Anm: Vielen Dank für eure Reviews!
@Kiddo: ups... habe beim Kontrolllesen bemerkt schon wieder ein Buch beschädigt zu haben. ^_^ Wirst du schon noch sehen.
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Verwundert kehrte er dem Institut den Rücken. Orlando war seit über zwei Stunden nicht mehr da. Angeblich hatte man ihn mit einer schlanken Frau weg gehen sehen. Wer diese Frau gewesen war, wusste der Teenager nur zu genau. Gerade als er sich auf seine Maschine schwingen wollte, erscholl bereits der erste Donner. Seine Vorahnung in Bezug auf den aufkommenden Sturm war richtig gewesen. Er musste sich beeilen, die dunklen Wolken von der Küste sahen nicht besonders freundlich aus und auch der Wind wurde stärker.
Kaum zu Hause angekommen ging es los. Es schüttete in Fäden, die keine Unterbrechung in ihrem Lauf hatten. Glücklich noch vor dem großem Wasserfall im Trockenen angekommen zu sein, schaltete er das Licht an. Draußen war es stockdunkel geworden, dabei war es erst später Nachmittag. Sein erster Weg führte ihn an den Computer. Schließlich wollte er Valerie schnell die notwendigen Daten für ihre Arbeit schicken.
Unter den eingegangenen Mails befand sich auch eine von ihrem Bruder Justin. Neugierig öffnete das Computergenie die Nachricht und griff nach dem Lesen nach der Fernbedienung für den Monitor im Arbeitszimmer seines Vaters. Sein Anruf galt dem Pizzaservice. Bis zum Lesen der Mail hatte er noch gar nicht bemerkt wie hungrig er geworden war. Zufrieden und mit Hoffnungen, machte er sich anschließend an die Arbeit für den Vortrag Dr. Wolenczaks. Eine grobe Struktur hatte er bereits aufgebaut und musste daher nur noch die Feinarbeit leisten.
Nach einer dreiviertel Stunde klingelte es an der Tür. In den Hosentaschen nach ein paar Geldscheinen suchend, öffnete Lucas. Zufrieden stellte er fest, dass es die Person war, die ihm in der Mail von Justin als der heutigen Fahrer des Pizzaservices genannt wurde.
„Hallo Dave!"begrüßte er den pitschnassen Teenager. Der Regen hatte in seiner Heftigkeit nicht im geringsten nachgelassen.
Mürrisch drückte der blonde Junge ihm den Karton mit der Pizza entgegen. „Das macht elf fünfzig!"
Lucas sah nach was für Scheine sich in seiner Hosentasche befanden und suchte in der anderen nach Kleingeld. Er gab es genau. „Sorry, aber Trinkgeld kann ich dir leider nicht geben. Ich hoffe du verstehst das." Bevor Dave ihm eine in die Fresse geben konnte, schmiss er schnell die Tür zu. Wenig später klatschte etwas gegen die Tür. Vom Küchenfenster aus, sah der Teenager Pizzaessend zu, bis sein Erzfeind aus der Ausfahrt setzte und in den Laden zurück fuhr.
Sein Stück in den Karton legend, ging er zur Tür. Ihn interessierte, was Dave da gegen die Haustür geworfen hatte. Ein fetter Schlammspritzer klatschte an der oberen Hälfte. Nichts was wirklich schlimm war. Dafür würde er nach Orlandos Heimkehr, sollte das noch der Fall sein, diesem die Nummer des Pizzaservices geben und nochmals bestellen. Wenn sie sagten, sie wollen unbedingt von Dave bedient werden, würde das schon gehen. Bei dem Sauwetter war das auf alle Fälle ein riesen Spaß!
Ein gutes Viertel gab er Maude zum futtern, damit er sich später noch von Orlis Leckereien nehmen konnte. Als es doch recht spät wurde und weder Lawrence noch der Cousin zurück kamen, setzte sich Lucas mit dem Laptop in den Flur. Die Hündin legte sich zu seinen Füßen. Da warteten sie nun, dass irgendwer zurück kommen würde. Neben dem Geräusch des Laptops und dem stetigen Prasseln des Regens gegen die Fensterscheiben war es fast still im Haus. Vereinzelt raschelte es im Terrarium hinter Lucas, welches im Arbeitszimmer stand und eine burmesische Tigerpython enthielt. Es war ein Albino, darum fehlten ihr die schwarzen Flecken und nur die Gelben leuchteten auf der perlweißen Schuppenhaut. Die Schlange war ebenfalls einmal Bewohner des Ocean Institutes gewesen. Neben Meerestieren beherbergte es nämlich auch Reptilien und Amphibien jeder Art. Am faszinierendsten waren noch immer die Pfeilgiftfrösche. Ihre grellen Farben waren jedes Mal aufs neue ein Hingucker. Die Schlange hatte der Teenager Queen getauft, denn sie war die erste gewesen, die aus ihrem Ei schlüpfte. Da aber für die jungen Tiere damals kein Platz war, wurden sie an Züchter verkauft und eine landete beim Sohn des Besitzer. Seitdem sie ein neues, größeres Terrarium besaßen, konnte das Tier auch nicht mehr von selbst sich unter dem Deckel davon schleichen und die Nachbarn in Heidenangst versetzen. Hier tauchten schon oft genug Braunschlangen auf, da musste die Würgeschlange der Wolenczaks nicht auch noch für Furore sorgen. Lucas war zwar nach wie vor der Meinung, mehr als die Haustiere seiner Nachbarn, niemanden weiter durch seine Queen in Gefahr zu bringen. Seinen Quoll mal ausgenommen, aber der durfte den ersten Stock nie verlassen. Aus diesem Grund war es nicht möglich, dass dieser von der Schlange gefressen wurde und sollte sie doch einmal einen Heißhunger verspüren, fand sich sicherlich noch eine Maus.
Jetzt fiel ihm doch tatsächlich ein jemanden vergessen zu haben. Sofort verschwand er in der Küche und haute sich die Zehen an der kleinen Stufe an, weil er das Licht vergaß anzuschalten. Fluchend hüpfte er auf einem Bein zu dem Schrank mit dem Trockenfutter für den Beutler. Oben im Wohnzimmer wurde er schon erwartet. Das braune Tier saß auf seinem Kletterbaum aus Holz und blickte ihn aus großen Augen an. „Schon gut, ich bin ja bereits da."Er eilte zu dem Tier und füllte die kleine Schale unterhalb der Burg des Quolls mit dem Futter. Neugierig schnuppernd kam es langsam herunter. Die Tür hatte Lucas geschlossen, weshalb es seine gesamte Aufmerksamkeit auf den Inhalt der Schale richten konnte. Als es der Meinung war, dass dieser komische Mensch Futter für es gebracht hatte, begann es knackend die kleinen Bällchen zu kauen.
Das Computergenie ließ sich im Schneidersitz nieder und betrachtete das Beuteltier. Vorsichtig strich er über den buschigen Schwanz. Bei der Berührung sah der Quoll von seiner Mahlzeit auf und fauchte ihn an. Lächelnd ließ Lucas seine Hand zurück gleiten. „Kratzbürste! So und nicht anders sollte ich dich nennen. Dein Vorgänger war wesentlich netter zu mir gewesen. Der hatte auch ganz viele weiße Punkte auf dem Rücken, nicht so wie du."Die australischen Kleinbeutler hatten nur eine geringe Lebenserwartung. Im Schnitt drei bis vier Jahre. Ihr letzter musste erst vor wenigen Monaten verstorben sein, denn bei diesem Tier hier handelte es sich noch um ein recht junges. Lucas war froh, dass sein Vater auch weiterhin die australische Version einer Katze hielt. Ohne würde dem Computergenie bestimmt etwas fehlen.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es bereits nach Mitternacht war. Für Dr. Wolenczak keine ungewöhnliche Zeit Heim zu kommen, aber Orlando? Den Quoll allein lassend, kehrte das Computergenie auf seinen Posten im Flur vor der Haustür zurück. Bei Bridger musste noch Nachmittag sein, ob er ihn anrufen sollte? Besser wäre es, schließlich war er es ihm schuldig. Doch der Captain nahm nicht ab. Wahrscheinlich war er nicht zu Hause. Was sollte er auch da? Sie hatten Landurlaub und da machte jeder das, was er auf dem Boot nicht konnte.
