Curriculum 03: Tanz
Tsukasa, normalerweise ein Ausbund an Ruhe und Geduld, warf ihrer Zimmergenossin Wrecka einen missbilligenden Blick zu. Das blauhaarige Mädchen wirbelte zwischen ihrem Schrank und dem Bett hin und her, nahm ein Kleidungsstück heraus und warf es auf die unordentlich gemachten Laken, wenn sie nicht zufrieden war.
"Hilf mir, Tsukasaaaaaaa! Ich habe nichts anzuziehen!"
"Was bist du überhaupt so aufgeregt? Es hat dich doch noch gar keiner eingeladen!"
"Na und?! Ich muss für Rick einfach umwerfend aussehen! So umwerfend, dass er sich gleich Hals über Kopf in mich verliebt, jawohl!!"
"Du spinnst doch."
Wrecka ging auf diese Bemerkung nicht weiter ein, statt dessen kramte sie erneut in ihrem Schrank, schien aber nicht fündig zu werden.
"Weißt du, mit wem Kizuna hingeht?" fragte sie, während sie in die unergründlichen Tiefen einer Schublade tauchte, in der vagen Hoffnung, das Kleid, das sie suchte, in einem Anfall geistiger Umnachtung dort hineingestopft zu haben.
"Nein. Warum? Ist das wichtig?"
"Tsukasa! Wie kannst du da bloß so ruhig stehen und so eine bescheuerte Frage stellen?! Natürlich ist das wichtig! Es geht hier schließlich um eine Ver-ab-re-dung! Ich sage es dir - mit Zero! Ich kann's nicht fassen!"
"Wieso nicht?"
"He! Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Ich bin neidisch!"
"Weshalb?"
"Du treibst mich noch in den Wahnsinn!! Kriegst du eigentlich irgendwas von dem mit, was um dich herum vorgeht?! Weil der Kerl verdammt süß ist, deswegen!"
Tsukasa zuckte gelangweilt die Achseln. Ihr gemessener Gesichtsausdruck änderte sich kein bisschen. Offenbar spielte es für sie tatsächlich keine Rolle.
"Du hast doch Rick."
"Und was ist mit dir?! Er gefällt dir doch auch!"
"Sicher. Aber das ist noch lange kein Grund, hysterisch zu werden."
"Hysterisch! Wer ist denn hier hysterisch? Ich wollte nur festhalten, dass ich nie gedacht hätte, dass Kizuna endlich kapiert, was sie eigentlich für einen schnuckeligen Partner hat! Für mich gibt es natürlich nur einen, und das ist Rick! Schlag ihn dir aus dem Kopf, Tsukasa."
"Diese Entscheidung solltest du besser ihm überlassen."
"Ach Blödsinn! Wie denn? Er weiß doch nichts von meinen Gefühlen! Er merkt es garantiert nicht, Männer merken nie etwas!"
"Und wie willst du an seinen ganzen Verehrerinnen vorbeikommen?"
"Da wird mir schon was einfallen!"
"Und Roose?"
Wrecka förderte einen mottenzerfressenen Pullover zu Tage, den sie angeekelt wegwarf und einen Strumpf, von dem sie angenommen hatte, er sei während der letzten Wäsche verloren-gegangen. Sie hielt in ihren Bewegungen inne und starrte ihre Freundin verwirrt an.
"Was hat Roose damit zu tun?"
"So. Du hast keine Ahnung. Und MÄNNER merken nie etwas, wie?"
"Was meinst du?"
"Na was schon."
"Hä?"
"Wrecka, du bist blind, wirklich blind. Es ist doch offensichtlich."
"Was?"
"Ich geb's auf...."
Hinter der Tür gegenüber, wo die Nummern 87-89 hingen, führte eine strahlende Kizuna gerade ihr Ballkleid vor. Es war rot, schulterfrei und betonte ihre Figur. Um die Taille war eine weiße Schärpe gebunden, hinten schmetterlingsartig geknüpft, was ihre Freundinnen besonders hübsch fanden. Das Kleid besaß auch einen Rückenausschnitt, was Saki zu dem Kommentar "Ein schöner Rücken kann auch entzücken." veranlasste. Das Bild wurde durch die langen weißen Handschuhe und die schlichte goldene Halskette vervollkommnet.
"Du siehst wunderbar aus, Kizuna" rief Ikhny begeistert, "Wie eine richtige Dame!"
"Vielen Dank." Ihre Wangen röteten sich und sie lächelte glücklich.
"Ich meine das ganz ernst." fuhr das Mädchen mit der Brille fort. "Aber Verliebtheit ist immer noch der beste Schmuck für eine Frau. Da kann ich kaum mithalten."
"Was heißt das schon wieder?" mischte sich Saki ein. "Das stimmt nicht. Hiead werden erstens die Augen aus dem Kopf fallen und zweitens die Kinnlade bis zum Boden knallen (das müsst Ihr Euch mal bildlich vorstellen ^__^), wenn er dich sieht, da wette ich mit dir!"
Mit ihrem einfachen, aber doch elegant geschnittenen Kleid, gehalten in dunklem Blau, gegen das sich ihre perlengleiche Haut besonders reizvoll abhob, dem zarten Schmuck und dem in weichen Wellen herabfallenden braunen Haar, wirkte sie einfach umwerfend, jedenfalls aus der Sicht von Kizuna und Saki. Ob Hiead derselben Meinung sein würde? Sie erinnerte sich, wie schon einige Male zuvor, an das, was er heute nach dem Frühstück zu ihr gesagt hatte, nachdem Rick wohlweislich das Weite gesucht hatte - "...Er baggert dich bloß an, weil du hübsch bist...." Er hatte sie wahrhaftig "hübsch" genannt. Nervös senkte sie die Lider. Seltsam. Warum wurde ihr plötzlich so warm ums Herz, wenn sie an ihren Partner dachte?
Um sich abzulenken, wandte sie sich an das rothaarige Mädchen. "Willst du wirklich allein zum Fest gehen?"
"Ja. Ohne Clay wird es zwar nicht dasselbe sein, aber ich möchte trotzdem versuchen, Spaß zu haben." Ursprünglich hatte sie den Abend bei ihm verbringen wollen, damit er sich auf der Krankenstation nicht so einsam fühlte, doch seit sie ihn geküsst hatte, wagte sie es nicht mehr, ihm unter die Augen zu treten, jedenfalls nicht am selben Tag.
"Schade, dass Clay dich nicht zu Gesicht kriegt", schmunzelte die katzenohrige Lotsin und zwinkerte Saki vergnügt zu. "Du siehst super aus, ehrlich!"
Das Kleid, das sie ausgewählt hatte, war grün, mit einem weit fallenden Rock und langen Ärmeln. Es schien direkt aus einem Märchen zu stammen (also, es soll dem ähneln, das Aurora in Disney's "Dornröschen" trägt - herrje, hat jemand den Film gesehen? Na, behelft Euch ein bisschen mit Eurer Fantasie, was Königliches eben!). Zudem trug sie ihr Haar auch nicht zu zwei Zöpfen gebunden wie sonst, sondern es fiel offen herab und umrahmte ihr Gesicht wie ein Umhang aus Seide.
