~°~°~°~Briefe aus Askaban~°~°~°~
10.
Draco lag auf seiner harten Matratze und dachte nach. Das Gespräch mit Hermine hatte die alten Erinnerungen wieder aufsteigen lassen. So konnte er nicht verhindern, dass die Bilder vor seinem geistigen Auge erschienen...
:Vergangenheit:
„Unser Lord hat eine kleine Prüfung für dich vorbereitet, Draco", sagte sein Vater mit kühler Stimme, während er vor Draco her durch die dunklen Gänge lief. „Du solltest dich geehrt fühlen, mein Sohn. Nicht vielen schenkt er so viel Aufmerksamkeit wie dir." Schließlich blieb er vor einer alten Tür stehen. Lucius strich sich prüfend über sein Gewand und glättete die Falten, bevor er die Tür öffnete und eintrat, Draco dicht hinter ihm.
Als er eintrat, erkannte er zuerst kaum, dass sich die Todesser in einem Kreis aufgestellt hatten. Nur der Kamin und die alten Petroleumlampen an den Wänden spendeten etwas Licht. Doch Draco erkannte ohne Schwierigkeiten die dunkle Gestalt, die in der Kreismitte stand.
Voldemort drehte sich leise wie ein Schatten zu ihnen um und winkte sie mit grausamem Lächeln heran. „Endlich! Ich dachte schon, ihr wollt mich warten lassen", sagte er mit gefährlich dunklem Unterton in der Stimme. Lucius verbeugte sich tief und deutete Draco an, es ihm gleich zu tun. „Verzeihung, Meister. Das war nicht unsere Absicht." Voldemort betrachtete ihn herablassend und wandte sich dann an Draco. „Und, mein Junge? Hattest du einen erfolgreichen Tag?" Draco richtete sich wieder auf und nickte.
„Ja mein Lord. Drei Schlammblüter, wie ihr befohlen habt." Voldemort nickte anerkennend. „Nun gut. Dann wird dir meine kleine Prüfung wohl nicht allzu viel ausmachen." Damit drehte er sich um und deutete auf drei Todesser, ohne sich zu ihnen umzudrehen. „Ihr da, geht ihn holen." Alle drei verbeugten sich tief und gingen dann in das Nebenzimmer. „Ich habe uns heute einen Ehrengast eingeladen", erklärte Voldemort mit glitzernden Augen, während er sich aus dem Kreis entfernte und sich in den Sessel vor dem Kamin setzte. Angespannt lauschte Draco auf eventuelle Geräusche aus dem Nebenzimmer. Doch es war nichts zu hören. Nach einer Weile öffnete sich die Tür wieder.
Draco zog scharf die Luft ein. Denn dort, die Hände vor seinem Körper gefesselt, wurde Albus Dumbledore in den Raum geführt. Voldemort lächelte ihn kalt an und wandte sich dann Draco zu. „Na, schön seinen alten Schulleiter wiederzusehen?" Ein paar der versammelten Todesser lachten, darunter auch Dracos Vater. Doch er konnte seinen Blick nicht von Dumbledore losreißen, der bewegungslos dastand und ihn mit wissenden Augen ansah. Er war von dem Anblick so geschockt, dass er kaum vernahm, dass Voldemort wieder sprach. Draco riss seinen Blick los und konzentrierte sich wieder auf seine Worte.
„...Und ich lasse dir die Ehre zuteil werden, ihn töten zu dürfen, Draco. Als Beweis deiner Treue."
WAS? Nein, das konnte er nicht! Das würde er niemals tun!
Dumbledore wandte sich zu Voldemort und blickte ihm fest in die Augen. „Auch wenn du mich umbringen lässt, wirst du nie siegen, Tom. Es wird andere nach mir geben", sprach er laut, und seine Stimme hallte laut durch den Raum. Voldemort hob seine Augenbrauen. „Tatsächlich? Nun, lass das doch meine Sache sein, alter Mann." Draco stand immer noch wie festgefroren an seinem Platz. Das konnte Voldemort doch nicht ernst meinen? Sicherlich würde er seinen alten Widersacher selbst erledigen wollen. Doch Voldemort blickte ihn nur erwartungsvoll an. „Nun?", fragte er ungeduldig.
Doch er schien unfähig zu einer Reaktion. Alles was er tat, war dazustehen und Dumbledore flehend anzusehen.
„Nun mach schon, Sohn." Sein Vater trat von hinten an ihn heran und zog Dracos Zauberstab aus seiner Tasche. Dann drückte er ihn in Dracos Hand. „Los jetzt." Lucius Malfoy sah den ungeduldigen und gleichzeitig gefährlichen Blick in den Augen seines Meisters aufleuchten.
