18. Kapitel

Am Freitag Nachmittag schaute Helen bei Cole im Büro vorbei. "Hallo Kevin, hast du Lust mich in das Cafe drüber zu begleiten? Ich brauche eine kleine Auszeit. Mir platzt schon fast der Kopf und ich muss bis heute Abend den Artikel fertig haben." stöhnte sie.

Cole war eigentlich schon auf dem Weg nach Hause, aber er sagte gerne zu mit Helen noch etwas Trinken zu gehen. Er schnappte sich seine Jacke und sie verließen zusammen sein Büro.

"Wo ist denn Peter" fragte er Helen auf dem Weg zum Cafe. Es lag nicht weit entfernt von der Zeitung, auf der anderen Seite der Straße.

"Ach der hat noch einen Fotoauftrag in der Stadt. Wenn er fertig ist kommt er nochmal hierher. Aber ich denke ich schicke ihn lieber nach Hause, ich weiß so schon nicht, wie ich diesen blöden Artikel fertig kriegen soll." Sie ließen sich an einem Tisch nieder, der vor dem Cafe aufgestellt war.

"Ich dachte er wär schon fast fertig." tat Cole überrascht.

"Wie kommst du denn auf die Idee, du weißt doch, dass ich immer bis zum letzten Drücker warte, ich brauche den Adrenalinschub und die Hektik um etwas gutes schreiben zu können." Sie schaute ihn fertig an. "Aber dieses Mal habe ich es wohl etwas übertrieben."

Er lachte, er kannte Helens Arbeitsweise und jedesmal wenn sie einen wichtigen Artikel schrieb, dann verbreitete sie dieses Chaos. "Ich bin überzeugt du schaffst das schon, wie immer."

"Dein Wort in Gottes Ohren. Wieso kann ich mich auch nicht ändern, diese Situationen kosten mir bestimmt ein paar Jahre meines Lebens." Sie lehnte sich seufzend zurück.

"Du willst dich gar nicht ändern, gib es doch zu."

Sie trank einen Schluck ihres Eiskaffees und dachte nach. "Ich denke du hast leider Recht."

Eine Viertel Stunde später erhoben sie sich wieder, um zurück zum Zeitungsgebäude zu gehen. Als sie an der Ampel davor ankamen, mussten sie eine Weile warten, bis sie auf grün schaltete. Plötzlich hörte Cole ein leises ploppendes Geräusch. Er bemerkte wie Helen neben ihm in die Knie ging. Er stützte sie, doch sie ging zu Boden. Er kniete sich neben sie und wollte ihr aufhelfen, doch als er ihren Rücken berührte, spürte er an seinen Händen Blut. "Oh Gott Helen, was ist los." Er starrte sie entsetzt an. Sie hatte einen glasigen Blick und flüsterte nur "Es tut so weh."

Er sah sich panisch um und schrie einen Passanten zu "Rufen sie einen Krankenwagen und die Polizei. Ich ich glaube sie ist angeschossen worden." Sofort sammelte sich eine Menschenmenge um sie. Alle redeten auf sie ein, doch Cole hörte ihnen gar nicht zu. Er versuchte mit seiner Jacke Helens Blutung zu stillen, aber sie wurde immer nur blutiger. Er hoffte es hatte tatsächlich jemand einen Krankenwagen gerufen. Er redete leise auf Helen ein. "Halte durch Helen, gleich kommt ein Krankenwagen, keine Sorge es wird schon wieder alles gut, ganz bestimmt, das verspreche ich dir." Er sah hoch "Wo bleibt denn der Krankenwagen," schrie er die Passanten an, die verschreckt zusammenfuhren. Ein Mann erbarmte sich ihm mitzuteilen, dass er unterwegs sei und sofort kommen würde. Cole wandte sich wieder Helen zu. Es schien ihm als würde sie immer blasser werden. Er stand kurz davor zu explodieren, konnte dieser dämliche Krankenwagen sich nicht beeilen? Er würde es sich nie verzeihen, wenn ihr etwas passieren würde. Die Sekunden vergingen für ihn wie Stunden. Er hielt ihre Hand und glaubte zu spüren, dass ihr Puls immer langsamer ging. Mit der anderen Hand hielt er seine Jacke, die sich immer mehr mit ihrem warmen Blut vollsog und er wusste nicht, wie er es aufhalten sollte.