"VERDAMMT!!!"
"Was war das?" wisperte Ikhny, nachdem der Aufschrei verklungen war.
"Nichts besonderes", entgegnete Kizuna nüchtern, "Das ist nur Wrecka. Sie hat mal wieder nichts Passendes zum Anziehen."
Zero besuchte währenddessen Clay. Es wurmte ihn, dass sein Freund nicht bei dem Fest dabei sein konnte und wollte vorher noch einmal mit ihm sprechen.
"Wie fühlst du dich? Besser?"
"Na klar, Dr. Croford ist eine gute Ärztin, sie hat mich schnell wieder zusammengeflickt. Ich brauche nur ein bisschen Ruhe, damit die Verletzungen ausheilen können, besonders die Kopfwunde. Du gehst doch auf den Ball, oder?" Zero nickte.
"Mit wem?"
"Äh....mit....Kizuna."
"Was, echt? Ich gratuliere. Wurde ja auch langsam Zeit...."
"Wie? Was? Was meinst du denn damit?"
"Na, denkst du, mir wäre noch nicht aufgefallen, wie verträumt und gedankenverloren du sie manchmal ansiehst?" Der Junge, der am Bettrand saß, wurde über und über rot. Clay musste grinsen.
"Wenn du so weitermachst, wird sich jede Tomate aus Scham vor dir verstecken müssen. Kein Grund, verlegen zu werden. Alles völlig normal."
"Erspar mir deine Ausführungen, sei so gut. Übrigens....ich habe Ikhny getroffen. Sie hat mir anvertraut, dass Saki ein wundervolles Kleid ausgesucht hätte, gestern schon. Willst du mehr darüber wissen?"
"Wieso sollte ich?" entgegnete Clay, konnte es aber nicht verhindern, rosige Wangen zu bekommen. In blumigen Worten bemühte sich Zero daraufhin, seinem Kameraden das Gewand näher zu beschreiben. Seine Schilderung schien, wie er nach einer Weile erkannte, eindringlich genug zu sein. Sein Gegenüber schwieg nämlich bedeutsam, denn er sah seine Partnerin plötzlich vor sich, in einem smaragdgrünen, wallenden Kleid, das rote Haar offen über ihre elfenbeinfarbenen Schultern fallend....Er musste den Atem anhalten bei der Vorstellung. Ihr Kuss drängte in seine Gedanken. Warum hatte sie das getan? Sollte sie wirklich etwas für ihn empfinden? Ausgerechnet ihn?
"Ach, Clay, noch etwas....Ich weiß zwar, dass du erst übermorgen raus darfst, aber....falls....und so....ich habe deinen Smoking aus dem Schrank geholt und für dich bereitgelegt....wenn du Lust hast....wir verstehen uns?"
Es blieb einen Moment still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
"Ja, Zero. Wir verstehen uns vollkommen."
Es war Abend geworden. Die Schüler, Schülerinnen und das Lehrpersonal von GOA fanden sich nach und nach alle in der Aula ein, die festlich geschmückt worden war. Nachdem der Leiter der Akademie den Ball eröffnet hatte, bezog eine Band auf der Bühne Aufstellung und begann zu spielen. Dr. Croford verfolgte mit Genugtuung, wie sich rasch viele Paare auf der Tanzfläche zusammenfanden. Neben ihr stand Azuma, trotz schwarzem Anzug mit seiner unvermeidlichen Brille erschienen. "Du hättest das Ding absetzen können. Hast du Angst, anderenfalls nicht erkannt zu werden?"
"Unsinn!"
"Was soll das dann? Na, auch egal - möchtest du tanzen?"
"Ich habe zwei linke Füße, das weißt du genau, Rill!"
"Wer's glaubt. Komm schon, zier dich nicht, Hijikata! Los!" Ohne auf seinen Protest zu achten, nahm sie ihn an der Hand und schleifte ihn auf die Tanzfläche. Nach einiger Zeit meinte der Ausbilder genervt: "Rill...."
"Ja? Was ist?"
"Du bist doch die Dame, nicht wahr?"
"Selbstverständlich. Was soll diese dumme Frage?"
"Ich bin der Herr. Also führe ich, nicht du! Ist dir schon aufgefallen, dass uns alle so komisch anschauen?"
"Eh? Oh - hoppla...."
Die Musik setzte aus und die beiden Erwachsenen eilten an ihren Tisch. Rioroute, der, Phil Phleira am Arm, gerade hereinkam, konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen. Auch seine Partnerin kicherte leise. Hinter den beiden betraten Erts und Tune den Saal, dicht gefolgt von Yu und seiner Schwester Kazuhi. Das Schlusslicht bildeten ein angesäuerter Galew im Smoking und eine freudestrahlende Leena.
"Es steht dir super!"
"Von wegen! Ich sehe einfach beschi...."
"GALEW!!!!"
"....bescheiden aus." vollendete der Pilot der blauen Göttin verstimmt seinen Satz. Er fand diese Klamotten einfach viel zu steif und unangenehm, als dass er sich darin hätte wohlfühlen können. Tune wagte ein schmales Lächeln und auch Erts wirkte sehr heiter und gelöst. Selbst Yu, von Gareas insgeheim als "Mr. Pokerface" betitelt, deutete ein Lächeln an. Und was Rio betraf - der schwebte ohnehin in anderen Sphären! Er schnaufte mürrisch durch die Nase und verzog gleich darauf das Gesicht, weil Leena ihm auf den Fuß gestiegen war.
"Du amüsierst dich jetzt gefälligst - oder tu so, als ob! Du verdirbst noch allen die Laune!"
"Ist ja gut...."
Zero stand vor Kizuna und musterte sie sprachlos von oben bis unten. Seine Partnerin tat jedoch genau dasselbe, denn der elegante Anzug verlieh ihm ein etwas reiferes Aussehen.
"Wunderschön." erklärte er ehrlich.
"Du siehst heute Abend sehr gut aus, Zero." erwiderte Kizuna und blickte verlegen zur Seite. Er hielt ihr die Hand hin und fragte: "Würdest du mir diesen Tanz schenken?" Das Licht der Lampen umspielte sein Antlitz und zauberte ein helles Leuchten in seine Augen. Zögernd legte sie ihre Hand in die seine. Sie hob den Blick und versank zum wiederholten Male in den herrlichen Saphiren, die ihr entgegen funkelten.
"Ja, sehr gern."
Hiead indessen, lehnte am Panoramafenster (also, äh, haben die da eins? Na, in meiner Story schon!) und betrachtete die glitzernden Sterne in dem schwarzen Mantel des Alls. Obwohl er ursprünglich keine Lust gehabt hatte, zum Ball zu gehen, hatte er sich dank Solares rasch dazu entschieden, es doch zu tun. Nein, verdammt! Er - war - NICHT - eifersüchtig!! Warum sollte er?! Seine schwächliche, ängstliche Partnerin, die....die ihn immer wieder so ansah mit ihren warmen braunen Augen, in denen er lesen konnte, dass sie ahnte, dass sich etwas hinter seiner kalten, abweisenden Maske verbarg. Ihre Sanftheit und ihr schüchternes Wesen, das einen den fast unwiderstehlichen Drang verspüren ließ, sie beschützen zu wollen....