„Tu es, Draco." Als er keine Anstalten machte, dem zu folgen, ergriff Lucius die Hand seines Sohnes und richtete sie auf Dumbledores Herz. Draco riss geschockt seine Augen auf, als er die Absicht seines Vaters erkannte. „Nein!", schrie er verzweifelt, doch im selben Moment schwang Lucius den Zauberstab in Dracos Hand und rief „Avada Kedavra".
Draco sah entsetzt, wie Dumbledore die Augen aufriss und dann tot zu Boden sank, als ihn der grüne Strahl traf.
Im gleichen Moment wurde plötzlich die Tür aufgekickt und ausgerechnet Harry Potter mit seinen Männern stürmte in den Raum. Lucius ließ Draco los und zog seinen eigenen Zauberstab und disapparierte. Draco stand wie angewurzelt da, unfähig zu irgendeiner Reaktion. Er hatte Dumbledore getötet! Sein Verstand schrie diese Worte immer wieder und schien ihn zu lähmen.
Das Letzte, an was er sich erinnerte, war, wie Harry auf ihn zustürmte. Danach war alles nur noch verschwommen...
:Gegenwart:
Draco stöhnte auf und warf sich auf seiner Liege hin und her. Er war in Halbschlaf gefallen, und konnte die Bilder nicht abblocken. Die Wächter, die alle zehn Minuten an seiner Tür vorbeikamen, wunderten sich, was ihn in seinen Träumen so quälte, dass er leise „Nein" vor sich hin flüsterte...
Die Tage vergingen, während Hermine neben ihren Studien fast jeden Tag in die Bibliothek ging und Gesetzbücher las. Doch vergebens. Wütend knallte sie den dicken Wälzer zu, der vor ihr auf dem Tisch lag. Wieder nichts! Es gab einfach keinen Weg, Dracos Unschuld zu beweisen. Verzweifelt ließ sie den Kopf in ihre Hände sinken und unterdrückte ihr Schluchzen...
„...Muss Meisters Bücher wegbringen", murmelte der kleine, in ein schmutziges Tischtuch gehüllte Hauself. Er ging mit tapsigen, aber bedachten Schritten auf den Tresen der Bibliothek zu, wo eine große runde Frau mit Nickelbrille stand, die den Hauself verwirrt anstarrte, der mit seinen großen Augen zu ihr hochstarrte.
„Mein Herr möchte diese Bücher zurückgegeben haben", sagte er mit kultivierter Stimme. Die Augen der Bibliothekarin weiteten sich. ‚Ein wohlerzogener Hauself?', ging es ihr durch den Kopf. ‚Muss wohl zu einer der angesehenen Familien gehören.' „Aber sicher doch", erwiderte sie mit aufgesetztem Lächeln und nahm die Bücher entgegen. „Und mein Herr würde gerne noch dieses hier ausleihen", sagte er und reichte ihr ein weißes Blatt, auf dem mit geschwungener Schrift ein Buchtitel stand. „Drittes Regal, vierte Reihe von unten", sagte sie nüchtern, während ihr Blick zu dem Namen auf dem Briefkopf wanderte. „Mister Malfoy also, so so", murmelte sie vor sich hin. Ein so angesehener Mann schickte natürlich seinen Hauselfen, um so etwas simples wie Bücher ausleihen zu erledigen.
Der Hauself lief derweil durch die hohen Regalreihen, wobei er sich nicht umsah, sondern schnurstracks auf das richtige Regal zulief. „Aber sicher doch", äffte er die Stimme der Frau hinter dem Tresen nach. ‚Diese Menschen sind doch wirklich dumm', dachte der Elf spöttisch. ‚Ausgenommen meiner Familie'.
Als er gerade um die Ecke zum dritten Regal bog, vernahmen seine Ohren einen kleinen, wohlbekannten Laut. Es klang wie... Schluchzer? In einer Bibliothek? Neugierig suchte er nach der Quelle dieses Lautes. Sein Blick fiel auf eine junge Frau, die an einem der dunklen Tische saß, die überall an den Seiten aufgestellt waren. Die Frau hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben und schluchzte leise. Ihre Schultern bebten, als versuchte sie, das Schluchzen zu unterdrücken.
Der Hauself starrte sie noch kurz an, dann wandte er seine Augen ab und ging an ihr vorbei. Die Angelegenheiten dieser Frau gingen ihn schließlich nichts an. Und außerdem wartete sein Meister auf dieses Buch...
Doch als er die nächsten Worte vernahm, blieb er wie erstarrt stehen.
„Oh Draco, was soll ich nur tun?", flüsterte die junge Frau durch ihre Hände.
Die Augen des Elfen weiteten sich und seine ohnehin spitzen Ohren wurden noch spitzer. ‚Meister Draco...?'
Als Hermine schließlich die Bibliothek verließ, fühlte sie sich merkwürdig.
