29. Kapitel
Als Helen am Nachmittag an Coles Tür klingelte, war er sich immer noch nicht absolut sicher, ob er den Umschlag öffnen sollte oder nicht. Sie setzten sich und Cole dankte ihr erst einmal, dass sie ihm das Gespräch mit Paula Tremayne verschafft hatte.
"Keine Ursache, hast du das in Erfahrung gebracht, was du wolltest?"
Er nickte. "Aber darum bist du nicht hier nicht wahr."
"Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Es ist ganz allein deine Entscheidung."
Cole stand auf und holte Cybers Umschlag aus seiner Tasche. Er hielt ihn unschlüssig in der Hand. "Was soll es, früher oder später werde ich ihn sowieso öffnen, also warum nicht früher." meinte er schließlich und reichte ihr den Umschlag, den sie interessiert entgegennahm.
Helen schaute sich den Umschlag unschlüssig an und und blickte dann fragend zu Cole "Willst du wirklich?" Als Cole schließlich nickte, meinte sie. "Also gut, wenn du willst, dann öffne ich ihn, ich kann ja nicht bestreiten, dass ich auch neugierig bin, was darin steht." Sie nahm eine Schere die neben ihr auf dem Tisch lag und begann die Verklebung durchzuschneiden.
Cole betrachtete sie aufmerksam. "Wenn dort nichts interessantes steht, dann brauchst du es mir ja nicht zu sagen."
Vorsichtig holte Helen die Zettel heraus "Meine Güte, so viel Geschrei um so wenig Material." Sie wedelte mit den wenigen Zetteln herum, bevor sie den ersten nahm und zu lesen begann. "Hm."
"Nun was ist?" fragte Cole ungeduldig.
Sie sah auf und meinte "Ich dachte ich soll nur etwas sagen, wenn hier steht dass du ein Massenmörder bist."
"Vergiss was ich gesagt habe, nun sag endlich was dort steht."
"Warte doch einen Moment. Das ist ja komisch." Sie sah ihn irritiert an. "Weißt du, dass du an deinem Geburtstag in Seattle aufgetaucht bist." meinte sie und wandte sich wieder den Zetteln zu.
"Woher soll ich das denn bitte wissen?" Das erschien ihm auch merkwürdig. Er sollte an seinem Geburtstag Selbstmord begangen haben, also das war ja nun mehr als unwahrscheinlich. Er sah wieder zu Helen herüber. "Was steht da noch?"
"Hm, du scheinst öfter mal verschwunden zu sein. Ist wohl so eine Art Hobby von dir."
"Wie meinst du das?"
"Also das erste Mal bist du vor über 3 Jahren verschwunden. Damals warst du noch Staatsanwalt und hast anscheinend deine Fälle nicht bearbeitet."
"Ach, meinst du das ist ein Grund um abzuhauen? Ich habe ja schon immer angenommen, dass das nicht der richtige Beruf für mich war."
Helen zuckte mit den Achseln. "Jedenfalls hat der Polizist, der wegen deinem Verschwinden ermittelt hat, auch Phoebe befragt, die ihm aber nichts sagen konnte oder wollte, wissen wir wohl beide nicht." Sie warf Cole einen wissenden Blick zu. "In deiner ehemaligen Wohnung hat man ein paar Blutflecken gefunden und in einem Schrank hattest du wohl einen Schrein oder so was eingerichtet, aber sonst gab es keine Hinweise."
"Moment, einen Schrein?"
"Ja, zur Anbetung von wem auch immer, mit so mystischen Sachen und okkultem Zeug."
"Oh Gott, ich habe an so einen Mist geglaubt? Hoffentlich gehörte ich nicht auch zu so einem irren Teufelsanbeterclan wie Deacon und Konsorten."
Helen sah überrascht von den Unterlagen auf. "Deacon ist ein Teufelsanbeter?"
"Habe ich dir das noch nicht erzählt?" Fragte Cole überrascht. "Deacon, Fleisher und die Canterros waren in ihrer Studienzeit als Teufelsanbeterclique verschrieen, aber lass uns darüber besser später reden."
"Na gut." Sie wandte sich wieder dem Zettel zu. "Sie haben jedenfalls nichts herausgefunden. Aber einige Zeit später wurden dann deine Hauswirtin, der Polizist und seine Assistentin getötet."
Cole sah sie erstaunt an. "Steht da, dass ich etwas damit zu tun habe?"
"Nein," Helen schüttelte den Kopf.
"Hm, das hört sich schon irgendwie nach Mafia an, oder nicht?"
Helen sah ihn skeptisch an. "Also ich weiß nicht, wahrscheinlich war es ein Zufall. Die Polizisten haben schließlich noch an anderen Fällen gearbeitet und dass du verschwunden bist war schon einige Zeit her." Sie blickte wieder auf den Zettel. "Sie haben auch nichts spektakuläres über dich in Erfahrung bringen können, denn mehr steht in der Akte nicht. Ich denke nicht, dass die Morde etwas mit dir zu tun hatten." Beruhigte sie ihn.