Endlich nach elenden Stunden, wie es Cole schien, hörte er die Sirene eines Krankenwagens. Die Sanitäter bahnten sich einen Weg durch die Menschenmasse und luden Helen auf eine Bahre. Sie schlossen sie sofort an einen Tropf an. Cole wollte ihre Hand nicht loslassen und lief neben hier her zum Krankenwagen, kurze Zeit später musste er sie dann doch kurz loslassen, um in den Wagen zu steigen. Die Sanitäter hatten nichts dagegen, dass er sie begleitete.

"Was ist passiert," fragte einer der Männer.

"Ich weiß es nicht, sie würde angeschossen, glaube ich, an der Ampel, ich verstehe nicht wie das geschehen konnte. Wird sie wieder gesund?" Er sah sie beunruhigt an.

"Wir kriegen sie schon wieder hin." versuchte ihn der Mann zu beruhigen, aber es schien nicht zu funktionieren.

Im Krankenhaus angekommen, wurde Helen sofort in den Intensivbereich geschoben. Cole konnte ihr nur noch hilflos hinterherblicken. Anschließend musste er zurück zum Patientenempfang, um ihre Daten anzugeben. Als er das mehr oder weniger erledigt hatte, er hatte nicht verstehen können, wie sie ihn in so einem Moment mit so lächerlichen kleinlichen Fragen quälten konnten, was er auch zum Ausdruck gebracht hatte, stand er vor der schwierigen Aufgabe Peter Bescheid zu sagen.

Er rief ihn an und teilte ihm mit, dass Helen im Krankenhaus lag. Bevor er ihm noch weiteres erzählen konnte, hatte Peter ihm schon mitgeteilt, dass er sofort kommen würde und hatte aufgelegt. Cole hoffte, dass er nicht allzu weit von Krankenhaus entfernt war, sonst würde er wahrscheinlich auch noch einen Unfall bauen. Doch darum hätte er sich keine Sorgen machen müssen, Peter kam ein paar Minuten später unversehrt ins Krankenhaus gestürmt. Als er Cole sah, kam er sofort auf ihn zu und bombardierte ihn mit Fragen. "Was ist passiert, wie geht es ihr?"

"Ich weiß nicht, wie es ihr geht, die Ärzte sagen wie immer nichts." Das Helen angeschossen worden war, hielt er für's erste lieber zurück. Nachdem Cole ihm nicht viel sagen konnte, machte sich Peter auf die Suche nach einem Arzt. Aber er hatte auch nicht mehr Erfolg als Cole. Entnervt ließ er sich auf den Stuhl neben ihm nieder. "Was ist eigentlich passiert?" fragte er Cole, doch bevor dieser antworten konnte, erschien ein Polizist vor ihnen. "Kevin Torrens? Ich hätte da ein paar Fragen an sie." wandte er sich an die beiden.

"Jetzt? Hat das nicht Zeit bis später?" fragte Cole genervt.

"Sie wollen doch sicher auch, das der Täter gefasst wird, oder etwa nicht." Der Mann schaute ihn missbilligend an.

"Täter?" kam es aufgebracht von Peter "Welcher Täter?"

"Helen Carter ist angeschossen worden." klärte ihn der Polizist sachlich auf.

"Angeschossen, und davon sagst du mir nichts, wer sollte sie denn anschießen?"

"Um das herauszufinden bin ich ja hier." meinte der Polizist und sah Cole an, als sei er der Gesuchte. "Wenn Mr. Torrens sich bequemen würde, mir jetzt endlich meine Fragen zu beantworten ...."

Widerwillig teilte Cole ihm kurz mit, was passiert war, und fügte wütend hinzu. "Ich habe keine Ahnung, wie es geschehen konnte, oder wer es war." Auch wenn sie das zu denken scheinen, dachte er grimmig. Was ja auch zum Teil stimmte, denn er hatte schon einen Verdacht, aber den wollte er der Polizei im Moment noch nicht mitteilen.

Der Polizist gab ihm seine Karte und teilte ihm mit, dass er noch einmal auf das Revier kommen müsste, um seine Aussage zu unterschreiben. Na toll, wozu war dann dieser Auftritt nötig gewesen? fragte sich Cole wütend. Nachdem der Polizist verschwunden war, erschien ein Arzt und teilte ihnen mit, dass die Operation den Umständen entsprechend gut verlaufen war und sie jetzt nur noch abwarten könnten. Der Arzt war der Meinung, dass sie doch lieber nach Hause gehen und sich ausruhen sollen, sie würden sich dann schon melden, wenn Veränderungen eintreten würden.

