Das seltsame war, der Zauberer schien ihn direkt anzusehen. Da er sich nicht bewegte, sollte er durch seinen Tarnzauber eigentlich unsichtbar sein und außerdem war er noch hinter einem Busch versteckt.
„Komm ruhig näher, junger Zauberer." sagte der Alte laut und mit fester Stimme.
Dieser Zauberer schien zu wissen, was um ihn herum vorging. Das, sein Aussehen und sein Tonfall erinnerten ihn verdammt an Dumbledore. Harry hatte nicht das Gefühl, dass dieser Zauberer ihm böses wollte. Außerdem war er auf Hilfe angewiesen.
Er beendete seinen Tarnzauber und ging vorsichtig auf den Alten zu.
„Guten Tag. Mein Name ist Harry, Harry Potter."
„In der Tat. Schön, dich kennen zu lernen." antwortete der Alte mit einem belustigten Funkeln in den Augen.
„Darf ich fragen, wer ihr seid? Ihr kommt mir sehr bekannt vor, als hätte ich sie schon mal irgendwo gesehen."
„Man nennt mich Emrys."
„Emrys...Emrys... das habe ich schon mal gehört, nur wo?"
„Vielleicht kennst du mich unter einem anderen Namen. Man nennt mich unter den Menschen auch Merlin."
Harrys Kopf zuckte hoch und er sah dem alten in die Augen, „Aber... aber das ist unmöglich. Sie sind doch... tot. Seit weit über tausend Jahren."
Der alte lächelte
freundlich, „Ich fühle mich aber noch sehr lebendig. Danke."
"Entschuldigung. Ich wollte nicht unhöflich sein." sagte Harry hastig.
„Nichts für ungut. Komm erst mal mit herein, dann bringen wir ein wenig Licht in diese Angelegenheit."
Harry folgte Emrys ins Haus.
Dort bot Emrys ihm eine Tasse Tee an, die er gern annahm. Dann stellte Emrys zwei Teller auf den Tisch und etwas zu Essen.
„Ich hatte dich schon erwartet, Harry. Ich muss sagen, deine erste Aufgabe hast du mit Bravour gemeistert. Nicht jeder hätte so schnell und vor allen Dingen so sicher den Weg hierher gefunden. Das hast du definitiv nicht von mir geerbt."
Harry sah ihn fragend an.
„Ja, du hast richtig gehört, du bist ein Nachfahre von mir."
„Oh Gott, nicht das noch."
Emrys grinste ihn an, „Ich weiß, dass du es nicht magst, etwas besonderes zu sein. Doch diesen Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Du bist etwas besonderes, noch wesentlich mehr, als du glaubst."
Harry schlug verzweifelt die Hände vor die Augen.
„Gut, schießen sie los." meinte er grummelnd.
„Harry, ich habe mich intensiv mit der Zukunft beschäftigt und habe auch von der Bedrohung in eurer Zeit erfahren."
„Voldemort."
„Ja, so nennt sich der dunkle Zauberer. Er ist jedoch noch viel gefährlicher, als du weißt. Er sammelt Wissen und mächtige Artefakte um ein Necromancer zu werden."
„Ein Necromancer, ist das nicht einer, der Skelette beschwört und so?"
„Ja, doch es ist mehr, als nur das. Wenn er mächtig genug wird, kann er die Tore zur Hölle öffnen und kann somit Dämonen beschwören. Gegen die kann ein normaler Zauberer nichts ausrichten. Deswegen musst du vorbereitet werden."
„Moment mal, haben sie vorhin gesagt, sie hätten sich mit der Zukunft beschäftigt? Welches Jahr haben wir jetzt?"
„Ich dachte schon, das wäre dir entgangen. Nun, es ist das Jahr 802 nach Christus."
„Ich bin also in der Vergangenheit. Ich muss zurück. Meine Freunde, sie zählen auf mich."