"Aber Staatsanwalt, Rechtsanwalt, dass ist doch ein Beruf, der zu der Mafia passen könnte."
"Keine Ahnung, aber wenn dir die Mafia den Posten als Staatsanwalt verschafft hätte, dann hätten sie wohl kaum zugelassen, dass du ihn wieder verlierst, weil du deine Arbeit nicht machst." Erklärte sie zuversichtlich und nahm den nächsten Zettel zur Hand.
Davon war Cole nicht ganz so überzeugt, wartete aber ab, bis Helen wieder zu sprechen begann. "Dann ist hier so eine Lappalie, dass du ohne Papiere Auto gefahren bist. Und das nächste Mal bist du dann ca. anderthalb Jahre später verschwunden." Sie sah ihn überrascht an. "Du musst damals steinreich gewesen sein, denn du hattest eine Wohnung in einem der ziemlich teuren Gebäude der Stadt." Sie sah ihn mit einem ironischen Blick an. "Und ich glaube nicht, dass die Mafia dir so schnell verziehen hat, dass du deine Stelle als Staatsanwalt vermasselt hast, um dir als Belohnung dann diese Wohnung zu verschaffen."
"Wirklich? Und warum bin ich dann wieder abgehauen? Und woher habe ich auf einmal das viele Geld gehabt?"
Helen zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, aber du hattest damals anscheinend einen guten Job, Rechtsanwälte können schließlich ziemlich gut verdienen."
"Und vorher habe ich mit Phoebe in dem Haus ihrer Schwestern gewohnt, schon eigenartig, nicht wahr."
Helen kümmerte sich nicht weiter um Coles Überlegungen und blickte wieder auf den Zettel in ihrer Hand. "Als du dann verschwunden bist, hat deine damalige Frau Phoebe jedenfalls eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Und oh...." Sie sah ihn unsicher an.
"Was ist Helen?" Er sah sie durchdringend an und als Helen immer noch schwieg und ihn zögernd ansah, fuhr er sie an. "Jetzt sag es mir schon, oder ich reiße dir diese Zettel aus der Hand."
Sie seufzte "Sie war schwanger." Sagte sie schließlich leise.
"Was? Sie war schwanger? Und ich hab sie verlassen? Aber .. aber sie hat kein Kind." Gab er ungläubig zu bedenken.
"Vielleicht hat sie es ja verloren." Überlegte Helen und hatte auf einmal ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache, vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn er die ganze Angelegenheit hätte ruhen lassen.
"Oh Gott," meinte Cole entsetzt "Kein Wunder, dass sie mich gehasst hat."
Helen wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
"Meinst du deswegen wollte ich mich umbringen, ich war ja selbst Schuld daran, dass sie nichts mehr von mir wissen wollte. Wieso bin ich nur in so einem Moment abgehauen." Cole sah sie unschlüssig an. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er so etwas hätte tun können, schließlich liebte er sie doch und er war überzeugt, dass er das immer getan hatte.
"Ich weiß es nicht." Helen sah ihn an und fühlte sich unwohl. Vielleicht war es ja gar nicht sein Kind gewesen, ging es ihr durch den Kopf, aber sie behielt diesen Gedanken lieber für sich. Sie blickte wieder auf die Zettel und fuhr sachlich fort. "Als sie sich von dir scheiden lassen wollte, bist du wohl wieder aufgetaucht. Ja und das war es, hier sind noch ein paar Adressen von der Wohnung und deinen Arbeitgebern und ähnliches. Aber als du das letzte Mal verschwunden bist, hat die Polizei anscheinend keine Nachforschungen mehr angestellt oder Cyber hat nichts dazu gefunden. Vielleicht hat es ja niemand gemeldet."
"Kein Wunder!" meinte er schroff. "Wie konnte ich das tun Helen." Cole sah sie fragend an.
"Ich weiß es nicht, vielleicht hattest du ja einen Grund, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du das absichtlich gemacht hast."
"Wer weiß, wahrscheinlich kennst du mich gar nicht." antwortete er düster.
"Du musst mit ihr darüber reden." Stellte Helen fest.
Cole sah sie ungläubig an. "Spinnst du, nie im Leben. Ich habe ihr versprochen die Unterlagen nicht zu lesen, und ich hätte mich wohl besser daran gehalten."
"Aber wenn du es nun schon mal getan hast und weißt, was passiert ist, dann musst du auch mit ihr darüber reden. Sie wird es sowieso irgendwann herausbekommen. Und je später du es ihr erzählst, desto verletzender wird es für sie, das kannst du mir glauben, Cole."
Er fing an zu lachen, "oh, jetzt nennst du mich also schon Cole, hat das irgendwas zu bedeuten?"
"Nein, so heißt du nun mal. Also hör auf damit, da irgendetwas hinein zu interpretieren. Du bist und bleibst mein Freund, so schlimm ist das alles ja nun auch wieder nicht. Du weißt doch noch nicht einmal genau, was passiert ist. Und sie hat dir schließlich vergeben, oder nicht?"