Während Peter einen kurzen Blick auf Helen werfen durfte, machte sich Cole weiter Gedanken über den möglichen Täter. Er war überzeugt, dass es etwas mit ihrem Artikel zu tun haben musste. Diese dämliche Phoebe, sie hatte ihm versprochen, dass Helen außer Gefahr war. Je mehr er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. Als Peter zurückkehrte, ging er zu ihm rüber und teilte ihm mit, dass er kurz weg müsse, um etwas zu erledigen. Peter konnte nicht verstehen, wie sein Freund ihn jetzt im Stich lassen konnte, aber Cole ließ sich nicht aufhalten. Er machte sich auf den Weg zu den Halliwells, an irgendwem musste er seinen Zorn ja schließlich auslassen.

Als er an ihrer Tür klingelte, öffnete Phoebe die Tür. Er achtete gar nicht auf sie, sondern stürmte an ihr vorbei in den Flur. Sie drehte sich um und sah ihn fragend an. "Habe ich dich etwa hereingebeten?"

Er drehte sich zu ihr um und fuhr sie an "Ich habe dir vertraut, und jetzt stirbt Helen wahrscheinlich, dass ist alles deine Schuld." Er starrte sie böse an.

"Ich verstehe kein Wort, was ist denn passiert?"

"Helen ist angeschossen worden," er sah sie an. "Ich war dabei und konnte ihr nicht helfen, überall war ihr ... Blut." presste er hervor. Er sah sie anklagend an "Du hast gesagt, dass ihr nichts passieren wird."

"Ich ..." meinte Phoebe entsetzt.

"Hast du jemandem davon erzählt, deinem Informanten oder so?"

"Wem? ... Nein, natürlich nicht." beteuerte sie.

Paige und Piper waren unterdessen ebenfalls im Flur erschienen und betrachteten die beiden argwöhnisch. Cole hatte inzwischen begonnen, auf und ab zu gehen und kümmerte sich nicht um die beiden.

"Was ist denn hier los Phoebe?" fragte Piper.

Phoebe schaute zu ihnen rüber. "Helen ist angeschossen worden." teilte sie ihnen mit.

"Wir kümmern uns schon darum." imitierte Cole unterdessen Phoebe "Halt dich ja aus allem raus, und stell keine Nachforschungen mehr an, ihr wird schon nichts passieren."

"Und, hast du dich daran gehalten?" wandte sich Piper an ihn.

Er sah sie irritiert an. "Was geht dich das an?"

"Also wie ich dich kenne, natürlich nicht ." Piper schüttelte den Kopf. "Das ist ja wieder mal typisch."

Er ging auf sie zu und fragte kalt "Willst du damit etwa andeuten ich wäre Schuld an Helens Unfall?" Er starrte sie böse an.

"Nein Cole," versuchte Phoebe die Situation zu entspannen, aber er achtete gar nicht auf sie. Sie alle gingen ihm so auf den Geist, mit ihren misstrauischen Blicken. "Es ist ja so einfach, immer mir die Schuld für alles zu geben, das habt ihr schon immer gerne gemacht, nicht wahr? In eurer kleinen perfekten Welt habe ich wohl die Rolle des Bösen abgekriegt." Sie schwiegen, sie wussten mehr von ihm, als er selbst, und geruhten nicht, es ihm mitzuteilen, das machte ihn rasend. "Ihr haltet euch für so gut, weil ihr mich mit eurem Schweigen davor verschont, dass ich etwas von meinen früheren Missetaten weiß. Aber mich würde schon interessieren, was ich denn so Schlimmes getan habe, dass ihr es mir nicht sagen könnt. Ist das denn so schwer zu verstehen?"

"Darum geht es doch gar nicht Cole." wandte sich Paige ihm zu. "Es geht um deine Freundin, und darum, dass du sie mit deinen dämlichen Nachforschungen in Gefahr gebracht hast. Aber du konntest ja noch nie die Verantwortung für deine Taten übernehmen."

"Hör auf Paige" fuhr Phoebe sie an. "Das ist doch hierbei gar nicht der Fall."

Cole wandte sich unsicher dem Wohnzimmer zu und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Hatte er Helen tatsächlich durch seine Nachforschungen in Gefahr gebracht, aber es war doch unmöglich, niemand konnte etwas davon wissen, davon war er überzeugt. Und wenn, dann wären sie hinter ihm hergewesen. Aber er hätte Helen alles erzählen müssen, das wäre seine Pflicht gewesen.