„Immer eins nach dem anderen, zunächst musst du vorbereitet werden. Du musst wissen, du entstammst nicht nur meiner Blutlinie, sondern auch derer weiterer mächtiger Zauberer. In Facto bist du das Ergebnis eines zufälligen Zusammentreffens dreier mächtiger Blutlinien: meiner, Gryffindors und Ravenclaws. Zusätzlich hat dir Voldemort ein Teil der Macht der Slytherin-Linie übertragen. Erschwerend kommt hinzu, dass du von der Seite deiner Mutter auch einige Talente geerbt haben dürftest, die über Äonen in dieser Familie brach lagen."
„Ich dachte, meine Mutter entstammte einer Familie von Muggeln."
„Muggeln in der Sichtweise der Zauberer. Es gibt mehr Magie zwischen Himmel und Erde, als nur die Magie mit Zauberstäben."
„Was denn noch?"
„Ich zähle dir mal die bekanntesten auf: Magie mit Zauberstäben, stablose Magie, Elementarmagie, Magie der Elfen, Magie der Zwerge, Drachenmagie, Chaosmagie, Magie der Götter, wobei Chaosmagie dem letzteren schon sehr nahe kommt. Dann gibt es noch Blutmagie und Seelenmagie. Ein Necromancer liegt über der Zauberermagie, aber noch unter der Blut- oder Seelenmagie. Die Seelenmagie ist eigentlich den Göttern vorbehalten, doch einige der mächtigeren Dämonen haben limitierten Zugriff darauf."
„Und was hat das alles mit meiner Mutter zu tun?"
„Deine Mutter entstammt in direkter Linie den letzten Atlantern, genauer gesagt den Priestern von Atlantis."
„Und was konnten die so besonderes?"
„Niemand weiß das so genau, Harry" antwortete Merlin lachend, „So weit ich weiß, beherrschten sie die Elementarmagie und waren sehr eng verbunden mit Tieren. Vielleicht werden wir sie besuchen."
„Ehrlich gesagt, mir schwirrt der Kopf."
„Dann ist es wohl besser, wir essen, bevor es kalt wird."
Nachdem sich Harry gesättigt hatte, fragte er, was weiter geschehen würde.
„Nun, ich würde sagen, du wirst für die nächsten Wochen mein Adept. Ich werde dich in die Grundlagen der stablosen Magie und der alten Zauberkunst einführen. Dann werden wir die Elfen besuchen."
„Die Elfen?"
„Ja, die Hochelfen. Ich denke, du wirst ein Jahr bei denen verbringen."
„EIN JAHR?" keuchte Harry überrascht.
„Hab keine Angst, du wirst in deiner Zeit nicht ganz so viel Zeit verlieren, doch das Maximum was ich herausholen kann, ist ein Monat für jedes Jahr, was du hier verbringst und das werden doch einige sein. Auch dein Körper wird nicht so weit altern, cirka ein bis drei Monate pro Jahr. Mehr kann ich die Zeitflüsse für dich nicht manipulieren."
Harry schluckte, doch nickte.
„Gut. Was weißt du über die stablose Magie"
„Äh... nichts?"
„Das ist ein Anfang." lachte Merlin.
Merlin erklärte ihm die Grundgedanken der stablosen Magie.
„Der Zauberstab, den ihr benutzt, dient euch nur als Focus eurer eigenen Magie. Eigentlich seit ihr nicht darauf angewiesen. Jedoch verlangt die Magie ohne Zauberstab sehr viel Konzentration und Willenskraft. Deswegen lernten immer weniger Zauberer die stablose Magie, als die Zauberstäbe einmal erfunden waren. Ohne ihren wundersamen Holzstab sind sie völlig hilflos, denn inzwischen ist die Kunst der stablosen Magie verloren."
„Das ist wohl wahr." gab Harry zu.
„Also beginnen wir. Zuerst lernst du, zu meditieren, dein Zentrum zu finden. Dort kannst du deine Magie fühlen. Dann schaffst du die Öffnungen der Kanäle in deinem Körper, durch die die Magie wirken soll, z.B. deine Handfläche. Hier hast du einige Bücher zu diesem Thema. Ich überlasse dich dir selbst, nachdem ich dir einige Meditationstechniken gezeigt habe, Harry."
