Warnung: Ich habe mich in diesem
Kapitel in knappen Teilen auf den letzten Band des Mangas bezogen. Jedoch habe
ich mich bemüht, mich dabei so weit zurückgehalten, dass sich dadurch niemand
gestört fühlen sollte, der das Ende noch nicht kennt. Sprich: Es stecken keine
wirklichen Spoiler drin. Ach ja, unbedingt möchte ich euch noch beruhigen: dies
ist kein Drama und auch keine Darkfic. Nur der Anfang ist etwas
schwer und tragend. Lasst euch bitte, bitte dadurch nicht abschrecken!
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Es war dunkel, doch er erkannte ihr Gesicht genau, sah den Schmerz, der sich
darin festgebissen hatte und partout nicht loslassen wollte, nahm ihre Gedanken
in sich auf, obwohl sie nicht sprach und die Augen verschlossen hatte. Ihre
Haut war blass und von tiefen Kratzern und Schürfwunden gekennzeichnet. Genauso
war es seine eigene. Doch für ihn bestand nicht der geringste Zweifel, dass ihr
Wohl für ihn immer an oberste Stelle stand. Vor ihm selbst, aber auch vor allen
anderen. Ein Leben ohne sie war einfach... unvorstellbar.
Mit der Zungenspitze fuhr er sich langsam über die aufgerissenen Lippen. Auf
ihrer verkrusteten Oberfläche lag ein metallischer Geschmack. Es war das Blut,
das bereits viele Stunden zuvor getrocknet war. Doch er weigerte sich,
aufzustehen, um sich zu waschen. So konnte er sie doch nicht alleine lassen.
Sie brauchte ihn jetzt. Auch wenn sie nicht bei Bewusstsein war, sie würde es
spüren, wenn er bei ihr blieb, da war er sich ganz sicher. Ihr Krankenbett
wirkte beinahe wie ein Sarg. Das ganze Zimmer wirkte wie eine Gruft. Dunkel und
kühl war es. Dunkelheit war immer gut in solchen Situationen. Licht konnte er
nun wirklich nicht gebrauchen. Licht kann so vieles enthüllen, was manchmal
doch besser im Verborgenen bleiben sollte. Licht kann schmerzen und Dinge
beleuchten, die nicht für das Tageslicht und das weltliche Dasein bestimmt
sind. Es kann Erinnerungen hervorrufen, die man am liebsten verdrängen würde.
Es vermag Tränen hell auffunkeln zu lassen, welche sonst still und heimlich
ihren Weg flossen, ohne dass je irgendjemand darüber ein Wort verlieren würde.
Nein... Licht war nicht nötig. Dunkelheit war gut. Sie war sicher und
schützend. Darüber hinaus würde zu helles Licht ohnehin nur ihren Augen
schaden, wahrscheinlich sogar ein unangenehmes Stechen hervorrufen, wenn sie
irgendwann aufwachen würde. Falsch... 'Würde' war hier unangebracht. Der
Konjunktiv in seinem Kopf war überflüssig und viel zu aufdringlich. Es war eine
Tatsache, dass sie wieder aufwachen wird. "Sie WIRD es ganz sicher",
sprach er sich selbst gedanklich etwas Hoffnung zu. Wie dem auch sei, dieses
eine Mal in seinem Leben wollte er alles richtig machen. Er wollte nicht von
ihrer Seite weichen, bis sie wieder aufwachte, er schonte ihre Augen vor dem
bösen Licht, das ihr schaden wollte. Er wollte sie so gerne warm halten, wollte
sie in seine eigene Körperwärme einhüllen und sie ganz fest halten. Doch sie
waren noch nicht so weit. Er konnte ihr dies nicht antun. Steckte doch
schließlich nicht ausschließlich die Sorge um ihre Gesundheit in diesem Wunsch,
sondern auch seine geheime Sehnsucht nach ihr. Was war er bloß für ein
Ungeheuer. Da lag sie nun, geschwächt, dem Tode nahe und er gab sich seinen
dreckigen Fantasien hin. Aber er wollte sie so gerne in den Arm nehmen. Die
Kälte in dem kleinen Raum war wirklich beängstigend. Ein kurzer Blick auf die
Heizung verriet ihm jedoch, dass sie bis zum Höchstpunkt aufgedreht war. Warum
fror er selbst dann so sehr? Ein leichter Seufzer entfuhr ihm, als er sich
wieder in den Sessel, den er nah an ihre Bettkante herangerückt hatte, fallen
ließ und auf ihr Gesicht schaute. Geradezu leblos wirkte es. Das Gesicht einer
Puppe, ohne jede Regung, ohne ein einziges winziges Muskelzucken. Wie hatte es
bloß dazu kommen dürfen? Er hatte sie nicht richtig beschützen können. Er hatte
versagt.
"Akane... hey Akane..." Leise ertönte seine Stimme im schwarzen Raum.
Seine Lippen formten sich zu einem kleinen Lächeln, doch seine Augen sprachen
etwas anderes heraus. Zitternd näherten sich seine Hände ihren Schultern, ehe
er sie sanft drückte. "Was ist denn los...? Du kleiner Tollpatsch. So was
konnte auch wieder nur dir passieren, heh? Was ist...? Willst du mich nicht
beschimpfen? Willst du nicht auf mich einschlagen... Akane?" Der Druck,
den er auf ihre Schultern ausübte festigte sich ein klein wenig, als er sie
leicht zu schütteln begann. "Akane, es reicht jetzt. Komm schon, wach
endlich wieder auf." Schmerz. Schmerz und unendlich schreckliche Qualen
ertönten in seiner Stimme und zogen sich über sein Gesicht. Doch noch immer
sprach er leise, fast flüsternd, zu ihr. "Akane...." winselte er in
einem hohen Ton. "Ich hab' gesagt, du sollst aufwachen! Kannst du...
kannst du denn nie tun, was man dir sagt?!" Schwer atmend ließ er seinen
Kopf sinken und nahm schlagartig seine Hände von ihr. Versteift hielt er seine
gespreizten Finger noch immer einige Zentimeter über ihrem Körper, als er dem
inneren Druck nicht mehr standhalten konnte und zu weinen begann.
"Ruhig bleiben. Ruhig bleiben!" flüsterte er zu sich selbst.
"Jetzt bloß nicht die Kontrolle verlieren. Sie WIRD schließlich wieder
aufwachen." Schnell hatte er seine Atmung wieder im Griff, die Schluchzer
verstummten und den Tränen wurde es verboten, wieder bis hinauf in seine Augen
zu steigen. Denn diese brauchte er ja, um Akane zu bewachen. Diesmal würde er
für sie da sein, komme was wolle. Er würde sie nicht wieder russisches Roulette
spielen lassen und ihr Schicksal somit dem Nichts überlassen. Keine Chance,
dass irgendetwas oder jemand es noch einmal schaffen würde, sie zu verletzen.
Jetzt war er da. Seit drei Tagen hatte er nichts gegessen. Als er sich auch
weigerte zu trinken, hielten Soun und sein Vater ihn fest, um ihm mit Gewalt
ein paar Tropfen Wasser einzuflößen. Damit er nicht austrockne, so teilten sie
ihm mit. Nicht austrocknen... Natürlich wollte er das nicht. Das würde ja
schließlich bedeuten, dass er schwächer wird. Oder sogar, dass er stirbt. Wie
um alles in der Welt, sollte er dann noch für Akane da sein können? Im Grunde
wusste er ja, dass er sein Leben in so einfachen und normalen Bahnen wie nur
irgend möglich weiter fahren lassen musste. Doch etwas in ihm wehrte sich trotz
allem dagegen. Wie sollte er schlemmen und es sich gut gehen lassen, wenn Akane
durch seine Schuld im Sterben lag? Nur durch seine Schuld. Gemäß den Umständen
war jeder Tropfen Wasser, der seine Zunge berühren durfte, eine Beleidigung an
jenes wertvolle Geschöpf, das bereits mehrere Tage bewusstlos im Krankenzimmer
von Dr. Tofus Notfallstation verweilte.