"Es ist meine Schuld," murmelte er und ließ sich auf dem Sofa im Wohnzimmer nieder. Er beugte sich nach vorne und ließ seinen Kopf in seine Hände sinken. Phoebe ging langsam zu ihm, kniete sich vor ihn hin und berührte vorsichtig seine Hände. Er blickt auf und sie sah eine Verzweiflung in seinen Augen, die er mit aller Macht zu unterdrücken versuchte. Dass ihm diese Frau so viel bedeutete, gab ihr einen Stich ins Herz. Früher hätte nur sie das gekonnt. Aber darauf kam es jetzt nicht an, versuchte sie sich zu beruhigen. Sie blickte ihn ruhig an und sagte bestimmt. "Es ist nicht deine Schuld Cole."

"Ich hätte ihr alles erzählen müssen."

"Aber das hätte nichts geändert, und das weißt du auch."

"Sie hätte sich besser schützen können, Sie hätte es abzulehnen können, den Artikel zu schreiben."

"Und hätte sie das getan?"

"Nein" meinte er nach kurzer Zeit.

"Eben, sowas kann man nicht ändern, es ist Schicksal und sie wird es schafften, ganz bestimmt. Außer dem Täter hat niemand daran Schuld, es war sicher schon vor längerer Zeit geplant. Wer auch immer es war, er wollte verhindern, dass der Artikel veröffentlicht wird."

"Ja" meinte er bitter, "und das haben sie auch geschafft." Er schloss die Augen. "Morgen sollte er erscheinen, aber er war noch nicht ganz fertig."

"Dann haben sie also gewonnen." meinte Piper, die ebenfalls ins Wohnzimmer gekommen war.

Cole schaute sie nachdenklich an, "Nein" meinte er und sprang auf. "Ich werde sie nicht gewinnen lassen." Er stürmte auf den Ausgang zu.

"Was willst du tun Cole." fragte Phoebe, die ihm hinterhergeeilt war.

"Das ist meine Sache," er blickte sich noch einmal um und sah Phoebe an. "Mach dir keine Sorgen, ich habe die Sache im Griff." Dann öffnete er die Tür und verließ das Haus. Phoebe schaute ihm hinterher.

"Was bildet der sich eigentlich ein, uns hier so anzuschreien." Regte sich Paige auf.

"Er hatte doch Recht," Phoebe drehte sich zu ihrer Schwester um "ich habe ihm versprochen, dass sie nicht mehr in Gefahr ist, und das war sie doch. Wir haben uns in den letzten Tagen kein bisschen um dieses Problem gekümmert."

"Phoebe, uns haben die letzten Tagen zwei Dämonen angegriffen, die wir vernichten mussten, da hatten wir einfach keine Zeit uns auch noch darum zu kümmern."

"Ja das weiß ich, aber ich hätte zulassen müssen, dass er sie warnt, ich hätte nicht nur an uns denken müssen."

"Wenn Cole sie hätte warnen wollen, dann hätte er es auch getan. Dass sie angeschossen wurde, hat nichts mit Dämonen zu tun, solche Verbrechen passieren auch in der normalen Welt, wir können nicht allen helfen." Versuchte Piper sie zu überzeugen.

"Könnte Leo ihr nicht helfen." überlegte sich Phoebe und wandte sich an ihre Schwester "Oder du Paige."

"Du weißt, dass wir das nicht dürfen und außerdem wäre es auch viel zu auffällig. Die Ärzte werden sie sicher auch ohne unsere Hilfe durchbringen, mach dir keine Sorgen."

Nachdenklich ging Phoebe zur Treppe und meint "Ich weiß du hast ja Recht." Aber trotzdem fühlte sie sich schuldig, vor allen Dingen, weil sie nicht gerade die größte Sympathie für diese Helen hegte.

Cole war in das Zeitungsgebäude zurückgekehrte, was zu dieser Abendzeit beinah leergefegt war. Er ging in Helens Büro und sah, dass ihr Computer noch angeschaltet und ihr noch unfertiger Artikel geöffnet war. Auf dem Schreibtisch lagen unzählige Notizen und kopierte Berichte. Er setzte sich und begann zu lesen, was sie schon geschrieben hatte. Es wäre nicht allzu schwer für ihn, den Artikel zu Ende zu schreiben. Er kannte die Fakten, und wusste fast noch mehr als Helen. Er schaute auf die Uhr, es war noch Zeit. Da Helens Arbeitsweise bekannt war und man ihr vertraute, braucht er nur die Abgabefrist einhalten. Er rief vorsichtshalber den Redakteur an und erhielt die Bestätigung, dass sie auf Helens Artikel noch warteten und bisher keinen anderen eingeplant hatten. Von ihrem Unfall hatte er noch nichts gehört, aber er hatte nichts dagegen, dass Cole den Artikel fertig schreiben würde.