"ZUM TEUFEL NOCH EINMAL, REISS DICH GEFÄLLIGST ZUSAMMEN, BAKA!!!!" schalt er sich selbst in Gedanken. Sie bedeutete ihm gar nichts, kümmerte ihn nicht im geringsten! Aber wieso hatte er dann....?!
"Hiead."
Er hörte Ikhny seinen Namen sagen und wandte sich ihr zu. Wenngleich ihm weder die Augen aus dem Kopf noch die Kinnlade bis zum Boden fielen, weiteten sie sich vor Erstaunen und sein Mund öffnete sich leicht. Für den silberhaarigen Anwärter war das bereits eine Menge.
"Guten Abend. Wie findest du mich?"
"...."
"Ich wollte mir eigentlich die Haare hochstecken, aber Saki meinte, so wäre es hübscher."
"...."
"Das Kleid habe ich von meiner Mutter geschenkt bekommen. Tut mir leid, dass es nicht besonders ausgeschmückt ist, aber ich mag es lieber etwas dezenter."
"...."
"Die Farbe ist vielleicht einen Ton zu dunkel für mich, aber ich gefalle mir ausnahmsweise einmal. Was meinst du?"
"...."
"Hiead? Hast du mir überhaupt zugehört?"
Ikhny wartete ab, sichtlich darüber verwundert, dass ihr Partner sich dermaßen lange in Schweigen hüllte. Im Grunde war das zwar nichts Ungewöhnliches, aber so reagierte er doch nicht, wenn man eine Frage an ihn richtete?
".....Das Kleid....ist wirklich hübsch. Du solltest es tragen."
"Aber - ich trage es doch?"
"....Natürlich. Ich...."
"Ja?"
"....ich wollte nur...."
"Ein Kompliment machen?"
Er nickte kaum merklich. Eigenartigerweise schien es dem Mädchen, als ob er erröte. Aus den Augenwinkeln verfolgte sie, wie Zero und Kizuna gerade walzertanzend durch den Saal schwebten. Sie vollführte einen höflichen Knicks.
"Was willst du?"
"Tanzen."
"Von mir aus." grollte er, ergriff ihre Hand und sie reihten sich unter den Paaren auf der Tanzfläche ein. Als er seinen Arm um ihre schlanke, anmutige Taille legte, schluckte er unwillkürlich aus Nervosität. Sie war bezaubernd. "Streich das!" befahl ihm sein Verstand, doch irgendetwas ganz tief in ihm konnte dem nur beipflichten. Was geschah bloß mit ihm?! Saki lächelte, als sie die beiden entdeckte und freute sich für Ikhny. Sie saß alleine auf einem Stuhl nahe der Bühne und unterhielt sich ein bisschen, indem sie die anderen beobachtete. Überrascht stellte sie fest, dass dies eine sehr spannende Sache sein konnte. Ein Seufzer entrang sich ihr. Auch wenn....ohne Clay war es eine enttäuschende und langweilige Veranstaltung.
"Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?" (*grins* Wer weiß, von wem das ist?)
Sie drehte sich verblüfft zu demjenigen, der sie angeredet hatte. Er trug einen vornehmen Anzug mit weißem Jackett und einer roten Rose im Knopfloch. Er lächelte charmant. Clay.
"Aber....was....was machst du denn hier? Du solltest doch auf der Krankenstation sein!"
"Mach dir keine Sorgen. Ich habe mit Schwester Yukine gesprochen. Sie hat mir erlaubt, für ein paar Stunden zu verschwinden. Ich kann dich doch nicht allein lassen."
"Aber...." Er hob ihr Gesicht mit einem Finger an und betrachtete sie eingehend.
"Du bist wunderschön, weißt du das?" Saki wurde feuerrot.
"Spinnst du?! Du schwindelst doch! Ich bin nicht...."
"Lass uns tanzen." Dem Mädchen war es, als würde sie träumen. Sie konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich wegen IHR gekommen war. Doch er war so wirklich und leibhaftig bei ihr wie er es nur irgend sein konnte, und so beschloss sie, einfach nur glücklich zu sein.
Wrecka, angetan mit einem himmelblauen Kleid, das mit Pailletten bestickt war, näherte sich mit wenig damenhaften Schritten ihrem großen Schwarm Rick, der - wie sollte es auch anders sein - von einer Traube aus weiblichen Personen umringt war. Sie schob sich in den Vordergrund und strahlte ihn an. Er fuhr sich ein wenig verlegen durchs Haar.
"Das ist mir jetzt peinlich. Habe ich dich nicht schon mal gesehen?"
"Ja. In der Kantine."
"Ach, ich erinnere mich. Wie heißt du?"
"Wrecka Toesing. Freut mich, dich kennen zu lernen."
"Die Freude ist ganz meinerseits."
"Wrecka!"
Anwärter 97 und das Mädchen blickten zu einem erbosten Jungen mit grünen Haaren, der mit verschränkten Armen dastand und äußerst ungehalten wirkte. Ricks Instinkt erkannte sofort, dass er hier einem anderen in die Quere kam und seine Sinne funkten ihm Alarmstufe Eins.
"Was ist denn? Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin!"
"Du hattest mir einen Tanz versprochen. Schon vergessen?"
"Kennst du ihn, Wrecka-chan?"
"Wie? Ach, das ist nur mein Partner." erklärte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. Roose starrte sie an, als wäre sie verrückt geworden. Sein Atem beschleunigte sich und seine Hände ballten sich schmerzhaft zu Fäusten. Rick begriff, dass nicht ER hier das Hauptproblem war, sondern Wrecka, die offensichtlich keine Ahnung hatte von den Gefühlen ihres Partners. Die Bombe war kurz vorm Explodieren.
",Nur' dein Partner?! NUR?!?! Ist das alles?!"
".....Klar. Natürlich ist das alles." erwiderte sie verständnislos und entschuldigte sich nachträglich bei ihrem Angebeteten für Roose' mangelndes Benehmen.
"Ich weiß gar nicht, was mit ihm los ist. Sonst ist er nicht so...." Als er sich ruckartig umwandte und ihr den Rücken zudrehte, bemerkte sie das leichte Zittern, das ihn durchlief.
"Ist dir kalt?"