Bestimmt streckte er seinen Arm aus und führte seine Hand zu ihrem Gesicht.
Seine Finger an ihrer Wange - wie es sich wohl anfühlen würde? Er hielt inne.
Ob sie es fühlen würde - eine Zärtlichkeit von ihm. WOLLTE er überhaupt, dass
sie es fühlen würde? Zögerlich verharrte er so; seine Finger lagen nur wenige Zentimeter
über ihrer Haut. Kein Hautkontakt, nein. Aber sanfter, wenn auch ungewollter
Kontakt ihrer Wärme, ihrer Auren. Er spürte ihre Lebensaura. Sie war schwach,
aber immerhin da. Sehnsüchtig schloss er für einen kurzen Moment seine Augen.
Drei Tage zuvor war alles noch so einfach gewesen. Warum war er unzufrieden?
Warum hatte er nicht ein Mal etwas schätzen können, was ihm von den Göttern zum
Geschenk gemacht wurde? Seitdem Shampoo sich nicht mehr ständig zwischen ihn
und Akane gedrängt hatte, kam es zu keinen erwähnenswerten Streits mehr. Kleine
Keilereien gehörten zwar noch dazu, wurden aber von beiden Seiten als
scherzhaftes Sticheln verstanden und lösten schließlich ebenso beiderseits ein
erheitertes Lachen oder zumindest ein kleines Lächeln aus. Endlich hatte er das
gehabt, wonach er sich seit seiner Ankunft in Nerima immer gesehnt hatte: Ruhe.
Er wurde von der aufdringlichen, ihn mit unerwiderter und ungewollter Liebe
überschüttenden Amazone in Frieden gelassen und seine andere Verlobte, mit welcher
er ein Heim teilte, hielt sich und ihren Holzhammer auch für eine gute Weile
zurück. Es war friedlich, so friedlich. Bis zu jenem Tag, der mittlerweile noch
nicht mal eine Woche zurücklag. Ein paar Tage, die ihm doch wie eine Ewigkeit
vorkamen. Dieser Tag schien so langweilig, unerträglich langweilig. Der einzige
Lichtblick, der sich ihm einen Spalt weit öffnete, war das Bild Akanes, die es
ein weiteres Mal schaffte, eine unbeschreibliche Anziehungskraft auf ihn
auszuüben. Nicht in dem Sinne, sie anzufassen und zärtlich zu streicheln,
sondern sie einfach zu beobachten, ihren galanten Bewegungen zu folgen,
zuzuschauen, wie sie sich dann und wann ein wenig tollpatschig anstellte und
schließlich der unbändige Reiz, sie auf irgendeine erdenkliche Art zu ärgern.
Schon immer hatte er den Übergang von dem angeblich so süßen und unschuldigen
Schulmädchen zu dieser rasenden Furie, in die sie sich dann verwandelte,
faszinierend gefunden. Zwar konnte er mit Nichten behaupten, es hätte ihm
jemals gefallen, von ihr geschlagen und beleidigt zu werden. Aber nur zu oft
hatte er das Gefühl, dass sie meist bloß in Rage ihr wahres Ich zeigen kann.
Dieses ist nicht böse oder gewalttätig - obwohl dies natürlich zwei
erwähnenswerte Faktoren ihres Hyde-Charakters wären - ihr wahres Ich zeichnete
sich eher dadurch aus, dass sie eine rastlose, energiegeladene und auch noch
ziemlich kindliche Person ist. Ihr feines Gehabe, wie wenn sie Doktor Tofu
besuchten, konnte er noch nie ausstehen. Er verstand einfach nicht, warum sie
sich anderen gegenüber oft so verstellen musste. War sie ihm selbst gegenüber
freundlich, verstand er dies zwar als ehrlich und fand es zwischenzeitlich auch
nett und manchmal geradezu beunruhigend süß, aber auf die wilde, verspielte
Seite Akanes würde er trotz allen Charmes niemals verzichten können. Dies war
der Grund, weswegen es ihm immer wieder Spaß machte, mit ihr zu kämpfen - auch
wenn der Sieger natürlich jedes Mal feststand, bevor es überhaupt losging. Dies
war der Grund, weswegen er sie mit kurzen Haaren auf einmal ganz anders gesehen
hatte. Sie stellten mehr von ihrer Persönlichkeit dar und verheimlichten
nichts. Und dies war der Grund, weswegen ihm der Gedanke, mit ihr verlobt zu
sein, mit der Zeit immer weniger ausmachte, denn sie trug mit ihrer unzähmbaren
Seite ein wichtiges Charakteristikum in sich, das auch er bewahrte. Und
letztlich war dies auch der Grund, weswegen er ihr überall hin folgen würde. Ob
sie nun entführt wurde oder freiwillig wegblieb - er würde ihr immer folgen,
denn sie war nicht wie die anderen. Sie klebte ihm nicht ständig am Hals und
versuchte ihn mit Küssen zu überschütten. Sie hatte ihren Stolz, sie war
würdevoll. Um sie und ihre Zuneigung musste man kämpfen. Zugegeben, dies übte
auf Ranma schon am ersten Schultag, als er die Kämpfe zwischen seiner
zierlichen Verlobten und den dagegen sehr korpulenten und robusten Gegnern des
Box-Clubs, des Sumo-Clubs, des Kendo-Clubs und des Ringer-Clubs der Schule
beobachtet hatte. Doch das letztendliche Zündlein wurde durch ihre persönliche
Ablehnung ihm gegenüber entfacht. Es war nicht abzustreiten, dass sie hin und
wieder durch verschiedene Sprüche alles Recht hatte, wütend zu werden. Aber er
konnte durchaus auch nett sein... was sie jedoch scheinbar nie sehen wollte.
Dies wiederum machte ihn so manche Nacht, die er grübelnd auf dem Dach gelegen
hatte, fast wahnsinnig. Wie kam es, dass eine irre Amazone, die ihn zunächst
töten wollte, ihm aus heiterem Himmel all ihre Liebe versprach und keinerlei
Kontaktprobleme hatte, während Akane-- Tja. So genau wusste er auch nicht, was
er von Akane wollte. Er war 16 bei seiner Ankunft in Nerima und fühlte sich
noch gar nicht dazu bereit, weiteres zu tun. Ein Mann im Training wird durch
Zärtlichkeiten nur abgelenkt - dies hatte ihm sein Vater schon als Kind eingebläut.
Umso rätselhafter war dann, als der alte Herr so mir nichts dir nichts mit der
ganzen Verlobungsaktion rausrückte. Und obwohl er und sein Vater nun schon eine
ganze Weile bei den Tendos lebten, hatte er sich noch immer nicht wirklich mit
der ganzen Situation zurecht gefunden, ob er sie nun als weniger unangenehm als
zu Anfang empfand oder nicht - alles wirkte auf unbeschreibliche Art meist
irgendwie surreal.
*Surreal*
... Wie jener Tag...
