Entscheidungen
Severus ging zum Tisch der Slytherins. Es kostete ihn ziemliche Mühe sein
Gesicht gerade zu halten. Er kannte einige von den älteren Schülern. Denn
ihre Eltern kannten seine Eltern. Aber er lächelte ihnen nicht zu. Jetzt
würde er für die nächsten sieben Jahre seines Lebens allein sein.
James verstand noch immer nicht warum der Hut so lange gebraucht hatte und
starrte missbilligend auf den Slytherin hinab. Sirius fiel auf, dass sein
Freund im Moment keinen Spaß mehr an der Auswahl hatte, war sich aber nicht
sicher ob er James fragen sollte; er hatte das Gefühl, dass da was
persönliches zwischen ihm und dem Slytherin - Jungen war. Doch als Sirius
sich den Jungen genauer anschaute sah er für ihn erstaunlich erschöpft aus.
Komisch.Mitgefühl regte sich in Sirius. Doch der Junge war Slytherin und er
nicht, was ihn wieder auf das Thema brachte, dem dieser Tag gewidmet sein
sollte. Schließlich kam wohl niemand nach Slytherin der nicht wollte, so in
etwa hat der sprechende Hut das ja gesagt. Die Auswahl ging weiter.
"Sparrow, Alexandra" wurde eine Gryffindor, "Tuca, Danny" auch. Bald war
die Rolle verlesen und Prof. McGonnagal brachte den Stuhl wieder raus.
Indessen erhob sich der Schulleiter und das lauter zu werdende Gemurmel der
hungrigen Meute ebbte wieder ab. Alle schauten gespannt zum Professor hoch.
"Willkommen. Ich freue mich neue Gesichter zu Sehen und alte wieder zu
Sehen. Ich hoffe ihr werdet das kommende Jahr genießen und vor allem
nutzen. Doch lasst uns zunächst etwas anderes nutzen, und zwar Tische,
Teller und Tassen!"
Während sich Dumbledore wieder setzte gab es lautstarken Applaus und
man sah wie er seinen Blick glücklich durch den Raum schweifen ließ. Er war
schon einmalig dieser Dumbledore, dachte sich Sirius.
Die meisten Schüler, unter ihnen auch James und Sirius, schauten
erwartungsvoll auf die Schalen, Platten und Gläser. Doch Remus schaute zur
Tür, es würden viele Leute kommen müssen um die benötigte Menge Essen
aufzutragen.
James wunderte sich weshalb Remus die ganze Zeit zur Tür schaute, doch er
war zu hungrig um genauer darüber nach zu denken. Aber er wusste, dass das
Festmahl Remus garantiert ablenken würde. Und wie zur Bestätigung James'
Gedanken erschien wie aus dem Nichts ein Festmahl auf dem goldenen
Geschirr. Und er hatte noch einmal Recht behalten, denn als sich die Teller
und Schüsseln füllten starrte Remus das Essen mit offenem Mund an, aber
James Meinung nach nicht nur wegen dem köstlich hergerichteten Essen.
"Woher kommt denn das?" "Ist doch egal! Hab noch nie was Besseres
gegessen!" Mampfte James, denn er hatte sich ein etwas zu riesiges Stück
Puddingtorte in den Mund geschoben. "Genau," seufzte Sirius mit
geschlossenen Augen, er aß nämlich gerade sein Lieblingsgericht, dass aber
noch nie besser geschmeckt hatte als hier: Schinken - Nudel Gratin mit
extra viel Käse. "vollkommen egal."
Das Festessen dauerte sehr lange, da auch jeder herzlich zugriff. Am Anfang
gab es nur wenig Gespräche denn alle waren mordshungrig. Doch je später es
wurde desto mehr Geplapper stellte sich ein. Man hörte viel Lachen. Die
Erstklässler am Gryffindor Tisch unterhielten sich gerade über ihre
peinlichsten Erlebnisse beim zufälligen Zaubern. Patricia zum Beispiel
schien eine wandelnde Unfallursache zu sein. Sie erzählte unter anderem
von einem Mal, da sie auf das Essen aufpassen sollte, dass sich gerade
kochte, weil ihre kleine Schwester was zerdeppert hatte und ihre Mutter
nachschauen war. Neben dem Herd lag der Zauberstab ihres Vaters. Als sie
ihn sich genauer anschaute landete eine Fliege auf der Spitze. Sie
fuchtelte ein wenig mit dem Zauberstab rum ohne zu bemerken was sie tat.