Ihm wurde immer langweiliger und als er es gar nicht mehr aushielt, ging er in sein Zimmer und suchte sich dort etwas. Ihm fielen einige Kratzbilder in die Hände, die er mal von seiner Mutter bekommen hatte, als er ziemlich krank war. Damals war es ein netter Zeitvertreib gewesen, der bis heute nicht beendet wurde. Alles was er von der schwarzen Farbe abgekratzt hatte, war auf allen drei Bildern die geraden Striche gewesen. Die gingen schließlich leicht. Nicht so diese runden, verschnörkelten Teile. Fest entschlossen, dies nun nachzuholen, setzte er sich in die Küche, nur um aus Lichtmangel in das Arbeitszimmer seines Vaters auszuweichen. Doch auch dort, reichte ihm das ihm gebotene Licht nicht aus. Kurz entschlossen ging er in das Zimmer, welches als bessere Bibliothek diente oder auch Abstellraum für Bücher. Es war das erste auf dem kurzem Gang zu seinem eigenen. Kaum hatte er die Tür geöffnet, entdeckte er seinen vermissten Computer. Das Gerät war lediglich ins nächste Zimmer verfrachtet worden. Warum sich Orlando hier nicht eingerichtet hatte, verstand er dennoch nicht. Der Raum war wesentlich größer als der, den er jetzt bewohnte.
Die Halogenlampe bis oben hin aufdrehend, richtete sich der blonde Junge am Schreibtisch ein. Die Tastatur schob er kurzerhand in eines der Regale, wo alte Lehrbücher von ihm vor sich hin staubten. Leider musste das Genie erst einmal selbst den Staublappen schwingen, denn auf dem Tisch konnte er nicht arbeiten. Die Putzfrau schien diesen Raum anscheinend für geschlossen zu halten, so wie es hier aussah.
Maude war ihm hinterher getrottet und sprang auf die blaue Zweisitzer-Couch vor dem Fenster. So ganz allein war er ja nun doch nicht, dachte Lucas bei sich.
Gerade als er wieder in die Kratztechnik hereinkam und die Finessen dieser Beschäftigung herausgefunden hatte, hörte er wie jemand den Schlüssel im Schloss herumdrehte. Dem Aufhorchen Maudes zufolge musste es ihr Herrchen sein, denn keine zwei Sekunden später sprang sie hechelnd von der Couch. Den Kratzer zur Seite legend, stand auch Lucas auf. Gut gelaunt und mit einem Lächeln auf dem Gesicht, zog Orlando die durchnässte Jacke aus. „Hey, na noch nicht im Bett?"
Die Arme verschränkend lehnte sich der Teenager mit der Schulter an die Wand des Durchganges zu seinem Flur. „Du bist mit Henderson heute Nachmittag einfach aus dem Institut verschwunden."
„Ja, als wir uns die Tiere angesehen haben, sind wir auf die Idee gekommen zum Aquascene zu fahren!"
„Ihr wart in Darwin?"fragte Lucas ungläubig.
„Und dann sind wir in ein fantastisches Restaurant für vegetarische Kost gegangen. Sie hat gemeint, ab sofort auch vegetarisch zu leben. Sei viel gesünder und auch sehr viel leckerer."
Zweifelnd verzog das Computergenie die Augenbrauen. „Müslimatsch ist lecker?"
Orlando verdrehte die Augen. „Mensch, Junge, du hast absolut keine Ahnung was gut ist."
„Aber du?"
„Genau!"
„Weißt du, dass es bereits zu spät ist um Dave hier nochmals im Regen auftauchen zu lassen? Justin hat mir eine Mail geschickt. Dave arbeitet seit ungefähr einer Woche bei einem Pizzaservice. Seine Schicht beginnt um acht und geht bis zwei. Ich habe ihn vorhin schon auftauchen lassen. War nicht sehr erfreut drum, erst recht nicht, als ich ihm kein Trinkgeld gab und einfach die Tür zu knallte."
„Du hast die Rache bereits ohne mich vollzogen? Ist dieser Dreck an der Tür von Dave dann?"
Lucas nickte.
„Hast du mir auch ein Stück von der Pizza aufgehoben?"
„Nein, wieso sollte ich. Ich hatte keine Ahnung wann du kommen würdest und habe sie deshalb mit Maude geteilt."
Die Hündin lief aufgeregt um Orlando herum und versuchte immer wieder von ihm getätschelt und gestreichelt zu werden. „Na, wenigstens hat er an einen von uns gedacht. Dennoch will ich meine Rache an dem Typen."
„Ich habe vorhin gesehen, dass er einen neuen Wagen hat."sagte Lucas ohne besonderen Grund in den Raum.
Wissend sah der junge Mann seinen Cousin an, bis er an ihm vorbei in das Badezimmer ging. Zurück kam er mit einer großen Packung Toilettenpapier. „Los, zieh dich an. Wir gehen da jetzt hin und spielen nächtlicher Geist!"
„Das ist doch nicht dein ernst!"
„Doch ist es. Der Kerl hat meinen Hund abgefüllt und wird damit nicht so einfach durchkommen. Wer meinem liebsten etwas antut, der muss mit den Konsequenzen rechnen! Maude, Schatz, du bleibst hier und hältst die Stellung. Pass auf, dass Lawrence nicht wach wird und alles mitbekommt."
„Der ist nicht da."Der Teenager zog sich eine Jacke über und schlüpfte in ein paar Turnschuhe. Bis sie bei Daves Haus sein würden, würde er so oder so nasse Füße haben. Eigentlich konnte er da auch Barfuß gehen, doch im Dunkeln sah man nicht, was für Getier sich auf den Straßen herum trieb. Das Risiko von was giftigen gebissen oder gestochen zu werden, war einfach zu groß.
„Wieso?"
„Weil eben. Ist öfters so. Ist dir das noch nicht aufgefallen?"
„Doch, aber nie so spät. Hast du bereits auf die Uhr gesehen? Es ist gleich drei!"
„Und wenn schon. Ich habe bereits Tage erlebt, da ist er gar nicht erst gekommen. Wenn es ein Bild im Lexikon für Arbeitstier geben würde, dann würde mein Vater dieses sein. Los, lass uns gehen!"
Bei dem draußen herrschenden Wind brauchten sie an die Benutzung von Regenschirmen gar nicht erst zu denken. Orlando sowieso nicht, denn der war ja noch nass. Vor Daves Elternhaus angekommen, untersuchten sie alles nach einer Alarmanlage am Garagentor. Der Vorteil bei Anlagen auf Computerbasis: Lucas konnte diese im Handumdrehen ausschalten. Anschließend öffneten sie leise das Tor und schoben Daves Wagen in die Auffahrt. Nun kam das Toilettenpapier zum Einsatz. Den roten Sportwagen von oben bis unten damit einwickelnd machten sie sich ein paar vorfreudige Minuten auf das Gesicht des Feindes. Zu gerne würden sie hier bleiben und warten, bis Dave am nächsten Morgen die Bescherung sah, aber bei dem Wetter konnten sie das vergessen.
Sie befanden sich bereits wieder auf dem Rückweg, als Orlando doch langsam wieder wichtigere Dinge in den Kopf kamen. „Was hat Lawrence eigentlich zu den Plänen für die Flussdelphine gesagt?"
„Er macht es. Zwar braucht er noch einige ausführlichere Daten, aber er hat zugesichert sich mit seiner Projektabteilung zusammen zu setzen und dort alles genauestens durch zu gehen. Der Trick mit dem Nobelpreis scheint es bewirkt zu haben. Nach wie vor hoffe ich zwar noch, selbst diesen dann zu nehmen, aber zur Verwirklichung muss ich eben einige Leute ein wenig täuschen."grinste Lucas im Dunkeln vor sich hin.
Zu Hause angekommen erwartete sie eine andere Überraschung. Dr. Wolenczak war heim gekehrt und fand sich ganz allein im Haus. Als die beiden von oben bis unten durchtränkt die Veranda rauf kamen und ihm gegenüberstanden, schüttelte dieser nur ungläubig mit dem Kopf. Beide hielten sie den Mund über ihre Aktion. Er musste nicht unbedingt wieder über den Einbruch seiner jüngsten Mitbewohner Bescheid wissen.
Sobald Lucas trocken und in warmen Sachen steckte, sah er sich nach seinem Vater um. Lawrence war bereits im Bett und las in einem dünnen Buch. Sehr ungewöhnlich. Der Teenager krabbelte über die Decke an seine Seite. „Ich habe deinen Vortrag fertig."Stolz hielt er dem Wissenschaftler seine Arbeit hin.