Es war friedlich. Die Sonne schien ihre hellen, warmen Bahnen auf die Erde
hinab und die Vögel zwitscherten eine leise, harmonische Melodie im Chor. Alle
Schönheit der Welt vereinte sich an diesem wahrlich traumhaften Tag und fand
ihr Zentrum in der Gestalt seiner Verlobten, die ihn liebreizend anlächelte,
frech ihre Zunge herausstreckte und kicherte als kleine Wasserspritzer von der
nassen Wäsche auf sie herab spritzen. Aber er war allem Anschein nach ein
Schönheitsbanause, wusste sein solches Glück nicht zu schätzen und zog es
stattdessen vor, es herauszufordern. Er liebte Herausforderungen, er liebte das
Abenteuer, das Zocken und letztlich natürlich auch das Gewinnen. In seiner
Beziehung zu Akane war das nicht ganz anders. So entschied er sich, das
perfekte, stille Glück gegen einen kleinen, aber dafür umso spannenderen Streit
mit ihr einzutauschen. Und es war aufregend in der Tat. Sie schrie und rannte
ihm wutschnaubend hinterher. Gott, wie er es liebte, wenn sie das tat. Er war
es ja gewohnt, von schönen Frauen umworben und ebenso verfolgt zu werden, was
ihn auch still und heimlich bestätigte. So etwas war auf Dauer zwar lästig und
er hätte die penetrante Anhänglichkeit seiner vielen 'Verlobten' nur zu gerne
abgestellt, doch ließ sich nicht abstreiten, dass es unheimlich gutes Futter
für sein Ego war. Dies jedoch war besser. Es war Akane, die ihm hinterher
jagte. Aus anderen Motiven höchstwahrscheinlich, doch das änderte die äußeren
Umstände herzlich wenig. Er liebte ihren Stolz und ihren Hochmut und klopfte
sich doppelt und dreifach auf die Schulter, wenn er es schaffte, diese
Charakteristika das ein oder andere Mal zu durchbrechen und ihr Temperament wie
ein glühendes Stück Kohle von einer Hand in die andere zu werfen. Doch diese
Momente des Glücks und der Freude sollten nicht lange anhalten. Etwas
durchkreuzte sein Wohlbefinden und durchschnitt sein Lachen mit der Kraft und
Schärfe einer frischgeschliffenen Machete.
*Surreal... surreal*
Es kam aus dem Nichts. Es.
~~~
"Jemand will dich angreifen? Ranma--"
"Nicht 'jemand'. Etwas!"
~~~
Äußerlich war er ruhig, aber sein Herz raste. Jusendo. Warum um alles in
der Welt dachte er auf einmal an Jusendo?
"Bleib erst mal einfach dicht bei mir, dann kann dir nichts
geschehen."
Zu sagen, dass ein ungutes Gefühl ihn beschlich, wäre um Weiten untertrieben.
Er wusste nicht, wie um ihn geschah, was ihm bevor stünde. Aber er spürte, dass
etwas Böses lauerte. Etwas, dass mit dem Willen kam, ihn und Akane zu
verletzen. Sein Vater hatte Ranma den Sinn für gewaltbereite Angreifer schon
früh antrainiert und nun fand er in jener Erkenntnis etwas, worüber er sich
glücklich schätzen konnte, in diesem Augenblick der Furcht. Ja - er hatte Angst.
Ranma Saotome hatte Angst. Angst zu verlieren. Aber nicht um seiner selbst
Willen, sondern weil Akane da war. All seine weiteren Sinne schärfend, blickte
er sich um, ging in Deckung und war froh, Akane durch eine leichte Berührung
ihrer Körper hinter sich zu spüren, auch ohne, dass er sie permanent im
Blickfeld haben musste. Und doch blieb die Angst. Die Angst zu versagen. Denn
auch er war nicht unfehlbar. Ein Teil von ihm wollte es sich nicht eingestehen,
doch tief im Innern wusste er ganz genau, warum er gerade jetzt an die
Begebenheiten in Jusendo denken musste. Panik. Würde es besser sein, sie ins
Haus zu schicken? Er presste seinen Rücken noch fester an ihren, um sich zu
vergewissern, dass sie noch da war. Deutlich spürte er die Anwesenheit des unmenschlichen,
gefährlichen Wesens. Sein übler Geruch kroch ihm in die Nase. Die Intensität
dieses Gestanks war unvergleichbar, beinahe betäubend. Aber er musste standhaft
bleiben und durfte sich keine Schwächen von seinem Gesicht ablesen lassen. Er
musste stark bleiben; für Akane. Reinschicken? Nein, gar nicht gut. Man
hatte sie schon einmal entführen können, obwohl sie im angeblich so sicheren
Haus gewesen war. Warum? Weil er nicht da war, um auf sie aufzupassen. Stark
bleiben. Nicht sehen - spüren.
Schweiß tropfte auf seine angespannte Faust. Kampfposition einnehmen.
Schnell. Nicht zögern.
*surreal*
Es passierte schnell. Zu schnell. Bewegungen, welche die Luft in einem lauten
Zischen durchschnitten und alles um sie herum erhitzten. Der Dämon griff an. Ranma
blieb nicht einmal die Zeit, das fremde Wesen genauer zu inspizieren. Was hatte
er für Chancen? Wenn er es nicht einmal kannte, zur Hölle, wenn er es nicht
einmal richtig SEHEN konnte?! Luft holen. Muskeln anspannen. Sinne schärfen.
Aura aufspüren. Los!
"Kachuu Tenshin Amagurikeeeeen!!!"
Mit einem lauten Kampfschrei stürzte Ranma sich auf den ihm in unmessbarem
Tempo nähernden Feind. Sein Gegner war zu schnell. Zehn mal schneller als sein
Schläge des Amagurikens. Wie konnte das sein? Hundertstel einer Sekunde
vergingen. Er hatte keine Zeit. Er musste nachdenken. Mit aller Kraft bemühte
er sich, die Geschwindigkeit seiner Schläge zu vervielfachen.
"YAAARGH!! KACHUU TENSHI--"
Abgeblockt! Vor ihm baute sich aus dem Nichts ein riesiger Feuerwall auf,
dessen mächtige, aufsteigende Gase einen so starken Druck erzeugten, dass Ranma
rückwärts zu Boden geschleudert wurde. Das flammende Inferno verschluckte jede
Vertrautheit der sonst so friedlichen Umgebung und tauchte das Tendo-Anwesen
unmittelbar vor ihren Augen für wenige Sekunden in eine glühende Hölle, ehe die
Flammen ohne Rauch oder sonstige Brandrückstände plötzlich wieder erloschen.
"AH!"
"Akane! Alles in Ordnung? Akane!"
Angriff. Feuerbälle. Peitschende, brennende Hitze.
"Ahh! Ranma!"
Hastig sprang Ranma wieder auf und vergewisserte sich, dass Akane bis auf einen
großen Schrecken nichts Ernsthaftes zugestoßen war. Faustschläge sind
sinnlos. Technik wechseln. Kräfte sammeln. Ki suchen. Kontrolle. Angriff.
"Moko TAGABISHAAA!!"
WHOOSH!
Ein ziemlich beeindruckender Energieball wurde von Ranma abgefeuert und schoss
direkt auf den Dämon zu.
Verfehlt?! Nein. Getroffen! Es war ein VOLLER Treffer. Aber... wie kann das
Monster sich so unberührt geben?? Es scheint durch meinen Energieschlag geradezu
gestärkt worden zu sein. Nachdenken. Nachdenken!