Aber die Fliege blieb hartnäckig und wollte sich nicht verscheuchen lassen,
also fuchtelte sie umso energischer mit dem Zauberstab herum, bis plötzlich
das Essen in den Töpfen förmlich explodierte. Die ganze Küche war versaut
und Pat war viel zu geschockt um sich zu rühren, was wiederum dazu führte,
dass ihre Mutter sie noch am Ort des Geschehens fand, mit der Tatwaffe in
der Hand als sie reingestürmt kam, denn die explodierende Suppe, das
Hünchen das es zerriss und die Topfdeckel die gegen die Wände und durch die
Fenster knallten hatten einen unglaublichen Lärm gemacht.
Auf ähnlichem Wege hatte sie
auch den halben Garten in Brand gesteckt, denn sie war ein echter Zorro
Fan, und wenn sie sich Schwertkämpfe (natürlich als Zorro verkleidet) mit
imaginären Bösewichten lieferte, brauchte sie natürlich ein Schwert. Ihre
Oma war zu Besuch, aber in dem Moment war sie mit Pats Eltern und ihrer
kleinen Schwester spazieren. Ihre Oma war sehr vergesslich und
(un)glücklicherweise hatte sie ihren Zauberstab im Haus liegengelassen. Pat
fand dieses Ersatzschwert ihrer absolut würdig und ging in den Garten. Man
kann sich ja vorstellen was passierte. Mitten im hitzigen Gefecht ging der
Baum, der als einer der Bösewichte galt, in Flammen auf nachdem sie so
getan hatte als hätte sie ihn erstochen. Der Garten war dummerweise dicht
bewachsen weshalb das Feuer rasch übergriff. Sie versuchte gar nicht erst
es mit Wasser aus dem Zauberstab zu löschen, sonder ließ den Zauberstab aus
Panik fallen und rannte ins Haus um einen Eimer Wasser zu holen, der
natürlich nichts brachte. Ihre Eltern waren schon auf dem Rückweg doch
apparierten sie sofort ins Haus als sie erkannten dass irgendetwas in der
Nähe ihres Hauses brannte. Die Eltern löschten das Feuer mit Wasser aus
ihren Zauberstäben und wollten wissen wie Pat das schon wieder angestellt
hatte. Sie erzählte ihnen von Omas Zauberstab. Doch der Zauberstab war
nicht auffindbar. Erst als Pats Eltern den Garten auf seinen Schaden
untersuchten fanden sie ein Stückchen verkohltes Holz, das ihnen irgendwie
bekannt vorkam. Die Strafpredigt ging, nach Pat, über eine Stunde von der
ihre Oma mindestens eine halbe nur für wüste Flüche beansprucht hatte, die
Pat noch nie aus ihrem Mund gehört hatte. Für Fluchwörter hatte ihre Oma
ein besonders gutes Gedächtnis, dass stand wohl fest.
Als alle gesättigt waren, verschwand das Essen und das Geschirr blieb
blitzblank zurück. Sirius, Remus und James lehnten sich bedröppelt zurück.
Nur Peter schien noch immer noch immer nervös. Sirius schien das
Rumgezappelle offensichtlich auf den Geist zu gehen. "Kannst du dich mal
abreagieren?!" Fuhr er ihn an. Angeschrieen zu werden schockte Peter so
sehr, dass er aufhörte rum zu Hampeln, aber er nun dafür ängstlich auf
seine Hände starrte und stocksteif auf seinem Stuhl saß. Remus warf Sirius
einen musste-das-sein Blick zu, den Sirius mitleidslos erwiderte. Er mochte
Leute nicht die sich so gehen ließen. Sie waren viel zu Rückratlos für ihn.

Dumbledore stand wieder auf. "Wir leben in schweren Zeiten. Das wisst ihr
so gut wie ich. Ich will nicht von euch verlangen die geschehenen Dinge und
diese die noch geschehen werden außerhalb der Schlossmauern zu lassen."