Dieser zog eine Augenbraue hoch. Er markierte sich die Seite in seinem Buch, in dem er eine kleine Ecke umknickte und nahm die dünne Mappe entgegen. Gespannt verfolgte das junge Computergenie jede Regung auf dem Gesicht des älteren Mannes beim Lesen der wenigen Seiten.
„Und?"fragte er ungeduldig, als Dr. Wolenczak die wenigen Blätter zusammenlegte und wieder in die Mappe tat.
„Ja, ich bin beeindruckt."
„Wirklich?"Ein stolzes Grinsen konnte er sich einfach nicht verkneifen.
„Wirklich! Ich hätte nicht gedacht, dass du das so gut hin bekommst. Erst recht nicht so früh. Hier und da, werde ich es noch entsprechend abändern, aber sonst ist es in Ordnung."
„Steige ich in deiner Gunst auf?"
„Wie meinst du das?"
Lucas konnte ihm jedoch nicht mehr antworten, denn Orlando, im Schlepptau mit Maude, kam herein gestürmt. Der Hund sprang als erster aufs Bett, was Lawrence sehr missfiel. Früher hatte es schon Theater gegeben, als Lucas einen recht zahmen Quoll nachts bei sich haben wollte. Damals war er keine sechs Jahre alt gewesen und hatte sich noch vor der Dunkelheit gefürchtet. Natürlich wusste er, dass es nichts gab, vor dem er Angst zu haben brauchte, dennoch war ihm immer mulmig. Vielleicht war es aber auch der Wunsch jemanden zum kuscheln zu haben. Durch die Arbeit seiner Eltern bekam er nicht sehr viel körperliche Liebe und der Quoll war immerhin ein lebendiges Wesen gewesen, nicht wie seine Stofftiere. Heute sah das anders aus, doch Tiere gehörten laut dem Wissenschaftler nicht ins Bett.
Orlando kam kurz nach seiner Hündin ebenfalls ins Bett. Er war bereits nur in Shorts und einem luftigen Hemd gekleidet, also keine schmutzigen Sachen mehr. „Da ich vorhin doch etwas zu nass war, konnte ich mich noch gar nicht dafür bedanken, dass du mein und Lucas' Projekt durchführen möchtest." sagte er dann, als er in einer bequemen Position in dem großem Bett lag.
„Genau, euer Projekt."Nun legte Lawrence die Mappe mit seinem Vortrag zu dem Buch auf den Nachttisch. „Darüber wollte ich noch mit euch reden."
„Gibt es jetzt doch ein Problem?"besorgt sah der blonde Teenager seinen Vater an. Sein Cousin hatte keinen anderen Blick aufgesetzt.
„Hast du bereits einige genaue Zahlen für mich?"
„Ja, aber noch nicht ausgedruckt."antwortete Lucas bang.
„Gut. Ich hatte vor gehabt, das morgen früh in aller Ruhe besprechen zu wollen, doch da wir alle anscheinend nicht geneigt sind bereits schlafen zu gehen, können wir das auch jetzt machen."
Orlando setzte sich aufrecht hin. „Gibt es einen Idioten, der sich quer stellt? Na der soll bloß mal zu mir kommen!"
„Du!"Dr. Wolenczak wurde ernst und hielt den Zeigefinger auf den jungen Mann ermahnend erhoben. „Solltest in Zukunft nicht einfach so aus dem Institut während deiner Dienstzeit verschwinden, ohne jemanden ein Wort zu sagen, wo man dich erreichen kann!"
Sofort wurde der dunkelhaarige Lockenkopf ganz kleinlaut. „Das hast du mitbekommen?"
Lucas überraschte das nicht im geringsten. Sein Vater hatte einfach das Talent immer dann zu kontrollieren, wenn es am ungünstigsten war.
„Ja, das habe ich. Valerie hat zwei der Eigentümer erreicht, von denen ihr die Inseln abkaufen wollt, für eure Aktion. Einer der Verantwortlichen für die Flussdelphine aus dem Institut ist bereits im Flieger zur Besichtigung von einer unterwegs. Eigentlich hättest du mit ihm im Flieger sitzen sollen. Statt dessen wirst du morgen Mittag mit seinem Vertreter die andere ansteuern. Sollte damit alles in Ordnung sein, werden die Verträge noch an Ort und Stelle gemacht."
„Ich dachte, du wolltest nicht eher kaufen, bis du die Genehmigungen für die Umsiedlung von den Regierungen hättest?"verwundert sah Lucas zu seinem Vater.
„Drei Arten könnt ihr bereits auf eurer Liste, als künftigen Projektinhalt vermerken. Die Genehmigungen zu bekommen, war doch einfacher als erhofft. Auf dein Angebot mit der Website komme ich auch gerne zurück, Lucas. Wie ihr seht, habe ich keine unnütze Minute verstreichen lassen. Darum hat es heute auch länger im Büro gedauert. Selbst Valerie hat an ihrem ersten Tag Überstunden machen müssen."lächelte Lawrence. „Sie macht ihre Sache gut, auch wenn sie noch gar keine Erfahrung und Kenntnis hat. Mit einigen der Leute habe ich persönlich gesprochen, da war es dann kein Problem, die entsprechenden Genehmigungen zu bekommen. Bei denen, die ich nicht selbst erreichen konnte und von meinen Vertretern kontaktiert wurden, war es schon schwieriger."
„Aber du machst es und das ist die Hauptsache. Eigentlich war ich mit Lonnie für morgen Nachmittag verabredet, nur wenn ich da einen kleinen Rundflug machen soll, ist das glaube ich okay."
Der Kopf des Teenagers schnellte zur Seite. „Du bist mit ihr schon wieder verabredet?"
„War geplant, ja, aber hast du nicht gehört? Ich soll morgen eine der Inseln ansehen. Kannst du für mich einspringen? Wir wollten ein wenig raus fahren und eine kleine Tour durch die Wüste machen."
„Vergiss es! Auf gar keinen Fall! Du wirst ihr sagen, du hast zu arbeiten und damit basta! Sie kann mit ihren Eltern allein in den Kakadu National Park gehen!"
„Stimmt, ich brauche Lucas im Institut. Da ich zwei meiner Führungsleute weg schicke und noch drei der Vertretungspersonen, ist es am Besten, wenn Lucas für morgen und eventuell auch den Tag darauf versucht die Stellung zu halten. Ich weiß, du wirst davon nicht begeistert sein, aber es ist schließlich euer Projekt und wenn ihr wollt, dass es läuft, habt ihr euch mit dem abzufinden, jetzt einige Zeit dafür opfern zu müssen."Dr. Wolenczak sah von einem zum anderen. Sie wussten beide, was sie jetzt für Opfer bringen mussten.
„Soll ich dann die seaQuest verlassen? Mir war so, als wäre das eine Anspielung darauf."
Lawrence schien über diese Frage amüsiert. „Nein", schüttelte er den Kopf. „Du kannst da ruhig bleiben. Es ist jetzt nur die Anfangsphase. Die ersten Wochen sind immer recht arbeitsintensiv, doch bis ich die nötigen Leute habe, wird das vorübergehend reichen. Später kann ich mich dann auch selbst wieder um das Institut kümmern. Ich habe nur selber gerade sehr viel mit meinen eigenen Sachen zu tun. Meine Anwesenheit in Darwin ist leider erforderlich."
„Wie finanzierst du das jetzt schon? Lucas sagte, es sei dir noch nicht möglich zu sagen, wo du die Gelder für das alles hernehmen willst."Orlando sah ihn kritisch an. Bevor sie das Haus nach ihrem Rachefeldzug betreten hatten, hatten sie ausführlich über diese Sache diskutiert.
Der Wissenschaftler fuhr sich durch das lockige Haupt. „Wir werden diese Sache zum Teil über die Vermögensverwaltung des Institutes laufen lassen. Dann habe ich vor mit Spenden zu arbeiten und sonst werdet ihr durch Wolenczak Industies versorgt. Ich denke einige Abteilungen von ihrem Budget her kürzen zu können. Wenn wir die Entwicklungsphasen je nach Produkt verlängern, dürften dadurch entsprechende Einsparungen möglich sein. Die groben Anschaffungen, wie die Inseln können wir aus den frei zur Verfügung stehenden Mittel erwerben. Da solltet ihr euch keine Sorgen machen. Wenn es allerdings doch knapp wird, bleibt mir nichts anderes übrig und muss auf das Privatvermögen zurück greifen."