Die zwei horchten auf, als es auf einmal an der Tür klingelte. "Das ist sicher Peter" meinte Cole und stand erleichtert von der Ablenkung auf. Er öffnete die Tür und sah sich Phoebe gegenüber. Er starrte sie erstaunt an.
Phoebe runzelte die Stirn "Na das ist aber keine begeisterte Begrüßung."
"Entschuldige, hallo." Er küsste sie kurz zur Begrüßung und ließ sie in die Wohnung.
"Ich hatte dir heute doch ein Essen versprochen, da das von gestern so daneben gegangen ist. Und ich dachte, ich komme ein bisschen früher vorbei, oder hast du noch etwas anderes vor?" Sie sah ihn fragend an.
Helen, die von weitem mitbekommen hatte, wer da gekommen war, sah sich um und versteckte den Umschlag unter ein paar Zeitungen. Dann stand sie auf und ging auf den Flur hinaus und streckte Phoebe freundlich die Hand entgegen. "Hallo Phoebe" meinte sie mit einem Lächeln. "Nett sie mal zu treffen, ich werde auch nicht mehr lange stören, aber ich muss Cole noch kurz sprechen, okay?" Sie zog ihn mit sich auf den Flur und sah ihn eindringlich an. "Du musst mit ihr darüber sprechen." beschwor sie ihn.
Cole schaute zur Seite und meinte genervt. "Ist ja schon gut ich mach es ja."
"Das war nicht sehr überzeugend. Tut mir Leid, aber ich glaube nicht dass du es tust. Dafür kenne ich dich zu gut." Sie sah ihn mit einem ironischen Lächeln an. "Ob nun Kevin oder Cole, du gehst unangenehmen Dingen doch gerne aus dem Weg. Aber wenn du es heute nicht tust, dann wird es nur noch schlimmer."
"Gut ich werde mit ihr darüber reden."
"Fein, sonst werde ich es ihr morgen nämlich sagen." Sie drehte sich um und wollte gehen.
Cole hielt sie fest. "Wie meinst du das?"
"Genauso, wie ich es gesagt habe." Sie wusste, dass sie ihn unter Druck setzen musste. "Du musst es ihr erzählen, wenn du willst, dass sie dir wieder vertraut." versuchte sie es erneut, ihn zu überzeugen.
Er sah sie entrüstet an. "Warum willst du dich unbedingt in mein Leben einmischen, lass es mich doch so machen, wie ich es für richtig halte."
Helen sah ihn zweifelnd an. "Ich habe meine Bedenken, ob du die richtigen Entscheidungen triffst. Wenn du schon mal den Umschlag geöffnet hast, dann musst du auch sofort mit ihr reden. Sie wird es verstehen." Versuchte sie ihn zu überzeugen. "Aber wenn du es herauszögerst, dann wird es nur Probleme geben. Vertrau mir und tu es, sonst tu ich es."
"Das tust du mir nicht an." Meinte Cole überzeugter, als er wirklich war.
"Sei dir mal lieber nicht so sicher." meinte sie "Und noch ein Tipp, erzähl ihr lieber nicht, dass ich den Umschlag geöffnet habe. Also mich würde das stören, wenn ich sie wäre." Helen ging den Gang entlang und verschwand ohne sich noch einmal umzudrehen.
Cole sah ihr hinterher und wusste nicht, was er davon halten sollte. Seufzend drehte er sich um und ging wieder in seine Wohnung, wo er Phoebe im Küchenbereich vorfand, wie sie aus dem Fenster schaute. Wie er sie dort so stehen sah, verfluchte er Helen, es wäre viel einfacher, heute das Zusammensein mit ihr zu genießen und all den Mist zu vergessen. Aber Helen hatte ihm ein schlechtes Gewissen eingeredet. Und obwohl er nicht glaubte, dass sie Phoebe etwas erzählen würde und sich auch nicht vorstellen konnte, wie sie das bewerkstelligen wollte, musste er sich eingestehen, dass sie vielleicht Recht hatte.
Er ging zu Phoebe rüber und umarmte sie von hinten. "Hey."
"Hallo," meinte sie "Ist es okay, dass ich schon so früh gekommen bin?" Sie drehte sich um und sah ihn an. Sie wusste noch nicht so genau, was sie von dieser Helen halten sollte.
"Sicher, ich freue mich immer, wenn du hier bist." Er sah sie strahlend aber etwas unsicher an.
Phoebe blickte forschend zurück. "Aber du hast doch irgendetwas." meinte sie schließlich.
Cole drehte sich von ihr weg und ging auf das Sofa zu, auf dem er sich niederließ. "Ich muss dir etwas sagen." begann er.
"Was?" Fragte sie alarmiert. Sie ging zu ihm rüber und setzte sich neben ihn.
"Ich habe den Umschlag mit den Nachforschungen geöffnet." Erklärte er knapp und warf ihr von der Seite einen kurzen Blick zu.