"Das ist unmöglich", fügte er leise hinzu. "Doch wegen der jüngsten
Geschehnisse bitte ich euch um euer Verständnis, dass die Hogsmeade
Ausflüge fürs erste ausfallen werden. Doch ich bin sicher, ihr werdet die
Zeit auch anderweitig nutzvoll finden. Schlaft gut." Die Schüler schenkten
Dumbledore, trotz des nicht fröhlichen Inhaltes der Rede, einen tosenden
Applaus. Dann erhoben sich die Massen und strömten aus der großen Halle.
Die Gryffindor Erstklässler standen auf, waren aber doch etwas verängstigt
wohin sie denn gehen sollten. Als sie ans Ende der Gryffindor Tafel kamen
hörten sie eine strenge Stimme. "Erstklässler hier rüber! Gryffindor
Erstklässler hier hin!" Das Mädchen, das, wie Sirius auffiel einen Hogwarts
Anstecker mit einem großen "V" in der Mitte trug, schrie sich fast heiser
um gehört zu werden, denn es war noch immer sehr laut. Die vier Freunde
waren gar nicht müde. Und als das Mädchen sie zum Portrait der fetten Dame
im rosa Kleid führte, dass den Durchgang zum Gryffindor Gemeinschaftsraum
verbarg, bestaunten sie voll kitzliger Spannung die vielen Treppen, Gänge
hinter Wandteppichen und sahen sogar mal eine Tür, die verschwand nachdem
sie sie einige Momente beobachtet hatten. Dies war das Paradies und die
neuen Freunde konnten es kaum erwarten das Schloss mit all seinen Winkeln
zu erkunden. Es gab bestimmt auch Geheimgänge.
Als sie am Portrait ankamen sagte ihnen das Mädchen das Passwort
("Mausehaar"), worauf sich James, Remus, Peter und Sirius natürlich
köstlich amüsierten. Der Gryffindor Gemeinschaftsraum war ein großes rundes
Zimmer mit sehr gemütlich aussehenden Sesseln, einem großen Kamin und
vielen Tischen, Stühlen und Couchsesseln. Der ganze Raum war in den
Gryffindor Farben rot und gold eingerichtet, und Remus sprach aus was wohl
allen auf der Zunge lag. "Volltreffer!" Er blickte sich im Raum als könnte
er noch immer nicht glauben, dass das echt war, Sirius fühlte sich genauso.
Schon wo er diesen Raum zum ersten mal betreten hatte, hatte er sich
vollkommen wohl und eingelullt gefühlt. Er wurde nun müde und wollte
gleichzeitig ins Bett und schon diese Nacht mit einer Schlosserkundung
beginnen doch ihm war klar, dass wenn er einmal im Bett liegen würde sein
Geist aufgeben und sich dem Schlaf hingeben würde.
Die Vertrauensschülerin erklärte ihnen wo die Mädchen und die Jungs
schliefen, während immer noch Nachzügler aus den höheren Klassen
eintrudelten und ihnen allen gute Nacht wünschten. Das Mädchen beendete
ihre Erklärungen mit der Aufforderung doch zu ihr zukommen sollten sie
irgendwelche Fragen haben und dass ihr Gepäck bereits in ihren
Schlafzimmern stünde und so lies Pat ihre Hand wieder sinken. Als die Jungs
die Wendeltreppe hochgingen sahen sie am obersten Ende eine Falltür mit dem
Schild "1. Klasse", die in die Mitte ihres Schlafraumes führte. Der Raum
war wirklich schön. Er war riesig. Aber schließlich mussten hier ja auch
sechs Leute Platz finden. Der Raum war, wie der Gemeinschaftsraum, rund und
die Betten waren wie die Striche auf einer Uhr angeordnet und zwischen den
Betten befanden sich große gotische Fenster, die einen einmaligen Blick auf
die Umgebung feilboten. Der Hauptgrund aus dem sich die Freunde entschieden
nicht nur das Schloss, sondern auch die Ländereien zu erforschen. Die
Koffer standen vor den großen Himmelbetten, aber keiner der Jungs schien
müde, besonders wo man so einen Volltreffer bei der Zimmerauswahl erzielt
hatte. Sie standen alle an den Fenstern und blickten auf das
mondbeschienene Land unter ihnen. Peter hatte seine Hände und seine Stirn
gegen das kühlende Glas gelehnt und obwohl von der schwarzen Masse unter
ihm eine magnetische Anziehungskraft ausging fürchtete er sich
gleichermaßen vor ihr. Doch etwas drang in sein Gedächtnis und zum ersten
Mal sprach er wirklich freiwillig zu den anderen. "Das da unten muss der
verbotene Wald sein. Meine Mom hat mir davon erzählt. Sie hat gemeint ich
solle mich davor hüten da Reinzugehen. Da drin soll es unglaublich spuken."