Verfolgt, war ihr erster Gedanke, um das Gefühl zu beschreiben, aber dann schalt sie sich selbst. ‚Mach dich nicht lächerlich, Hermine'. Doch das eigenartige Gefühl blieb. Als würde sich der Blick unsichtbarer Augen in ihren Rücken bohren. Mehrmals hatte sie sich beim Laufen umgedreht und dafür verwunderte Blicke der anderen Spaziergänger geerntet. Doch sie hatte niemanden gesehen, der so aussah, als würde er sie verfolgen.
Schließlich erreichte Hermine ihre Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu. Dann lehnte sie sich seufzend dagegen. Stille. Nur entfernt konnte sie das Ticken der Küchenuhr hören, ansonsten war alles vollkommen ruhig. Nach einer Weile richtete sie sich wieder auf und streifte sich die Jacke von den Schultern. Den Haustürschlüssel hängte sie sorgfältig an das Schlüsselbrett, welches ein Geschenk von ihren Eltern zur ersten eigenen Wohnung war. Auf dem Couchtisch lagen dicke Wälzer die sich allesamt mit magischer Medizin beschäftigten. ‚Wenn ich so weiter mache, kann ich mein Studium wohl vergessen', dachte sie und seufzte wieder. Dann ließ sie sich auf ihre Couch fallen und sah sich unentschlossen im Raum um. Ihr Blick glitt über die Bücher, doch sie konnte sich einfach nicht dazu bringen, darin zu lesen.
Stattdessen wanderten ihre Augen zu der kleinen Schublade, in der sie die Briefe von Draco versteckt hielt. Sie setzte sich auf und öffnete sie. Das alte Holz schabte leicht gegen die Tischplatte, doch Hermine störte sich nicht weiter daran. Sie griff hinein und holte den kleinen Stapel Briefe hervor, die ihr so viel bedeuteten. Sanft strich sie mit ihren Fingern über die Buchstaben, die Draco ihr geschrieben hatte. Doch als plötzlich das Telefon klingelte, zog sie ihre Finger eilig zurück. Ihr Herz pochte so laut, dass sie das Gefühl hatte, der Ton würde laut durch den ganzen Raum hallen. Beim zweiten Klingeln raffte sie sich schließlich auf und legte die Briefe in die Schublade zurück, schloss sie jedoch nicht. Dann ging sie schnell zum Telefon und nahm den Hörer. „Granger", meldete sie sich.
„Hi Hermine, wie geht's dir, du klingst ja so verschreckt?", fragte Harry, offensichtlich belustigt, denn sie konnte ihn am anderen Ende der Leitung leise lachen hören. „Hallo Harry", sagte sie mit betont nüchterner Stimme und begann sich derweil nervös die Telefonschnur um den Zeigefinger zu wickeln. „Mir geht's gut, ich war nur gerade mit Lesen beschäftigt", antwortete sie ihm. „Womit auch sonst?", erwiderte Harry und lachte wieder. „Gibt es noch einen anderen Grund für deinen Anruf, außer dem, um mich auszulachen?", fragte sie gereizt. „Hey, tut mir leid. Ich wollte nur fragen, ob wir morgen Mittag zusammen essen gehen wollen?" Hermine konnte sich seinen entschuldigenden Gesichtsausdruck förmlich vorstellen. „Aber sicher", stimmte sie zu. Als sie es plötzlich hinter sich rascheln hörte, fuhr sie erschrocken herum. Ihre Augen glitten suchend durch den Raum, doch sie konnte nichts ungewöhnliches entdecken. Kopfschüttelnd drehte sie sich wieder um. „... uns ja in meinem Büro treffen, okay?", bekam sie gerade noch von Harrys Worten mit. „Ähh, klar", sagte sie unsicher und schalt sich innerlich. „Also, dann bis morgen." „Ja, bis dann."
Erleichtert aufseufzend legte sie den Hörer wieder auf. Dann ging sie langsam zur Couch hinüber, und wollte sich gerade hinsetzen, als ihr Blick wieder auf die Schublade fiel.
Sie war geschlossen...
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Hoho, das ging diesmal schneller, als ich dachte. Langsam kommt die wahre Handlung ins Rollen... Ach ja, ich habe vor, die Kapitel von Grund auf zu überarbeiten. Wenn es soweit ist, dann sag ich euch bescheid, damit ihr noch mal nachgucken könnt.
Danke fürs Reviewen!
@ Leaky Cauldron: Hast du deinen Namen geändert? Nein, die Geschichte war nicht abhanden gekommen, sie war die ganze Zeit hier. *g*
@ Cosma: Tja, dies mal ging's ziemlich schnell, hmm? Hab mit meiner Freundin gequatscht, und dir hat mir geholfen, ein paar fehlende Verknüpfungen zu knüpfen *g*.
@ deatheater: Na ja, jeder kann sich mal irren. Danke für den Hinweis.
Danke auch an beckymalfoy.