"Oh verdammt Cole, warum denn das? Du hattest mir doch versprochen es nicht zu tun." meine sie enttäuscht.
"Ich weiß, aber nach der Andeutung deiner Schwester heute und diesem ganzen Mafiakram, da musste ich einfach wissen, was da drinnen steht."
"Was für ein Mafiakram?" fragte Phoebe irritiert.
"Cyber hatte die Theorie, dass ich zum organisierten Verbrechen gehört haben könnte."
"Wie kommt er denn da drauf?" fragte sie überrascht.
"Also ist an dieser Theorie nichts dran?" Er sah sie fragend an.
"Stand davon etwa etwas in dem Bericht?" fragte Phoebe zurück und musste zugeben, dass es ja schon fast so etwas ähnliches war.
"Nein, da stand nur, dass ich ständig verschwunden bin." Als sie nichts dazu sagte fuhr Cole fort. "Aber du musst mit mir nicht darüber reden, ich wollte dir nur sagen, dass ich den Brief geöffnet habe." Das stimmte zwar nicht ganz, er brannte darauf, zu erfahren, warum er immer wieder weggelaufen war und was das alles zu bedeuten hatte, doch er wollte sie nicht unter Druck setzen.
"Okay." Sie war wütend auf ihn, dass er sich nicht an ihre Abmachung gehalten hatte und sie fragte sich, was dieser dämliche Computermensch wohl herausgefunden hatte, aber wenigstens hatte er es ihr gleich erzählt. Sie sah ihn an. "Kann ich die Berichte sehen?"
"Klar, Moment." Cole sah sich um, wo hatte Helen die Zettel nur hingetan. "Ich habe sie versteckt, als Helen kam. Wo habe ich sie nur hingelegt?" Er kramte auf dem Tisch herum und fand sie schließlich zwischen den Zeitungen. "Hier." Er reichte sie ihr hinüber.
Phoebe nahm sie entgegen und warf einen Blick darauf. Sie begann zu lesen und stellte erleichtert fest, dass im Grunde nichts allzu auffälliges darin stand Auch wenn sie sich nicht darüber freute, dass er nun einige Details wusste, die dort standen.
"Ich bin also an meinem Geburtstag verschwunden." begann er dann doch wieder zu fragen. Als sie weiter stur auf die Zettel guckte, fügte er hinzu. "Und du hast angenommen, dass ich an meinem Geburtstag Selbstmord begangen habe?" Er konnte das selbst nicht wirklich glauben.
"Ja!" kam die knappe Antwort, ohne dass Phoebe auch nur von dem Bericht aufblickte.
"Na gut, dann nicht." meinte Cole genervt. "Aber eins wollte ich dir noch sagen, es ist mir unbegreiflich, wie ich dich verlassen konnte, als du schwanger warst. Ich verstehe das nicht."
Nun sah Phoebe doch zu ihm rüber. "Cole" begann sie zögerlich. "Das ist alles viel komplizierter als du denkst und ich will einfach nicht darüber sprechen. Es war eine furchtbare Zeit für mich, die ich nur vergessen will. Darum bitte, akzeptiere dass ich dir verziehen habe und dass wir die Chance haben, neu zu beginnen, ohne das hier." Sie warf die Zettel zurück auf den Tisch und sah seinen enttäuschten Blick. "Ich habe das Kind verloren, aber es ist vorbei und niemand kann es mehr ungeschehen machen."
"Wieso kannst du mir das so einfach verzeihen?" wunderte er sich.
Phoebe lachte auf, "So einfach habe ich dir wirklich nicht verziehen. Aber du bist zum Beispiel nicht freiwillig gegangen," denn wir haben dich umbringen müssen fügte sie in Gedanken hinzu. "Was das meiste aber auch nicht viel besser macht."
Cole sah sie skeptisch an. "Es macht mich verrückt, dass ich das alles nicht verstehe." meinte er bitter, er sah sie eindringlich an, sie hatte die Möglichkeit, ihm zu erklären was eigentlich passiert war, aber sie wollte es ganz einfach nicht.
"Glaub mir, du willst es gar nicht wissen." meinte sie kühl, denn davon war sie überzeugt.
"Wie willst du das denn beurteilen?"
"Ich weiß es. Wäre es nicht auch besser gewesen, wenn du diesen Brief nicht geöffnet hättest?" Sie sah ihn fragend an.
Er zuckte mit den Schultern, auf der einen Seite ja auf der anderen nein. Er hatte diese Dinge schließlich getan, und das einzige was er wollte war zu verstehen, warum.
Phoebe sah, wie Cole vor sich hin grübelte. Sie war zwar wütend auf ihn, aber was brachte es ihr, ihn deswegen anzufahren. Sie musste ihn davon abhalten, weiter nach Informationen zu graben, zwar schien es ihr unmöglich, dass er noch mehr in Erfahrung bringen könnte. Aber sie musste ihn dazu bringen, dass er es auch nicht mehr wollte. Sie sah ihn eindringlich an. "Bitte hör auf damit, wir leben doch jetzt. Willst du das kaputt machen?"