Zum ersten Mal konnte Ranma des Dämons volles Angesicht erkennen. Er war circa
zwei mal so hoch wie er selbst und vier bis fünf mal so breit. Eine
beträchtliche Größe, die sicher nicht minder proportional zu seiner Kraft lag.
Aber dennoch hätte er wenigstens ETWAS spüren müssen als Ranmas Energiestoß ihn
traf. Es zuckte nicht einmal zusammen. Wie konnte das sein?! Auf noch
einen Versuch. Mehr Selbstvertrauen. Ich brauche mehr Selbstvertrauen. Mehr
Stolz. Akane.... Ich tu's für Akane.
Sein Kinn hob sich, sodass er sein Gesicht gen Himmel streckte, den Stolz in
seine Haltung fließen lassend.
"Jetzt gibt's was--"
Kontrolle. Energie. Ranma sammelte all seine Kräfte bis jedes Glied
seines Körpers erbebte. Kontrolle Knurrend und schnaufend, spannte er
jeden einzelnen Muskel so fest an, dass seine Fasern zu zerreißen drohten,
hielt an der Energie fest, die er zwischen seinen gespreizten Händen mit
höchster Konzentration und Selbstbeherrschung erzeugte und bündelte, wollte sie
spüren und aus dem Gefühl daraus weitere Energie schöpfen, die er mit in diesen
einen, wichtigen Stoß hineinsetzen konnte. Kontrolle. Energie. Kontrolle.
Energie. Mit einem lauten Schrei schlug er seine Lider hoch und fixierte
den Dämon. "MOKO TAGABISHAA!!!!" Der Körper des Dämons war von einer
grau-braunen schmierigen Masse bedeckt und schien alles in allem eher von
dickflüssiger, zäher Konsistenz zu sein. Ein Feind, dessen Körper nicht aus
Fleisch und Blut bestand. Das machte das Nachdenken kompliziert, aber einen
Sieg ganz sicher nicht unmöglich. Irgendwo hat jeder seine Schwachstellen.
ALLES und jeder! Und dieses Monster hatte ebenfalls seine. Es besaß keine
Augen. Zumindest konnte Ranma keine solchen an ihm erkennen. Überhaupt besaß es
kein Gesicht. Nur einen riesigen Schlund da, wo man das Gesicht vermutet hätte.
Ein leuchtender Energieball, der die Größe von etwa 5 Medizinbällen hatte,
schoss mit einem kräftigen Stoß unmittelbar auf das Ungeheuer zu. Ranmas Augen
leuchteten auf. JA... Ein Treffer. Ein Treffer! Doch sein Lächeln
versank alsbald wieder in Ratlosigkeit.
"WAS? WIE ZUR HÖLLE KONNTE DAS GESCHEHEN?!"
Das Wesen hatte keinen Mund und doch erschien etwas, das einem Lächeln glich,
als es den starken Energiestoß wie in inniger Befriedigung in seinem Körper
aufnahm, den Ki-Ball einfach in seine abnorme Gestalt einsinken ließ und sich
dadurch nur noch weiter, größer und mächtiger vor seinem viel kleineren Gegner
aufbaute. Ein ohrenbetäubend lautes Gurgeln drang von ihm aus. Lachte es?
Ranma
sackte ein wenig zusammen. "Wie konnte das geschehen?" fragte er sich
laut und ließ die Verzweiflung für einen viel zu langen Augenblick überhand
gewinnen. Ich weiß nicht, was es ist, aber es ist groß und sehr stark. Es
reagiert nicht im geringsten auf meine Ki-Angriffe. Im Gegenteil - meine
Energiestöße scheinen ihn nur noch stärker zu machen. Mit Kachuu Tenshin
Amaguriken komme ich auch nicht weiter. Abgesehen davon, dass ich bei seiner
weit überlegenen Größe mit bloßen Schlägen nicht viel ausrichten werde, komme
ich nicht mal an ihn ran, weil er diese Feuerwand wieder aufbauen wird.
Nachdenken. Schnell. In seinen Überlegungen nickte er hastig mit dem Kopf
und formte seine Lippen unwillkürlich zu dem ein oder anderen Wort, das ihm
gerade in den Sinn kam. "Hitze!" schoss es auf einmal aus ihm heraus.
"Er bekämpft jeden meiner Angriffe mit unglaublich starker Hitze. Das
bedeutet--"
Mit einem Sprung stand er wieder kampfbereit auf seinen Füßen. Seine alte
Kondition kehrte schnell zurück. Entgegen aller Logik schien er jetzt sogar
noch stärker als vorher zu sein, obwohl er sich bereits seiner Kraftreserven
bedient hatte. Sein Kampfgeist entfachte nun erst in vollem Maße und erlangte
seinen Höchstpunkt.
Seine nächste Attacke sollte der Entscheidungsschlag werden. Damit konnte er
das Monster nicht verfehlen. Alles, was er jetzt noch brauchte, war ein weiter
Kampfgrund. Akane musste dringend aus dem Weg geschafft werden, ehe sie noch
verletzt wurde.
"Akane, geh sofort ins Haus!" Bestimmt drückte er sie mit einem Arm
von sich weg, ohne sich zu ihr umzudrehen und somit seinen gefährlichen Gegner
aus den Augen zu lassen.
Die fremde Kreatur stand noch immer vor ihm, scheinbar belustigt oder auch
gelangweilt auf seinen Angriff wartend.
"Freu dich nicht zu früh, Freundchen." schnaubte Ranma. "Mit
deinen kleinen Feuerspielchen kannst du vielleicht so halbwegs Eindruck machen.
Aber wie gefällt dir DAS?!"
Brüllend rannte er mit geballten Fäusten auf das Monster zu, das mit einem
solchen frontalen Faustangriff wohl kaum gerechnet hatte, da es anscheinend auf
etwas Spektakuläreres wartete. Dennoch ließ es sich auf den eher simplen Kampf
ein, wich aber sehr unbeeindruckt den in der Relation zu seinen Ki-Attacken
ziemlich milden Schlägen des Jungen aus und konterte mit zunächst nicht sehr
viel mehr Kraft. Der Kampf begann einem Tanz zu ähneln, bei dem das Monster mit
Ranma spielte, ehe es seine Beute genüsslich verschlingen würde.
Links zurück. Eins, zwei. Rechts. Eins, zwei, drei. Links zurück. Ranmas
Gesicht formte sich zu einem selbstbewussten Lächeln. Für den Hiryu Shoten
Ha brauche ich die Hitze des Gefechts. Es spielt keine Rolle, ob sie aus deinem
Herzen dringt oder aus deinem stinkenden Körper. Ich muss nur cool bleiben. Er
hatte die Hälfte der Spirale erreicht und befand sich, gemäß den nötigen
Schritten, die ins Zentrum der Spirale führten, nun bereits zum dritten Mal
während dieses taktischen Angriffs auf der entgegengesetzten Seite des Gartens,
wie zu Kampfbeginn. Die ganze Zeit über hatte er sich darauf konzentriert,
nichts falsch zu machen. Zwischendurch setzte er ein paar kräftige Gegenschläge
an, um seinen Plan nicht allzu offensichtlich erscheinen zu lassen. Vor allem
aber behielt er eines stets im Kopf: Das Herz des Angegriffenen muss kalt wie
Eis bleiben, damit er selbst zum Angreifer werden kann. Emotionen abstellen.