Eine längere Pause entstand. „Es wird dann ein eigenes Konto für diese Sache geben?"fragte das Computergenie.
„Ja, zwar wird es über die Firma finanziert, ist aber dennoch ein eigenständiges Projekt. Wie gesagt, eures, nicht meines."
„Dann werde ich einen Dauerauftrag einrichten und von meinem eigenen Gehalt monatlich etwas darauf fließen lassen."
„Ich auch! Die Flussdelphine sind es mir wert auf etwas verzichten zu können."Orlando schlug mit Lucas ein.
„Da ist noch etwas, um das ich euch bitten möchte. Noch ist nicht sicher, ob ihr Erfolg habt, mit euer Rettungsaktion. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass den Tieren die Umsiedlung nicht gut bekommt und diese ganze Sache nach hinten los geht. Laut euren Unterlagen rechnet ihr in frühestens fünf Jahren mit definitiven Ergebnissen. Bis dahin hätte ich diese Sache ganz gerne geheim gehalten. Der Medienrummel um solch ein großes und vor allem teures Projekt wäre nicht sonderlich förderlich. Wenn es um Spenden geht, könnten wir somit einiges zusammen bekommen, doch werden sensationshungrige Reporter und Touristen eure kleinen Inseln stürmen. Der daraus resultierende Stress für die Tiere könnte dem Zuchtprogramm nur Schaden. Sie wären irgendwann nicht mehr frei lebende, sondern abhängige Tiere. Es ist wie mit Hunden, sobald sie erst mal gemerkt haben, wer sie füttert, bleiben sie bei demjenigen und gehen nicht mehr fort."Er zeigte auf Maude, die neugierig die Schnauze in die Höhe streckte, bevor sie sich wieder müde auf die Bettdecke zurück legte.
„Das heißt, ich darf Lonnie noch nicht einmal sagen, warum ich morgen nicht mit ihr weg gehen kann?"
„Genau das."grinsend klopfte Lucas seinem Cousin auf die Schulter. „Das wird sie schon verkraften. Sie arbeitet bei der UEO und ist an Geheimnisse gewöhnt. Ich weiß nur nicht, ob sie das auch in ihrem Liebesleben akzeptiert. Aber was soll's. Ich kann dir ja Fotos schicken, wenn ich wieder an Bord bin. Mit etwas Glück, vergisst sie dich nicht so schnell und schreibt hier und da mal eine kleine Widmung drunter."
„Du läufst gerade Gefahr aus dem Projekt ausgeschlossen zu werden."knurrte Orlando.
„Geht gar nicht, ich bin das kreative Hirn hinter dieser Sache."
„Und längst überfällig fürs Bett."Lawrence scheuchte die Eindringlinge in seinem Schlafzimmer vom Bett. „Los, verschwindet in eure Zimmer. Falls es noch etwas geben sollte, machen wir das morgen. Gute Nacht."Noch ehe die Jungs mit dem Hund draußen waren, standen sie im Dunkeln. Lawrence hatte einfach so das Licht ausgeknipst. Beide tasteten sich vorwärts. Fest umschloss Orlando die Klinke und machte die Tür auf. Ein hohles Plautzen und ein Widerstand ließ ihn in der Bewegung inne halten.
„Au! Das war mein Kopf!"fuhr ihn Lucas an.
„Ups, tschuldige. Ist alles in Ordnung?"fragte der junge Mann doch besorgt.
„Ja, geh!"Sie quetschten sich hinaus.
„Hast du das mitbekommen? Er ist mit meinem Vortrag zufrieden, den ich für ihn geschrieben habe. Jetzt reizt es mich doch mittlerweile da mit zu kommen, nur um nach zu prüfen, ob er auch wirklich meinen Text nimmt oder alles abändert."
„Die Arbeit macht er sich nicht. Wenn du aber willst, ich tausche gerne. Auf die Tagung hatte ich von Anfang an keine Lust."
„Lieben Dank, doch ich verzichte dennoch. Kannst ja eine Kamera mitnehmen und es mir aufnehmen."
Nachdenklich fuhr Orlando sich mit der rechten Hand über den Bauch.
„Ist was?"
„Hunger!"
Sie bogen zur Treppe und schlenderten gemächlich nach unten. „Das kann doch nicht dein Ernst sein!"
„Doch!"Fest entschlossen ging der Mann mit den braunen Locken, nachdem er die beiden untersten Stufen mit einmal genommen hatte, in die Küche. Er steuerte direkt auf den Schrank zu, in dem seine Müsliflocken standen.
Kopf schüttelnd über diese Essgewohnheiten zog es das Computergenie vor sich in sein Zimmer zu begeben. Maude war ihrem Herrchen gefolgt. Wohl auch noch Hunger bekommen. Zufrieden setzte er sich an den Computer und rief einige Bilder von Flussdelphinen auf, dann verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich entspannt zurück. Er hatte es geschafft seinen Vater davon zu überzeugen eine Menge Geld in die Rettung dieser Tiere zu investieren und es sah ganz danach aus, als würde es ein Erfolg versprechendes Projekt werden. Vor seinem geistigen Auge sah er bereits wie er in allen Zeitungen als der jüngste Nobelpreisträger angepriesen würde. Eine schöne Vorstellung, doch er würde es nicht zulassen, dass es in der Realität geschah. Zu viele Verpflichtungen würden damit einher gehen. Die Delphine waren ihm wichtiger, darum würden diese Inseln, sollten sie für die Umsiedlung fertig umgebaut sein, für ewig ein internes Firmengeheimnis bleiben.
„Oh gut, du schläfst noch nicht."Orlando kam ohne anzuklopfen in sein Zimmer. In einer Hand hielt er die bereits von Lucas vermutete Müslischüssel.
„Ist jetzt Party angesagt?"Der Teenager schaltete den Computer aus und drehte sich in seinem Stuhl zu seinem Cousin um. Der ließ sich auf dem Sessel an der Wand neben dem Schrank nieder. Vor dem besagten Möbelstück lag nach wie vor der Wäscheberg, der am frühen Morgen, wie es schien, vor einer schon lange Zeit zurück liegenden Joggingrunde hinaus gefallen war. Die Schiebetür stand offen. Das Innere bot keinen schöneren Anblick.
„Eigentlich müssten wir das tun. Doch ich kann morgen im Flieger schlafen und bin irgendwie nicht müde, auch wenn ich es sein sollte."
Der Blick des Teenagers fiel auf das Cover einer Filmdisk. „Hast du Lust, dir einen Film anzusehen?"
Orlando überlegte. „Na klar! Solange es nicht wieder Findet Nemo ist. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der sich an einem Kinderfilm überhaupt nicht satt sehen konnte."
„Und ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der Müsli so verlangend in sich rein stopfen kann wie du."kam die lächelnde Antwort.
„Hm..."Der junge Mann legte die Stirn in Falten. „das wird es sein. Wir sind einfach keine Menschen."
„Oh doch, wir sind nur ein paar ganz besondere Exemplare. Was ist nun? Hast du Lust dir diesen hier anzusehen?"Er hielt die Filmdisk gut sichtbar hoch.
„Schieb's rein! Ich sitze bereits bequem."Er zog sich von Lucas' Bett eine Decke und legte sie über die Beine, anschließend rutschte er in dem Sessel ein Stück nach unten. Gebannt wartete er darauf, dass der Film los ging.
Der blonde Teenager schaltete das Gerät ein und machte es sich ebenfalls auf seinem Bett gemütlich. Keiner von beiden würde das Ende des Filmes mitbekommen, da sie noch vor der Hälfte einschliefen.
ENDE
Welchen Film haben die eigentlich angesehen? (fragend am Kopf kratzt. Eine Frage die selbst dem Autor Rätsel aufgibt.)
Anm: Das war sie! Die Geschichte, die ich zum Gedenken an Jonathan Gregory Brandis gewidmet habe. Vielleicht hat der eine oder andere Lust, mir kurz eine kleine Nachricht zukommen zu lassen, wie er sie fand. Danke!
Der angesprochene Aquascene ist eine ganz besondere Attraktion in Darwin; man kann dort die Fische in einer kleinen Lagune füttern. Sucht einfach mal im Internet nach der Homepage. Ich fand es richtig interessant und haben nun einen Grund mehr auszuwandern. ^_^
Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich so einfach sein könnte, die Flussdelphine zu retten, doch wer will kann mir ja helfen das Geld und die nötigen Kontakte zusammen zu bekommen. Gerne würde ich es probieren.
