~°~°~°~Briefe aus Askaban~°~°~°~
14.
Es tut mir wirklich leid, dass es schon wieder so lange gedauert hat.
Aber ich danke euch trotzdem für die aufmunternden Reviews!!!!
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Draco langweilte sich. Lustlos saß er auf dem Sofa und zappte durch die Fernsehkanäle, auf der Suche nach etwas, dass ihn wenigstens für kurze Zeit ablenken würde. Doch irgendwelche Muggel, die sich in diesen „Talkshows" gegenseitig anschrieen, waren das Interessanteste, dass er finden konnte. Hermine, die ihn gestern Abend durch ihre knappe Notiz davon verständigt hatte, dass sie nicht vorbeikommen würde, war vermutlich gerade wieder in der Universität. Und Draco saß hier alleine rum.
So hatte er sich das nicht vorgestellt. Natürlich, es war wichtiger, dass sie nicht aufflogen, als dass Hermine hier bei ihm war und die Auroren der Untersuchungskommission auf ihre Spur lenken würde. Aber Draco wollte hier nicht alleine vor sich hin vegetieren. Dazu hätte er auch in Askaban bleiben können.
‚Mach dich nicht lächerlich', schalt er sich augenblicklich selbst in Gedanken. ‚Jeder Ort ist besser als Askaban! Außerdem, bestimmt kommt Hermine heute Abend vorbei.'
So beschloss er, sich in Geduld zu üben.
... Doch das währte nicht allzu lange. Nachdem er vergeblich die Zimmer durchstreift hatte auf der Suche nach einer Beschäftigung, gab er schließlich auf und ließ sich wieder seufzend auf das Sofa fallen. Sein Blick wanderte zu den Fenstern hinüber.
Draußen gingen die Leute vorbei, doch niemand blickte zu ihm hinein und Draco beschlich der leise Verdacht, dass Hermine auch da wieder ihre Finger im Spiel hatte. Er wusste ja nicht, dass er ihr nur kurze Zeit später sehr dankbar dafür sein würde...
...„Und du meinst, sie hat sich verdächtig verhalten?", fragte Fentil, der Kollege von Cadogan Morry, der gestern bei dem Verhör dabei gewesen war.
„Hast du nicht gesehen? Sie ist gestern so... zielstrebig nach Hause gegangen. Als ob sie wüsste, dass wir sie überwachen." Morry blickte stirnrunzelnd um die Ecke, wo Hermine Granger soeben verschwunden war.
„Hör mal, sie ist eine kluge junge Frau. Hast du ihre Noten gesehen, die in ihrer Akte stehen? Jahrgangsbeste in Hogwarts, und das mit Abstand. Natürlich konnte sie sich denken, dass wir sie überwachen würden", versuchte Fentil zu argumentieren. Doch Morry ließ sich davon nicht beeindrucken.
„Ja, und jeder andere hätte sich wohl auch mal nervös umgedreht, wenn man weiß, dass man verfolgt wird, aber sie ist die gesamte Zeit ganz locker weitergelaufen. Und das war nicht normal."
Sie liefen langsam hinter ihr her, in einigem Abstand zu ihr. Nach dem Verhör am vorigen Tag hatten sie sie natürlich unauffällig nach Hause verfolgt, um zu sehen, ob sie sich vielleicht irgendwie verdächtig verhalten würde.
Und wie es schien, hatte es Morry gepackt. Deshalb folgten sie ihr auch heute wieder.
Fentil neben ihm schüttelte den Kopf, während sie liefen. „Aber es kann doch sein, dass sie auch schon nach Hause wollte, bevor wir sie verhört haben. Ich finde, dein Verdacht ist ziemlich dürftig."
Morry ließ sich davon allerdings nicht verunsichern. „Ich weiß, dass sieht nach Nichts aus, vollkommen harmlos, aber glaub mir, ich spüre es. Da ist was im Busch."
Sein Kollege unterdrückte ein Seufzen. So war es immer mit Morry. Wenn er sich erst mal für einen Fall interessierte, ließ er nicht eher locker, bis er ihn gelöst hatte. Und er ging jedem noch so kleinen Verdacht nach. Das hatte ihm auch schon einige Male eine Standpauke von ihrem Chef verschafft, der nicht viel von Morrys zeitweise recht ungewöhnlichen Methoden hielt. „Sieh nur zu, dass du dich nicht zu auffällig benimmst, Morry. Unser Chef würde es sicherlich nicht gerne hören, dass du unschuldige Leute verfolgst."