Sinne schärfen. Fixieren. Die Tatsache, dass der Dämon keine Augen aufwies,
auf die Ranma seinen Blick setzen konnte, um seines Gegners Bewegungen
abzulesen, beunruhigte ihn nur tangierend. Mit aller Kraft bemühte er sich,
jegliche Sorgen abzublocken. Hieben und Stößen seines Gegners wich er aus, so
gut er konnte. Mit jedem Schlag des Dämons wuchs die Kraft, die er in seine
Angriffe setzte. Zwar war es immer noch eindeutig, dass er noch längst nicht
sein gesamtes Potential in seine Schläge setzte, doch es war deutlich zu sehen,
dass er dem, sowohl an Stärke als auch an Bewegung, immer näher kam. Kontrolle.
Ranma dankte den Göttern für seine Schnelligkeit und seine guten Reflexe. Rechts
zurück. Eins, zwei, drei, vier. Links. Solang ich ihn lange genug auf Trab
halten kann und er nichts merkt, wird alles funktionieren. Cool bleiben.
Ausweichen. Kontrolle. Fixieren. Eigentlich lief alles soweit nach Plan.
Doch Ranma konnte nicht lange dagegen ankämpfen... zu fühlen. Etwas stimmte
nicht. Für den Bruchteil einer Sekunde ließ er es zu, Gefühle aufkommen zu
lassen und sein Denken zu beeinflussen. Auf einmal fiel es ihm wie Schuppen von
den Augen. Akane! Sie war nicht im Haus. Sie stand noch immer auf der
Wiese im Garten, unentschlossen, was sie tun sollte, starr vor Angst. Sie war
nicht im Haus und doch nicht bei ihm. Sie war... nicht in Sicherheit. Wie
sollte er sie beschützen, wenn sie nicht bei ihm war?!
"Ranma, so wird es nicht funktionieren!"
Nein! Was tun? Wieder ertönte das schreckliche gurgelnde Geräusch aus
dem Schlund des Dämons als es Ranmas Blick folgte und sich plötzlich in
unheimlicher Langsamkeit zu Akane herumdrehte.
"A-akane..." Was soll ich tun?! "Akane......" Scheiße
noch mal, WAS SOLL ICH TUN?? "Akane...................................
LAUF WEG!!!!"
"Ranma pass auf!!"
Es war eine Sekunde. Vielleicht nicht mal. Der Dämon, das Ungeheuer, das
Monster wandte seine Aufmerksamkeit von Akane ab und die Luft um ihn herum
verriet, dass er nun Ernst machen würde. Ein riesiger Feuerstrahl schoss aus
seinen Poren heraus. Schwarzes Feuer, das anders aussah als das, was man aus
dem Kamin oder vom Lagerfeuer kennt. Einzig und allein an der Hitze machte es
sich als solches bemerkbar. Cool bleiben. Cool bleiben! Keine Gefühle
zulassen!
"HIRYUU SHOTEN HA!!" schrie Ranma im Gegenangriff und setzte zum
entscheidenden Schlag an.
Treffer!! Ranmas Augen lachten. Zwar wurde der Dämon nicht von dem von
Ranma erzeugten Tornado hinfort gerissen, aber dessen Kraft reichte zumindest
aus, um ihn ein gutes Stück zurück zu schleudern. Mit einem schrillen,
vibrierenden Quietschen fiel sein zum Glück scheinbar doch verwundbarer Gegner
zurück. Schwer und langsam richtete sich der Dämon wieder auf, nachdem er einen
hässlichen, braunen Fleck an der Gartenmauer, die wohl allein durch seine
weiche Konsistenz ansonsten verschont geblieben war, hinterlassen hatte. Zwar
war er nicht besiegt, schien aber um einiges geschwächt zu sein. Nun entkam
auch Ranmas Mund ein lautes, siegessicheres Lachen. Doch etwas stimmte nicht an
diesem Bild. Fixieren. Akane. Wo war Akane auf einmal? Die Terrasse war
noch immer leer. Er hatte ihr gesagt, sie soll weglaufen, aber... er hatte es
zu AKANE gesagt. Sie würde sich doch nie im Haus verkriechen, wenn er einen
Kampf hatte. Ein fataler, dummer, dummer Fehler von ihm, das zu glauben! Hastig
fuhr er mit seinen Augen durch den Garten und machte schnell auf dem Boden, nur
ein kleines Stück links von ihm Halt.
"Akane! Was--" Eilig rannte er auf ihren am Boden liegenden Körper
zu. "AKANE!"
Auf einmal bremste ihn etwas. Er wollte zu ihr, wollte sie umdrehen, um ihr
Gesicht zu sehen. Um zu überprüfen, ob sie noch atmete. Aber er war
paralysiert. Nicht einmal blinzeln konnte er. Nein... Das Monster - ich habe
es unterschätzt. Was zum Teufel-- Es wird sie verletzten! Akane! Lauf... Beweg
dich... Lauf weg! Kannst du nie auf mich hören? Trottel! TROTTEL! AKANE!! Er
wollte schreien, doch er konnte weder seinen Kiefer, noch seine Zunge auch nur
einen Millimeter bewegen. Bloß ein paar leise winselnde Laute ertönten bei
seinem Versuch, sie wach zu rufen. Verzweiflung überkam ihn. Akane...
Plötzlich begann die Luft um ihn herum unklar zu werden und er erkannte den
regungslosen Körper seiner Verlobten und den sich ihr nähernden, wieder zu
Kräften gekommenen und nun sogar noch viel aggressiver wirkenden Dämonen nur
noch verschwommen. Was zum-- Weine ich? Wenn er Kontrolle über seine
Muskeln gehabt hätte, hätten sich seine Augen vor Schreck geweitet als er sah,
wie die immer trüber werdende Luft vor ihm plötzlich Wellen schlug und ein
lautes Zischen und gänsehauteinflößendes Knistern in seine Ohren peitschte.
Nein, er weinte nicht. Etwas ging an diesem Ort vor sich und boykottierte seine
Wahrnehmung. Etwas Überirdisches. Wind kam auf. Der Wind seines Hiryuu Shoten
Ha konnte es nicht gewesen sein, da der Tornado schon längst über ihren Köpfen
hinweg gewirbelt war. Auf einmal schossen Flammen aus dem Nichts. Flammen, die
so schwarz waren, wie das Feuer des Dämons, als sich auf einmal direkt vor
seinen Augen ein ebenso dunkles Loch auftat. Geheimnisvoll und glänzend wie die
Oberfläche eines bodenlosen Sees wuchs dieses Etwas. Noch etwas an diesem Tag,
das Ranma sich selbst bei größter Anstrengung nicht erklären konnte, von dem er
aber nichtsdestotrotz mit 100 % Sicherheit zu sagen vermochte, dass es Böses
und nichts als Böses mit sich brachte, dass er Akane davor beschützen musste -
wenn er sich nur bewegen könnte. Die Luft brannte. In gespenstiger Langsamkeit
schritt aus dem schwarzen Loch eine Gestalt in Menschengröße, gekleidet in eine
braune Kutte; das Gesicht blieb durch die angezogene Kapuze verhüllt.
Zielstrebig ging das verhüllte Wesen auf Akanes Leib zu und beugte sich langsam
zu ihr hinunter.
Nein!
NEIN! LASS AKANE IN RUHE! FASS SIE NICHT AN!! Noch nie in seinem Leben hatte
Ranma sich so elend, schwach und hilflos gefühlt. Er musste mit ansehen, wie
sich noch eine weitere fremde Kreatur seiner Verlobten näherte und er konnte
nichts dagegen tun, absolut nichts. Noch nicht einmal schreien konnte er, um
sie zu warnen.