Er machte sich gleich an die Arbeit. Er passte sich Helen Schreibstil an und fügte die noch fehlenden Fakten ein. Helen hatte wirklich interessante Fakten zu den Korruptionsfällen in der Stadtverwaltung gesammelt, die sie auch alle belegen konnte. Obwohl Cole wusste, dass hinter der ganzen Sache noch mehr steckte, erwähnte er weder die Deacon Fabrik, noch den Tod von Adam Samuels, sondern beschränkte sich auf Helens Informationen. Zusätzlich erwähnte er kurz die ominösen Unfälle der Informanten. Zwischendurch rief er immer wieder im Krankenhaus an, um über Helens Zustand unterrichtet zu werden. Aber es hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts getan. Am Schluss des Artikels berichtete er, das die Autorin dieses Artikels am späten Nachmittag angeschossen worden war, sich zur Zeit im Krankenhaus befand und ihr Zustand noch ungewiss war. Sollten die Leser doch ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen, dachte er grimmig. Nachdem er den Artikel zum wiederholten Male durchgelesen hatte, gab er ihn im Redaktionsbüro ab, wo er ohne Korrektur sofort weitergegeben wurde.

Nachdem Phoebe in ihr Zimmer gegangen war, ging sie zu ihrem Schrank und holte aus der hintersten Ecke ein Kästchen hervor, das sie dort vor etwa zwei Jahren hingeschoben hatte. Sie hatte es nicht über sich gebracht, die Sachen, die es enthielt, einfach wegzuwerfen, aber sie hatte sich gezwungen, nicht mehr daran zu denken und sie zu vergessen. Jetzt stellte sie es auf ihr Bett und holte einen kleinen Schlüssel hervor. Sie öffnete es und holte die Gegenstände heraus.

Es waren ihre Erinnerungsstücke an Cole, die vor allem aus Fotos bestanden. Es war schwer sie zu betrachten, ohne Trauer. Sie waren damals so glücklich gewesen, trotz aller Probleme. Doch dort lag auch der Brief, den er ihr geschrieben hatte, und den sie nach seinem Tod als Quelle erhalten hatte. Und dann sah sie den Verlobungsring, den er ihr kurz bevor sie von der Quelle angegriffen worden waren geschenkt hatte. Sie nahm ihn in die Hand. Im Grunde war dies der letzte echte wahre Augenblick zwischen ihnen gewesen. Sie hatte den Augenblick damals als völlig unpassend empfunden, aber er hatte Recht gehabt, er hatte ihn richtig gewählt. An jedem Zeitpunkt danach hätte sie nicht ohne nagende Zweifel und ein schlechtes Gefühl daran denken können. Der Ring sollte sie immer daran erinnern, das er sie liebte. Das sollte sie wissen, egal was passieren würde, hatte er ihr damals gesagt. Ob er geahnt hatte, was kommen würde? Und warum hatte alles so kommen müssen? Was wäre passiert, wenn er nicht die Quelle geworden wäre? Wären sie dann heute noch glücklich zusammen, oder wären sie alle an diesem Tag gestorben? Vielleicht, aber halt stop. So war es doch gar nicht gewesen, Cole hatte dem Angebot der Herrscher der Unterwelt zu werden nicht widerstehen können, schließlich war er ein Dämon. Richtig, das war die bessere Erklärung, eine, mit der sie leben konnte. Aber war es auch die Wahrheit? Sie hatte sich diese Fragen lange nicht mehr gestellt, wenn überhaupt jemals, es hätte ihr nichts gebracht. Damals war alles viel zu schmerzhaft gewesen und die einzige Lösung, die ihr eingefallen war, war alles zu verdrängen und zu vergessen. Und letztendlich hatte sie es geschafft, alles was zwischen ihnen gewesen war, als falsch und schlecht abzustempeln.