@Kiddo: ups... habe beim Kontrolllesen bemerkt schon wieder ein Buch beschädigt zu haben. ^_^ Wirst du schon noch sehen.
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Verwundert kehrte er dem Institut den Rücken. Orlando war seit über zwei Stunden nicht mehr da. Angeblich hatte man ihn mit einer schlanken Frau weg gehen sehen. Wer diese Frau gewesen war, wusste der Teenager nur zu genau. Gerade als er sich auf seine Maschine schwingen wollte, erscholl bereits der erste Donner. Seine Vorahnung in Bezug auf den aufkommenden Sturm war richtig gewesen. Er musste sich beeilen, die dunklen Wolken von der Küste sahen nicht besonders freundlich aus und auch der Wind wurde stärker.
Kaum zu Hause angekommen ging es los. Es schüttete in Fäden, die keine Unterbrechung in ihrem Lauf hatten. Glücklich noch vor dem großem Wasserfall im Trockenen angekommen zu sein, schaltete er das Licht an. Draußen war es stockdunkel geworden, dabei war es erst später Nachmittag. Sein erster Weg führte ihn an den Computer. Schließlich wollte er Valerie schnell die notwendigen Daten für ihre Arbeit schicken.
Unter den eingegangenen Mails befand sich auch eine von ihrem Bruder Justin. Neugierig öffnete das Computergenie die Nachricht und griff nach dem Lesen nach der Fernbedienung für den Monitor im Arbeitszimmer seines Vaters. Sein Anruf galt dem Pizzaservice. Bis zum Lesen der Mail hatte er noch gar nicht bemerkt wie hungrig er geworden war. Zufrieden und mit Hoffnungen, machte er sich anschließend an die Arbeit für den Vortrag Dr. Wolenczaks. Eine grobe Struktur hatte er bereits aufgebaut und musste daher nur noch die Feinarbeit leisten.
Nach einer dreiviertel Stunde klingelte es an der Tür. In den Hosentaschen nach ein paar Geldscheinen suchend, öffnete Lucas. Zufrieden stellte er fest, dass es die Person war, die ihm in der Mail von Justin als der heutigen Fahrer des Pizzaservices genannt wurde.
„Hallo Dave!"begrüßte er den pitschnassen Teenager. Der Regen hatte in seiner Heftigkeit nicht im geringsten nachgelassen.
Mürrisch drückte der blonde Junge ihm den Karton mit der Pizza entgegen. „Das macht elf fünfzig!"
Lucas sah nach was für Scheine sich in seiner Hosentasche befanden und suchte in der anderen nach Kleingeld. Er gab es genau. „Sorry, aber Trinkgeld kann ich dir leider nicht geben. Ich hoffe du verstehst das." Bevor Dave ihm eine in die Fresse geben konnte, schmiss er schnell die Tür zu. Wenig später klatschte etwas gegen die Tür. Vom Küchenfenster aus, sah der Teenager Pizzaessend zu, bis sein Erzfeind aus der Ausfahrt setzte und in den Laden zurück fuhr.
Sein Stück in den Karton legend, ging er zur Tür. Ihn interessierte, was Dave da gegen die Haustür geworfen hatte. Ein fetter Schlammspritzer klatschte an der oberen Hälfte. Nichts was wirklich schlimm war. Dafür würde er nach Orlandos Heimkehr, sollte das noch der Fall sein, diesem die Nummer des Pizzaservices geben und nochmals bestellen. Wenn sie sagten, sie wollen unbedingt von Dave bedient werden, würde das schon gehen. Bei dem Sauwetter war das auf alle Fälle ein riesen Spaß!
Ein gutes Viertel gab er Maude zum futtern, damit er sich später noch von Orlis Leckereien nehmen konnte. Als es doch recht spät wurde und weder Lawrence noch der Cousin zurück kamen, setzte sich Lucas mit dem Laptop in den Flur. Die Hündin legte sich zu seinen Füßen. Da warteten sie nun, dass irgendwer zurück kommen würde. Neben dem Geräusch des Laptops und dem stetigen Prasseln des Regens gegen die Fensterscheiben war es fast still im Haus. Vereinzelt raschelte es im Terrarium hinter Lucas, welches im Arbeitszimmer stand und eine burmesische Tigerpython enthielt. Es war ein Albino, darum fehlten ihr die schwarzen Flecken und nur die Gelben leuchteten auf der perlweißen Schuppenhaut. Die Schlange war ebenfalls einmal Bewohner des Ocean Institutes gewesen. Neben Meerestieren beherbergte es nämlich auch Reptilien und Amphibien jeder Art. Am faszinierendsten waren noch immer die Pfeilgiftfrösche. Ihre grellen Farben waren jedes Mal aufs neue ein Hingucker. Die Schlange hatte der Teenager Queen getauft, denn sie war die erste gewesen, die aus ihrem Ei schlüpfte. Da aber für die jungen Tiere damals kein Platz war, wurden sie an Züchter verkauft und eine landete beim Sohn des Besitzer. Seitdem sie ein neues, größeres Terrarium besaßen, konnte das Tier auch nicht mehr von selbst sich unter dem Deckel davon schleichen und die Nachbarn in Heidenangst versetzen. Hier tauchten schon oft genug Braunschlangen auf, da musste die Würgeschlange der Wolenczaks nicht auch noch für Furore sorgen. Lucas war zwar nach wie vor der Meinung, mehr als die Haustiere seiner Nachbarn, niemanden weiter durch seine Queen in Gefahr zu bringen. Seinen Quoll mal ausgenommen, aber der durfte den ersten Stock nie verlassen. Aus diesem Grund war es nicht möglich, dass dieser von der Schlange gefressen wurde und sollte sie doch einmal einen Heißhunger verspüren, fand sich sicherlich noch eine Maus.
Jetzt fiel ihm doch tatsächlich ein jemanden vergessen zu haben. Sofort verschwand er in der Küche und haute sich die Zehen an der kleinen Stufe an, weil er das Licht vergaß anzuschalten. Fluchend hüpfte er auf einem Bein zu dem Schrank mit dem Trockenfutter für den Beutler. Oben im Wohnzimmer wurde er schon erwartet. Das braune Tier saß auf seinem Kletterbaum aus Holz und blickte ihn aus großen Augen an. „Schon gut, ich bin ja bereits da."Er eilte zu dem Tier und füllte die kleine Schale unterhalb der Burg des Quolls mit dem Futter. Neugierig schnuppernd kam es langsam herunter. Die Tür hatte Lucas geschlossen, weshalb es seine gesamte Aufmerksamkeit auf den Inhalt der Schale richten konnte. Als es der Meinung war, dass dieser komische Mensch Futter für es gebracht hatte, begann es knackend die kleinen Bällchen zu kauen.
Das Computergenie ließ sich im Schneidersitz nieder und betrachtete das Beuteltier. Vorsichtig strich er über den buschigen Schwanz. Bei der Berührung sah der Quoll von seiner Mahlzeit auf und fauchte ihn an. Lächelnd ließ Lucas seine Hand zurück gleiten. „Kratzbürste! So und nicht anders sollte ich dich nennen. Dein Vorgänger war wesentlich netter zu mir gewesen. Der hatte auch ganz viele weiße Punkte auf dem Rücken, nicht so wie du."Die australischen Kleinbeutler hatten nur eine geringe Lebenserwartung. Im Schnitt drei bis vier Jahre. Ihr letzter musste erst vor wenigen Monaten verstorben sein, denn bei diesem Tier hier handelte es sich noch um ein recht junges. Lucas war froh, dass sein Vater auch weiterhin die australische Version einer Katze hielt. Ohne würde dem Computergenie bestimmt etwas fehlen.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es bereits nach Mitternacht war. Für Dr. Wolenczak keine ungewöhnliche Zeit Heim zu kommen, aber Orlando? Den Quoll allein lassend, kehrte das Computergenie auf seinen Posten im Flur vor der Haustür zurück. Bei Bridger musste noch Nachmittag sein, ob er ihn anrufen sollte? Besser wäre es, schließlich war er es ihm schuldig. Doch der Captain nahm nicht ab. Wahrscheinlich war er nicht zu Hause. Was sollte er auch da? Sie hatten Landurlaub und da machte jeder das, was er auf dem Boot nicht konnte.
