19. Kapitel

Cole hatte kaum geschlafen, als es um die Mittagszeit an seiner Tür klingelte. Schlaftrunken stand er auf, um sie zu öffnen, er hatte den starken Verdacht, dass der Störenfried Peter sein würde, der sich bei ihm entschuldigen wollte. Doch als er die Tür öffnete stand dort nicht Peter sondern Phoebe. Er schaute sie müde und ungläubig an.

Phoebe hatte die ganze Nacht kaum geschlafen, sie hatte sich Sorgen gemacht und wilde Träume aus ihrer Vergangenheit gehabt, die bei ihr ein trauriges wehmütiges Gefühl zurückgelassen hatten. Völlig erschlagen war sie am nächsten Morgen am Frühstückstisch erschienen. Um sie aufzumuntern hatten Piper und Paige beschlossen, eine ausgedehnte Einkaufstour zu unternehmen, die den ganzen Tag dauern sollte. Doch zur Überraschung aller hatte Phoebe abgesagt. Sie hatte auch nicht die geringst Lust einkaufen zu gehen. Ihren Schwestern kam dies sehr verdächtig vor, schließlich musste schon einiges geschehen, um Phoebe von einer Shoppingtour fern zu halten. Sie hatten versucht, die niedergeschlagene Phoebe zu überreden, doch mitzukommen, aber sie hatten einsehen müssen, dass es wohl besser war, sie alleine zu lassen. Piper hoffte, dass sie damit auch die richtige Entscheidung getroffen hatten.

Nachdem die beiden Schwestern aufgebrochen waren, war Phoebe zurück in ihr Zimmer gegangen. Sie hatte sich angezogen und den Zettel mit Coles Adresse gesucht. Als sie ihn gefunden hatte, hatte sie nicht mehr lange überlegt, sondern beschlossen, bei ihm vorbeizufahren, um in Erfahrung zu bringen, wie es Helen ging, ...... naja und ihm auch.

"Oh, entschuldige, habe ich dich etwa geweckt."

"Ach, keine Sorge, ich konnte sowieso nicht richtig schlafen. Komm rein." Er trat zur Seite, um sie eintreten zu lassen und schloss hinter ihr die Tür. Als sie in sein Wohnzimmer traten, räumte er schnell ein paar Sachen von einem Sessel und legte sie beiseite. "Setzt dich doch."

Sie setzt sich und sah ihn an. "Warst du die ganze Nacht im Krankenhaus? Wie geht es ihr?"

"Sie wird es schaffen, heute morgen ist sie sogar schon kurz aufgewacht."

"Und du warst die ganze Zeit dort?"

"Nein." Meinte er müde. "Ich habe Helens Artikel zu Ende geschrieben und dann bin ich wieder zu ihr gegangen." Er schaute sich suchend um, bis ihm einfiel, dass er die Zeitung ja bei Helen gelassen hatte. Er schaute zu Phoebe hinüber und fragte. "Hast du etwas dagegen, wenn ich kurz dusche?"

"Nein." sie sah zu ihm hoch.

Er schaute forschend zurück und fragte dann misstrauisch "Und du ergreifst auch nicht die Gelegenheit, gleich wieder zu verschwinden?"

"Nein, ich bleibe schon noch so lange hier," als sie seinen skeptischen Blick sah, fügte sie hinzu "Ich kann ja inzwischen das Frühstück machen, du hast sicher noch nichts gegessen."

"Ich weiß gar nicht, ob noch etwas brauchbares da ist."

"Ich werde schon was finden."

"Na gut." Er ging ins Badezimmer und Phoebe inspizierte die Wohnung. An der rechten Seite des großen Raumes befanden sich zwei Türen, die eine führte ins Badezimmer, die andere wahrscheinlich ins Schlafzimmer. An der linken Seite des Raumes befand sich die Küche mit einem Eßplatz vor dem Fenster. Sie sah sich verwundert um. Seine Wohnung war ganz anders als seine vorherigen, sie war gemütlicher und sie sah so bewohnt aus, überall lagen seine Sachen herum. Früher war er immer eher ordentlich gewesen, aber wahrscheinlich hatte er damals einfach zu wenige Sachen gehabt, überlegte sie sich. Sie fragte sich, wie es gewesen war, als er kurzzeitig Mensch gewesen war und bei ihr gewohnt hatte. Sie meinte sich zu entsinnen, dass er damals auch eher seine Sachen hatte rumliegen lassen. Vielleicht war Ordnung halten ja eine seiner dämonischen Eigenschaften gewesen, dachte sie amüsiert. In der Küche fand sie wirklich nicht viel zu essen. Sie fand nur ein paar Kekse und kochte eine Kanne Kaffee. Dann setzte sie sich an den Küchentisch und schaute aus dem Fenster, die Sonne schien und es würde ein schöner Tag werden. Was machte sie hier eigentlich, sie hätte doch besser mit ihren Schwestern einkaufen gehen sollen, überlegte sie sich.