Sie hörte, dass jemand die Tür öffnete und blickt auf. Es war Piper. Sie sah gleich, was Phoebe da auf ihrem Bett ausgebreitet hatte. "Wie geht es dir?" fragte sie, sie hatte immer befürchtet, dass Phoebe mit der Tatsache, dass Cole noch lebte doch nicht so einfach umgehen konnte, wie sie immer tat.

"Ach ich weiß nicht, ich weiß einfach nicht mehr was ich denken und fühlen soll."

"Wegen Cole?"

"Hm. Weißt du ich finde es einfach ungerecht, dass er mit dieser Helen eine ganz normale Beziehung haben kann, und bei uns kam immer was dazwischen."

"Sie wurde angeschossen!" gab Piper zu bedenken.

"Ja ich weiß, aber das meine ich nicht. Sie wird sicher wieder gesund, nicht dass ich das nicht hoffe." fügte sie schnell hinzu und sah Piper vorsichtig an.

"Das weiß ich doch Phoebe." Piper setzte sich zu ihr auf das Bett. "Es ist sogar okay, wenn du ein wenig auf sie eifersüchtig bist."

"Ich bin gar nicht eifersüchtig," versuchte sie Piper und sich zu überzeugen. "Es ist nur...., warum haben wir nie eine echte Chance bekommen." Sie sah Piper an. "Naja ich weiß wir hatten ein paar, aber es war ja nicht nur seine Schuld, dass es nicht geklappt hat. Helen hat keine Probleme mit diesem ganzen Dämonenmist .... Ach vergiss, was ich da gesagt habe." Sie schüttelte traurig den Kopf.

"Ich hatte immer befürchtet, dass es nicht stimmt, dass du nichts mehr für ihn empfindest. Aber es ist doch nicht mehr, nicht wahr? Du liebst ihn doch nicht etwa noch?" fragte Piper mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.

"Nein, natürlich nicht, und selbst wenn da noch etwas ist, dann will ich das gar nicht. Ich dachte ich wäre schon lange darüber hinweg. Zum Schluss wollte ich nur noch, dass er aus meinem Leben verschwindet und mich nicht mehr in seine Probleme mit hineinzieht. Aber richtig glücklich bin ich danach auch nicht geworden." Sie seufzte. "Ich habe mir ja nie ausgesucht, mich in einen Halbdämon zu verlieben, du hattest da schon mehr Glück." Sie sah ihre Schwester mit einem leichten Lächeln an. "Wenn du mich vor einigen Tagen gefragt hättest, dann hätte ich dir voller Überzeugung sagen können, nein, auf keinen Fall empfinde ich noch etwas für ihn. Dafür hat er mir zu viel angetan, er war so unberechenbar und gefährlich, aber jetzt ist es irgendwie anders. Ich brauche keine Angst mehr vor ihm zu haben, er ist schließlich kein Dämon mehr und nicht mehr krankhaft hinter mir her."

Sie sah Piper an, die beunruhigt zurückschaute. "Aber das heißt gar nichts, du musst dir keine Sorgen machen." versuchte sie ihre Schwester zu beruhigen. "Ganz gleich ob er eine Freundin hat oder nicht, selbst wenn ich ihn noch lieben würde, ich weiß dass ich das Risiko nicht noch einmal eingehen werde. Bei uns klappt es nie, auch wenn er jetzt kein Dämon mehr ist, er ist schließlich irgendwie immer noch unberechenbar. Das Ganze gab es schließlich schon einmal und du weißt ja was bei uns dabei herauskam." meinte sie traurig.

"Es tut mir wirklich Leid Phoebe, aber ich glaube das ist die richtige Entscheidung, halt ihn von dir fern." Sie fuhr ihr über das Haar. "Ich will nicht, dass er dir noch einmal wehtut."

"Keine Angst, das wird nicht geschehen. Ich passe schon auf mich auf." Meinte Phoebe und war sich gar nicht mehr so sicher, ob sie das wirklich konnte.

Als Cole wieder im Krankenhaus ankam, hatte sich Helens Zustand stabilisiert. Die Ärzte wollten sich zwar noch nicht endgültig festlegen, da immer noch Komplikationen auftreten konnten, aber aus ihren Worten hörte man heraus, das Helen über den Berg war. Erleichtert ging Cole zu Peter hinüber, der immer noch zusammengesunken auf einem Stuhl im Wartebereich saß. "Hey, wie geht es dir." fragte Cole und setzte sich auf den Stuhl neben ihm.

Peter fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht und sah ihn abgespannt an. "Wo bist du gewesen?"