Ihm wurde immer langweiliger und als er es gar nicht mehr aushielt, ging er in sein Zimmer und suchte sich dort etwas. Ihm fielen einige Kratzbilder in die Hände, die er mal von seiner Mutter bekommen hatte, als er ziemlich krank war. Damals war es ein netter Zeitvertreib gewesen, der bis heute nicht beendet wurde. Alles was er von der schwarzen Farbe abgekratzt hatte, war auf allen drei Bildern die geraden Striche gewesen. Die gingen schließlich leicht. Nicht so diese runden, verschnörkelten Teile. Fest entschlossen, dies nun nachzuholen, setzte er sich in die Küche, nur um aus Lichtmangel in das Arbeitszimmer seines Vaters auszuweichen. Doch auch dort, reichte ihm das ihm gebotene Licht nicht aus. Kurz entschlossen ging er in das Zimmer, welches als bessere Bibliothek diente oder auch Abstellraum für Bücher. Es war das erste auf dem kurzem Gang zu seinem eigenen. Kaum hatte er die Tür geöffnet, entdeckte er seinen vermissten Computer. Das Gerät war lediglich ins nächste Zimmer verfrachtet worden. Warum sich Orlando hier nicht eingerichtet hatte, verstand er dennoch nicht. Der Raum war wesentlich größer als der, den er jetzt bewohnte.
Die Halogenlampe bis oben hin aufdrehend, richtete sich der blonde Junge am Schreibtisch ein. Die Tastatur schob er kurzerhand in eines der Regale, wo alte Lehrbücher von ihm vor sich hin staubten. Leider musste das Genie erst einmal selbst den Staublappen schwingen, denn auf dem Tisch konnte er nicht arbeiten. Die Putzfrau schien diesen Raum anscheinend für geschlossen zu halten, so wie es hier aussah.
Maude war ihm hinterher getrottet und sprang auf die blaue Zweisitzer-Couch vor dem Fenster. So ganz allein war er ja nun doch nicht, dachte Lucas bei sich.
Gerade als er wieder in die Kratztechnik hereinkam und die Finessen dieser Beschäftigung herausgefunden hatte, hörte er wie jemand den Schlüssel im Schloss herumdrehte. Dem Aufhorchen Maudes zufolge musste es ihr Herrchen sein, denn keine zwei Sekunden später sprang sie hechelnd von der Couch. Den Kratzer zur Seite legend, stand auch Lucas auf. Gut gelaunt und mit einem Lächeln auf dem Gesicht, zog Orlando die durchnässte Jacke aus. „Hey, na noch nicht im Bett?"
Die Arme verschränkend lehnte sich der Teenager mit der Schulter an die Wand des Durchganges zu seinem Flur. „Du bist mit Henderson heute Nachmittag einfach aus dem Institut verschwunden."
„Ja, als wir uns die Tiere angesehen haben, sind wir auf die Idee gekommen zum Aquascene zu fahren!"
„Ihr wart in Darwin?"fragte Lucas ungläubig.
„Und dann sind wir in ein fantastisches Restaurant für vegetarische Kost gegangen. Sie hat gemeint, ab sofort auch vegetarisch zu leben. Sei viel gesünder und auch sehr viel leckerer."
Zweifelnd verzog das Computergenie die Augenbrauen. „Müslimatsch ist lecker?"
Orlando verdrehte die Augen. „Mensch, Junge, du hast absolut keine Ahnung was gut ist."
„Aber du?"
„Genau!"
„Weißt du, dass es bereits zu spät ist um Dave hier nochmals im Regen auftauchen zu lassen? Justin hat mir eine Mail geschickt. Dave arbeitet seit ungefähr einer Woche bei einem Pizzaservice. Seine Schicht beginnt um acht und geht bis zwei. Ich habe ihn vorhin schon auftauchen lassen. War nicht sehr erfreut drum, erst recht nicht, als ich ihm kein Trinkgeld gab und einfach die Tür zu knallte."
„Du hast die Rache bereits ohne mich vollzogen? Ist dieser Dreck an der Tür von Dave dann?"
Lucas nickte.
„Hast du mir auch ein Stück von der Pizza aufgehoben?"
„Nein, wieso sollte ich. Ich hatte keine Ahnung wann du kommen würdest und habe sie deshalb mit Maude geteilt."
Die Hündin lief aufgeregt um Orlando herum und versuchte immer wieder von ihm getätschelt und gestreichelt zu werden. „Na, wenigstens hat er an einen von uns gedacht. Dennoch will ich meine Rache an dem Typen."
„Ich habe vorhin gesehen, dass er einen neuen Wagen hat."sagte Lucas ohne besonderen Grund in den Raum.
Wissend sah der junge Mann seinen Cousin an, bis er an ihm vorbei in das Badezimmer ging. Zurück kam er mit einer großen Packung Toilettenpapier. „Los, zieh dich an. Wir gehen da jetzt hin und spielen nächtlicher Geist!"
„Das ist doch nicht dein ernst!"
„Doch ist es. Der Kerl hat meinen Hund abgefüllt und wird damit nicht so einfach durchkommen. Wer meinem liebsten etwas antut, der muss mit den Konsequenzen rechnen! Maude, Schatz, du bleibst hier und hältst die Stellung. Pass auf, dass Lawrence nicht wach wird und alles mitbekommt."
„Der ist nicht da."Der Teenager zog sich eine Jacke über und schlüpfte in ein paar Turnschuhe. Bis sie bei Daves Haus sein würden, würde er so oder so nasse Füße haben. Eigentlich konnte er da auch Barfuß gehen, doch im Dunkeln sah man nicht, was für Getier sich auf den Straßen herum trieb. Das Risiko von was giftigen gebissen oder gestochen zu werden, war einfach zu groß.
„Wieso?"
„Weil eben. Ist öfters so. Ist dir das noch nicht aufgefallen?"
„Doch, aber nie so spät. Hast du bereits auf die Uhr gesehen? Es ist gleich drei!"
„Und wenn schon. Ich habe bereits Tage erlebt, da ist er gar nicht erst gekommen. Wenn es ein Bild im Lexikon für Arbeitstier geben würde, dann würde mein Vater dieses sein. Los, lass uns gehen!"
Bei dem draußen herrschenden Wind brauchten sie an die Benutzung von Regenschirmen gar nicht erst zu denken. Orlando sowieso nicht, denn der war ja noch nass. Vor Daves Elternhaus angekommen, untersuchten sie alles nach einer Alarmanlage am Garagentor. Der Vorteil bei Anlagen auf Computerbasis: Lucas konnte diese im Handumdrehen ausschalten. Anschließend öffneten sie leise das Tor und schoben Daves Wagen in die Auffahrt. Nun kam das Toilettenpapier zum Einsatz. Den roten Sportwagen von oben bis unten damit einwickelnd machten sie sich ein paar vorfreudige Minuten auf das Gesicht des Feindes. Zu gerne würden sie hier bleiben und warten, bis Dave am nächsten Morgen die Bescherung sah, aber bei dem Wetter konnten sie das vergessen.
Sie befanden sich bereits wieder auf dem Rückweg, als Orlando doch langsam wieder wichtigere Dinge in den Kopf kamen. „Was hat Lawrence eigentlich zu den Plänen für die Flussdelphine gesagt?"
„Er macht es. Zwar braucht er noch einige ausführlichere Daten, aber er hat zugesichert sich mit seiner Projektabteilung zusammen zu setzen und dort alles genauestens durch zu gehen. Der Trick mit dem Nobelpreis scheint es bewirkt zu haben. Nach wie vor hoffe ich zwar noch, selbst diesen dann zu nehmen, aber zur Verwirklichung muss ich eben einige Leute ein wenig täuschen."grinste Lucas im Dunkeln vor sich hin.
Zu Hause angekommen erwartete sie eine andere Überraschung. Dr. Wolenczak war heim gekehrt und fand sich ganz allein im Haus. Als die beiden von oben bis unten durchtränkt die Veranda rauf kamen und ihm gegenüberstanden, schüttelte dieser nur ungläubig mit dem Kopf. Beide hielten sie den Mund über ihre Aktion. Er musste nicht unbedingt wieder über den Einbruch seiner jüngsten Mitbewohner Bescheid wissen.
Sobald Lucas trocken und in warmen Sachen steckte, sah er sich nach seinem Vater um. Lawrence war bereits im Bett und las in einem dünnen Buch. Sehr ungewöhnlich. Der Teenager krabbelte über die Decke an seine Seite. „Ich habe deinen Vortrag fertig."Stolz hielt er dem Wissenschaftler seine Arbeit hin.