Kurze Zeit später kam Cole frisch geduscht und angezogen wieder zurück. "Jetzt geht es mir schon besser." Meinte er, setzte sich ihr gegenüber und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. "Und du bist doch tatsächlich noch da."

"Hast du daran gezweifelt?"

"Hm" er zuckte mit den Achseln und schaute sie an. "Bei dir weiß man nie, wie man dran ist."

Das konnte sie von ihm auch behaupten, aber sie blieb lieber still und betrachtete ihn.

Er aß einen Keks und blickte aus dem Fenster. Dann sah er wieder zu Phoebe herüber. "Schenkst du mir diesen Tag?" fragte er sie völlig unerwartet.

"Was? Diesen Tag?" was meinte er denn damit?

"Ja, wenn du nichts vorhast, hätte ich gerne deinen ganzen Tag. Du schuldest mir schließlich noch was."

"Willst du nicht zu deiner Freundin ins Krankenhaus?" fragte sie ihn überrascht.

"Da war ich schon heute morgen, und es geht ihr gut. Außerdem ist Peter sicher bei ihr und der will mich im Moment nicht in ihrer Nähe sehen." teilte er ihr mit.

"Peter?"

"Ja, Peter." Er sah ihren fragenden Blick. "Du kennst ihn, es ist der Fotograf." Half er ihr auf die Sprünge. Als sie immer noch verständnislos guckte, fügte er hinzu. "Peter, mein Nachbar, ihr Freund."

"Ihr Freund?" fragte sie überrascht, "Ich dachte du ..."

"Ich?" er begann zu grinsen. "Du dachtest Helen ist meine Freundin?"

"Ja, wieso auch nicht." meinte sie grimmig, konnte aber nicht leugnen, dass sie sich gleich um einiges besser fühlte. So, sie war also Peters Freundin, die passten auch viel besser zusammen, da hatte sich die ältere Frau auf dem Ball also doch geirrt, dachte sie schadenfroh.

"Du warst eifersüchtig" stellte er zu seiner Zufriedenheit fest.

"Nein" meinte sie empört. "Warum sollte ich?"

Er grinste weiter und dachte sich seinen Teil. "Also was ist nun, hast du heute schon was besseres vor? Sicher nicht."

"Nein, zufällig gerade nicht. Du kannst meinen Tag haben, aber unter einer Bedingung." Sie schaute ihn ernst an. "Keine Fragen zu früher, keine Fragen zu Cole."

"Na gut, einverstanden." Stimmte er ihrem Vorschlag zu. "Ich bin heute sowieso zu müde dafür."

"Und dies ist dann der Gefallen, den ich dir noch schulde." Meinte sie mehr zu sich selbst, als zu ihm.

"Hm" er sah sie skeptisch an, "es ist also ein Gefallen von dir mit mir den Tag zu verbringen, das hört sich aber begeistert an." Meinte er, ließ sich davon aber nicht die Laune verderben.

Der Satz war auch eher zu ihrer eigene Beruhigung gedacht, denn sie brauchte eine Ausrede, warum sie dieses Risiko einging. Zuzugeben mit ihm den Tag verbringen zu wollen, war nicht so einfach. Und die Entlastung ihm tatsächlich keine seiner Fragen mehr beantworten zu müssen, war schließlich auch nicht zu unterschätzen. "Also," wandte sie sich wieder an ihn. "Was hast du nun mit unserem Tag vor?"

Er lehnte sich zurück und dachte nach. "Irgendetwas unanstrengendes," er schaute aus dem Fenster. "Wie wäre es mit einem Picknick am Strand?" überlegte er und fügte hinzu "Heute sieht es nicht nach einem Gewitter aus." Lächelnd schaute er sie an.