"Ich habe Helens Artikel zu Ende geschrieben." erklärte Cole zufrieden.

Peter starrte ihn ungläubig an. "Das ist doch nicht wahr, oder?" Er konnte es nicht glauben. Er stand auf und schaute aus dem Fenster. "Helen kämpft hier mit ihrem Leben und dir fällt nichts besseres ein, als davon zu profitieren?"

Cole stand ebenfalls auf und trat neben ihn. "Ich wollte doch nicht davon Profit schlagen, das verstehst du völlig falsch."

"Ach ja" Peter wandte sich ihm zu. "Was bist du denn für ein Freund, wenn du einfach abhaust, um zu zeigen, was für ein toller professioneller Reporter du bist, denkst immer nur an die Zeitung, die neue Nummer 1 auf der Beförderungsliste."

"Du redest nur Blödsinn, das traust du mir doch nicht etwa zu, ich bin schließlich euer Freund."

"Was weiß ich denn schon von dir, du willst unser Freund sein? Also deine heutigen Taten sprechen aber eine andere Sprache." Peter starrte ihn wütend an.

"Ich habe es für Helen getan. Und wenn du mal richtig nachdenken würdest, dann wüßtest du das auch." versuchte Cole sich zu verteidigen.

"Sicher, für Helen, hau ab, ich will dich hier nicht mehr sehen." Peter ging auf seinen Stuhl zu und setzte sich wieder.

"Ach, du willst mich hier nicht sehen, tja, tut mir Leid, aber ich habe genauso ein Recht hier zu sein, wie du." Er ließ sich von den ungerechtfertigten Anschuldigungen Peters doch nicht vertreiben. Er wandte sich dem Fenster zu und starrte in die dunkle Nacht. Die Atmosphäre im Raum war eisig.

"Ich kann einfach nicht glauben, dass du mir das antust, erst läßt du zu, dass Helen angeschossen wird und dann ist es dir völlig egal, wie es ihr geht, weil du unbedingt ihren blöden Artikel an dich reißen willst und dann raubst du mir auch noch den letzten Nerv, indem du einfach stur dort am Fenster stehen bleibst, als hätte ich keine anderen Probleme."

Cole hatte weder Lust, sich zu rechtfertigen, noch sich das Gejammere weiter anzuhören. Er ging zu Peter und teilte ihm mit. "Gut, du kriegst deinen Willen, ich verschwinde." Er ging auf den Flur hinaus und verließ das Gebäude.

Er beschloss zu Fuß zum Redaktionsgebäude zu gehen. Da es eine warme Freitagnacht war, waren noch zahlreiche Menschen unterwegs. Aus den Lokalen drangen die Geräusche von fröhlichen Menschen, die sich am Wochenende amüsierten. Es tat ihm gut, anonym durch die belebten Straßen zu gehen, die hell erleuchtet waren. Er war unglaublich wütend auf Peter. Wie konnte er ihn einfach so verurteilen, ohne die wahren Umstände zu kennen? Er selbst wusste ja, dass er das richtige getan hatte, es war in Helens Sinne gewesen. Sie würde es verstehen, und er zweifelte auch nicht daran, dass Peter sich bei ihm entschuldigen würde, wenn er erst einmal wieder bei klarem Verstand war. Er sollte es Peter nicht übel nehmen, in solch einer Extremsituation hatte er nur überreagiert. Doch trotzdem konnte er es nicht so einfach abschütteln, denn er spürte, dass er das Gefühl kannte, einfach ohne Wissen der ganzen Fakten, verurteilt zu werden. Er musste es aus seinem früheren Leben kennen, und das beunruhigte ihn.

Als er das Gebäude des Daylight Express erreichte, begab er sich in den Keller, dort befand sich die Anlage, die notwendig waren, um die Zeitung zu drucken. Der Lärm dort war immer unbeschreiblich und die Arbeiter trugen alle einen Lärmschutz. Von seinem Standpunkt aus hatte er den gesamten Überblick über das Netz von Maschinen, Pressen, Walzen, Drähten. Er beobachtete, das komplizierte Ineinandergreifen von Papier und Maschinen und atmete den Geruch von frischem Papier und Druckerschwärze ein. Die Papiere schossen durch die einzelnen Maschinen und zum Schluss kam die fertige Zeitung heraus. Eigentlich war es ungewöhnlich und nicht üblich, dass sich Reporter hier aufhielten, aber Cole hatte den Drang verspürt, zu beobachten wie Helens Artikel gedruckt wurde. Er hatte beschlossen ihr eine druckfrische Ausgabe mit ins Krankenhaus zu nehmen, sie würde ihn verstehen und er wusste es würde ihr helfen. Er blieb eine ganze Weile in dem Lärm stehen, bis er sich schließlich an die Stelle begab, wo die Zeitungen für den Abtransport verpackt wurden. Einige Arbeiter kannten ihn und er erhielt sofort eine Ausgabe des Daylight Express.