Morry beachtete die sorgenvollen Hinweise seines Kollegen kaum; sein Blick war starr auf Hermines Rücken gerichtet...
Während Hermine also gerade nichtsahnend durch die Straßen lief und aus dem Hinterhalt aufmerksam beobachtet wurde, stand Draco wie festgewurzelt vor dem Fenster und starrte gebannt hinaus.
Denn was, oder besser gesagt, wen er da sah, überraschte ihn immens.
McNair, einer der eifrigsten Anhänger Lord Voldemorts, spazierte am helllichten Tage auf der Straße entlang. In einer fast magierleeren Gegend, wo sich sonst nur Muggel aufhielten.
In Dracos Kopf schrillten Alarmsirenen und seine Nackenhaare schienen sich aufzustellen. Das war doch nicht normal. Ja, überhaupt nicht normal. Was hatte er hier zu suchen? Wusste er von Dracos Ausbruch? Wusste er, dass Draco hier untergetaucht war?
Aber nein, das konnte er alles gar nicht wissen, versuchte Draco sich selbst und sein wild pochendes Herz zu beruhigen. Er musste sich seine Hände an seiner Hose abwischen, so schwitzig waren sie.
Und obwohl Draco daran zweifelte, begann sein Verstand wie automatisch eine passende Lösung zu finden. Hermine wurde gestern verhört, also hatte man anscheinend schon die Ermittlungen gegen ihn aufgenommen. Das bedeutete, dass die Todesser vermutlich auch davon erfahren hatten. Jedenfalls nur, wenn in den Zeitungen etwas über ihn stand.
Aber das konnte doch kaum der Grund für McNairs plötzliches Auftauchen sein.
Nein, da musste etwas anderes dahinter stecken. Und Draco würde es herausfinden...
Erst als er bereits zur Tür hinaus war und McNair in einigem Abstand vorsichtig folgte, fiel ihm auf, dass er ja vollkommen unbewaffnet war. Seinen Zauberstab hatte man ihm damals gleich bei seiner Verhaftung abgenommen und als Beweismaterial für Dumbledores Tod beschlagnahmt.
Und auch sein Versprechen, dass er Hermine am ersten Tag in der Zuflucht gegeben hatte, kam ihm wieder in den Sinn. ‚Geh auf keinen Fall raus', hatte sie von ihm gefordert und er hatte halbherzig zugestimmt.
Doch ihm blieb jetzt keine Zeit für ein schlechtes Gewissen. McNair lief gelassen und bedächtig durch die Straßen, vorbei an Fußgängern, die er scheinbar kaum wahrnahm. Mal bog er links ab, dann wieder rechts. Draco achtete nicht darauf, wo sie lang liefen, da sich sein Blick stattdessen in McNairs Rücken brannte. Deshalb war es umso verwirrender, als er plötzlich einfach verschwand. Verdattert blieb Draco stehen und blinzelte, als würden ihm seine Augen einen Streich spielen. Wie konnte er so schnell verschwinden?
Doch als er näher an den Punkt schlich, wo McNair eben noch gewesen war, sah er, dass hier eine Seitengasse von der Straße abzweigte. Langsam bog Draco hinein. Die Gasse lag im Dämmerlicht , was daran lag, dass die Häuser so dicht beieinander standen und so kaum Licht hinein fiel. Lange Schatten zogen sich über den Boden. Hier und da konnte Draco Umrisse erkennen. Ein paar Fässer und Holzkisten, die wohl zu der Bar gehörte, die hier ihren Hinterausgang hatte und deren Neonschild flackerte. Ein streunender Hund, der in einer Ecke kauerte und an etwas herumkaute, dass Draco nicht genau erkennen konnte.
Darauf bedacht, so wenig Lärm wie nur möglich zu machen, folgte er der schattigen Gestalt vor ihm, die sich zielsicher ihren Weg bahnte. Während Draco lief, huschte ihm sogar einmal eine Ratte über die Schuhe und er verzog angewidert das Gesicht. ‚Selbst in Askaban ist es reinlicher zugegangen als in dieser Gasse.'
McNairs dunkler Umriss bog ein weiteres Mal nach links ab und so zwang Draco seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. Bevor er abbog, wartete er kurz, um vorsichtig um die Ecke zu starren.
Doch McNairs Umrisse waren verschwunden. Der enge Durchgang war ebenso schattig wie die Gasse, aus der er kam, deshalb nahm Draco an, dass McNairs dunkle Gestalt einfach von den Schatten um ihn herum verschluckt worden war.