Er zeigte Harry, was er tun musste. Harry stellte fest, dass er sich diese Übungen sparen konnte, Meditation beherrschte er bereits. Ohne große Mühen, versetzte er sich in einen Zustand einer tiefen Trance.
Merlin pfiff anerkennend und murmelte: „Das erspart uns wertvolle Zeit."
Harry suchte fieberhaft nach seinem Zentrum. Er spürte etwas, doch er konnte es nicht greifen. Nach einer Stunde gab er auf und widmete sich den Büchern.
Insbesondere beschäftigte er sich mit dem Teil, wo die Öffnung der Kanäle erklärt war. Zum Abendessen geriet er darüber mit Merlin in eine interessante Diskussion.
„Merlin, welche anderen Punkte des Körpers kann man noch wählen, für die Magiekanäle?"
„Außer den Händen?"
„Ja."
„Ich weiß nicht, theoretisch jeden Punkt, doch wozu sollte das gut sein?"
„Was machst du, wenn du doch mal überwältigt wirst und dir jemand die Hände auf den Rücken fesselt?"
„Gute Frage. Was hast du im Sinn?"
„Wie steht es mit den Augen?"
„Die Augen... es müsste gehen. Ja, ich glaube schon. Es wird allerdings noch schwerer werden, die Zauber durch die Augen auszuführen. Mit den Händen kannst du Gesten ausführen, die das Wirken der Zauber vereinfachen und unterstützen. Das fehlt dir bei den Augen, doch es müsste gehen."
„Gut. Kann man auch ohne lauten Zauberspruch zaubern?"
„Ja, auch das geht, doch dafür ist eine enorme Konzentration und Willenskraft nötig."
„Gut, genau das möchte ich lernen. Und noch etwas, Merlin."
„Ja?"
„Kannst du irgendetwas für meine Augen tun? Ich bin nicht gern auf die Brille angewiesen?"
„Das ist nun überhaupt kein Problem."
Er nahm Harry die Brille ab und murmelte einen Zauberspruch. Plötzlich konnte Harry klar sehen, sogar klarer, als mit Brille vorher.
„Danke Merlin. Wie sieht es mit Animagustransformation aus?"
„Du bist wissbegierig, das muss man dir lassen. Doch das überlassen wir den Atlantern, denke ich. Jetzt ist es erst mal Zeit fürs Bett, junger Harry. Ach ja. Vielleicht sollten wir noch deinen Namen und dein Aussehen ein wenig ändern, nur für den Fall, dass jemand auf die Idee kommen sollte, dich auf irgendeinem Bild zu verewigen."
Harrys Augen funkelten belustigt, „Was schwebt dir da so vor, Großer Merlin."
„Ah, ich denke, du lässt dir einen Bart wachsen und deine Haare etwas länger. Dann dein Name... Harry ist für diese Zeit viel zu modern und Potter könnte uns später noch Probleme machen."
„Gute Idee, mit dem Aussehen, was den Namen angeht, wie wäre es mit Harold Evans? Meine Mutter hieß Evans."
„Perfekt. Dann gute Nacht, Harold Evans. Mögen die Sterne über dich wachen."
Die nächsten Wochen waren mit Meditation und Lernen ausgelastet. Früh trainierte Harry immer noch das Laufen und er machte sich mit einem Leben im Wald vertraut. Merlin ermutigte ihn dazu, er meinte, das würde ihm später mit den Elfen nützlich sein.
Nach vier Wochen hatte er die ersten Erfolge mit der stablosen Magie. Er hatte es endlich geschafft, Magie aus beiden Händen fließen zu lassen. Nun begann Merlin ihm Zauber beizubringen. Außerdem unterrichtete er ihn in der Theorie der Nekromantik. Harry sollte wissen, was auf ihn zukommen würde.
Einen weiteren Monat später beherrschte er die meisten Zauber, die er bis dahin gelernt hatte mit den Händen perfekt. Die neuen Zauber, die er von Merlin gelernt hatte, beherrschte er ebenfalls mit Hand und Zauberstab. Merlin war sehr zufrieden mit ihm. Dann hatte er endlich einen Durchbruch mit seinen Augen. Er schaffte es, Betäubungszauber mit den Augen auszuführen und Blitzzauber, später auch Levitation, bann und Explosionszauber.