Er schüttelte den Kopf.
Phoebe wollte den Briefumschlag vom Tisch nehmen, um ihn in den Mülleimer zu werfen, als ihr Blick auf einen anderen Aktenordner fiel. "Was ist das denn?" fragte sie.
Cole blickte ebenfalls auf den Tisch und meinte "Ach das ist die Akte von den Canterros."
"Von den Canterros," Phoebe nahm sie und sah sich die Zettel darinnen an. "Hm, weißt du mittlerweile schon was sie zu bedeuten haben."
"Ja, so in etwa, Helen hat mir ein Gespräch mit einer Frau vom Bauamt verschafft."
"Und sie konnte dir weiterhelfen?" fragte Phoebe während sie sich immer noch die Zettel anschaute.
"Ja, ich wollte herausfinden, welche Grundstücke die Canterros besitzen. Und sie konnte es mir sagen." Es lenkte ihn ab, wenn er mit Phoebe über dieses Thema redete, und wer weiß, vielleicht sammelte er sich ja ein paar Pluspunkte bei ihr, wenn er ihr davon erzählte. Und sie wurde gesprächiger. Doch bei diesem Gedanken musste er lächeln, denn bisher hatte diese Theorie noch nie funktioniert. Aber was sollte es, er hatte in dieser Beziehung nichts zu verschweigen, und vielleicht konnte sie ihm sogar weiterhelfen. "Es besteht die Möglichkeit, dass die Canterros sich ein unterirdisches Labor gebaut haben."
"Ein unterirdisches Labor?" Sie schaute erstaunt auf.
"Ja, das haben sie jedenfalls geplant." Er nahm ihr die Akte aus der Hand und suchte nach dem Zettel mit der Zeichnung von Paula, den er ihr reichte. "Hier, dort könnte es sein. Sie wollten es anscheinend bauen, um dort im Geheimen Experimente durchzuführen."
"Experimente? Was für Experimente?"
"Sie haben da zum Beispiel ein Mittel erforscht, dass jemandem die Erinnerung nehmen kann. Trisha nimmt an, dass es ihr verabreicht wurde und ich denke Debra White hat es auch bekommen. Das würde zusammen passen, derjenige hätte dann schon lange verschwunden sein können, nachdem er es ihr gegeben hat. Darum haben wir auch nichts mehr von ihm gesehen, als wir in dem Haus ankamen. Aber weißt du noch, ich habe doch diese grüne Flüssigkeit auf dem Boden entdeckt."
Phoebe nickte und ihre Gedanken überschlugen sich. Sie wusste genau, dass Quasta den Frauen das Mittel gespritzt hatte. Aber war es wirklich möglich, dass die Canterros die Substanz so weit erforscht hatten, dass sie sie ohne Hilfe von Dämonen herstellen und benutzen konnten? "Woher weißt du das mit den Forschungen?" fragte sie deshalb.
"Trisha hat es in den Papieren, die wir haben mitgehen lassen, gefunden."
"Trisha? Kennst du sie schon so gut?"
Cole lächelte sie zufrieden an, als ihm etwas anderes einfiel "Sag mal, als du Helen aus diesem Lagerhallenbüro geholt hast, warum kann sie sich nicht daran erinnern? Sie weiß noch nicht einmal, wie sie in ihr Büro gekommen ist."
"Du meinst doch nicht etwa ich hätte ihr so ein Mittel gegeben?" Sie sah ihn empört an.
"Merkwürdig ist es schon, dass musst du zugeben." Gab er zu bedenken und sah sie skeptisch an.
"Ich habe sie wohl eher davor gerettet, solch eine Spritze zu bekommen." meinte Phoebe wütend.
"Ach, ich vergaß, du und deine Schwestern habt ja das hehre Ziel die Welt zu retten."
"Genau so ist es. Aber lass uns jetzt gehen." Sie stand auf, sie hatte keine Lust sich eine Erklärung dafür auszudenken, wieso Helen nicht wusste, wie sie ins Zeitungsgebäude gekommen war. Sie sah Cole auffordernd an. "Ich finde wir sollte unsere Zeit nicht damit verbringen, schließlich ist Wochenende und wir wollten doch essen gehen."
"Ach, am Wochenende rettest du keine Frauen in Not?"
"Doch wenn es nötig ist, dann rette ich sie auch am Wochenende. Aber im Moment sieht es nicht so aus, als bräuchte eine von ihnen Hilfe. Also lass uns die Zeit nutzen."
Cole sprang auf und ging ihr hinterher. "Wie du meinst," meinte er und seine Laune hatte sich gleich um ein vielfaches gebessert.
Als sie in Phoebes Auto saßen, fragte Cole "Und wo fahren wir hin?"