"...." |"Roose?" | |"Ich bin nicht so attraktiv wie Solares, das habe ich | |längst kapiert....und ich bin auch nicht so | |super-selbstbewusst wie er. Aber er ist einer von den | |Typen, die mit den Herzen spielen. Er wird dich zum | |Weinen bringen." | |"Wie kannst du das behaupten? Du hast doch keinen | |Schimmer!" | |"......Wrecka. Ich sage es nur einmal. Wenn er dich | |Tränen vergießen lässt....erwarte nicht, dass ich es| |sein werde, der sie trocknet." | |Sie sah ihm nach, wie er die Aula verließ. Und sie | |hatte das unbestimmte Gefühl, als fiele eine | |unüberwindliche Schlucht zwischen sie und ihn....Sie | |fröstelte. | |Yamagi hatte das Gespräch aus knapper Entfernung | |verfolgt. Schritte erklangen hinter ihm, doch er wusste| |bereits, um wen es sich handelte. | |"Ich hatte befürchtet, dass es soweit kommt." | |"Echt? Dafür, dass du so weitsichtig bist, verstehst | |du erstaunlich wenig." | |Tsukasa zuckte angesichts seiner harten Worte zusammen.| |Weshalb war seine Laune bloß so miserabel? Schon seit | |der Eröffnung des Festes verhielt er sich ihr | |gegenüber abweisend und verachtend. Hatte sie ihn | |irgendwie verletzt? Aber wann? Und wie? | |"Das ist nicht nett. Du tust ja gerade so, als wenn ich| |genau wie Wrecka die offenkundigsten Gefühle einfach | |nicht erkennen würde. In dieser Beziehung bin ich | |anders." | |Yamagi nahm einen tiefen Schluck Partybowle und setzte | |sein Glas langsam ab. Dann erhob er sich von seinem | |Platz und sah Tsukasa, mit der er sich mittlerweile auf| |gleicher Höhe befand, direkt in die Augen. Seine | |Lippen bebten. | |"Nein. In dieser Beziehung bist du genau wie sie." | | | |Phil Phleira schüttelte wild den Kopf. "Nein! Das geht| |nicht!" | |"Hä? Warum denn nicht? Okay, ein jahrtausendealter | |Song, klar, aber schön ist er trotzdem. Und absolut | |geeignet für romantische Stimmung!" Rioroute sprang | |auf die Bühne und flüsterte dem Bandleader etwas ins | |Ohr. Dieser nickte grinsend und steckte mit seinen | |Leuten die Köpfe zusammen. "Aber....sollen wir | |wirklich darauf tanzen?" | |"Warum nicht? Fürchtest du dich in meiner Nähe?" | |erkundigte er sich mit einem zärtlichen Unterton in | |der Stimme und Phil Phleira wechselte in | |Sekundenbruchteilen die Gesichtsfarbe und wurde rot wie| |ein Klatschmohn. Die Musik setzte wieder ein - mit | |"Hungry Eyes" (Yeah! Wer kennt Dirty Dancing? Ich liebe| |dieses Lied!). | | | |I've been meaning to tell you | |I've got this feelin' that won't subside | |I look at you and I fantasize | |You're mine tonight | |Now I've got you in my sights | | | |Rio schloss seine Partnerin fest in die Arme und tanzte| |wie noch nie zuvor. Die junge Frau hatte den Eindruck, | |als sei ihre gesamte Umgebung ausgelöscht worden. Es | |gab nur noch ihn, ihn und seinen warmen Atem an ihrer | |Wange, den behutsamen Halt seiner Hände und das | |liebevolle Strahlen seiner Augen. Yu und Kazuhi | |tauschten einen vielsagenden Blick. Erts lächelte und | |Tune prostete ihm mit einem Glas Sekt zu. Leena | |klatschte einmal begeistert. Selbst Galew ließ sich zu| |einem "Peace"-Zeichen herab, um seinen Freund zu | |beglückwünschen. | | | |With these hungry eyes | |One look at you and I can't disguise | |I've got hungry eyes | |I feel the magic between you and I | | | |Kizuna spürte Zeros unmittelbare Nähe und die | |geschmeidigen Bewegungen seines Körpers. Er war ein | |guter Tänzer, ohne Zweifel. Seine starken Arme | |führten sie sacht und sicher, seine atemberaubenden | |Augen ließen nicht eine Sekunde von ihr. All ihre | |Sinne waren wie losgelöst von allem Wirklichen. Der | |Junge registrierte Einzelheiten an ihr, die ihm vorher | |nie aufgefallen waren - den wundervollen Duft nach | |Kirschblüten beispielsweise, die langen Wimpern oder | |die schön gebogenen Brauen. Oder dass sie eine süße,| |kecke Nase besaß. | |"Kizuna...." flüsterte er sanft, während er sie | |umschlungen hielt. | |"Zero...." | | | |I want to hold you so hear me out | |I want to show you what love's all about | |Darlin' tonight | |Now I've got you in my sights | | | |Clay wusste nichts mehr. Ihm schien es, als hätten | |sich all sein Schulwissen, seine Bücher, seine | |Studien, irgendwo im Nichts verloren. Sakis wohltuende | |Wärme auf sich einströmen zu fühlen, ihren Blick auf| |sich gerichtet und in das rubinfarbene Meer ihrer Augen| |einzutauchen, all das entschädigte ihn für jedwede | |Anstrengung. Das Mädchen drückte ihre Wange an seine | |Brust und lauschte seinem Herzschlag und seinen | |regelmäßigen Atemzügen. Von ihm ging unendlich viel | |Geborgenheit aus. Sie würde ihn niemals mehr | |loslassen.... | | | |With these hungry eyes | |One look at you and I can't disguise | |I've got hungry eyes | |I feel the magic between you and I | |Hungry eyes | |Now I've got you in my sights | |With those hungry eyes | |Now did I take you by surprise. | | | |Hiead ließ Ikhny drehen. Es war wohl das erste Mal in | |seinem Leben, dass er etwas empfand, das mit Freude | |vergleichbar war. Egal, wie oft er sich einredete, | |nichts für seine Partnerin übrig zu haben, wurde ihm | |immer stärker bewusst, wie froh er war, wenn er sie | |lächeln oder gar lachen sah, so wie heute. Sie | |beendete die Drehung und er wollte sie wieder an sich | |ziehen, geriet aber aus dem Takt. Das Ergebnis war, | |dass sie ihm direkt in die Arme fiel. Beide rührten | |sich nicht, obwohl die Musik weiterspielte. | | | |I need you to see | |This love was meant to be | | | |Vorsichtig hob sie den Kopf, nur, um festzustellen, | |dass sein Gesicht nur noch ein paar Zentimeter von dem | |ihren entfernt war. Er starrte sie an, als sähe er sie| |zum ersten Mal. Errötend senkte sie die Lider und | |blickte zur Seite. "Verzeih...." bat sie leise. | |"Das macht nichts....Ikhny." | |Ja. Er sagte "Ikhny" - nicht "Allecto". | |"Hiead...." | | | |I've got hungry eyes | |One look at you and I can't disguise | |I've got hungry eyes | |I feel the magic between you and I | |Hungry eyes | |Now I've got you in my sights | |With those hungry eyes | |Did I take you by surprise | |Hungry eyes | |... | | | |Teela war nicht auf dem Ball. Sie stattete - wieder | |einmal - den Göttinnen einen Besuch ab. Ihr Blick | |ruhte auf dem Letzten Planeten, Zion. | |"Bald ist es soweit....bald." | | | | | |Wer träumt, dem wachsen Flügel. | |Die nächste Folge heißt: "Curriculum 04: Gefecht" |
Tsukasa, normalerweise ein Ausbund an Ruhe und Geduld, warf ihrer Zimmergenossin Wrecka einen missbilligenden Blick zu. Das blauhaarige Mädchen wirbelte zwischen ihrem Schrank und dem Bett hin und her, nahm ein Kleidungsstück heraus und warf es auf die unordentlich gemachten Laken, wenn sie nicht zufrieden war.