Wachsam, immer wieder nach links und rechts schauend lief Draco weiter.
Als ihn plötzlich eine Stimme von der Seite her ansprach, musste Draco sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht erschrocken zur Seite zu springen.
„Sieh an, dann ist es also wahr. Draco Malfoy ist aus Askaban entkommen", ertönte eine kalte Stimme aus den Schatten. Im nächsten Moment trat McNair hervor. Draco fühlte sich, als hätte man ihm soeben einen Kübel mit Eiswasser über den Kopf geschüttet.
Er stand wie festgewurzelt da. ‚Zum Detektiv eigne ich mich absolut nicht', dachte er im Stillen. ‚Ich hätte doch drauf kommen müssen, dass er sich verstecken könnte.'
Langsam drehte er sich zu McNair um.
Draco starrte in das herbe Gesicht seines Gegenübers. Es lag im Dunklen, doch er konnte trotzdem die düsteren Augen erkennen, die in tiefen Höhlen eingesunken waren. Um seinen Mund lag ein harter Zug, und er hatte die Lippen aufeinander gepresst.
„McNair, wie schön, dich wiederzusehen", sagte Draco mit gezwungen freundlicher Stimme und setzte ein Lächeln auf.
In McNair's Gesicht rührte sich nichts. „Ich muss sagen, ich bin wirklich überrascht, dich zu treffen. Ich wollte den Gerüchten ja gar nicht glauben, dass du entkommen wärst." Seine Augen glitten abschätzend über Draco. „Aber da hab ich mich wohl getäuscht."
Dracos Verstand arbeitete derweil fieberhaft. Über ihn kursierten also Gerüchte. Und McNair kannte sie. Also wusste sicherlich nicht nur er davon, sondern bestimmt auch der Rest der Todesser. Was bedeutete, dass Voldemort vermutlich längst über ihn Bescheid wusste.
„Tja, ich konnte es zuerst auch kaum glauben", sagte Draco mit heiterer Stimme.
„Und du hast doch vor, dich unserem Lord wieder anzuschließen, nicht wahr?", fragte McNair mit einem prüfenden Unterton. „Jetzt, wo du wieder frei bist." Draco nickte eilig. „Natürlich. Es ist im Moment nur einfach nicht sicher genug. Ich bin mir ziemlich überzeugt, dass man mich überall suchen lässt, und wenn sie mich finden, könnte ich sie auf die Spur vom Lord bringen."
„Und das willst du ja natürlich nicht", sagte McNair, doch Draco wurde das Gefühl nicht los, dass er es vielmehr wie eine Frage gemeint hatte.
„Selbstverständlich nicht." McNair starrte ihn immer noch wachsam mit seinen dunklen Augen an. Draco schluckte hart. Dieser bohrende Blick machte ihn nervös. Sein Mund kam ihm plötzlich trocken vor. ‚Er weiß es!', schoss es ihm durch den Kopf. ‚Er weiß, dass du dich von Voldemort abgewandt hast.' Doch Draco verdrängte diese störenden Gedanken schnell wieder. McNair konnte schließlich keine Gedanken lesen, also wusste er nichts davon.
„Wie bist du überhaupt entkommen?", fragte McNair mit hochgezogenen Augenbrauen. „Na ja, ich hatte etwas Hilfe, weißt du", erklärte Draco und kratzte sich am Kopf, als wäre er wegen dieser Tatsache verlegen.
„Ah, ich verstehe. Von deiner kleinen Schlammblutfreundin, nicht wahr?"
Draco riss erschrocken die Augen auf. Er fühlte, wie sein Herzschlag für eine Sekunde aussetzte. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Sein Verstand brüllte immer wieder ‚Er weiß es!!! Er weiß alles!!!'. Doch Draco tat nichts weiter, als still dazustehen. Es schien, als wäre er am Boden festgewachsen. Wieder musste er hart schlucken. Dann rang er sich schließlich zum Sprechen durch.
„Was meinst du damit?", fragte er so unschuldig wie nur möglich. Er wusste, dass ihn seine Körperhaltung verriet, aber er versuchte trotzdem, sich nichts anmerken zu lassen.
McNair lächelte kalt, fast schon grausam. Seine Augen waren zu dunklen Schlitzen verengt, was sein Gesicht zerfurcht und faltig im Zwielicht erscheinen ließ.
„Ich glaube, du weißt sehr genau, was ich meine." Und bevor Draco auch nur reagieren konnte, hatte McNair seinen Zauberstab gezogen und auf ihn gerichtet.