"Ahh... Akane heißt sie also", sprach das Kutten-Wesen schließlich in
einem so ruhigen Ton, dass es Ranma das Blut in den Adern gefrieren ließ. Seine
Stimme war tief wie die eines sehr alten Mannes und leblos. "Was für ein
entzückender Name."
Ranmas mentale Schreie stoppten abrupt. Woher konnte er ihren Namen wissen? War
er imstande, Gedanken zu lesen?
"Hahhh... Wahrlich entzückend." Der Fremde beugte sich ein Stück
weiter zu ihr hinunter und legte ihr beide Hände auf die Wangen. Erst jetzt
erkannte Ranma seine grünliche, verfallene Haut.
"Lass deine dreckigen Finger von ihr oder ich bringe dich um",
bemühte er sich zu brüllen, aber auch jener Versuch endete in kläglichen, kaum
hörbaren Lauten. Und so blieb nur noch die Hoffnung, dass der Fremde ihm seine
Gedanken ablesen konnte und sich zumindest ein wenig dadurch erschrecken ließ.
Bei der Berührung des fremden Wesens verkrampfte sich ihr Körper als führe ein
zehntausend Volt starker Strom hindurch und ein krächzendes Stöhnen entkam
ihrem Mund. Der Mann in der Kutte führte sein Gesicht nah an ihres heran. Von
seiner Position, in die er eingefroren war, konnte Ranma nur erahnen, dass
dieser Mistkerl SEINE Verlobte küsste. Doch es war kein gewöhnlicher Kuss. Es
war so viel mehr. Das scharf sehen wurde immer schwieriger, doch Ranma
erkannte, wenn auch nur mit großer Mühe, dass Akane diese eigenartige Berührung
sehr schmerzte. Panisch riss sie ihre Augen bis zum Anschlag auf als sich das
unbekannte Gesicht an ihres heranpresste.
"A-KA-NE....!!"
Überrascht drehte der
mysteriöse Fremde sich um. "Na so etwas." Sein Kopf war gesenkt,
sodass die Kapuze auch bei direktem Gegenüberstehen sein Gesicht in dusteren
Schatten verbarg. "Du kannst sprechen? Und sogar ein wenig mit deinen
kleinen Fäustchen zucken, wie ich sehe." Ein ruhiges, heiseres Lachen
unterbrach seine Analyse für einen Moment. "Du hast Biss, das muss man dir
lassen. Dich meiner Kraft so zäh zu widersetzen-- Aber... das beeindruckt mich
leider herzlich wenig." Langsam hob er seinen linken Arm an und machte in
Ranmas Direktion eine auf den ersten Blick unwillkürliche Geste. Erst als Ranma
spürte wie sich ihm die Kehle zuschnürte und es immer enger und enger in seiner
Luftröhre wurde, stellte er fest, was der Fremde mit seiner Hand andeutete und
welch Schreckliches er aus der Entfernung, obwohl er ihn nicht mal für einen
Moment berührt hatte, ausrichten konnte. Mit einem Mal ließ er seinen Arm wieder
sinken und der Druck auf Ranmas Kehle ließ automatisch ab. "Für den
Moment", sprach er weiter.
Gerne hätte er sich jetzt den Hals gehalten und mit seinen Händen ein wenig
schmerzlindernd darüber gestrichen, doch noch immer stand er unter der Macht
dieser eigenartigen Starre. Er hatte es geschafft für einen kurzen Augenblick,
dieser Macht zu entkommen. Doch dieser Augenblick hatte ihm so viel Energie
gekostet, dass er nun ganz ausgelaugt war und sich in erneuter Verzweiflung am
Ende seiner Kräfte sah. Der Gedanke machte ihn wahnsinnig. Akane befand sich
noch immer in Gefahr. Mit dem selben Blick seitdem sie durch den Kuss des
Fremden ihre angsterfüllten Augen aufgerissen hatte, verharrte sie die so
kostbare Zeit, die sie gehabt hätte, um zu fliehen. Es wäre schwierig, aber
dennoch machbar gewesen, die Flucht zu ergreifen, solange der Mann in der
Kutte, der scheinbar den Dämon vom Kämpfen abhielt, seine Aufmerksamkeit auf
Ranma gerichtet hatte. Sie ergriff ihre Chance nicht. Auch sie schien in einer
Starre gefangen zu sein. Jedoch war es keine, die ihren Körper durch physische
Kräfte festhielt, so wie es bei ihm selbst war. Viel mehr wirkte sie eine
Gefangene ihrer selbst zu sein. Gefangen im Schock, gefangen in der unbändigen
Angst, hervorgerufen durch den Kontakt mit jenem grausamen, fremden Wesen.
Gleich zwei Monstren, die ohne Grund aus dem Nichts aufgetaucht waren, lauerten
auf sie, die sie ungeschützt da lag. Hätte er wenigstens den Grund für ihren
Angriff gewusst, dann hätte er verhandeln können - wenn schon nicht kämpfen.
Aber nein, er war ja momentan noch nicht einmal imstande zu sprechen. Zornig
über alle fürchterlichen Zustände, die mit einem Schlag zusammen eingetroffen
waren, fluchte er in sich hinein und betete zugleich, dass Akane doch noch aufspringen
und ihr die Flucht gelingen würde.
Und dann, auf einmal, geschah etwas, womit er am aller wenigsten gerechnet
hätte. Er blinzelte. Das Bild des Fremden, das sein Auge hinter Tränen oder
herabrinnenden Schweißperlen oder einfach magischen Luftströmen, wahrnahm,
begann zu flackern. Es wurde nicht bloß immer unschärfer, es wies bald auch
Risse auf, Streifen und schwindende Farbtöne. Obgleich er noch immer nicht das
Gesicht der unheimlichen Gestalt, die Akane geküsst hatte und sie damit in
einen Schock versetzte, sehen konnte, meinte er, ein eisiges Lächeln
wahrgenommen zu haben. In diesem Moment verschwand er plötzlich. Ebenso der
schreckliche Dämon. Wieder tat sich ein schwarzes Loch auf und sog sie beide in
sich, nur, um sich sofort wieder in einem lauten Surren zu schließen. Zurück
blieb Stille. Es Endete so abrupt und sinnlos und unerklärlich wie es
angefangen hatte. Stille. Zaghaft begannen die Vögel wieder zu zwitschern und
auch die Sonne wagte es, ihre warmen Strahlen wieder zur Erde hinab zu senden.
Doch noch immer lag Akane da. Verletzt und mit vor Angst geweiteten Augen.
"AKANE!"
Endlich konnte Ranma sich loslösen, sich bewegen und rannte hastig auf sie zu.
Rätseln konnte er später immer noch. Was in diesem Moment zählte, war, ihr zu
helfen. Wiegend hielt er sie in seinen Armen und flehte sie an, wach zu
bleiben. Doch sie reagierte nicht. Er spürte ihren Atem, ihren Herzschlag und
war froh, dass sie am Leben war. Er sah in ihre offenen Augen, die seinen Blick
jedoch nicht trafen und wusste nicht, was er tun sollte.
Diese Situation, sie wirkte so vertraut. Ungewollt, unangenehm, grässlich
vertraut. Es war diese Art von Gefühl, die er am liebsten vergessen und nie
wieder empfinden wollte, Nie wieder, denn jene Gefühle waren mit Abstand das
schrecklichste, was er jemals in sich verspürt hatte. Damals, als der große
Kampf zuende war und er Akane anschaute, darauf wartete, sie lächeln zu sehen
und sie vielleicht etwas flüstern zu hören wie "Du hast mich
gerettet", ehe dieses wie so viele verrückte Abenteuer seines Lebens
endlich abgeschlossen werden konnte. Doch sie hatte sich nicht mehr bewegt.