"Du willst doch nicht etwa auf sie hören!" rief James empört und löste
seinen Blick vom Fenster um Peter anzusehen. "Ich weiß nicht.ich würde
schon gerne reingehen, besonders weil mein Vater mir soviel davon erzählt
hat. Als er nämlich noch hier zur Schule ging, war er oft in dem Wald und
dort soll es alle möglichen magischen Wesen geben. Einhörner, Hippogreiffe,
Zentauren.und er sogar geschworen einmal einen leuchtenden
Schwänzelglubscher gesehen zu haben." Sagte Peter mit erfurchtsvoller
Stimme. "Einen was?!" riefen die anderen Jungs im Chor. "Einen leuchtenden
Schwänzelglubscher. Das ist eine Art Riesensalamander. Soll ca. drei Meter
lang sein und eine Art Auge auf seinem Schwanzansatz tragen. Ich hab's
nicht ganz verstanden. Soll aber voll selten sein." James und Sirius
tauschten bedeutende Blicke und sahen so sehnsuchtsvoll auf das dunkle Land
unter ihnen als könnten sie es kaum erwarten dort hinunter zu gehen. "Dann
würd' ich mal sagen" ließ Sirius verlauten und rieb sich die Hände "dass
wir in die Federn hüpfen. Schließlich hätte auch Columbus Amerika nicht
unausgeschlafen erobern können." Und so krochen sie unter ihre behaglichen
Decken und schliefen schnell ein. Nur Remus konnte nicht so gut
einschlafen, denn der Halbmond passierte für einige Zeit das Fenster ihm
gegenüber und selbst wenn er die Vorhänge seines Bettes zuzog, konnte er
nicht alle silbernen Strahlen am passieren hindern.
Die Nacht war unruhig gewesen. Aber er würde sich mit allem abfinden. In
gewisser Weise passte er doch hierhin. Bittere Gedanken, so wie diese,
würden ihnen für den Rest seines Lebens zeichnen, das würde er noch lernen.
Als er aufwachte zog er sich rasch an. Nach dem Himmel draußen zu urteilen
war es noch sehr früh, aber man wusste nie ob diese Zauberfenster nun das
richtige Wetter anzeigten oder nicht. Denn hier unten in den Kerkern gab es
keine richtigen Fenster. Sie waren nur so verzaubert, weil man ihnen wohl
nicht zumuten wollte in einem Loch zu leben, das absolut kein Licht
hineinließ. Ihm war es egal. Er würde so selten wie möglich hier unten
sein. Der Raum miefte ein wenig, denn die Fenster waren zu, aber Severus
merkte es nicht. Er sah auch nicht, dass das kühle einströmende Licht dem
Raum und seinem Innenleben eine fast kunstvolle Note verlieh. Nun konnte
man die Einzelheiten der grotesken Figuren, an den aus dunklem Holz
bestehenden Betten und Schränken erkennen. Plötzlich hielt Severus inne und
er bemerkte zum ersten Mal das Geschnarche seiner Mitschüler, die noch tief
schliefen. Er atmete auf. Er würde nicht zu spät zum Unterricht kommen. Er
musste besser aufpassen, was um ihn rum vor sich ging. Als er die Tür
hinter sich schloss merkte er, dass das schwarze Holz der zu einer Fratze
verunstalteten Türklinke einen ekelhaften Rotstich besaß. Mit seinen
Büchern und seinem Zauberstab setzte er sich in den vollkommen leeren
Gemeinschaftsraum. Dieser war ganz in grün und silber eingerichtet, und
doch bestand eigentlich alles aus dem verfratzten schwarzen Holz, das
Übelkeit in ihm hochsteigen ließ. Er vergrub seine Nase in seiner Lektüre
um sich abzulenken. Er las ein altes Buch, dessen Titel man nicht mehr
entziffern konnte. Er hatte es von zu Hause mitgehen lassen. Sein Vater
würde ihn umbringen wenn er das erführe, aber solche Charakterstärke traute