"Ich habe aber nichts Richtiges zum Anziehen dabei."

"Das ist doch kein Problem, wir können auf dem Weg zum Strand bei euch Zuhause vorbei fahren und du holst dir die passenden Sachen."

Sie dachte kurz nach, Piper und Paige waren sicher noch auf ihrer Einkaufstour und er musste ja auch nicht mit ins Haus kommen. Also war dies eigentlich kein Problem. "Okay, warum nicht." stimmte sie zu.

Nachdem Cole seine Sachen zusammengesucht hatte, machten sie sich auf den Weg zum Halliwell Manor. Dort angekommen, stieg Cole wie selbstverständlich aus dem Auto und folgte ihr zum Haus. Da Phoebe keine Lust auf Diskusionen hatte, betete sie, dass ihre Schwestern wirklich nicht da seinen würden. Doch als sie das Haus betraten, war es tatsächlich leer. Cole schaute sich zum ersten Mal richtig um. Er wusste, dass er früher schon hier gewesen sein musste, aber es kam ihm nichts bekannt vor.

"Mein Zimmer ist oben." meinte Phoebe schnell und ging auf die Treppe zu. Er wollte ihr folgten, aber sie drehte sich zu ihm um und erklärte "Ich will mich auch noch umziehen, darum ist es besser, wenn du hier unten wartest."

"Kann ich nicht einen kurzen Blick in dein Zimmer werfen? Wer weiß, vielleicht kommt mir ja etwas bekannt vor." Er sah ihren unwilligen Blick. "Keine Angst, ich gehe dann auch gleich wieder."

Sie seufzte, "also gut, warum nicht." Er würde sich sowieso an nichts erinnern, also warum sollte sie sich so anstellen. Als sie die Treppe hochstiegen, blickte er nach oben. "Und was ist dort oben." fragte er sie, als sie vor Phoebes Zimmer angekommen waren.

"Ach, nichts, nur der Dachboden mit viel Gerümpel." Sie zog ihn schnell in ihr Zimmer. Cole schaute sich um, doch auch hier kam ihm nichts bekannt vor. Frustriert setzte er sich auf den Stuhl vor ihrem Schminktisch. Als er auf den Tisch blickte, fiel sein Blick auf ein paar Fotos, die Phoebe dort hatte liegen lassen. Er hob sie auf und erblickte zu seiner Verwunderung sich selbst und Phoebe. Er schaute sich die Bilder genauer an. Es war ein eigenartiges Gefühl, sich selbst zu betrachten und nicht zu wissen, wie und wo diese Fotos entstanden waren. Er war schon längere Zeit überzeugt davon, dass er Cole war, aber diese Fotos waren für ihn der erste echte, greifbare Beweis. Phoebe und er sahen so freudestrahlend aus, so verliebt und vor allem Phoebe strahlte eine Unbeschwertheit aus, die sie heute nicht mehr hatte. Er schaute zu ihr herüber.

Sie hatte ihre Sachen zusammengesucht und wollte ihn gerade auffordern wieder nach unten zu gehen. Sie blickte zu ihm hinüber und sah, wie er einige Fotos in der Hand hielt. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie das Kästchen dort hatte stehen lassen und dass die Fotos noch auf dem Tisch lagen. Sie hoffte, dass sie wenigstens seinen Brief wieder hineingetan hatte. Schnell ging sie zu ihm herüber und schloss die Schatulle.

Er bemerkte es gar nicht, weil er fasziniert die Bilder betrachtete. "Wir sehen so glücklich und verliebt aus, was ist passiert?" Fragte er und blickte zu ihr auf.

Sie setzte sich auf das Bett und sah ihn an "Das Schicksal war gegen uns." meinte sie knapp.

"Das Schicksal?" meinte er skeptisch, "das kann man doch ändern."

"Das ist nicht ganz so einfach, wie du denkst. Wir haben da andere Erfahrungen gemacht."

"Ich dachte wir haben uns geliebt, dann kann man auch alle Hindernisse beseitigen." meinte er überzeugt.

"Nein das kann man nicht, wir haben das auf die harte Tour gelernt. Ich konnte dir nicht mehr vertrauen, das hat meine Liebe kaputt gemacht." Sie schaute hinunter auf das Handtuch in ihren Händen.