"Hilf mir, Tsukasaaaaaaa! Ich habe nichts anzuziehen!"
"Was bist du überhaupt so aufgeregt? Es hat dich doch noch gar keiner eingeladen!"
"Na und?! Ich muss für Rick einfach umwerfend aussehen! So umwerfend, dass er sich gleich Hals über Kopf in mich verliebt, jawohl!!"
"Du spinnst doch."
Wrecka ging auf diese Bemerkung nicht weiter ein, statt dessen kramte sie erneut in ihrem Schrank, schien aber nicht fündig zu werden.
"Weißt du, mit wem Kizuna hingeht?" fragte sie, während sie in die unergründlichen Tiefen einer Schublade tauchte, in der vagen Hoffnung, das Kleid, das sie suchte, in einem Anfall geistiger Umnachtung dort hineingestopft zu haben.
"Nein. Warum? Ist das wichtig?"
"Tsukasa! Wie kannst du da bloß so ruhig stehen und so eine bescheuerte Frage stellen?! Natürlich ist das wichtig! Es geht hier schließlich um eine Ver-ab-re-dung! Ich sage es dir - mit Zero! Ich kann's nicht fassen!"
"Wieso nicht?"
"He! Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Ich bin neidisch!"
"Weshalb?"
"Du treibst mich noch in den Wahnsinn!! Kriegst du eigentlich irgendwas von dem mit, was um dich herum vorgeht?! Weil der Kerl verdammt süß ist, deswegen!"
Tsukasa zuckte gelangweilt die Achseln. Ihr gemessener Gesichtsausdruck änderte sich kein bisschen. Offenbar spielte es für sie tatsächlich keine Rolle.
"Du hast doch Rick."
"Und was ist mit dir?! Er gefällt dir doch auch!"
"Sicher. Aber das ist noch lange kein Grund, hysterisch zu werden."
"Hysterisch! Wer ist denn hier hysterisch? Ich wollte nur festhalten, dass ich nie gedacht hätte, dass Kizuna endlich kapiert, was sie eigentlich für einen schnuckeligen Partner hat! Für mich gibt es natürlich nur einen, und das ist Rick! Schlag ihn dir aus dem Kopf, Tsukasa."
"Diese Entscheidung solltest du besser ihm überlassen."
"Ach Blödsinn! Wie denn? Er weiß doch nichts von meinen Gefühlen! Er merkt es garantiert nicht, Männer merken nie etwas!"
"Und wie willst du an seinen ganzen Verehrerinnen vorbeikommen?"
"Da wird mir schon was einfallen!"
"Und Roose?"
Wrecka förderte einen mottenzerfressenen Pullover zu Tage, den sie angeekelt wegwarf und einen Strumpf, von dem sie angenommen hatte, er sei während der letzten Wäsche verloren-gegangen. Sie hielt in ihren Bewegungen inne und starrte ihre Freundin verwirrt an.
"Was hat Roose damit zu tun?"
"So. Du hast keine Ahnung. Und MÄNNER merken nie etwas, wie?"
"Was meinst du?"
"Na was schon."
"Hä?"
"Wrecka, du bist blind, wirklich blind. Es ist doch offensichtlich."
"Was?"
"Ich geb's auf...."
Hinter der Tür gegenüber, wo die Nummern 87-89 hingen, führte eine strahlende Kizuna gerade ihr Ballkleid vor. Es war rot, schulterfrei und betonte ihre Figur. Um die Taille war eine weiße Schärpe gebunden, hinten schmetterlingsartig geknüpft, was ihre Freundinnen besonders hübsch fanden. Das Kleid besaß auch einen Rückenausschnitt, was Saki zu dem Kommentar "Ein schöner Rücken kann auch entzücken." veranlasste. Das Bild wurde durch die langen weißen Handschuhe und die schlichte goldene Halskette vervollkommnet.
"Du siehst wunderbar aus, Kizuna" rief Ikhny begeistert, "Wie eine richtige Dame!"
"Vielen Dank." Ihre Wangen röteten sich und sie lächelte glücklich.
"Ich meine das ganz ernst." fuhr das Mädchen mit der Brille fort. "Aber Verliebtheit ist immer noch der beste Schmuck für eine Frau. Da kann ich kaum mithalten."
"Was heißt das schon wieder?" mischte sich Saki ein. "Das stimmt nicht. Hiead werden erstens die Augen aus dem Kopf fallen und zweitens die Kinnlade bis zum Boden knallen (das müsst Ihr Euch mal bildlich vorstellen ^__^), wenn er dich sieht, da wette ich mit dir!"
Mit ihrem einfachen, aber doch elegant geschnittenen Kleid, gehalten in dunklem Blau, gegen das sich ihre perlengleiche Haut besonders reizvoll abhob, dem zarten Schmuck und dem in weichen Wellen herabfallenden braunen Haar, wirkte sie einfach umwerfend, jedenfalls aus der Sicht von Kizuna und Saki. Ob Hiead derselben Meinung sein würde? Sie erinnerte sich, wie schon einige Male zuvor, an das, was er heute nach dem Frühstück zu ihr gesagt hatte, nachdem Rick wohlweislich das Weite gesucht hatte - "...Er baggert dich bloß an, weil du hübsch bist...." Er hatte sie wahrhaftig "hübsch" genannt. Nervös senkte sie die Lider. Seltsam. Warum wurde ihr plötzlich so warm ums Herz, wenn sie an ihren Partner dachte?
Um sich abzulenken, wandte sie sich an das rothaarige Mädchen. "Willst du wirklich allein zum Fest gehen?"
"Ja. Ohne Clay wird es zwar nicht dasselbe sein, aber ich möchte trotzdem versuchen, Spaß zu haben." Ursprünglich hatte sie den Abend bei ihm verbringen wollen, damit er sich auf der Krankenstation nicht so einsam fühlte, doch seit sie ihn geküsst hatte, wagte sie es nicht mehr, ihm unter die Augen zu treten, jedenfalls nicht am selben Tag.
"Schade, dass Clay dich nicht zu Gesicht kriegt", schmunzelte die katzenohrige Lotsin und zwinkerte Saki vergnügt zu. "Du siehst super aus, ehrlich!"
Das Kleid, das sie ausgewählt hatte, war grün, mit einem weit fallenden Rock und langen Ärmeln. Es schien direkt aus einem Märchen zu stammen (also, es soll dem ähneln, das Aurora in Disney's "Dornröschen" trägt - herrje, hat jemand den Film gesehen? Na, behelft Euch ein bisschen mit Eurer Fantasie, was Königliches eben!). Zudem trug sie ihr Haar auch nicht zu zwei Zöpfen gebunden wie sonst, sondern es fiel offen herab und umrahmte ihr Gesicht wie ein Umhang aus Seide.