er diesem nicht zu. Hätte er eine normale Familie könnte er vielleicht
fürchten einen Euler vorgesetzt zu kriegen, aber das war für ehemalige
Slytherins unter ihrer Ehre. Deshalb erhoffte sich Severus keine
ernsthaften Konsequenzen für sein Tun. Schon bald war er vollkommen in sein
Buch vertieft. Nach zwei Stunden nahm er eine kleine mit Metal verzierte
Glasphiole heraus und stellte sie in einen Halter auf einem der Tische. Er
setzte sich und schlug das Buch neben ihm auf. Er hob seinen Zauberstab und
schrieb Zeichen in die Luft während er die Zauberformel aus dem Buch
murmelte. In der beschriebenen Luft entstand blauer Rauch, der sich langsam
in verschiedenen Punkten verdichtete. Severus nahm den Zauberstab runter
und beobachtete wie in den Verdichtungsstellen Lichter entstanden und dann
plötzlicher ohne einen Laut zu machen explodierten und Lichter und farbige
Wolken versprühten.
"Netter Sidus - Zauber." Severus drehte sich so schnell rum um zu sehen wer
gesprochen hatte, dass er sich den Hals verrenkte und mit schmerzverzerrtem
Gesicht zu einem älteren Schüler aufblickte. Er kam ihm seltsam bekannt
vor. Plötzlich hob der Junge seinen eigenen Zauberstab und richtete ihn auf
Severus und bevor er sich bewegen konnte hatte dieser schon seinen Zauber
gesprochen: "Dolore carens." Und wie durch ein Wunder verschwand der
Schmerz in Severus Hals augenblicklich. Es blieb nur eine komische
Taubheit, die aber nicht weiter störend war. Der Junge grinste über das
verwunderte Gesicht von Severus, nahm seinen Zauberstab wieder runter und
schritt auf ihn zu. "Lucius Malfoy" und streckte seine Hand aus. Nun wusste
Severus woher er den Jungen kannte und dass er ihm eigentlich misstrauen
sollte, aber irgendwie konnte er nicht, denn schließlich hatte er seinen
Zauber gelobt und ihm den Schmerz genommen. "Severus Snape." Sie
schüttelten sich die Hände. Severus sah es Lucius an, das diesem der Name
Snape nicht unbekannt war. "Scheinst ja mehr Talent zu haben als deine
Eltern." Obwohl er seine Eltern hasste verspürte er einen leichten Stich,
doch er wollte sich nichts anmerken lassen. Außerdem hatte Malfoy Recht.
"Ist ja auch nicht gerade schwer." Malfoy schnaubte nur, konnte sich aber
ein verächtliches Grinsen nicht verkneifen. Er hatte Ausstrahlung, dass
musste man sagen. Diese kalten, blauen Augen, die alles aus einem heraus zu
saugen schienen, die einen von der Außenwelt abschirmten und vereinnahmten;
diese langen hellgoldenen Haare, die ihm, hinten zu einem lockeren Zopf
gebunden eine gewisse Adeligkeit zusprachen und doch zeigten, dass ihn die
Welt mal konnte. Außerdem war er älter und verstand was von seinem
Handwerk, was sein schmerzfreier Hals bewies, und so kam Severus einfach
nicht drum rum ein wenig stolz darauf zu sein, dass dieser Junge ihn gerade
gelobt hatte. Lucius setzte sich auf die Tischkante und beobachtete die
Galaxien und Wolken mit Ehrfurcht und sie spiegelten sich in seinen Augen.
Es war offensichtlich, dass ihr Anblick ihn faszinierte. Ohne seine Augen
von ihnen zu wenden zeigte er auf die leere Phiole. "Willst du sie dort
hineintun?" "Ja" antwortete Severus "aber ich weiß nicht wie." Das brachte
er nur etwas zögerlich heraus, denn es war ihm etwas peinlich, dass er
diesen dummen Sternenhaufen nicht in einen Behälter verfrachten konnte.