Dieser zog eine Augenbraue hoch. Er markierte sich die Seite in seinem Buch, in dem er eine kleine Ecke umknickte und nahm die dünne Mappe entgegen. Gespannt verfolgte das junge Computergenie jede Regung auf dem Gesicht des älteren Mannes beim Lesen der wenigen Seiten.
„Und?"fragte er ungeduldig, als Dr. Wolenczak die wenigen Blätter zusammenlegte und wieder in die Mappe tat.
„Ja, ich bin beeindruckt."
„Wirklich?"Ein stolzes Grinsen konnte er sich einfach nicht verkneifen.
„Wirklich! Ich hätte nicht gedacht, dass du das so gut hin bekommst. Erst recht nicht so früh. Hier und da, werde ich es noch entsprechend abändern, aber sonst ist es in Ordnung."
„Steige ich in deiner Gunst auf?"
„Wie meinst du das?"
Lucas konnte ihm jedoch nicht mehr antworten, denn Orlando, im Schlepptau mit Maude, kam herein gestürmt. Der Hund sprang als erster aufs Bett, was Lawrence sehr missfiel. Früher hatte es schon Theater gegeben, als Lucas einen recht zahmen Quoll nachts bei sich haben wollte. Damals war er keine sechs Jahre alt gewesen und hatte sich noch vor der Dunkelheit gefürchtet. Natürlich wusste er, dass es nichts gab, vor dem er Angst zu haben brauchte, dennoch war ihm immer mulmig. Vielleicht war es aber auch der Wunsch jemanden zum kuscheln zu haben. Durch die Arbeit seiner Eltern bekam er nicht sehr viel körperliche Liebe und der Quoll war immerhin ein lebendiges Wesen gewesen, nicht wie seine Stofftiere. Heute sah das anders aus, doch Tiere gehörten laut dem Wissenschaftler nicht ins Bett.
Orlando kam kurz nach seiner Hündin ebenfalls ins Bett. Er war bereits nur in Shorts und einem luftigen Hemd gekleidet, also keine schmutzigen Sachen mehr. „Da ich vorhin doch etwas zu nass war, konnte ich mich noch gar nicht dafür bedanken, dass du mein und Lucas' Projekt durchführen möchtest." sagte er dann, als er in einer bequemen Position in dem großem Bett lag.
„Genau, euer Projekt."Nun legte Lawrence die Mappe mit seinem Vortrag zu dem Buch auf den Nachttisch. „Darüber wollte ich noch mit euch reden."
„Gibt es jetzt doch ein Problem?"besorgt sah der blonde Teenager seinen Vater an. Sein Cousin hatte keinen anderen Blick aufgesetzt.
„Hast du bereits einige genaue Zahlen für mich?"
„Ja, aber noch nicht ausgedruckt."antwortete Lucas bang.
„Gut. Ich hatte vor gehabt, das morgen früh in aller Ruhe besprechen zu wollen, doch da wir alle anscheinend nicht geneigt sind bereits schlafen zu gehen, können wir das auch jetzt machen."
Orlando setzte sich aufrecht hin. „Gibt es einen Idioten, der sich quer stellt? Na der soll bloß mal zu mir kommen!"
„Du!"Dr. Wolenczak wurde ernst und hielt den Zeigefinger auf den jungen Mann ermahnend erhoben. „Solltest in Zukunft nicht einfach so aus dem Institut während deiner Dienstzeit verschwinden, ohne jemanden ein Wort zu sagen, wo man dich erreichen kann!"
Sofort wurde der dunkelhaarige Lockenkopf ganz kleinlaut. „Das hast du mitbekommen?"
Lucas überraschte das nicht im geringsten. Sein Vater hatte einfach das Talent immer dann zu kontrollieren, wenn es am ungünstigsten war.
„Ja, das habe ich. Valerie hat zwei der Eigentümer erreicht, von denen ihr die Inseln abkaufen wollt, für eure Aktion. Einer der Verantwortlichen für die Flussdelphine aus dem Institut ist bereits im Flieger zur Besichtigung von einer unterwegs. Eigentlich hättest du mit ihm im Flieger sitzen sollen. Statt dessen wirst du morgen Mittag mit seinem Vertreter die andere ansteuern. Sollte damit alles in Ordnung sein, werden die Verträge noch an Ort und Stelle gemacht."
„Ich dachte, du wolltest nicht eher kaufen, bis du die Genehmigungen für die Umsiedlung von den Regierungen hättest?"verwundert sah Lucas zu seinem Vater.
„Drei Arten könnt ihr bereits auf eurer Liste, als künftigen Projektinhalt vermerken. Die Genehmigungen zu bekommen, war doch einfacher als erhofft. Auf dein Angebot mit der Website komme ich auch gerne zurück, Lucas. Wie ihr seht, habe ich keine unnütze Minute verstreichen lassen. Darum hat es heute auch länger im Büro gedauert. Selbst Valerie hat an ihrem ersten Tag Überstunden machen müssen."lächelte Lawrence. „Sie macht ihre Sache gut, auch wenn sie noch gar keine Erfahrung und Kenntnis hat. Mit einigen der Leute habe ich persönlich gesprochen, da war es dann kein Problem, die entsprechenden Genehmigungen zu bekommen. Bei denen, die ich nicht selbst erreichen konnte und von meinen Vertretern kontaktiert wurden, war es schon schwieriger."
„Aber du machst es und das ist die Hauptsache. Eigentlich war ich mit Lonnie für morgen Nachmittag verabredet, nur wenn ich da einen kleinen Rundflug machen soll, ist das glaube ich okay."
Der Kopf des Teenagers schnellte zur Seite. „Du bist mit ihr schon wieder verabredet?"
„War geplant, ja, aber hast du nicht gehört? Ich soll morgen eine der Inseln ansehen. Kannst du für mich einspringen? Wir wollten ein wenig raus fahren und eine kleine Tour durch die Wüste machen."
„Vergiss es! Auf gar keinen Fall! Du wirst ihr sagen, du hast zu arbeiten und damit basta! Sie kann mit ihren Eltern allein in den Kakadu National Park gehen!"
„Stimmt, ich brauche Lucas im Institut. Da ich zwei meiner Führungsleute weg schicke und noch drei der Vertretungspersonen, ist es am Besten, wenn Lucas für morgen und eventuell auch den Tag darauf versucht die Stellung zu halten. Ich weiß, du wirst davon nicht begeistert sein, aber es ist schließlich euer Projekt und wenn ihr wollt, dass es läuft, habt ihr euch mit dem abzufinden, jetzt einige Zeit dafür opfern zu müssen."Dr. Wolenczak sah von einem zum anderen. Sie wussten beide, was sie jetzt für Opfer bringen mussten.
„Soll ich dann die seaQuest verlassen? Mir war so, als wäre das eine Anspielung darauf."
Lawrence schien über diese Frage amüsiert. „Nein", schüttelte er den Kopf. „Du kannst da ruhig bleiben. Es ist jetzt nur die Anfangsphase. Die ersten Wochen sind immer recht arbeitsintensiv, doch bis ich die nötigen Leute habe, wird das vorübergehend reichen. Später kann ich mich dann auch selbst wieder um das Institut kümmern. Ich habe nur selber gerade sehr viel mit meinen eigenen Sachen zu tun. Meine Anwesenheit in Darwin ist leider erforderlich."
„Wie finanzierst du das jetzt schon? Lucas sagte, es sei dir noch nicht möglich zu sagen, wo du die Gelder für das alles hernehmen willst."Orlando sah ihn kritisch an. Bevor sie das Haus nach ihrem Rachefeldzug betreten hatten, hatten sie ausführlich über diese Sache diskutiert.
Der Wissenschaftler fuhr sich durch das lockige Haupt. „Wir werden diese Sache zum Teil über die Vermögensverwaltung des Institutes laufen lassen. Dann habe ich vor mit Spenden zu arbeiten und sonst werdet ihr durch Wolenczak Industies versorgt. Ich denke einige Abteilungen von ihrem Budget her kürzen zu können. Wenn wir die Entwicklungsphasen je nach Produkt verlängern, dürften dadurch entsprechende Einsparungen möglich sein. Die groben Anschaffungen, wie die Inseln können wir aus den frei zur Verfügung stehenden Mittel erwerben. Da solltet ihr euch keine Sorgen machen. Wenn es allerdings doch knapp wird, bleibt mir nichts anderes übrig und muss auf das Privatvermögen zurück greifen."