"Hm," er sah sie nachdenklich an. "Wahrscheinlich hättest du mir ganz einfach vertrauen sollen. Und wenn du mich wirklich geliebt hast, dann hättest du es getan und wir hätten alle Schwierigkeiten beseitigen können."

Sie hob den Kopf "Du kannst das nicht verstehen, es war unmöglich, es waren die Umstände, falsche Entscheidungen, irgendwie lief alles falsch, dass meiste davon stand noch nicht einmal in unserer Macht." versuchte sie es ihm zu erklären.

"Das kann ich nicht glauben, wenn die Liebe stark genug ist, dann findet man immer einen Weg, man muss es nur wollen." Meinte er felsenfest davon überzeugt.

Sie verdrehte die Augen. "Ja, du hast es nie eingesehen." Sie sah ihn an. "Gott, Cole, du hast dich überhaupt nicht verändert."

"Soll das ein Kompliment sein?"

"Nein eher das Gegenteil." meinte sie und musste gegen ihren Willen lächeln.

"Aha!" Er verstand sie einfach nicht.

"Kannst du jetzt bitte runter gehen, ich muss mich noch umziehen."

Unzufrieden mit der ganzen Diskussion verließ er ihr Zimmer. Auf dem Weg nach unten kam er an einem Wäschekorb mit dem blauen Seemannspullover vorbei er hob ihn hoch und wunderte sich, warum sie ihn aufgehoben hatte.

Phoebe fragte sich indes zum wiederholten Mal, ob es besonders klug war, heute mit ihm den Tag verbringen zu wollen. Sie hatte Piper und sich schließlich versprochen, sich nicht noch einmal auf ihn einzulassen. Aber ein Tag, das bedeutete ja noch gar nichts, beruhigte sie sich. Sie durfte sich nur nicht weiter auf Gespräche über ihre Vergangenheit einlassen. Sie zog sich um und ging die Treppe hinunter. Er stand im Flur und hatte den alten Seemannspullover in der Hand.

"Warum hast du den denn aufgehoben?"

"Ich konnte ihn einfach nicht wegwerfen, er gehört mir ja schließlich nicht."

"Willst du ihn wieder zurückbringen?"

"Eigentlich war mir das zu mühselig, aber wenn wir dort vielleicht zufällig vorbei kommen, warum nicht." überlegte Phoebe. Cole nahm ihn mit und sie gingen zum Wagen.

Auf dem Weg zum Meer kauften sie noch einige Delikatessen für ein Picknick am Strand ein. Als sie am frühen Nachmittag am Meer ankamen, wimmelte es dort schon von Menschen. Phoebe teilte Cole mit, dass sie ruhigere Orte am Strand kannte, wo nie viele Leute waren, doch zuerst wollten sie noch den Pullover zurückbringen. Doch dies erwies sich als eine schwierigere Aufgabe, als gedacht, denn gerade dieser Strandabschnitt war sehr beliebt.

Cole parkte an der Straße, nicht weit von den Strandhütten entfernt. Sie schlichen zu den Hütten, und fanden diese glücklicherweise offen vor. Cole betrat die Hütte, um den Pullover zurückzulegen und Phoebe hielt Wache. Doch gerade zu diesem Zeitpunkt musste der Besitzer der Hütte vorbeikommen. Phoebe versuchte ihn abzulenken, doch dies war nicht von Erfolg gekrönt, denn er entdeckte Cole in der Hütte und regte sich schrecklich darüber auf. Er nahm an, dass die beiden ihn bestehlen wollten. Woraufhin sie ihm eine haarsträubende Geschichte erzählten. Er beruhigte sich etwas, obwohl er sie immer noch skeptisch anblickte, er wusste nicht so recht, was er von ihnen halten sollte und schaute sich sorgfältig in seiner Hütte um, da er nichts entdecken konnte, was gestohlen war und die beiden auch nichts in der Hand hielten, scheuchte er sie fort. Lachend machten sie sich auf den Weg zurück zum Auto.

"Er hat uns doch tatsächlich für Diebe behalten," Phoebe schüttelte immer noch lachend den Kopf. "Dabei habe ich mir den blöden Pullover nur ausgeliehen und ihn gewaschen zurückgebracht." Empörte sie sich.

Cole schaute sie forschend an. "So was passiert also, wenn man mit dir an den Strand geht, man wird als unbescholtener Bürger fast verhaftet."

"Ja, das Leben mit mir ist gefährlich. Sei lieber vorsichtig." warnte sie ihn.