"VERDAMMT!!!"
"Was war das?" wisperte Ikhny, nachdem der Aufschrei verklungen war.
"Nichts besonderes", entgegnete Kizuna nüchtern, "Das ist nur Wrecka. Sie hat mal wieder nichts Passendes zum Anziehen."
Zero besuchte währenddessen Clay. Es wurmte ihn, dass sein Freund nicht bei dem Fest dabei sein konnte und wollte vorher noch einmal mit ihm sprechen.
"Wie fühlst du dich? Besser?"
"Na klar, Dr. Croford ist eine gute Ärztin, sie hat mich schnell wieder zusammengeflickt. Ich brauche nur ein bisschen Ruhe, damit die Verletzungen ausheilen können, besonders die Kopfwunde. Du gehst doch auf den Ball, oder?" Zero nickte.
"Mit wem?"
"Äh....mit....Kizuna."
"Was, echt? Ich gratuliere. Wurde ja auch langsam Zeit...."
"Wie? Was? Was meinst du denn damit?"
"Na, denkst du, mir wäre noch nicht aufgefallen, wie verträumt und gedankenverloren du sie manchmal ansiehst?" Der Junge, der am Bettrand saß, wurde über und über rot. Clay musste grinsen.
"Wenn du so weitermachst, wird sich jede Tomate aus Scham vor dir verstecken müssen. Kein Grund, verlegen zu werden. Alles völlig normal."
"Erspar mir deine Ausführungen, sei so gut. Übrigens....ich habe Ikhny getroffen. Sie hat mir anvertraut, dass Saki ein wundervolles Kleid ausgesucht hätte, gestern schon. Willst du mehr darüber wissen?"
"Wieso sollte ich?" entgegnete Clay, konnte es aber nicht verhindern, rosige Wangen zu bekommen. In blumigen Worten bemühte sich Zero daraufhin, seinem Kameraden das Gewand näher zu beschreiben. Seine Schilderung schien, wie er nach einer Weile erkannte, eindringlich genug zu sein. Sein Gegenüber schwieg nämlich bedeutsam, denn er sah seine Partnerin plötzlich vor sich, in einem smaragdgrünen, wallenden Kleid, das rote Haar offen über ihre elfenbeinfarbenen Schultern fallend....Er musste den Atem anhalten bei der Vorstellung. Ihr Kuss drängte in seine Gedanken. Warum hatte sie das getan? Sollte sie wirklich etwas für ihn empfinden? Ausgerechnet ihn?
"Ach, Clay, noch etwas....Ich weiß zwar, dass du erst übermorgen raus darfst, aber....falls....und so....ich habe deinen Smoking aus dem Schrank geholt und für dich bereitgelegt....wenn du Lust hast....wir verstehen uns?"
Es blieb einen Moment still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
"Ja, Zero. Wir verstehen uns vollkommen."
Es war Abend geworden. Die Schüler, Schülerinnen und das Lehrpersonal von GOA fanden sich nach und nach alle in der Aula ein, die festlich geschmückt worden war. Nachdem der Leiter der Akademie den Ball eröffnet hatte, bezog eine Band auf der Bühne Aufstellung und begann zu spielen. Dr. Croford verfolgte mit Genugtuung, wie sich rasch viele Paare auf der Tanzfläche zusammenfanden. Neben ihr stand Azuma, trotz schwarzem Anzug mit seiner unvermeidlichen Brille erschienen. "Du hättest das Ding absetzen können. Hast du Angst, anderenfalls nicht erkannt zu werden?"
"Unsinn!"
"Was soll das dann? Na, auch egal - möchtest du tanzen?"
"Ich habe zwei linke Füße, das weißt du genau, Rill!"
"Wer's glaubt. Komm schon, zier dich nicht, Hijikata! Los!" Ohne auf seinen Protest zu achten, nahm sie ihn an der Hand und schleifte ihn auf die Tanzfläche. Nach einiger Zeit meinte der Ausbilder genervt: "Rill...."
"Ja? Was ist?"
"Du bist doch die Dame, nicht wahr?"
"Selbstverständlich. Was soll diese dumme Frage?"
"Ich bin der Herr. Also führe ich, nicht du! Ist dir schon aufgefallen, dass uns alle so komisch anschauen?"
"Eh? Oh - hoppla...."
Die Musik setzte aus und die beiden Erwachsenen eilten an ihren Tisch. Rioroute, der, Phil Phleira am Arm, gerade hereinkam, konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen. Auch seine Partnerin kicherte leise. Hinter den beiden betraten Erts und Tune den Saal, dicht gefolgt von Yu und seiner Schwester Kazuhi. Das Schlusslicht bildeten ein angesäuerter Galew im Smoking und eine freudestrahlende Leena.
"Es steht dir super!"
"Von wegen! Ich sehe einfach beschi...."
"GALEW!!!!"
"....bescheiden aus." vollendete der Pilot der blauen Göttin verstimmt seinen Satz. Er fand diese Klamotten einfach viel zu steif und unangenehm, als dass er sich darin hätte wohlfühlen können. Tune wagte ein schmales Lächeln und auch Erts wirkte sehr heiter und gelöst. Selbst Yu, von Gareas insgeheim als "Mr. Pokerface" betitelt, deutete ein Lächeln an. Und was Rio betraf - der schwebte ohnehin in anderen Sphären! Er schnaufte mürrisch durch die Nase und verzog gleich darauf das Gesicht, weil Leena ihm auf den Fuß gestiegen war.
"Du amüsierst dich jetzt gefälligst - oder tu so, als ob! Du verdirbst noch allen die Laune!"
"Ist ja gut...."
Zero stand vor Kizuna und musterte sie sprachlos von oben bis unten. Seine Partnerin tat jedoch genau dasselbe, denn der elegante Anzug verlieh ihm ein etwas reiferes Aussehen.
"Wunderschön." erklärte er ehrlich.
"Du siehst heute Abend sehr gut aus, Zero." erwiderte Kizuna und blickte verlegen zur Seite. Er hielt ihr die Hand hin und fragte: "Würdest du mir diesen Tanz schenken?" Das Licht der Lampen umspielte sein Antlitz und zauberte ein helles Leuchten in seine Augen. Zögernd legte sie ihre Hand in die seine. Sie hob den Blick und versank zum wiederholten Male in den herrlichen Saphiren, die ihr entgegen funkelten.
"Ja, sehr gern."
Hiead indessen, lehnte am Panoramafenster (also, äh, haben die da eins? Na, in meiner Story schon!) und betrachtete die glitzernden Sterne in dem schwarzen Mantel des Alls. Obwohl er ursprünglich keine Lust gehabt hatte, zum Ball zu gehen, hatte er sich dank Solares rasch dazu entschieden, es doch zu tun. Nein, verdammt! Er - war - NICHT - eifersüchtig!! Warum sollte er?! Seine schwächliche, ängstliche Partnerin, die....die ihn immer wieder so ansah mit ihren warmen braunen Augen, in denen er lesen konnte, dass sie ahnte, dass sich etwas hinter seiner kalten, abweisenden Maske verbarg. Ihre Sanftheit und ihr schüchternes Wesen, das einen den fast unwiderstehlichen Drang verspüren ließ, sie beschützen zu wollen....
