schüchternen elfjährigen Jungen, den sie damals im Zug nach Hogwarts kennengelernt hatte, aber ansonsten hatte er sich ziemlich verändert. Sein schwarzes Haar war gewohnt struppig, und er trug noch immer eine Brille. Aber statt klein und dünn war er nun hochgewachsen. Er war zwar immer noch schlank, aber unter seinen Sachen vermutete Hermine stahlharte Muskeln, die er sich als Auror antrainiert hatte.
Dann fiel ihr schließlich auf, dass sie beide immer noch draußen vor Harrys Tür standen.
„Ich freue mich auch, dich zu sehen, aber wie wäre es, wenn du mich hineinbittest?", fragte Hermine lächelnd und Harry trat augenblicklich beiseite, um sie einzulassen. Durch den langen Flur führte er sie ins Wohnzimmer, welches große Ähnlichkeit mit dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors hatte. Vor einem gemütlichen Kamin standen zwei Sessel, in einer anderen Ecke stand ein Breitbild-Fernseher, daneben mehrere Bücherregale. ‚Harry und Bücher?', dachte Hermine leicht amüsiert. Sie ließ sich in einen der Sessel fallen. „Wie wär's mit etwas zu trinken?", fragte Harry, wie ein perfekter Gastgeber. Hermine schüttelte jedoch den Kopf und darauf hin nahm auch Harry Platz.
„Also, was gibt es so dringendes zu bereden?", fragte er neugierig.
„Ich war heute im Ministerium", begann sie unsicher. Wie sollte sie es am besten formulieren? Harry betrachtete sie aufmerksam. „Und...?", fragte er schließlich. Hermine holte tief Luft. „Und ich habe mir Dracos Anklage durchgelesen." Etwas in Harrys Augen flackerte auf.
„Du wusstest, dass Dumbledore tot ist." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Harry wandte betrübt seinen Blick ab. „Es tut mir leid. Ich hätte dir davon erzählen sollen." „Ganz recht. Das hättest du tun sollen" erwiderte sie scharf. „Harry, wie konntest du nur so etwas Wichtiges verheimlichen? Und das auch noch drei Jahre lang." Er sah bestürzt zu Boden. „Was hättest du denn getan, wenn ich zu dir gekommen wäre, und gesagt hätte, ‚Hey Hermine, dein liebster Malfoy hat unseren alten Schulleiter umgebracht'?" Jetzt war es an Hermine, zu Boden zu sehen.
Harry stand auf, ging zögernd auf sie zu und fasste sie an den Schultern. „Ich wollte verhindern, dass du verletzt wirst. Ich weiß doch, dass dir Malfoy nicht egal ist. Aber du musst die Wahrheit akzeptieren." Harrys Stimme klang drängend. „Er ist ein Todesser, Hermine. Er dient Voldemort. Und er hat Menschen getötet. Er ist gefährlich, besonders für dich. Stell dir vor, was Voldemort täte, wenn er erfahren würde, dass einer seiner Diener etwas für einen Muggel empfindet." Dabei schüttelte er sie leicht. „Hermine, ich gönne dir alles Glück der Welt. Aber Malfoy bringt dir kein Glück. Er würde dich nur in Gefahr bringen." Hermine stiegen die Tränen in die Augen. Dann begann sie mit zittriger Stimme.
„Erzähl mir, wie du ihn verhaftet hast, Harry."
