Kapitel III: Nur wir beide

Es war soweit. Der gefürchtete Augenblick war endlich gekommen, und Snape dachte mit Grauen an seinen schweren Rucksack und den harten Sattel unter seinem Hintern, als er durch die Schlosstür nach draußen trat, wo Lupin bei den Rädern schon auf ihn wartete. Wie gern läge er jetzt noch im Bett, in seinem warmen, weichen Bett, die Decke bis ans Kinn über seinen Körper gezogen... So wie gestern. Nachdem Lupin ihm die Turnschuhe und das T-Shirt vorbeigebracht hatte – und noch 3 andere T-Shirts, Sonnencreme, eine Mütze(!), zwei Paar Tennissocken, diverse Töpfe und Pfannen, ein knallgelbes Schweißband und suspekt aussehende Müsliriegel mit solch exotischen Namen wie Nutri-fit und Power-bar – hatte er den restlichen Tag und die ganze Nacht verschlafen. Schließlich musste er Kräfte sammeln. Aber besonders angenehm war seine Ruhe nicht gewesen, da er von Alpträumen geplagt worden war, in denen Lupin unzählige lilafarbene Radlerhosen aus seinem Schrank gezaubert und sie ihm eigenhändig alle übereinander angezogen hatte.

Diese Hose... Das war auch so eine Sache. Als er sie zum ersten Mal angehabt und sich im Spiegel gesehen hatte, war er vor sich selbst weggerannt und fast in Tränen ausgebrochen. Er hatte nie gewusst, wie albern es aussah, dünne weiße Beine in enganliegende pinke, kurze Hosen zu stecken. Nur dass sie bei ihm nicht einmal wirklich eng anlagen. Er hatte sich über die Maßen gedemütigt gefühlt, und das, obwohl ihn noch nicht einmal jemand außer ihm selbst darin gesehen hatte. Und er wollte auch alles dafür tun, das zu vermeiden. Also hatte er beim Verlassen des Schlosses noch gewisse – Vorsichtsmaßnahmen getroffen.

„Hallo!", rief ihm Lupin erfreut entgegen, stutzte aber dann. „Warum hast du denn einen Bademantel an?"

„Denziehichnachheraus", grunzte Snape und stapfte an ihm vorbei zu seinem Fahrrad.

„Was?", fragte Lupin. „Hast du meine Sachen nicht angezogen? Haben sie dir nicht gepasst?"

„Doch", presste Snape zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich hab sie drunter an, okay? Ich werde hier vor den Schülern nicht wie ein Clown herumlaufen! Ich zieh den Bademantel aus, wenn wir den Berg runter sind."

Lupin zuckte die Achseln. Ziemlich verstimmt bemerkte Snape, dass Lupins Outfit an ihm nicht einen Bruchteil so jämmerlich aussah wie seines. Im Gegenteil schien er wie dafür geschaffen, enge Sporthosen und ebenso enganliegende, schulterfreie Oberteile zu tragen. Snape wusste nicht, ob er ihn dafür hassen oder beneiden sollte, aber so wie es sich anfühlte tat er sowieso schon beides.

Grantig griff er nach seinem Rucksack, den die Hauselfen herausgetragen hatten, und stöhnte auf. So schwer konnte der aber letztes Jahr nicht gewesen sein! Leidend sah er Lupin an, und der war sofort zur Stelle, hob den Rucksack hoch und hielt die Träger so, dass Snape mit den Armen hindurchschlüpfen konnte. Als er jedoch losließ, ging Snape unfreiwilligerweise etwas in die Knie und stieß die Luft, die noch in seinen Lungen gewesen war, mit einem leisen „Uff!"wieder aus.

„Nur nicht schwächeln", sagte Lupin und grinste. „Da kommt noch die Brotzeit rein!"

Snape wollte protestieren, aber Lupin war hinter ihm bereits zugange und quetschte ihm noch Brote in den Rucksack, und eine 1,5 Liter Flasche Wasser.

„So!", sagte er dann und rieb sich die Hände. „Wollen wir?"

„Wo ist Minerva?", fragte Snape, dem erst jetzt aufgegangen war, dass noch jemand fehlte. Der Ausdruck, den Lupins Gesicht daraufhin bekam, gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Sie... Nun ja... Wie soll ich sagen?"Er kratzte sich ziemlich hilflos am Hals.

„Sie kommt nicht mit?", fragte Snape ungläubig.

„Mhm..."Lupin trat von einem Bein aufs andere.

„Warum nicht?!"

„Weil..."

„Weil sie keine Frühjahrsmüdigkeit mehr hat?"Snapes Augen waren riesig. Er hoffte, dass das nur ein Scherz war. Sicher würde gleich Minerva durch die Türe geweht kommen, lediglich verspätet weil sie noch etwas wichtiges vergessen hatte – jedem einzelnen ihrer Schüler auf Wiedersehen zu sagen, zum Beispiel.

Lupins vorsichtiges Nicken zerstörte seine Hoffnung jedoch jäh, und er ging auf Lupin los und packte ihn am Kragen. Es gab aber nur sehr wenig zu packen, weil Lupins Shirt so eng anlag, und seine Finger glitten über den glatten Stoff ohne Halt zu finden. Frustriert, seinen Ärger nicht auf diese Weise untermalen zu können, trat er wieder zurück, ließ aber nicht davon ab, Lupin trotzdem anzuschreien.

"Soll das etwa heißen, dass ich diese bescheuerte Tour ganz alleine mit dir machen muss?!"Das musste ein Alptraum sein. Gleich würde er aufwachen. „Das kann doch nicht wahr sein, was habe ich verbrochen um das über mich ergehen lassen zu müssen? Bin ich denn nicht genug gestraft?"Er warf den Kopf zurück und riss die Arme nach oben. „WO SOLL DAS ALLES ENDEN??"

„Wenn wir Glück haben, bald wieder hier", unterbrach Lupin seine dramatische Selbstmitleidszeremonie, und schob ihm sein Rad vor die Füße. „Es wird schon nicht so schlimm! Das ist doch nett: Nur wir beide! Wir machen es uns schon lustig!"Er lächelte, und Snape hätte ihm am liebsten die Zähne eingeschlagen. Aber er riss ihm nur grob das Rad aus den Händen, schwang mühevoll, mit dem Gewicht des Rucksacks kämpfend, das Bein über den Sattel und trat mit düsterer Miene in die Pedale. Wütend segelte er den Burgberg hinab, und im Moment kümmerte es ihn nicht einmal, dass sein Bademantel schwungvoll hinter ihm herwehte und einen famosen Ausblick auf seine lila Radlerhosen freigab. Er konnte nur daran denken, dass er es die nächsten drei Tage ganz alleine mit Lupin aushalten musste. Niemand sonst auf weiter Flur außer sie beide. Mit Fahrrädern. Und Zelten.

Snape wusste nicht, ob es der Fahrtwind war oder sein Elend, was ihm die Tränen in die Augen trieb.