Genau wie jetzt. Genau wie jetzt hielt er sie in seinen Armen und hoffte so
sehr, dass es ihr wieder gut gehen würde. Wollte er sie nicht beschützen? Hatte
er sich nicht damals, als sie gemeinsam in Jusenkyo im Regen standen,
geschworen, immer auf sie aufzupassen? Sie hatte sich entschuldigt, weil er
ihretwegen nicht an das Wasser der Nannichuan-Quelle gelangen konnte. Doch in
diesem Moment tat ihm gar nichts leid. Er selbst fand es seltsam, geradezu
beunruhigend und zwang sich förmlich in sich zu gehen. Doch in diesem einen
Augenblick war er einfach nur glücklich, dass sie am Leben war. Und als er sich
zu ihr umdrehte, um ihr zu versichern, dass dies das Wichtigste gewesen sei,
fing er ihr zartes Lächeln auf und machte sich still sein Versprechen.
Aber was war daraus geworden? Akane bewegte sich nicht. Sie war am Leben. Doch
sie war schwer verletzt. Partout wollte sie sich nicht bewegen, ganz gleich wie
oft er ihren Namen rief. Und ihr hätte weiß Gott auch Schlimmeres zustoßen
können, ohne dass er es hätte verhindern können. Direkt vor seinen Augen hätten
diese Monster Akane-- Ihr hätte Schlimmeres zustoßen können. Schlimmeres. Damit
versuchte er, sein Gewissen zu beruhigen, um die Selbstvorwürfe, sie nicht
richtig beschützt zu haben, welche sich immer stärker in sein Bewusstsein
drängten, ein wenig zu mildern.
"A-akane. Ich bin bei dir", stotterte er mit ihrem steifen Körper in
seinen Armen. "Ha-hab keine Angst. Ich... ich werde dich beschützen."
~~~
"Bleib erst mal einfach dicht bei mir..."
*Surreal*
"Akane.......... LAUF WEG!!!!"
*Surreal*
"... dann kann dir nichts geschehen."
~~~
Das Zimmer war so ruhig wie sie selbst, seitdem sie aufgehört hatte, zu
sprechen. Zuerst vermutete man ein Wachkoma, da sie jegliche Reaktionen und
gewöhnliche Reize verloren hatte, ihre Augen jedoch geöffnet blieben.
Glücklicherweise stellte sich dies jedoch bald als den Umständen entsprechend
natürlichen und verglichen mit einem Wachkoma sehr viel harmloseren Schock
heraus, denn nach einigen Stunden war sie plötzlich eingeschlafen und ihre
Augen schlossen sich von selbst. Weniger positiv war jedoch, dass ihr derzeit
analysierter Zustand nicht sehr viel besser als ein Wachkoma war. Man hatte
Ranma gesagt, sie müsse sich von den schrecklichen Begebenheiten erholen und
benötigte einen langen Regenerierungsschlaf. Als dieser jedoch über 24 Stunden
hinaus ging, begann man sich Sorgen zu machen und ließ Spezialisten rufen. Einer
von ihnen wollte sie sogar direkt in seine Klinik überweisen lassen, da er der
festen Überzeugung war, dort mithilfe hochmodernster technischer Geräte zur
schnelleren Genesung Akanes beizutragen und ihr zugleich eine sicherere Obhut
gewährleistet werden würde. Abgesehen davon, dass es sich bei jener Klinik um
ein Privathospital handelte, das ihr Vater, Soun Tendo, selbst durch den
Verkauf aller Habseligkeiten nicht finanzieren konnte, waren alle ihr
Nahestehenden sich ziemlich schnell darüber einig geworden, dass Akane einzig
und allein bei Doktor Tofu in den sicheren Händen war. Ihre einstige
Jugendliebe war nicht bloß ein hervorragender Chiropraktiker, sondern verstand
sich auch bestens mit altchinesischen Heilmethoden - mit besonderem Schwerpunkt
auf Akupressurtechniken. Mithilfe derer hatte er es immerhin geschafft, Akanes
Zustand in den letzten Tagen stabil zu halten. Zwar blieb noch ungewiss, wann
und in welcher Kondition sie wieder aufwachen würde, doch mit seiner
regelmäßigen Akupressurbehandlung schwebte sie längst nicht mehr in
Lebensgefahr. Keine Frage - sie alle setzten großes Vertrauen in den Arzt, den
sie längst schon ihren Freund nannten und wussten sowohl seine ehrliche Sorge
als auch seine medizinischen Fähigkeiten sehr wohl zu schätzen. Nun lag es nur
noch bei Akane, wie schnell sie sich erholen und wieder aufwachen würde. Durch
den Hiryuu Shoten Ha hatte sie einiges abbekommen. Die schlimmsten Wunden aber
wurden ihr dadurch zugefügt, dass sie sich zwischen Ranma und den Dämon
geworfen hatte, als dieser einen Feuerstrahl auf ihren Verlobten sendete.
Todesmutig und selbstlos hatte sie sich aufgeopfert, um Ranma zu schützen.
Wahrscheinlich war sie in Sorge, weil die Angriffe des Dämonen nicht kräftig
genug waren, um einen mächtigen Himmelsdrachen auszulösen. Dabei muss sie
übersehen haben, dass allein die Hitze, die durch seine, verhältnismäßig
laschen Angriffe ausging, ausreichend genug gewesen waren, um das
Wetterphänomen eines Wirbelwinds künstlich hervorzurufen. Sie war ein Dummkopf
und handelte wie immer bevor sie nachdachte. Aber... sie hatte es für ihn
getan. Nun lag sie hier im Krankenbett, weil sie ihn beschützen wollte. Dabei
hätte es doch umgekehrt sein müssen. Zu allem Überfluss war sie durch die
Begegnung mit dem eigenartigen Mann in der Kutte auch noch in einen
Schockzustand gefallen, sodass man über ihren geistigen Zustand nichts
genaueres sagen konnte. Zwar wiesen die EEGs keine größeren Schäden ihres
Schädels auf, woraus man mit einstimmiger Erleichterung schließen konnte, dass keine
Behinderung zurückbleiben würde - ganz sicher konnte man sich dabei allerdings
nicht sein. Wann sie aufwachen würde, lag also einzig und allein an ihrer
eigenen Willensstärke. Was den Rest ihrer Gesundheit betraf, würde man erst in
ihrem Wachzustand mehr herausfinden können, so wurde Ranma berichtet.
Noch
immer hielt er seine Finger über ihrer Wange, spürte das sanfte Flackern ihrer
Lebensaura und genoss das warme, knisternde Gefühl auf seiner rauen Haut. Solange
er dieses Gefühl in sich aufnehmen konnte, solange dieses Gefühl da war,
obgleich es mal schwächer wurde, oder stärker anhielt, lohnte es sich, zu
kämpfen. Und jetzt mehr denn je, wollte er kämpfen, wollte stärker werden, um
dieses Lebensgefühl zu erhalten. Das war er ihr schuldig. Aber auch, wenn sie
sich nicht für ihn aufgeopfert hätte...
***
"Saotome-kun, was hast du vor?"
Fragend drehte Genma sich zu seinem alten Freund Soun um, der hinter ihm im
Türrahmen auftauchte und ihm kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter
legte. "Ich eh... wollte Ranma jetzt bitten, sich etwas schlafen zu legen.