"Sieh zu und lerne." Lucius tauchte seinen Zauberstab mitten in die Wolken
und begann ihn mit kreisenden Bewegungen herauszuziehen. Es entstand ein
Wirbel, wie wenn man den Stöpsel zieht, doch die Sterne verschwanden nicht
sondern folgten nur in diesem Wirbel. Als Lucius mit seinem Zauberstab bei
der Öffnung der Phiole angekommen war hielt er mit den Kreisbewegungen
inne. Er sagte leise aber deutlich "Diffundi." während er gleichzeitig
seinen Zauberstab Richtung Phiole düsen ließ und kurz vor dem Zusammenstoß
den Zauberstab wegriss, als wenn er ein Band zwischen seinem Zauberstab und
den Sternen zerstören wollte. Kurz darauf sah Severus etwas, dass er von
nun an für immer mit dem Wort Schönheit in Verbindung bringen würde. Die
Sterne die nun über der Phiole schwebten schmolzen zu einem Teich, durch
dessen Oberfläche man sie noch immer beobachten konnte. Als wenn Wasser den
Nachthimmel spiegelte. Dann ergoss sich aus diesem See ein Wasserfall durch
den die Sterne in die Phiole flossen. Auf dem Weg zum Boden der Phiole
verlor sich der flüssige Zustand und die Phiole erfüllte sich mit den
Wolken und den Sternen so wie sie vorher über dem Tisch geschwebt hatten.
Severus murmelte ein "Danke", schloss die Phiole mit dem leuchtenden Inhalt
und verstaute sie in seiner Innentasche. Schweigend gingen sie hinunter zum
Frühstück.
Als sie in die Eingangshalle traten bewegte sich Severus schon automatisch
Richtung große Halle, aber Lucius fragte ihn ob er nicht vorher noch einen
kleinen Spaziergang am See machen wollte. Severus stimmte zu und so gingen
sie hinaus. Es war ein warmer Morgen und orangene Wolkenschleier zogen sich
über den hellblauen Himmel. Es war unglaublich ruhig und Severus konnte nur
die Vögel hören. Es wunderte ihn, dass Lucius um diese Uhrzeit spazieren
gehen wollte. Wenn er sich nicht sehr irrte wollte er mit ihm über etwas
reden, dass er nicht vor fremden Ohren erwähnen konnte. "Ich stehe nicht
oft so früh auf. Aber wenn, dann gehe ich meistens gleich raus um meinen
Kopf frei zu kriegen. Es hilft um Wut abzubauen." Wenn Severus seinen
Sinnen trauen konnte, dann hatte er Bitterkeit in Lucius' Stimme gehört,
doch er verstand nicht was sie dort zu suchen hatte, denn für ihn schien
dieser Junge erfahren genug um alleine mit schwierigen Situationen klar zu
kommen. "Kennst du die Blacks?" fragte Lucius nach einer Pause. "Ich habe
ihren Namen schon öfters gehört. Aber ich kenne sie nicht näher, wenn du
das meinst." "Aber dir wird wahrscheinlich aufgefallen sein," er machte
eine Pause als müsste er sich erst beruhigen bevor er weiter sprechen
konnte "dass gestern ein Black in Gryffindor aufgenommen wurde." Sie
schritten langsam weiter. Ja er konnte sich erinnern. Einem anderen wurde
die Tür geöffnet vor der er die Augen verschlossen hatte. Sirius Black
hatte das gekriegt was er zurückgewiesen hatte. Er wunderte sich nun wer
der wahre Feigling war. Severus bemerkte, dass Lucius ihn beobachtete und
versuchte den Schmerz zu vertilgen und seinen Gedankengang zu verfolgen. Es
war eine Schande. Er wusste wie empört bestimmte Kreise sein würden wenn
sie herausfänden, dass ein Zauberer aus dem Hause Black der
jahrhundertealten Tradition den Rücken gekehrt und dem großen Slytherin
seine Verachtung gezeigt hatte. "Er ist ein Verräter." Und Severus wusste,
dass Sirius Black von nun an auch als solcher behandelt werden würde. "Und
weißt du was das bedeutet?" Severus hob seine Augenbrauen um zu
signalisieren, dass er es nicht wusste. "Wir reinblütigen Familien werden
immer rarer, Severus. Wir können es uns nicht leisten Familienmitglieder an
die falsche Seite zu verlieren, wir müssen zusammen halten." Lucius sah ihn
dabei so intensiv an, dass es ihm den Rücken hinunterlief, dann wandte er
sich wieder ab und ging weiter. "Und wir können es uns auch nicht leisten,
wie soll ich sagen, gewisse Schwachstellen, zu dulden." Severus fragte sich
ob er ihn richtig verstanden hatte. "Und wir haben leider beide das Pech,
solchen Schwachstellen, sehr nahe zu stehen." Nun blieb Lucius ganz stehen
und sah Severus direkt in die Augen. "Willst du deine Eltern nicht
verteidigen? Ich habe deine Familie beleidigt." Severus löste seinen Blick
mit Mühe aus der Umklammerung und sah zum Boden. "Nein, du hast doch die
vollkommene Wahrheit gesagt. Ich wusste nur nicht, dass es so bekannt ist."