Er schaute sie verschwörerisch lächelnd an "Ich werde es mir merken."

Sie fuhren ein Stück weiter und Phoebe führte Cole an einen Teilabschnitt des Strandes, wo weniger Menschen waren. Nach kurzem Suchen, fanden sie eine leere Stelle, wo sie ihre Sachen ausbreiten konnten. Nachdem sie sich niedergelassen hatten, fragte Cole Phoebe "Waren wir früher oft am Strand?"

Sie hob warnend die Hand. "Cole, du hast es versprochen." meinte sie bestimmt.

Er lächelte, "tut mir Leid, aber es war einen Versuch wert."

Kopfschüttelnd sah Phoebe zu ihm hinüber. Oh man, das konnte ja heiter werden. Schließlich meinte sie aber doch "Hier waren wir noch nie."

"Wirklich" er sah sie erfreut an. "Das ist gut, dann ist es für dich und für mich eine Premiere."

Sie lächelte du ihm hinüber und legte sich auf den Rücken. Sie blickte zu den vereinzelten Wolken am Himmel. Zum ersten Mal stellte sie sich vor, wie es für ihn sein musste, nichts von sich und von früher zu wissen. Er war darauf angewiesen, dass Phoebe ihm die Wahrheit sagte. Es musste ein scheußliches Gefühl sein, wenn andere mehr über einen wussten als man selbst. Sie überlegte, was sie wohl empfinden würde. Trotz all der traurigen und schlimmen Dinge, die sie in ihrem Leben schon erlebt hatte, wollte sie nicht auf ihre Erinnerungen verzichten. Ob es Cole wohl ähnlich ging? Er hatte sicherlich viel mehr schlimmes in seinem langen Leben erlebt, als gutes, also war es für ihn doch besser, es nicht mehr zu wissen, oder? Aber er wusste auch nichts mehr von ihnen beiden, und sie kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er diese Erinnerungen nicht missen wollen würde. Sie seufzte, es war nicht ihre Entscheidung, und sie war im Grunde froh, dass sie diesen undämonischen Cole neben sich hatte. Sie blickte zu ihm hinüber.

Er sah sie an und fragte. "Woran hast du gerade gedacht?"

"Wie es für mich wäre keine Erinnerungen zu haben." Gab sie zu.

"Naja es kann schon ziemlich beängstigend sein, aber ich komme damit klar." Stellte er fest und fuhr dann fort. "Das Schlimmste ist, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass ich mich gleich an etwas erinnere, wenn ich eine neue Umgebung sehe, wenn ich etwas tue oder ein Gespräch führe, aber dann kommt wieder nichts. Das kann einen schon manchmal in den Wahnsinn treiben." Er sah sie nachdenklich an. "Noch nicht einmal an dich erinnere ich mich." meinte er leise.

"Das tut mir Leid." flüsterte sie, und meinte es auch so. Sie spürte, wie sie sich wieder immer mehr zu Cole hingezogen fühlte. Vorsichtshalber wandte sie sich von ihm ab, um diese Empfindung zu verdrängen. Sie richtete sich auf, um aufs Meer blicken zu können und fragte unverbindlich "Was hast du gemacht, als du begriffen hast, dass du dich an nichts erinnern kannst."

Er setzte sich ebenfalls auf, und drehte seinen Kopf zur Seite, um sie anschauen zu können. "Zuerst wollte ich zur Polizei gehen," begann er zu erzählen, "aber dann hatte ich so ein komisches Gefühl, dass das die falsche Entscheidung wäre. Keine Ahnung warum." Er schaute sie fragend an, aber sie ging nicht darauf ein. Er erzählte ihr weiter von seinen Versuchen mehr über sich herauszufinden, von seinem Leben in Seattle, wie er Helen und Peter kennen gelernt hatte und wie er zu der Zeitung gekommen war.

"Und glaubst du es war eine gute Entscheidung nach San Francisco zu kommen?" fragte Phoebe nachdenklich.

"Ja." meinte er und beugte sich lächelnd zu ihr herüber. "Oder was denkst du darüber?"