Er hockt schon die ganze Zeit da. Es wird Zeit, dass er sich etwas ausruht. Und
Akane--"
Soun unterbrach seinen Satz mit einem Kopfschütteln. "Glaub mir, alter
Freund, wenn Akane jetzt irgendetwas braucht, dann, dass Ranma bei ihr ist. Und
Ranma selbst wird jetzt gerade ohnehin zu keinem Schlaf kommen können. Du
weißt, wie stur er ist."
"Er macht sich selbst große Vorwürfe."
"Hat er das gesagt?"
"Nein..." Genma betrachtete den gekrümmten Rücken seines Sohnes.
"Ich bin sein Vater. Ich kenne meinen Jungen."
Nachdenklich legte Soun seine Stirn in Falten. "Mhm... wahrscheinlich hast
du recht. Auch wenn Ranma es nie zugeben möchte, ist er doch immer um meine
kleine Tochter besorgt." Ein Schwall Tränen strömte urplötzlich aus seinen
Augen. "Und jedes Mal, wenn ich ihn bat, wenigstens für ein oder zwei
Stunden ihr Krankenzimmer zu verlassen, um mit uns zu Abend zu essen oder sich
die Kleider zu wechseln, lehnte er ab."
Genma spielte nervös mit seinen Daumen, eingeschüchtert durch die Tränen seines
alten Trainingskameraden. Soun hatte schon so oft vor ihm geweint, aber nie
bestand ein so ernster Grund wie jetzt. Er selbst war nie ein sonderlich großer
Gefühlsmensch gewesen und wusste von daher auch jetzt nicht, wie er sich zu
verhalten hatte. Darum gab er der Einfachheit halber in kläglicher Weise vor,
nichts von der Trauer seines Freundes mitzubekommen. "Erinnerst du
dich", lenkte er vorsichtig ab. "Als wir ihn gestern dazu
aufforderten, endlich etwas zu trinken? Seine Lippen waren durch den
Wassermangel schon so ausgetrocknet gewesen, dass sie aufgesprungen waren und
zu bluten begannen. Und dennoch hatte er sich geweigert, etwas Flüssigkeit zu
sich zu nehmen." Ein verstohlener Blick in Souns Richtung zeigte ihm ein
stummes Nicken als Zustimmung. "Mein Junge ist oft wirklich unsensibel und
ungehobelt, aber... in manchen Fällen kann er seinen weichen Kern einfach nicht
verbergen. Der einzige Grund, weshalb er sich geweigert hat zu essen und zu
trinken, war doch der, dass er durch das selbe Leid gehen will, das seine
Verlobte gerade durchquert." Er setzte eine dramatische Pause, um seinen
Freund die Wirkung seiner Worte besser spüren zu lassen. Und in der Tat schien
Soun tief in sich zu gehen, denn seine Tränen stoppten und stattdessen entstand
wieder ein nachdenklicher Ausdruck auf seinem Gesicht. "Er verhält sich
so, um auf einer Ebene mit Akane zu stehen, mit ihr zusammen zu sein. Sie sind
wahrlich wie füreinander geschaffen." Souns Blick änderte sich von
nachdenklich zu einem klein wenig glücklich. Mit einem leichten Lächeln auf den
Lippen, setzte er an, daraufhin etwas zu sagen, doch Genma sprach weiter:
"Ja... Er kann schon ein richtiges Sensibelchen sein, wenn er nur will.
Sind vielleicht Nebenwirkungen des Fluchs. Richtig weibisch verhält er sich
manchmal geradezu--"
"Satome-kun!"
"Eh. Was?"
"Warst du nicht dabei, etwas Positives über Ranma zu sagen?"
Genma rollte mit den Augen von einer zur anderen Seite. Eine Sekunde verging.
Dann drei, vier, fünf. Insgesamt benötigte er fast eine halbe Minute bis sich
sein Blick erhellte und er Erleuchtung fand. "Ja richtig. Heh heh."
Ein leises, jedoch wenig fröhliches Lachen erklang.
Soun stieß ein theatralisch lautes Seufzen von sich. "Komm mit,
Saotome-kun."
"Wohin gehen wir?"
"Wir werden uns heute einen guten Schluck Weinbrand genehmigen--"
"Sake--"
"KEINEN Sake, Saotome-kun. Wir haben schließlich nichts zu feiern.
Allerdings haben wir auch nichts mehr zu befürchten, jetzt da fest steht, dass
Akane außer Lebensgefahr ist und Ranma an ihrer Seite wacht."
***
Im dunklen Zimmer am Rand des Bettes, das sich darin befand, drehte eine
Gestalt sich langsam und kurz zur Tür hin um. "Diese Idioten..."
flüsterte Ranma entkräftet. "Stehen im offenen Türrahmen, während sie sich
unterhalten und glauben auch noch, ich höre sie nicht." Sein Blick haftete
wieder an seiner schlafenden Verlobten. Auf einmal musste er ein wenig lächeln.
"Aber vielleicht... haben sie ja auch gar nicht so Unrecht. Ich hoffe es.
Wach schnell wieder auf... Akane."
Er wollte so gerne seinen Oberkörper auf ihrem Bett ausruhen. Nur für einen
Moment. Denn ganz plötzlich verspürte er eine starke Müdigkeit in seinen
Gliedern. Doch er konnte es sich nicht erlauben, zu schlafen und Akane damit
wehrlos irgendwelchen weiteren Angriffen aus dem Nichts ohne Deckung zu lassen.
Zumindest solange sie im Koma lag, wollte er Tag und Nacht über sie wachen.
Anstrengend war es. Manchmal. Aber es war es wert. Und vor allem war es seine
Pflicht. Konsequent hielt er sich in seinem Sessel mehr oder weniger aufrecht.
Nur seiner Hand gönnte er es, sich einen Moment lang auszuruhen. Und so ließ er
seine Finger für wenige Sekunden in Kontakt mit der Haut ihrer Wange kommen,
von der aus er mit Aufregung und Wohlbefinden ihre Energie ertastet hatte.
Lächelnd strich er ihr übers Gesicht und freute sich so sehr darauf, bald
endlich wieder das gewohnte, lodernde Feuer darin zu entdecken. Wenn sein Vater
und Soun auch sonst zu recht wenig tauglich waren, in dieser Nacht hatten sie
es geschafft, ihn etwas aufzumuntern - auch wenn sie es gar nicht beabsichtigt
hatten, wie Ranma stirnrunzelnd feststellte. Auf einmal floss mit leichter
Verspätung der Sinn der Worte, die sein Vater und Soun gewechselt hatten, in
seine Wahrnehmung. Und er verstand. Errötet sah er auf seine eigene Hand, die
Akanes Wange so vorsichtig liebkoste und spürte die steigende Hitze in seinen
glühenden Wangen. Und dennoch, wie es die Technik des Hiryuu Shouten Ha lehrt,
so würde er sich auch nun verhalten: Scham abstellen und für das einzig
Bedeutende kämpfen.
... Akane...
---
Anmerkung der Autorin:
Hey, das ist wirklich keine Darkfic! Ehrlich! ^^ Leider ließ es sich nicht
umgehen, den Anfang so zu gestalten. In dem recht dusteren Zusammenhang habe
ich mich bemüht, wenigstens einige Stellen etwas aufzulockern, damit die
angestrebte Gesamtstimmung meiner FF von der eigentlichen Grundidee nicht allzu
sehr abkommt. Ich hoffe, ihr bleibt dran und hattet trotzdem Freude am Lesen,
denn vom Schreiben her ist das meine Lieblingsgeschichte (wenn's auch nicht so
aussieht durch die längeren Pausen - ist eben etwas komplizierter *trief*).