"ZUM TEUFEL NOCH EINMAL, REISS DICH GEFÄLLIGST ZUSAMMEN, BAKA!!!!" schalt er sich selbst in Gedanken. Sie bedeutete ihm gar nichts, kümmerte ihn nicht im geringsten! Aber wieso hatte er dann....?!
"Hiead."
Er hörte Ikhny seinen Namen sagen und wandte sich ihr zu. Wenngleich ihm weder die Augen aus dem Kopf noch die Kinnlade bis zum Boden fielen, weiteten sie sich vor Erstaunen und sein Mund öffnete sich leicht. Für den silberhaarigen Anwärter war das bereits eine Menge.
"Guten Abend. Wie findest du mich?"
"...."
"Ich wollte mir eigentlich die Haare hochstecken, aber Saki meinte, so wäre es hübscher."
"...."
"Das Kleid habe ich von meiner Mutter geschenkt bekommen. Tut mir leid, dass es nicht besonders ausgeschmückt ist, aber ich mag es lieber etwas dezenter."
"...."
"Die Farbe ist vielleicht einen Ton zu dunkel für mich, aber ich gefalle mir ausnahmsweise einmal. Was meinst du?"
"...."
"Hiead? Hast du mir überhaupt zugehört?"
Ikhny wartete ab, sichtlich darüber verwundert, dass ihr Partner sich dermaßen lange in Schweigen hüllte. Im Grunde war das zwar nichts Ungewöhnliches, aber so reagierte er doch nicht, wenn man eine Frage an ihn richtete?
".....Das Kleid....ist wirklich hübsch. Du solltest es tragen."
"Aber - ich trage es doch?"
"....Natürlich. Ich...."
"Ja?"
"....ich wollte nur...."
"Ein Kompliment machen?"
Er nickte kaum merklich. Eigenartigerweise schien es dem Mädchen, als ob er erröte. Aus den Augenwinkeln verfolgte sie, wie Zero und Kizuna gerade walzertanzend durch den Saal schwebten. Sie vollführte einen höflichen Knicks.
"Was willst du?"
"Tanzen."
"Von mir aus." grollte er, ergriff ihre Hand und sie reihten sich unter den Paaren auf der Tanzfläche ein. Als er seinen Arm um ihre schlanke, anmutige Taille legte, schluckte er unwillkürlich aus Nervosität. Sie war bezaubernd. "Streich das!" befahl ihm sein Verstand, doch irgendetwas ganz tief in ihm konnte dem nur beipflichten. Was geschah bloß mit ihm?! Saki lächelte, als sie die beiden entdeckte und freute sich für Ikhny. Sie saß alleine auf einem Stuhl nahe der Bühne und unterhielt sich ein bisschen, indem sie die anderen beobachtete. Überrascht stellte sie fest, dass dies eine sehr spannende Sache sein konnte. Ein Seufzer entrang sich ihr. Auch wenn....ohne Clay war es eine enttäuschende und langweilige Veranstaltung.
"Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?" (*grins* Wer weiß, von wem das ist?)
Sie drehte sich verblüfft zu demjenigen, der sie angeredet hatte. Er trug einen vornehmen Anzug mit weißem Jackett und einer roten Rose im Knopfloch. Er lächelte charmant. Clay.
"Aber....was....was machst du denn hier? Du solltest doch auf der Krankenstation sein!"
"Mach dir keine Sorgen. Ich habe mit Schwester Yukine gesprochen. Sie hat mir erlaubt, für ein paar Stunden zu verschwinden. Ich kann dich doch nicht allein lassen."
"Aber...." Er hob ihr Gesicht mit einem Finger an und betrachtete sie eingehend.
"Du bist wunderschön, weißt du das?" Saki wurde feuerrot.
"Spinnst du?! Du schwindelst doch! Ich bin nicht...."
"Lass uns tanzen." Dem Mädchen war es, als würde sie träumen. Sie konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich wegen IHR gekommen war. Doch er war so wirklich und leibhaftig bei ihr wie er es nur irgend sein konnte, und so beschloss sie, einfach nur glücklich zu sein.
Wrecka, angetan mit einem himmelblauen Kleid, das mit Pailletten bestickt war, näherte sich mit wenig damenhaften Schritten ihrem großen Schwarm Rick, der - wie sollte es auch anders sein - von einer Traube aus weiblichen Personen umringt war. Sie schob sich in den Vordergrund und strahlte ihn an. Er fuhr sich ein wenig verlegen durchs Haar.
"Das ist mir jetzt peinlich. Habe ich dich nicht schon mal gesehen?"
"Ja. In der Kantine."
"Ach, ich erinnere mich. Wie heißt du?"
"Wrecka Toesing. Freut mich, dich kennen zu lernen."
"Die Freude ist ganz meinerseits."
"Wrecka!"
Anwärter 97 und das Mädchen blickten zu einem erbosten Jungen mit grünen Haaren, der mit verschränkten Armen dastand und äußerst ungehalten wirkte. Ricks Instinkt erkannte sofort, dass er hier einem anderen in die Quere kam und seine Sinne funkten ihm Alarmstufe Eins.
"Was ist denn? Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin!"
"Du hattest mir einen Tanz versprochen. Schon vergessen?"
"Kennst du ihn, Wrecka-chan?"
"Wie? Ach, das ist nur mein Partner." erklärte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. Roose starrte sie an, als wäre sie verrückt geworden. Sein Atem beschleunigte sich und seine Hände ballten sich schmerzhaft zu Fäusten. Rick begriff, dass nicht ER hier das Hauptproblem war, sondern Wrecka, die offensichtlich keine Ahnung hatte von den Gefühlen ihres Partners. Die Bombe war kurz vorm Explodieren.
",Nur' dein Partner?! NUR?!?! Ist das alles?!"
".....Klar. Natürlich ist das alles." erwiderte sie verständnislos und entschuldigte sich nachträglich bei ihrem Angebeteten für Roose' mangelndes Benehmen.
"Ich weiß gar nicht, was mit ihm los ist. Sonst ist er nicht so...." Als er sich ruckartig umwandte und ihr den Rücken zudrehte, bemerkte sie das leichte Zittern, das ihn durchlief.
"Ist dir kalt?"