Sie schaute ihn an, sein Gesicht war nur noch Zentimeter von ihrem entfernt. Sie blickte ihm in die Augen und meinte leise "Ich weiß noch nicht so genau. Wenn du weniger Fragen stellen und mich dafür küssen würdest, dann könntest du eventuell eine positive Antwort bekommen." Sie war selbst überrascht von dieser Antwort, aber jetzt konnte sie sie nicht mehr zurücknehmen, denn diese Chance ließ Cole sich nicht entgehen. Er küsste sie mit dem Verlangen eines Menschen, der sehr lange auf diese Gelegenheit gewartet hatte. Komischerweise erging es ihr genauso, sie hatte keine Lust mehr sich zurückzuhalten, es war ein Tag am Meer, die Sonne schien, die Wellen rauschten und sie wollte einfach glücklich sein, über die Konsequenzen konnte sie morgen noch nachdenken.

Nur ein unbeschwerte Tag am Meer, mehr wollte Phoebe gar nicht, und davon würde sie auch nichts mehr abhalten. Glücklich über diese Entscheidung, löste sie sich vorsichtig von ihm und erhob sich. Sie zog ihn ebenfalls mit sich hoch und meinte "Ich denke jetzt brauchen wir erst einmal eine Abkühlen." Sie zog ihn hinter sich her zum Wasser. Um diese Jahreszeit war es noch ziemlich kalt, aber dass störte sie nicht.

Kurze Zeit später kamen sie abgekühlt und atemlos wieder auf ihre ausgebreitete Decke zurück und machten sich über das Essen her.

"Kann ich dich mal etwas fragen," meinte Cole schließlich, "aber reg dich nicht gleich wieder auf, du musst ja nicht antworten" Phoebe schaute alarmiert zu ihm rüber. "Mich würde einfach nur interessieren, wie wir uns kennen gelernt haben."

"Hm" meinte sie vorsichtig. "Na gut. Ich und meine Schwester haben einen Mord beobachtet und du warst zufällig der Staatsanwalt."

"Ach so, und du warst gleich tief beeindruckt von mir." stellte er fest. "Sicher habe ich den Fall gewonnen, oder?" fragte er neugierig, doch als er zu ihr herüber schaute, bemerkte er, dass er sich lieber mit der ersten Antwort zufrieden geben sollte, wenn er die Stimmung nicht ruinieren wollte. Doch eins musste er noch loswerden. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mal Anwalt, geschweige denn Staatsanwalt gewesen bin."

"Wieso?"

"Also ich weiß nicht, aber ich würde denken, dafür bin ich zu aufbrausend und direkt."

"Ach, wenn du wolltest, dann konntest du dich schon zurückhalten."

"Aber Rechtsanwalt, das erscheint mir irgendwie so ..." er suchte nach dem richtigen Wort. "langweilig, uninteressant." Fiel ihm nur dazu ein.

"Die Bösen hinter Gitter zu bringen findest du langweilig?" Sie sah ihn interessiert an.

"Es geht ja nicht darum, die Bösen hinter Gitter zu bringen," verteidigte er sich. "Es geht doch wohl eher um stupide juristische Winkelzüge, wobei es dann leicht vorkommen kann, dass es die wirklichen Schurken nicht trifft und die kleinen Gauner bis zu ihrem Lebensende hinter Gitter schmoren." meinte er nachdenklich. "Überleg doch mal, der Kerl, der Helen angeschossen hat, der ist sicher nicht der eigentliche Drahtzieher der ganzen Sache. Der Auftraggeber macht sich nicht die Hände schmutzig, aber den zu kriegen und zu verurteilen, dass wird umso schwieriger sein."

"Was hast du denn bei deinen Recherchen herausgefunden?" fragte Phoebe interessiert.

"Noch nicht allzu viel, nur soviel, dass der Chef dieser Abteilung für Stadtentwicklung, Harold Fleisher, zusammen mit dem heutigen Leiter der Waffenfabrik, Michael Deacon, studiert hat. Diese beiden und noch zwei andere, Jared Canterro und Meagan Pattens gehörten als Studenten irgend so einer elitären Clique an. Sie hingen wohl immer zusammen wie Pech und Schwefel und führten angeblich geheime Rituale durch."

"Geheime Rituale?"

"Ja, sie veranstalteten angeblich ominöse Beschwörungsrituale und wurden damals sogar Teufelsanbeter genannt," er lachte. "Ich weiß es klingt unglaubwürdig, aber ich würde das nicht zu ernst nehmen. Sie waren sicher nicht allzu beliebt, und dann kursieren schnell solche Gerüchte. Fakt ist, das alle ihr Studium mit Bestnoten abgeschlossen haben. Aber ich vermute mal, dass hatte eher mit dem Geldbeutel ihrer Eltern als mit diesem mystischen Kult zu tun."