"Lass dich überraschen" meinte Phoebe die sich auch wieder besser fühlte. Sie würden es schon schaffen, die Schatten der Vergangenheit zu vertreiben, davon war sie weiterhin überzeugt. Zu ihrem Verdruss klingelte gleich darauf das Telefon. Es war Piper, die ihr mitteilte, sie solle sofort zur Deacon Waffenfabrik kommen. Phoebe warf Cole einen genervten Blick zu. "Das war Piper, sie will mich vor der blöden Deacon Fabrik treffen."
"Also doch kein Wochenende für die Weltretterinnen?" fragte Cole leicht amüsiert.
"Nein leider nicht, aber ich hoffe mal, es wird nicht lange dauern." Da sie keine Veranlassung sah, Cole nicht mitzunehmen, fragte sie ihn. "Ist es weit von hier?"
Cole schüttelte den Kopf. "Nein, nur ein paar Blocks."
Als sie kurze Zeit später vor dem hinteren Teil des Fabrikgeländes ankamen, hielt Phoebe an und öffnete die Tür. Sie beugte sich zu Cole herüber und meinte "Du wartest hier so lange, okay? Es wird nicht lange dauern." Sie stieg aus und drehte sich um, doch zu ihrer Verwunderung stand Cole auf der anderen Seite des Autos.
"Ich dachte wir hätten keine Geheimnisse mehr voreinander." Erklärte er ihr mit einem Grinsen.
"Ach wirklich? Das ist mir neu!" murmelte Phoebe leise und schaute ihn genervt an. Sie fragte sich, wie sie ihn davon abhalten konnte, mitzukommen. Ein paar Meter entfernt sah sie Piper und Paige stehen. Sie seufzte und entschied sich dafür keine Diskussion anzufangen, wenn er mitkommen wollte, dann sollte er es eben tun, sie glaubte nicht, dass er hier irgendetwas interessantes aufschnappen konnte. Sie ging auf ihre Schwestern zu und merkte, wie Cole ihr folgte.
"Was ist los." fragte sie als sie bei Piper und Paige angekommen war.
"Deacon ist verschwunden." Erklärte Piper, ohne Cole weiter zu beachten. "Ich sollte ihm den Brief seiner Frau vorbeibringen und als ich ankam war er nicht da. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er freiwillig gegangen ist. Kannst du dich mal umsehen, vielleicht findest du ja heraus, was geschehen ist."
"Sicher, wo wollte er auf dich warten."
"In seinem Büro." Piper ging auf den Zaun zu.
"Moment." meinte Cole. "Wollt ihr dort etwa einbrechen?"
"Nein." erwiderte Piper. "Er wollte nicht, dass jemand mitbekommt, dass ich vorbeikomme. Also hat er das Tor dort aufgelassen." Sie zeigte auf ein Tor, das einige Meter entfernt zu finden war.
"Und die Hunde?"
"Was für Hunde? Vorhin waren jedenfalls keine da. Wenn es welche gibt, dann werden sie sicher erst Abends herausgelassen." Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu. "Aber wenn du Angst hast, dann kannst du gerne hier bleiben."
"Keine Sorge, das lass ich mir nicht entgehen."
Sie betraten das Gelände und gingen auf das Hauptgebäude zu. Auf ihrem Weg begegneten sie weder einem Mensch noch einem Hund. Die Hintertür des Hauptgebäudes war ebenfalls angelehnt. Sie betraten das Haus und gingen einige Stockwerke hoch, bis sie das Büro von Michael Deacon betraten. Das Licht brannte noch und alles sah ganz friedlich aus. Phoebe begann ihm Raum auf und ab zu gehen und berührte einige Gegenstände. Piper und Paige beobachteten sie, während Cole sich auf den Schreibtisch setzte und sich mit dem Telefon beschäftigte.
"Tut mir Leid, nichts." meinte Phoebe als sie nach einiger Zeit immer noch keine Vision bekam. "Vielleicht ist er ja doch nach Hause gegangen."
"Ich habe Leo vorbei geschickt, damit er nachschaut, aber ich kann mir das nicht vorstellen. Als ich ihn angerufen habe, war er ganz aufgeregt und wollte den Brief seiner Frau unbedingt sofort haben."
"Nach deinem Anruf hat er jedenfalls noch Jared Canterro angerufen." Teilte ihr Cole mit, und schaute die Schwestern an "Vielleicht hat er sich ja mit ihm verabredet."
"Woher weißt du das?" Fragte Piper skeptisch.
Cole zeigte auf das Telefon. "Die Anrufe sind hier gespeichert."
"Zeig her." Phoebe trat neben ihn und schaute auf das Telefon. "Stimmt" meinte sie und schaute zu ihren Schwestern rüber. "Vielleicht hast du dir ganz unnötig Sorgen gemacht und er wollte sich noch beruflich mit Canterro treffen." wandte sie sich an Piper. "Mich würde nur interessieren, ob er Canterro im Büro oder privat angerufen hat."