Eine längere Pause entstand. „Es wird dann ein eigenes Konto für diese Sache geben?"fragte das Computergenie.
„Ja, zwar wird es über die Firma finanziert, ist aber dennoch ein eigenständiges Projekt. Wie gesagt, eures, nicht meines."
„Dann werde ich einen Dauerauftrag einrichten und von meinem eigenen Gehalt monatlich etwas darauf fließen lassen."
„Ich auch! Die Flussdelphine sind es mir wert auf etwas verzichten zu können."Orlando schlug mit Lucas ein.
„Da ist noch etwas, um das ich euch bitten möchte. Noch ist nicht sicher, ob ihr Erfolg habt, mit euer Rettungsaktion. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass den Tieren die Umsiedlung nicht gut bekommt und diese ganze Sache nach hinten los geht. Laut euren Unterlagen rechnet ihr in frühestens fünf Jahren mit definitiven Ergebnissen. Bis dahin hätte ich diese Sache ganz gerne geheim gehalten. Der Medienrummel um solch ein großes und vor allem teures Projekt wäre nicht sonderlich förderlich. Wenn es um Spenden geht, könnten wir somit einiges zusammen bekommen, doch werden sensationshungrige Reporter und Touristen eure kleinen Inseln stürmen. Der daraus resultierende Stress für die Tiere könnte dem Zuchtprogramm nur Schaden. Sie wären irgendwann nicht mehr frei lebende, sondern abhängige Tiere. Es ist wie mit Hunden, sobald sie erst mal gemerkt haben, wer sie füttert, bleiben sie bei demjenigen und gehen nicht mehr fort."Er zeigte auf Maude, die neugierig die Schnauze in die Höhe streckte, bevor sie sich wieder müde auf die Bettdecke zurück legte.
„Das heißt, ich darf Lonnie noch nicht einmal sagen, warum ich morgen nicht mit ihr weg gehen kann?"
„Genau das."grinsend klopfte Lucas seinem Cousin auf die Schulter. „Das wird sie schon verkraften. Sie arbeitet bei der UEO und ist an Geheimnisse gewöhnt. Ich weiß nur nicht, ob sie das auch in ihrem Liebesleben akzeptiert. Aber was soll's. Ich kann dir ja Fotos schicken, wenn ich wieder an Bord bin. Mit etwas Glück, vergisst sie dich nicht so schnell und schreibt hier und da mal eine kleine Widmung drunter."
„Du läufst gerade Gefahr aus dem Projekt ausgeschlossen zu werden."knurrte Orlando.
„Geht gar nicht, ich bin das kreative Hirn hinter dieser Sache."
„Und längst überfällig fürs Bett."Lawrence scheuchte die Eindringlinge in seinem Schlafzimmer vom Bett. „Los, verschwindet in eure Zimmer. Falls es noch etwas geben sollte, machen wir das morgen. Gute Nacht."Noch ehe die Jungs mit dem Hund draußen waren, standen sie im Dunkeln. Lawrence hatte einfach so das Licht ausgeknipst. Beide tasteten sich vorwärts. Fest umschloss Orlando die Klinke und machte die Tür auf. Ein hohles Plautzen und ein Widerstand ließ ihn in der Bewegung inne halten.
„Au! Das war mein Kopf!"fuhr ihn Lucas an.
„Ups, tschuldige. Ist alles in Ordnung?"fragte der junge Mann doch besorgt.
„Ja, geh!"Sie quetschten sich hinaus.
„Hast du das mitbekommen? Er ist mit meinem Vortrag zufrieden, den ich für ihn geschrieben habe. Jetzt reizt es mich doch mittlerweile da mit zu kommen, nur um nach zu prüfen, ob er auch wirklich meinen Text nimmt oder alles abändert."
„Die Arbeit macht er sich nicht. Wenn du aber willst, ich tausche gerne. Auf die Tagung hatte ich von Anfang an keine Lust."
„Lieben Dank, doch ich verzichte dennoch. Kannst ja eine Kamera mitnehmen und es mir aufnehmen."
Nachdenklich fuhr Orlando sich mit der rechten Hand über den Bauch.
„Ist was?"
„Hunger!"
Sie bogen zur Treppe und schlenderten gemächlich nach unten. „Das kann doch nicht dein Ernst sein!"
„Doch!"Fest entschlossen ging der Mann mit den braunen Locken, nachdem er die beiden untersten Stufen mit einmal genommen hatte, in die Küche. Er steuerte direkt auf den Schrank zu, in dem seine Müsliflocken standen.
Kopf schüttelnd über diese Essgewohnheiten zog es das Computergenie vor sich in sein Zimmer zu begeben. Maude war ihrem Herrchen gefolgt. Wohl auch noch Hunger bekommen. Zufrieden setzte er sich an den Computer und rief einige Bilder von Flussdelphinen auf, dann verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich entspannt zurück. Er hatte es geschafft seinen Vater davon zu überzeugen eine Menge Geld in die Rettung dieser Tiere zu investieren und es sah ganz danach aus, als würde es ein Erfolg versprechendes Projekt werden. Vor seinem geistigen Auge sah er bereits wie er in allen Zeitungen als der jüngste Nobelpreisträger angepriesen würde. Eine schöne Vorstellung, doch er würde es nicht zulassen, dass es in der Realität geschah. Zu viele Verpflichtungen würden damit einher gehen. Die Delphine waren ihm wichtiger, darum würden diese Inseln, sollten sie für die Umsiedlung fertig umgebaut sein, für ewig ein internes Firmengeheimnis bleiben.
„Oh gut, du schläfst noch nicht."Orlando kam ohne anzuklopfen in sein Zimmer. In einer Hand hielt er die bereits von Lucas vermutete Müslischüssel.
„Ist jetzt Party angesagt?"Der Teenager schaltete den Computer aus und drehte sich in seinem Stuhl zu seinem Cousin um. Der ließ sich auf dem Sessel an der Wand neben dem Schrank nieder. Vor dem besagten Möbelstück lag nach wie vor der Wäscheberg, der am frühen Morgen, wie es schien, vor einer schon lange Zeit zurück liegenden Joggingrunde hinaus gefallen war. Die Schiebetür stand offen. Das Innere bot keinen schöneren Anblick.
„Eigentlich müssten wir das tun. Doch ich kann morgen im Flieger schlafen und bin irgendwie nicht müde, auch wenn ich es sein sollte."
Der Blick des Teenagers fiel auf das Cover einer Filmdisk. „Hast du Lust, dir einen Film anzusehen?"
Orlando überlegte. „Na klar! Solange es nicht wieder Findet Nemo ist. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der sich an einem Kinderfilm überhaupt nicht satt sehen konnte."
„Und ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der Müsli so verlangend in sich rein stopfen kann wie du."kam die lächelnde Antwort.
„Hm..."Der junge Mann legte die Stirn in Falten. „das wird es sein. Wir sind einfach keine Menschen."
„Oh doch, wir sind nur ein paar ganz besondere Exemplare. Was ist nun? Hast du Lust dir diesen hier anzusehen?"Er hielt die Filmdisk gut sichtbar hoch.
„Schieb's rein! Ich sitze bereits bequem."Er zog sich von Lucas' Bett eine Decke und legte sie über die Beine, anschließend rutschte er in dem Sessel ein Stück nach unten. Gebannt wartete er darauf, dass der Film los ging.
Der blonde Teenager schaltete das Gerät ein und machte es sich ebenfalls auf seinem Bett gemütlich. Keiner von beiden würde das Ende des Filmes mitbekommen, da sie noch vor der Hälfte einschliefen.
ENDE
Welchen Film haben die eigentlich angesehen? (fragend am Kopf kratzt. Eine Frage die selbst dem Autor Rätsel aufgibt.)
Anm: Das war sie! Die Geschichte, die ich zum Gedenken an Jonathan Gregory Brandis gewidmet habe. Vielleicht hat der eine oder andere Lust, mir kurz eine kleine Nachricht zukommen zu lassen, wie er sie fand. Danke!
Der angesprochene Aquascene ist eine ganz besondere Attraktion in Darwin; man kann dort die Fische in einer kleinen Lagune füttern. Sucht einfach mal im Internet nach der Homepage. Ich fand es richtig interessant und haben nun einen Grund mehr auszuwandern. ^_^
Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich so einfach sein könnte, die Flussdelphine zu retten, doch wer will kann mir ja helfen das Geld und die nötigen Kontakte zusammen zu bekommen. Gerne würde ich es probieren.