"Es sind immer die Falschen, die reden. Jedenfalls wollte ich deshalb mit
dir sprechen. Ich freue mich zu sehen, dass du offensichtlich mehr Talent
besitzt als deine Eltern, denn für uns, denen die schwere Bürde aufertragen
wurde, die Ehre, welche die Eltern gedankenlos zertrümmern, zu erhalten,
müssen schwer arbeiten. Schwerer als die meisten. Und ich weiß, dass du von
ihnen enttäuscht bist, dass du sie, noch mehr, verachtest. Ich sehe es in
deinen Augen wie ich es früher einmal sehen konnte wenn ich in den Spiegel
sah." Mitleidslos und doch nicht ganz ohne Gefühlsregung sah Lucius auf den
kleinen Jungen hinab, der viel zu zerbrechlich für seine Bürde schien. und
flüsterte ihm ins Ohr "Und weine niemals vor ihnen." Dann wandte er sich ab
und ging wieder langsam weiter. "Komm, es wird Zeit. Wir sollten
frühstücken gehen."
Es war ein langer Weg zum Schloss und so hatte Severus es bis dahin
geschafft sich zu fassen, aber das Gespräch hatte sich eingebrannt. Als sie
die große Halle betraten war sie erst halbvoll, denn obwohl sie lange
draußen gewesen waren, war es noch immer ziemlich früh. Lucius ging fast
bis ans Ende des Tisches und setzte sich dort zu einer Gruppe von älteren
Slytherins. Ohne darüber nachzudenken setzte sich Severus neben ihn. "Wozu
schleppst du denn den Kleinen hier an? Nimm's mir nicht übel, aber der
Babysitter Typ bisse ja nich gerade." sagte ein schlaksiger aber ansonsten
eher unauffälliger Typ und ließ ein Grunzen verlauten, das wohl seine
typische Lache darstellte und nickte in Severus Richtung. Severus wollte
dem Jungen nicht in die Augen sehen, denn die Bezeichnung 'Kleiner' hatte
ihn gekränkt, aber das musste man ihm nicht sofort ansehen, also ignorierte
er den Typ und tat so als fühlte er sich nicht angesprochen. Stattdessen
blickte er interessiert in die andere Richtung. "Halt die Klappe Joseph."
Hörte er Lucius in gelangweiltem Ton sagen. "Der Junge kann besser auf sich
aufpassen als du, wenn man bedenkt, dass er Zauber beherrscht, die du noch
nicht mal halbwegs hinkriegst." "Aber natürlich! Und was für Zauber sollen
das sein?" "Zeig ihm die Phiole, Snape." Severus blickte sich nun um,
Lucius blickte nicht in seine Richtung sondern schaute mit bösartig zu
Schlitzen verengten Augen in die Josephs. Langsam nahm er die Phiole heraus
und hielt sie hoch ,so dass jeder der kleinen Gruppe ihren Inhalt gut sehen
konnte. Severus spürte wie eine starke Woge Selbstbewusstsein ihn
durchflutete. Konnte es wirklich sein, dass dieser Junge den Sidus Zauber
nicht beherrschte? Waren die Maßstäbe an dieser Schule so niedrig? Der
Junge namens Joseph machte einen so dümmlichen Gesichtsausdruck, dass
Severus leise lachen musste "Nett, nicht?". Er konnte unmöglich einen
Schüler, der so viel älter war als er aber diesen Zauber nicht beherrschte,
respektieren, und so ließ er die Phiole elegant in seine Tasche zurück
gleiten. Dummerweise begann der Junge schon wieder zu lachen, diesmal
lauter. "Ich hab doch..Ich hab im ersten Moment doch echt geglaubt der
Kleine hätte das Selbst hingekriegt. Oh Mann. Das war echt n guter Schock.
