Kapitel XI: Trotzig im Dornbusch

Als Snape sich endlich soweit beruhigt hatte, dass er der Ansicht war, jetzt endlich pinkeln gehen zu können, machte ihm das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. Schon als er den kopf aus dem Zelt streckte, stieß er auf sein Hindernis – einen nackten Lupin.

Snape blieb der Mund offen stehen. Lupin stand mit dem Rücken zu ihm, und offenbar zog er sich gerade um. Seine alten Sachen lagen neben ihm auf dem Boden und er bückte sich gerade, um neue aus seinem Rucksack zu holen.

„Oh mein Gott", flüsterte Snape, und dann schrie er los. „OH MEIN GOTT!"

Lupin fuhr herum, nackt wie er war, und Snape fiel fast vornüber, als er seine Hände, auf die er sich eben noch gestützt hatte, in Windesweile vor sein Gesicht hob und seine Augen zuhielt. „Dreh dich nicht um, dreh dich nicht um!", schrie er, während er die Augen fest zusammenkniff und gleichzeitig noch die Hände drüber hatte.

Lupin lachte. „Du siehst doch sowieso nichts. Ich wollte mich nur eben umziehen!"

„Kannst du das nicht im Wald machen?!", brüllte Snape und stand, etwas wackelig, auf, um nicht vor einem nackten Lupin zu knien. Auch wenn er ihn nicht sehen konnte. „Zieh dich jetzt sofort an, was hast du denn für Manieren?!"

„Na hör mal", sagte Lupin, und Snape hörte seiner Stimme das Grinsen genau an. „Wir sind hier in der freien Natur, da gibt's keine Umkleidekabinen oder so. Und im Zelt warst du. Es dauert ja nicht lang, warte eben..."

Snape hörte ihn ein bisschen in seinem Rucksack kramen, und er konnte seine Finger gerade noch davon abhalten, sich etwas auseinanderzubiegen. Er wollte das nicht sehen. Basta. Nackte Werwölfe wollte niemand sehen. Selbst wenn sie Hintern aus Stahl hatten... hmmm... aus Stahl...

„Beeil dich mal", knurrte Snape, und er hörte ein leises Rascheln, und dann ein Kichern. „Fertig", sagte Lupin dann, und Snape nahm zögernd die Hände von den Augen. Lupin hatte eine Unterhose an, weiter nichts. Snape war sprach los.

„Das nennst du fertig?", schnaubte er.

„Reicht das nicht?", fragte Lupin und grinste. Er warf sich kurz in eine Pose, die Snape unglaublich albern fand – und unheimlich erregend. Er hätte aus der haut fahren können.

„Nein, das riecht nicht!", fauchte er Lupin an. „Und ohnehin bin ich nicht rausgekommen, um dir beim Umziehen zuzusehen! Ich wollte nämlich pinkeln gehen!"

„Da musst du wohl noch eine Weile warten."Lupins Grinsen wurde breiter, und Snape folgte seinem Blick an seinem Körper hinab. Oh nein. Diese verdammte Radlerhose. Nicht nur dass sie hässlich und peinlich war, sie war auch noch verräterisch. Das war Absicht gewesen, ganz sicher. Oh, dieser verdammte Werwolf...!

Snape beschloss, einfach gar nichts darauf zu antworten, sondern einfach den Rest seiner Würde zu bewahren, und er drehte sich um und stakste steifbeinig auf den Wald zu, wo er sich auf den erstbesten Baumstumpf setzte und das Gesicht in die Hände legte. Oh Gott, er war ja so unglaublich gedemütigt. Zuerst rückte Lupin ihm auf die Pelle, und dann zog er sich auch noch mitten vorm Zelt um... Ganz sicher machte er das mit Absicht, und jetzt gerade lachte er sich schief über ihn und die Blöße, die er sich gegeben hatte. So war er nämlich. Ein falscher Hund, und dabei tat er immer so freundlich. Alles Show, dachte Snape grimmig und stützte den Kopf in die Hände.

Am liebsten wäre er hier sitzen geblieben. Er wollte nicht mehr weiterfahren, er wollte Lupin nicht mehr gegenübertreten, mit seiner falschen Art und seinem dämlichen Grinsen, das er ihm gerne aus dem Gesicht küss... prügeln würde. Verdammt.

Snape hob den Kopf, als er Schritte hörte. Lupin? Schnell verstecken! Er sah sich gehetzt um, aber auf die Schnelle fiel ihm nur ein Busch ins Auge, in den er schnell hüpfte. Unglücklicherweise war es ein Dornbusch. Snape stöhnte gequält auf, als sich die Dornen in seiner Haut und seiner Hose festhakten, und verstecken konnte er sich auch nicht richtig. Eigentlich stand er nur mitten im Busch und konnte weder vor noch zurück. Aber das würde er vor Lupin niemals zugeben.

Der kam jetzt, vollständig bekleidet, herbeigestiefelt. Snape verschränkte die Arme vor der Brust und sah weg von ihm.

„Du stehst in einem Dornbusch", sagte Lupin.

Toll bemerkt, dachte Snape böse und ignorierte Lupin noch vehementer.

„Du solltest da rauskommen. Dein Frühstück wartet."

Snape sagte nichts.

„Redest du nicht mit mir?"

Schweigen.

„Das ist schade", sagte Lupin. „Wirklich... Das wird ganz schön langweilig, wenn keiner mit mir redet."

„Du redest doch eh die ganze Zeit alleine", knurrte Snape leise. Lupins Mundwinkel hoben sich wenige Millimeter, aber sein Gesicht blieb ernst.

„Das mache ich doch nur, damit du ein wenig unterhalten wirst und nicht immer daran denken musst, wie schrecklich du diese Tour findest", sagte er und lächelte ganz leicht.

„Ich finde sie aber trotzdem schrecklich", sagte Snape ungehalten und sah Lupin von der Seite an. „Da nützen auch deine todlangweiligen Geschichten von dir und deinem Vetter nichts."

Lupin schmunzelte. „Willst du nicht mal was erzählen?"

„Nein."

„Soll ich dir beibringen, wie man freihändig fährt?"

Snape drehte den Kopf und sah ihn direkt an. Er ließ die Arme sinken und legte den kopf leicht schief. „Würdest du?"

„Klar!"

„Du meinst, ich... ich könnte das?"

„Na, aber sicher! Jeder kann das! Es ist kinderleicht."Lupin strahlte ihn an. Snape war immer noch ein wenig skeptisch, aber wenn Lupin ihm das zutraute... Auf einmal fühlte er sich etwas besser, und er machte einen Schritt nach vorne, aber der Busch war dagegen und hielt ihn fest.

„Ich helfe dir", sagte Lupin sofort und eilte zu ihm. Er hielt die Dornen ein wenig weg, und es schien ihm gar nichts auszumachen, dass dabei seine eigenen Hände zerkratzt wurden. Schließlich konnte Snape mit einiger Mühe aus dem Gebüsch steigen, und gemeinsam mit Lupin zum Frühstücken gehen. Es gab Ravioli aus der Dose, aber irgendwie schmeckten sie gar nicht so schlecht, fand Snape. Er hatte schon schlechter gegessen.