Aus Erfahrung war Phoebe da anderer Meinung. Sie hatte die Befürchtung, dass die vier sich tatsächlich mit der Unterwelt eingelassen hatten, um ihre Ziele erreichen zu können. Dadurch war auch zu erklären, warum Quasta ihnen geholfen hatte. Aber was war die Gegenleistung, die die vier leisteten? Sie schaute zu Cole rüber, der immer noch nachdenklich aufs Meer blickte. Ihre Überlegungen wollte sie ihm auf keinen Fall mitteilen. "Lass uns lieber von etwas anderem reden. Sonst lassen wir uns noch die Stimmung verderben."

"Das geht gar nicht," meinte er lächelnd und sah sie an. "Dafür geht es mir heute viel zu gut."

Phoebe legte ihm den Arm um die Schulter und lehnte sich an ihn. Ihr kam der Gedanke, dass es so verflucht einfach war, sich wieder in ihn zu verlieben. Sie spielte mit dem Feuer.

"Weißt du, irgendwie war es für mich vom ersten Augenblick an so, als ob ich dich kenne. Ich meine ich erinnere mich nicht, aber da war so ein Gefühl von Vertrautheit." versuchte Cole es zu erklären.

Trotz aller Geschehnisse löste diese Erklärung keine zwiespältigen Gefühle in ihr aus. Sie drehte ihren Kopf und küsste ihn auf die Wange. Dann ließ sie ihn an seine Schulter sinken. Der Strand hatte sich inzwischen fast völlig geleert. Sie schmiegte sich an ihn und sie beobachteten, wie die Sonne im Meer versank. Keiner von beiden sagte etwas, aber es lag eine merkwürdige Intimität in ihrem Schweigen.

Als die Sonne verschwunden war und es langsam kühler wurde, zogen sie sich an und packten ihre Sachen zusammen. Sie schlenderten in Richtung des Wagens, wo auf der Promenade noch viele Menschen unterwegs waren. "Und was hast du jetzt noch vor." fragte Phoebe neugierig.

"Lass uns doch noch irgendwo etwas essen gehen," er schaute auf die Uhr, "so spät ist es noch nicht."

Sie fuhren in die Nähe seiner Wohnung und gingen zu Fuß in das nächste Restaurant, wo es noch einen freien Tisch gab. Als sie sich gesetzt hatten, sah Phoebe, dass es auch eine Tanzfläche gab. "Oh super," meinte sie "Dann können wir anschließend noch tanzen." Cole sah nicht sonderlich begeistert aus. "Ja ich weiß," teilte sie ihm mit, "früher hast du auch behauptet, dass du nicht tanzen kannst."

"Stimmt ja auch."

"Ha, auf dem Ball sah das aber ganz anders aus." Er sah sie irritiert an. "Ach, da war so eine Nervensäge, an der Tanzfläche, die mir erzählt hat, was für ein schönes Paar Helen und du doch seid."

"Wirklich?" grinste Cole. "Und das hat dir gar nicht gefallen."

"Sie lag damit ja auch voll daneben." stellte Phoebe zufrieden fest.

"Aber du hast erst einmal vor Schreck einen Schwächeanfall bekommen."

"Das hättest du wohl gerne." Sie funkelte ihn böse an.

"Ach nein, halt, ich hatte ja ganz vergessen, dass du zusammen mit deinem Ehemann Trisha Raymond retten musstest." zog er sie lachend auf. Phoebe fand das ganze gar nicht so witzig, aber Cole ersparte ihr eine Antwort, indem er ihre Hand ergriff und meinte. "Du sahst übrigens wunderschön aus auf dem Ball."

"Danke." Sie sahen sich über den Tisch hinweg an und eine prickelnde Spannung lag in der Luft.

In diesen Moment brachte der Kellner ihr Essen. Und die beiden wandten sich erst einmal ihren Gerichten zu. Nach dem Essen konnte Phoebe Cole doch noch zum Tanzen überreden. Sie lehnte sich an ihn und schloss die Augen, sie fühlte sich so wohl wie seit langem nicht mehr.