"Kein Problem" meinte Cole und holte sein Portemonnaie hervor. Er schlug es auf und zog nach kurzer Zeit eine Karte hervor. Er blickte auf die Anzeige am Telefon und teilte Phoebe dann mit. "Es scheint als habe er ihn im Büro bei der Rüstungsfirma angerufen." Er zeigte ihr die Karte. "Die Hauptnummer ist die selbe, wie die der Personalabteilung, nur die Durchwahl ist anders."
Phoebe schaute sich erstaunt die Karte an. "Woher hast du die denn und was willst du damit?"
"Falls ich mich wieder erinnere, dann kann ich mich dort als Anwalt bewerben." Teilte Cole ihr zufrieden mit.
Sie schaute ihn kopfschüttelnd an, als sie im Raum plötzlich ein bläuliches Leuchten sah. Oh nein, dachte sie sich und schaute entsetzt auf die Stelle, wo Sekunden später Leo erschien. "Also Zuhause ist er auch nicht." Teilte er Piper mit.
Cole starrte ihn ruhig an. Zu seiner eigenen Überraschung wunderte er sich nicht allzu sehr über Leos ungewöhnliches Erscheinen. "Hm," meinte er verwirrt "Warum schockiert mich das jetzt nicht richtig?"
"Weil du es schon kennst." erwiderte Phoebe, froh, dass er so gelassen reagierte.
"Ach tatsächlich!" Er starrte immer noch in Leos Richtung. Es mochte ja sein, dass er dieses Erscheinen als Cole gekannt hatte, aber der hatte auch einen mystischen Schrein in seiner Wohnung gehabt. Doch als Kevin empfand er diese ganze Angelegenheit als extrem merkwürdig und unrealistisch.
"So kann man sich an verschiedene Orte teleportieren." Versuchte Phoebe es ihm logisch zu erklären, während die anderen immer noch schwiegen.
"Nun wie praktisch, so habt ihr Helen auch zurück in ihr Büro gebracht, nicht wahr? Kein Wunder, dass sie sich nicht mehr daran erinnern kann." meinte er lockerer als er sich eigentlich fühlte "Kannst du das auch?" wandte er sich wieder an Phoebe.
"Nein kann ich nicht."
"Aha und konnte ich es?" Er sah sie fragend an, doch Paige fand ihre Stimme wieder und antwortete für Phoebe. "Nein, ganz sicher nicht." Sie wollte ihr teleportieren auf keinen Fall mit Coles dämonischen Erscheinen in Verbindung bringen.
Cole blickte Paige interessiert an. "Ach das können dann also nur die extra Edlen, oder was?" Irgendwie hatte er so ein Gefühl als hätte er so etwas ähnliches gekonnt.
Paige zuckte mit den Achseln, sie hatte keine Lust, darauf zu antworten.
"Denn du kannst es doch auch, nicht wahr?"
Jetzt sah sie ihn erstaunt an. "Woher weißt du das?"
"Oh, ganz einfach, Peter konnte nicht verstehen, wie du aus einer verlassenen Sackgasse verschwinden konntest," er schaute sie triumphierend an. "Er wird sich freuen, zu erfahren, dass es nicht seine Schuld war, dass du ihm entkommen bist, er war deswegen schon ziemlich deprimiert."
"Nein Cole, du kannst es Peter nicht sagen, du wirst es für dich behalten." meinte Phoebe eindringlich.
"Ach, werde ich?" Er sah sie herausfordernd an.
"Ja!" Sie sah herausfordernd zurück. "Ich werde nicht zulassen, dass du daraus eine Story machst."
Cole sah sie bedauernd an "Wie sollte ich denn daraus eine Story machen? Was sollte ich da denn bitte schreiben, so dass mich niemand für verrückt erklärt?"
"Ich dachte du bist Journalist, da fällt dir doch bestimmt etwas ein." erwiderte sie beleidigt.
"Hört auf ihr zwei," mischte sich Piper nun ein. "Wir sollten lieber zum eigentlichen Problem zurückkommen. Also ich glaube nicht, dass sich Deacon einfach so aus dem Staub gemacht hat, und vorher noch das Tor und die Tür zu diesem Gebäude offen gelassen hat. Das ist doch völlig unlogisch. Wenn er zu einer Verabredung mit Canterro wollte, dann hätte er doch wenigstens sein Büro abgeschlossen."
"Naja das hätte ihm aber auch nicht viel genutzt." meinte Cole sarkastisch.
"Aber das konnte er doch nicht wissen." Erklärte Piper nachdenklich.
"Was kümmert euch der dämliche Deacon überhaupt?" fragte Cole nun, "was hat er denn getan, dass ihr ihn unbedingt retten müsst?"
"Ich gebe es ja nicht gerne zu," meinte Paige und schaute Piper nachdenklich an. "Aber da muss ich Cole ausnahmsweise mal recht geben, denn das frage ich mich auch schon die ganze Zeit."
Piper zuckte mit den Schultern. "Ich weiß auch nicht, ich habe das Gefühl als stecke noch etwas anderes hinter der ganzen Sache." versuchte sie zu erklären.