„Stell dich nicht dumm!", zischte er Draco zu. „Ich weiß von deiner abartigen Neigung für dieses Schlammblut. Euer Hauself hatte Lucius einiges zu erzählen. Verräter!!!"
Mit diesen Worten schwang er seinen Zauberstab. „Impedimenta!"
Draco hechtete im letzten Moment zur Seite, und der Fluch raste an seinem Kopf vorbei. McNair fluchte unterdrückt und zielte noch einmal. Doch bevor der den Fluch aussprechen konnte, sprang Draco vorwärts und prallte mit voller Wucht gegen McNair, der taumelnd rückwärts zu Boden fiel.
Hastig schlug er ihm den Zauberstab aus der Hand, der daraufhin in die Schatten kullerte. McNair wand sich wie wild unter ihm und versuchte, Draco abzuschütteln. Dabei schlug er mit seinen Fäusten um sich und erwischte Draco über dem Auge.
Draco schrie vor Schmerz auf. McNair besaß eine unglaubliche Kraft. Irgendwie hatte er es geschafft, seine Knie anzuziehen. Im nächsten Moment stieß er Draco von sich.
„Das wirst du mir büßen!", brüllte McNair zornig. Damit blickte er sich fieberhaft um, auf der Suche nach seinem Zauberstab. Doch Draco kam ihm zuvor. Er rannte hinüber zu der Stelle, wo der Stab verschwunden war und tastete panisch mit seinen Fingern in den Schatten. Als er das glatte Holz spürte, griff er zu, im gleichen Moment, als McNair ihn von hinten packte.
„So nicht, Freundchen!", rief er und stieß Draco vorwärts, mit den Gesicht voraus, gegen die Wand. Ein lautes Kracken ertönte, und Draco fühlte, wie ihm schwarz vor Augen wurde. Seine Nase war gebrochen.
‚Nein, nicht ohnmächtig werden!', schrie sein Verstand. ‚Sonst ist alles vorbei!!!'
Sie würden erst ihn töten, und danach würden sie sich Hermine holen. Dass konnte er nicht geschehen lassen. Mit übermenschlicher Kraft rammte er McNair seinen Ellenbogen in die Rippen, woraufhin dieser keuchte und der stahlharte Griff seiner Hände sich löste.
Draco drehte sich blitzschnell um, was verursachte, dass seine Sicht gefährlich verschwamm, doch er zwang sich, aufrecht stehen zu bleiben. Mit zitternder Hand hob er den Zauberstab und zielte auf McNair. „Impedimenta!", schrie er und McNair wurde rückwärts gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert. Als sein Kopf gegen die Mauer schlug, sank er mit einem letzten „Uff" an der Wand hinunter und blieb dort reglos sitzen.
Draco stand schwer atmend da und wischte sich mit einer Hand das Blut weg, was aus seiner Nase strömte. Außer Atem blickte er sich um. Die Gasse lag still da; offensichtlich hatte niemand von ihrem Kampf mitbekommen.
Dann blickte er wieder zu McNair hinüber. „Incarcerous", flüsterte er keuchend. Seile schossen aus dem Stab hervor und schlangen sich um McNairs Körper. Dass würde genügen müssen. Draco spürte, wie er nahe dran war, umzukippen. Ein dichter Nebel schien sich in seinem Kopf ausgebreitet zu haben. Er konnte nur noch schwer etwas erkennen. ‚Aber du kannst ihn hier nicht einfach liegen lassen', drängte ihn die kleine Stimme in seinem Verstand. ‚Was, wenn er wieder aufwacht?'
Doch Draco war zu erschöpft, um sich jetzt darum zu sorgen. Er konnte nur hoffen, dass McNair noch eine Weile ohnmächtig bleiben würde. Bis dahin würde er Hermine geholt haben. Sie würde schon wissen, was zu tun war. So drehte er sich um, und schleppte sich angestrengt zur Zuflucht zurück. Er bekam kaum mit, wie er durch die Straßen lief und von den Leuten erschrocken angestarrt wurde. Einige sprachen ihn an, doch Draco hörte sie gar nicht. Nach einer Ewigkeit tauchte das Haus vor ihm auf und Draco öffnete mühsam die Tür.
Während ihm das Blut aus einem Schnitt über der Augenbraue ins Auge lief, schleppte er sich mit letzter Kraft über die Türschwelle und schaffte es gerade noch, die Tür zu schließen, bevor ihm schwarz vor Augen wurde...