Als sie schließlich das Restaurant verließen, um zu Fuß zu seiner Wohnung zurückzukehren, gingen sie ohne sich zu berühren schweigend nebeneinander her. Jeder hing seinen Gedanken nach. An Phoebes Auto, dass direkt vor dem Haus in dem Cole wohnte abgestellt war, blieb er stehen. Er schaute sie durchdringend an und fragte vorsichtig "Kommst du noch mit hoch, der Tag hat schließlich 24 Stunden, also gehören mir noch ein paar. Wenn du willst." Er lächelte und hielt ihr seine Hand entgegen.

Phoebe schaute ihn an und wusste, dass es klüger wäre, nein zu sagen. Aber sie konnte einfach nicht, sie wollte nicht vernünftig sein. Langsam nahm sie seine Hand und sie gingen zur Haustür.

Oben angekommen, machte Cole kein Licht an. Er führte sie ins Schlafzimmer, dass vom Mondlicht, dass durch die Balkonglastür fiel, wie von Zauberhand erleuchtet war. Es war als hätte er diesen Augenblick lange Zeit entgegengefiebert. Er schaute sie an und wusste, dass es ihr genauso ging. Er zog sie an sich und küsste sie stürmisch. Es war, als würden ihre Körper wie von selbst zueinander finden. Cole erschien es, als hätte er jede Bewegung, jeden Atemzug schon vorher erlebt. Phoebe drängte sich immer enger an ihn. Sie wusste, dass sie es zuließ, dass ihre Schutzwälle, die sie so mühsam errichtet hatte, mit Leidenschaft niedergerissen wurden, und sie nichts dagegen tat. Es würde schwierig sein, sie wieder zu errichten, aber über dieses Problem würde sie sich später Gedanken machen. In diesem Moment wollte sie nur seine Lippen auf ihren spüren, seine Hände auf ihrem Körper. Sie schlang ihre Arme um ihn und spürte, wie sie miteinander verschmolzen.

Das Schlafzimmer war immer noch wie in taghelles Mondlicht getaucht, als Phoebe einige Zeit später glücklich in Coles Armen lag. Trotz all ihrer Zufriedenheit konnte sie nicht schlafen. Sie spürte Cole neben sich liegen und hörte seinen ruhigen und gleichmäßigen Atem. Sie küsste in sanft auf die Stirn und löste sich vorsichtig aus seiner Umarmung. Sie zog sich eines seiner Hemden, die auf einem Stuhl lagen, über und nahm lächelnd daran seinen Geruch wahr. Leise öffnete sie die Tür zum Balkon und trat hinaus. Die Luft war noch angenehm warm und der Vollmond stand riesengroß am Himmel. Sie betrachtete ihn und schaute glücklich in die Nacht hinaus.

Plötzlich hörte sie etwas hinter sich. "Hey, was machst du denn hier draußen." Cole hatte instinktiv bemerkt, dass sie weg war und war daraufhin aufgewacht. Er hatte gesehen, wie sie im Mondlicht auf dem Balkon stand und war ihr gefolgt. Sie lehnte sich an ihn und er schlang von hinten die Arme um sie. "Ich betrachte den Mond."

"Den Mond?" er sah in die Nacht hinaus und zu dem riesigen Vollmond hinüber.

"Hm ja, weißt du, dass man im Mondlicht keine Farben sehen kann, alles erscheint schwarz oder weiß."

"Oder grau" fügte er hinzu.

Phoebe dachte nach, grau, sicher. "Hast du je den Film Mondsüchtig gesehen." fragte sie leise.

"Letztes Jahr nicht, aber davor, wer weiß."

Sie lächelte vor sich hin. "In dem Film wird der Vollmond mehr oder weniger für alle unvernünftigen, leidenschaftlichen Taten verantwortlich gemacht." erklärte sie ihm "Man selbst kann nichts für sein törichtes Tun, es liegt nur am Vollmond."

"Wie praktisch, das muss man sich merken."

"Ja," sie drehte sich zu ihm um und küsste ihn sehnsüchtig. "Ich habe dich so vermisst Cole, ich wusste gar nicht wie sehr."

Zwischen ihren Küssen murmelte er "Und morgen wirst du nicht sagen, es war alles nur der Mond?"

"Das muss ich mir erst noch überlegen," meinte sie fröhlich und zog ihn energisch zurück ins Schlafzimmer, wobei sie sein Hemd auf den Boden fallen ließ.