Er entschied sich zurück zum Krankenhaus zu gehen und machte auf seinem Weg dahin noch kurz halt in einem Imbiss, um eine Kleinigkeit zu essen. Er setzte sich an einen der zahlreichen freien Tische und legte die Zeitung neben sich. Er hatte sie auf der Seite mit Helens Artikel aufgeschlagen. Er fragte sich, in wie weit die Enthüllungen über die Vorgänge in der Stadtverwaltung Wellen schlagen würde. Er hoffte die Leute, die für Helens Unfall verantwortlich waren, würden zur Rechenschaft gezogen werden. Er würde auf keinen Fall aufgeben, bis der ganze Fall aufgeklärt war.

Als er wieder im Krankenhaus ankam, hatte er kein Interesse noch einmal in das Wartezimmer zu gehen, in dem Peter gewartet hatte, obwohl er annahm, dass Peter mittlerweile in Helens Krankenzimmer gelassen worden war. Er hielt nach einem Arzt Ausschau. Doch um diese Uhrzeit liefen nur noch wenige Krankenschwestern durch die Gänge der Station. Im Stationszimmer traf er auf eine leicht übermüdete Schwester, die ihn zu einer Tasse Kaffee einlud. Sie teilte ihm mit, dass sie Peter nach Hause geschickt hatten, weil er völlig erledigt gewesen war. Sie hatten ihn überzeugen können, dass seine Freundin nicht mehr in Gefahr war, und er ihr in seinem Zustand nicht würde helfen können. Schweren Herzens hatte er es eingesehen, und man hatte ihm ein Taxi gerufen. Cole bat die Schwester, ob er bei Helen vorbeischauen dürfte, und sie stimmte nach kurzem Zögern zu. Er bedankte sich bei ihr und ging zu Helens Zimmer.

Es war am Ende des Ganges und als Cole das Zimmer betrat, sah er Helen ganz ruhig in ihrem Bett liegen. Nur noch ein Schlauch an ihrem Arm zeugte davon, dass sie erst vor kurzem operiert worden war. Sie sah blass aus, schlief aber ganz friedlich. Cole ließ sich mit der Zeitung in der Hand auf dem Stuhl neben ihrem Bett nieder. Er machte es sich auf dem Stuhl bequem und beschloss, das er warten würde, bis sie aufwachte, heute Nacht würde er so oder so nicht richtig schlafen können.

Erst als die Sonne wieder aufging, rührte sich Helen in ihrem Bett, Cole, der vor sich hin gedöst hatte, sprang sofort auf und eilte zu ihrem Bett. Sie öffnete die Augen und sah ihn verwirrt an.

"Hallo," meinte Cole, "ich bin so froh, das du wieder unter den Lebenden weilst." Er lächelte sie an.

"Ja ich auch." Antwortete sie und verzog das Gesicht beim Klang ihrer krächzenden Stimme. "Was ist denn passiert?"

Er schüttelte den Kopf "Das ist doch jetzt nicht so wichtig."

"Ich wurde angeschossen," erinnerte sie sich. "Mein Artikel,.... sie wollten verhindern ... der Artikel?"

"Ich hab hier etwas für dich." unterbrach Cole sie und hielt ihr den Daylight Express mit dem aufgeschlagenen Artikel hin. "Ich habe ihn zu Ende geschrieben. Natürlich nicht so gut wie du aber,..."

Sie schaute auf die Zeitung vor ihrer Nase und las den Titel ihres Artikels, sie schaute zu Cole und lächelte ihn dankbar an. "Danke, Kevin, vielen Dank! Jemand wollte ihn verhindern, nicht wahr?"

"Mach dir jetzt keine Gedanken darüber, sie haben es ja nicht geschafft. Werde du erst wieder mal gesund." Er blickte zu ihr rüber, aber sie war schon fast wieder eingeschlafen. Er legte die Zeitung neben sie auf den Nachttisch und verließ das Zimmer.