Er übte von früh bis spät in die Nacht. Meditation war für ihn inzwischen ein Kinderspiel.
Merlin hatte ihn einmal beim Levitieren mit den Augen beobachtet. Er schüttelte sich.
„Was ist?" fragte Harry.
„Deine Augen. Es ist unheimlich, wenn du mit ihnen zauberst. Dein Blick ist sehr irritierend, seitdem du die magischen Kanäle geöffnet hast. Man hat den Eindruck, du würdest einem tief in die Seele schauen, wenn du einen anschaust, doch wenn du zauberst, ist es, als würde man von deinen Augen in seinen Bann gezogen... hypnotisiert... verschlungen. Brrr!" Merlin schüttelte sich erneut.
„Sag mal, kannst du mir beibringen, meinen Geist zu verschließen?"
„Das wäre ohnehin die nächste Stufe deines Trainings gewesen, junger Adept. Du musst deinen Geist verschließen und deine Aura kontrollieren. Du würdest sonst zuviel Aufmerksamkeit erregen. Du musst deine Ausstrahlung, deine Aura dämpfen."
„Kann man denn die Aura eines Menschen sehen?"
„Das werde ich dir beibringen, wenn du deinen Geist verschließen kannst. Allerdings sollte das alles kein Problem sein, mit deinen Fähigkeiten in der Meditation. Wenn wir das hinter uns haben, lehre ich dich, wie man appariert. Wenn du das dann kannst, wird es Zeit für die Elfen."
„So schnell schon?"
„Ja, du hast meine Erwartungen mehr als nur übertroffen." als er sah, wie Harry seine Stirn runzelte, lachte er und fügte hinzu, „Ich bin mir sicher, das hast du schon oft gehört."
„Mehr als genug. Wenn ich es noch ein paar mal höre, glaube ich es vielleicht."
„Du hast Humor, Harry." sagte Merlin und lächelte weise.
„Hmm. Sag mal, Merlin, solltest du nicht an der Seite von König Arthur sein, oder irre ich mich da?"
„Ts! Ts! Ts! Das geschieht doch erst in einigen Jahren Harry. Hast du nicht aufgepasst in Geschichte?"
„Muss wohl daran liegen, dass ich immer einschlafe." sagte Harry und grinste.
Merlin schüttelte den Kopf.
„Weiter mit dem Unterricht, Adept."
Nach zwei Wochen beherrschte Harry Okklumentik, er konnte Auras lesen und dämpfen und Apparation beherrschte er mit Leichtigkeit.
Er konzentrierte sich auf die Auras und untersuchte Merlin neugierig.
Er hatte eine silberne Aura mit einem blauen Rand. Er konnte auch Tiere sehen und erkennen, ob sie friedlich, ängstlich, feindlich oder wütend waren. Dumbledore musste auch Auras sehen können, dachte Harry, wenn er immer so gut wusste, ob er einem Menschen trauen konnte, oder nicht und er wusste auch immer, wie sich die Menschen gerade fühlten. Wenn man Auras sehen konnte, war das ein Kinderspiel. Nur seine eigene Aura konnte er nicht sehen. Er konnte sich allerdings vorstellen, wie sie aussehen sollte und ihr Abbild entsprechend formen. Merlin hatte ihm gezeigt, wie eine normale Aura aussehen sollte, blau, für innere Ruhe und den richtigen Durchmesser für einen Zauberer mit normalen bis leicht überdurchschnittlichen Fähigkeiten. Merlin riet ihm, von jetzt an immer dieses Bild nach außen zu projizieren und seinen Geist permanent verschlossen zu halten.
Warum, das sollte er bald herausfinden.
„So, junger Adept. Es ist soweit. Ich bringe dich zu den Elfen. Nimm meine Hand."
Harry fasste seine Hand. Und Merlin apparierte mit ihm weiter in den Wald hinein.