Und es wär echt ne gute Motivation gewesen den Zauber endlich mal zu
lernen, aber jetzt hab ich dich durchschaut und nun bringt's nix mehr.
Wenigstens bin ich jetzt wach." Und er nahm sich mit großem Appetit noch
mehr Würstchen. "Ich habe nicht erwartet, dass du mir glauben würdest. Wie
peinlich wäre es für dich, dir einzugestehen, dass ein Elfjähriger dir
voraus ist." Severus, der Lucius aus den Augenwinkeln beobachtete, sah wie
viel Spaß es diesem machte mit Joseph zu spielen. "Du verarschst mich
doch!" "Mir ist scheißegal was du denkst, dass sollte selbst dein lahmes
Gehirn bis jetzt begriffen haben." Lucius Sprache hatte einen gefährlichen
Unterton angenommen, der Joseph wohl dazu brachte nicht weiter zu
diskutieren. Die Rangordnung war für Severus offensichtlich und er wusste
nicht ob es gut oder schlecht war, dass Lucius sehr weit oben zu stehen
schien. Doch wenigstens würde er sich wohl mit ihm keine Hänseleien über
sich ergehen lassen müssen.
Gerade als er sich noch Toast auf den Teller tun wollte stupste ihn Lucius
an und nickte in die Richtung gegenüber von ihnen.. Severus fiel sofort
eine Gruppe von Erstklässlern ins Auge. Sie ließen seine Stimmung etwas
sinken, aber er tat so als wäre sie ihm egal. Aber ihm fiel auf, dass der
Geräuschpegel am Tisch stieg und er hörte öfters ein gezischtes 'Black'. Es
wurde stetig lauter am Tisch bis man bemerkte, dass Sirius herüber schaute,
dann wurden die Stundenpläne verteilt und es wurde totenstill.
"Schau mal, wir beginnen gleich mit 'Verteidigung gegen die dunklen
Künste'!" "Freu dich nicht zu früh, wir machen bestimmt nur so lahmarschige
Sachen, oder noch schlimmer: Theorie." "Keine Ahnung, aber die actionhaften
Sachen kommen erst in den oberen Klassen dran." Etwas enttäuscht ließ Peter
den Stundenplan sinken. "Ach komm. Interessant wird's auf alle Fälle!"
Skeptisch schaute Peter James an, ihm war klar, dass er ihn nur aufmuntern
wollte aber es war dennoch nett von ihm und so nahm er sich mit etwas
besserer Laune ein paar Würstchen und Tomaten. "Außerdem," und Remus neigte
seinen Kopf verschwörerisch zu ihnen "gibt es noch genug Aufregendes
außerhalb des Unterrichtes." "Alles okay Sirius?" James war aufgefallen,
dass Sirius seit Eintreffen in der großen Halle sehr still geworden war.
"Was? Jaja, alles okay." Und er zwang ein Grinsen auf sein Gesicht. Er war
froh, dass Slytherins sich darüber erhaben sahen offen zu sagen was sie
denken, so würde er wenigstens die meiste Zeit seine Ruhe haben. James war
etwas getroffen, dass Sirius ihm nicht alles sagen wollte, aber dann fiel
ihm ein, dass sie sich ja auch erst seit gestern kannten und seine Stimmung
hellte sich wieder etwas auf. Sirius sah, dass James ihm nicht glaubte,
wollte ihm aber dennoch nicht die Wahrheit sagen, deshalb meinte er nur:
"Mir ist nur gerade aufgefallen, dass wir die ersten beiden Stunden
zusammen mit Slytherin haben."