"...." |"Roose?" | |"Ich bin nicht so attraktiv wie Solares, das habe ich | |längst kapiert....und ich bin auch nicht so | |super-selbstbewusst wie er. Aber er ist einer von den | |Typen, die mit den Herzen spielen. Er wird dich zum | |Weinen bringen." | |"Wie kannst du das behaupten? Du hast doch keinen | |Schimmer!" | |"......Wrecka. Ich sage es nur einmal. Wenn er dich | |Tränen vergießen lässt....erwarte nicht, dass ich es| |sein werde, der sie trocknet." | |Sie sah ihm nach, wie er die Aula verließ. Und sie | |hatte das unbestimmte Gefühl, als fiele eine | |unüberwindliche Schlucht zwischen sie und ihn....Sie | |fröstelte. | |Yamagi hatte das Gespräch aus knapper Entfernung | |verfolgt. Schritte erklangen hinter ihm, doch er wusste| |bereits, um wen es sich handelte. | |"Ich hatte befürchtet, dass es soweit kommt." | |"Echt? Dafür, dass du so weitsichtig bist, verstehst | |du erstaunlich wenig." | |Tsukasa zuckte angesichts seiner harten Worte zusammen.| |Weshalb war seine Laune bloß so miserabel? Schon seit | |der Eröffnung des Festes verhielt er sich ihr | |gegenüber abweisend und verachtend. Hatte sie ihn | |irgendwie verletzt? Aber wann? Und wie? | |"Das ist nicht nett. Du tust ja gerade so, als wenn ich| |genau wie Wrecka die offenkundigsten Gefühle einfach | |nicht erkennen würde. In dieser Beziehung bin ich | |anders." | |Yamagi nahm einen tiefen Schluck Partybowle und setzte | |sein Glas langsam ab. Dann erhob er sich von seinem | |Platz und sah Tsukasa, mit der er sich mittlerweile auf| |gleicher Höhe befand, direkt in die Augen. Seine | |Lippen bebten. | |"Nein. In dieser Beziehung bist du genau wie sie." | | | |Phil Phleira schüttelte wild den Kopf. "Nein! Das geht| |nicht!" | |"Hä? Warum denn nicht? Okay, ein jahrtausendealter | |Song, klar, aber schön ist er trotzdem. Und absolut | |geeignet für romantische Stimmung!" Rioroute sprang | |auf die Bühne und flüsterte dem Bandleader etwas ins | |Ohr. Dieser nickte grinsend und steckte mit seinen | |Leuten die Köpfe zusammen. "Aber....sollen wir | |wirklich darauf tanzen?" | |"Warum nicht? Fürchtest du dich in meiner Nähe?" | |erkundigte er sich mit einem zärtlichen Unterton in | |der Stimme und Phil Phleira wechselte in | |Sekundenbruchteilen die Gesichtsfarbe und wurde rot wie| |ein Klatschmohn. Die Musik setzte wieder ein - mit | |"Hungry Eyes" (Yeah! Wer kennt Dirty Dancing? Ich liebe| |dieses Lied!). | | | |I've been meaning to tell you | |I've got this feelin' that won't subside | |I look at you and I fantasize | |You're mine tonight | |Now I've got you in my sights | | | |Rio schloss seine Partnerin fest in die Arme und tanzte| |wie noch nie zuvor. Die junge Frau hatte den Eindruck, | |als sei ihre gesamte Umgebung ausgelöscht worden. Es | |gab nur noch ihn, ihn und seinen warmen Atem an ihrer | |Wange, den behutsamen Halt seiner Hände und das | |liebevolle Strahlen seiner Augen. Yu und Kazuhi | |tauschten einen vielsagenden Blick. Erts lächelte und | |Tune prostete ihm mit einem Glas Sekt zu. Leena | |klatschte einmal begeistert. Selbst Galew ließ sich zu| |einem "Peace"-Zeichen herab, um seinen Freund zu | |beglückwünschen. | | | |With these hungry eyes | |One look at you and I can't disguise | |I've got hungry eyes | |I feel the magic between you and I | | | |Kizuna spürte Zeros unmittelbare Nähe und die | |geschmeidigen Bewegungen seines Körpers. Er war ein | |guter Tänzer, ohne Zweifel. Seine starken Arme | |führten sie sacht und sicher, seine atemberaubenden | |Augen ließen nicht eine Sekunde von ihr. All ihre | |Sinne waren wie losgelöst von allem Wirklichen. Der | |Junge registrierte Einzelheiten an ihr, die ihm vorher | |nie aufgefallen waren - den wundervollen Duft nach | |Kirschblüten beispielsweise, die langen Wimpern oder | |die schön gebogenen Brauen. Oder dass sie eine süße,| |kecke Nase besaß. | |"Kizuna...." flüsterte er sanft, während er sie | |umschlungen hielt. | |"Zero...." | | | |I want to hold you so hear me out | |I want to show you what love's all about | |Darlin' tonight | |Now I've got you in my sights | | | |Clay wusste nichts mehr. Ihm schien es, als hätten | |sich all sein Schulwissen, seine Bücher, seine | |Studien, irgendwo im Nichts verloren. Sakis wohltuende | |Wärme auf sich einströmen zu fühlen, ihren Blick auf| |sich gerichtet und in das rubinfarbene Meer ihrer Augen| |einzutauchen, all das entschädigte ihn für jedwede | |Anstrengung. Das Mädchen drückte ihre Wange an seine | |Brust und lauschte seinem Herzschlag und seinen | |regelmäßigen Atemzügen. Von ihm ging unendlich viel | |Geborgenheit aus. Sie würde ihn niemals mehr | |loslassen.... | | | |With these hungry eyes | |One look at you and I can't disguise | |I've got hungry eyes | |I feel the magic between you and I | |Hungry eyes | |Now I've got you in my sights | |With those hungry eyes | |Now did I take you by surprise. | | | |Hiead ließ Ikhny drehen. Es war wohl das erste Mal in | |seinem Leben, dass er etwas empfand, das mit Freude | |vergleichbar war. Egal, wie oft er sich einredete, | |nichts für seine Partnerin übrig zu haben, wurde ihm | |immer stärker bewusst, wie froh er war, wenn er sie | |lächeln oder gar lachen sah, so wie heute. Sie | |beendete die Drehung und er wollte sie wieder an sich | |ziehen, geriet aber aus dem Takt. Das Ergebnis war, | |dass sie ihm direkt in die Arme fiel. Beide rührten | |sich nicht, obwohl die Musik weiterspielte. | | | |I need you to see | |This love was meant to be | | | |Vorsichtig hob sie den Kopf, nur, um festzustellen, | |dass sein Gesicht nur noch ein paar Zentimeter von dem | |ihren entfernt war. Er starrte sie an, als sähe er sie| |zum ersten Mal. Errötend senkte sie die Lider und | |blickte zur Seite. "Verzeih...." bat sie leise. | |"Das macht nichts....Ikhny." | |Ja. Er sagte "Ikhny" - nicht "Allecto". | |"Hiead...." | | | |I've got hungry eyes | |One look at you and I can't disguise | |I've got hungry eyes | |I feel the magic between you and I | |Hungry eyes | |Now I've got you in my sights | |With those hungry eyes | |Did I take you by surprise | |Hungry eyes | |... | | | |Teela war nicht auf dem Ball. Sie stattete - wieder | |einmal - den Göttinnen einen Besuch ab. Ihr Blick | |ruhte auf dem Letzten Planeten, Zion. | |"Bald ist es soweit....bald." | | | | | |Wer träumt, dem wachsen Flügel. | |Die nächste Folge heißt: "Curriculum 04: Gefecht" |