"Vielleicht sollten wir einfach mal in Canterros Büro nachschauen, ob er sich dort aufhält." schlug Phoebe vor.
"Oder wir rufen mal an." meinte Cole und drückte auf die Wahlwiederholung. Doch am anderen Ende sprang nur der Anrufbeantworter an.
"Das heißt gar nichts," meinte Paige, "vielleicht hat er das Telefon während seines Gesprächs mit Deacon ja abgestellt."
"Möglich." erwiderte Piper und schaute auf die Uhr. "Aber seine Verabredung mit mir war vor zwei Stunden, selbst wenn er sich mit Canterro getroffen hat, langsam müsste er doch wieder zurück sein."
"Könnte er nicht mal schnell vorbeifliegen." schlug Cole vor und wies dabei auf Leo.
"Das geht nicht so einfach," erklärte Phoebe, "er könnte dabei erwischt werden."
Cole warf ihr einen Blick zu, der ihr zu verstehen gab, dass ihm das ziemlich egal war.
"Aber er hat schon Recht, wir werden zuerst einmal bei der Rüstungsfirma vorbeischauen, und wenn er dort nicht ist, dann sehen wir weiter." Sie wandte sich wieder an Phoebe. "Ihr könnt ruhig gehen, wir schaffen das schon."
"Bist du sicher?" fragte Phoebe und als Piper nickte, griff sie nach Coles Hand und zog ihn mit sich aus Deacons Büro.
Doch kurz darauf im Teppenhaus wandte Phoebe sich an Cole und meinte "Wartest du hier einen Moment." Sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab und ging alleine zurück in das Büro. Ihre Schwestern und Leo schauten sie erstaunt an.
"Leo, meinst du etwas Vergessenspulver würde nutzen?" fragte Phoebe unschlüssig, doch dieser schüttelte den Kopf.
"Nein Phoebe, durch seinen programmierten Gedächtnisverlust ist Cole gegen den Einsatz unseres Pulvers leider immun."
Phoebe nickte, sie hatte so etwas geahnt. "Okay, dann kriege ich es auch so hin." meinte sie zuversichtlicher als sie wirklich war. Doch wahrscheinlich war es besser Cole wenigstens einen Teil ihres Lebens zu erklären, als ständig lügen zu müssen. Ihr fiel nur einfach noch keine passende Erklärung ein, auf die er gelassen reagieren konnte ohne ständig weiterzufragen. Sie ging zurück zu Cole und schweigend machten sie sich auf den Weg zurück zu Phoebes Auto.
Als Helen am Nachmittag an Coles Tür klingelte, war er sich immer noch nicht absolut sicher, ob er den Umschlag öffnen sollte oder nicht. Sie setzten sich und Cole dankte ihr erst einmal, dass sie ihm das Gespräch mit Paula Tremayne verschafft hatte.
"Keine Ursache, hast du das in Erfahrung gebracht, was du wolltest?"
Er nickte. "Aber darum bist du nicht hier nicht wahr."
"Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Es ist ganz allein deine Entscheidung."
Cole stand auf und holte Cybers Umschlag aus seiner Tasche. Er hielt ihn unschlüssig in der Hand. "Was soll es, früher oder später werde ich ihn sowieso öffnen, also warum nicht früher." meinte er schließlich und reichte ihr den Umschlag, den sie interessiert entgegennahm.
Helen schaute sich den Umschlag unschlüssig an und und blickte dann fragend zu Cole "Willst du wirklich?" Als Cole schließlich nickte, meinte sie. "Also gut, wenn du willst, dann öffne ich ihn, ich kann ja nicht bestreiten, dass ich auch neugierig bin, was darin steht." Sie nahm eine Schere die neben ihr auf dem Tisch lag und begann die Verklebung durchzuschneiden.
Cole betrachtete sie aufmerksam. "Wenn dort nichts interessantes steht, dann brauchst du es mir ja nicht zu sagen."
Vorsichtig holte Helen die Zettel heraus "Meine Güte, so viel Geschrei um so wenig Material." Sie wedelte mit den wenigen Zetteln herum, bevor sie den ersten nahm und zu lesen begann. "Hm."
"Nun was ist?" fragte Cole ungeduldig.
Sie sah auf und meinte "Ich dachte ich soll nur etwas sagen, wenn hier steht dass du ein Massenmörder bist."
"Vergiss was ich gesagt habe, nun sag endlich was dort steht."
"Warte doch einen Moment. Das ist ja komisch." Sie sah ihn irritiert an. "Weißt du, dass du an deinem Geburtstag in Seattle aufgetaucht bist." meinte sie und wandte sich wieder den Zetteln zu.
"Woher soll ich das denn bitte wissen?" Das erschien ihm auch merkwürdig. Er sollte an seinem Geburtstag Selbstmord begangen haben, also das war ja nun mehr als unwahrscheinlich. Er sah wieder zu Helen herüber. "Was steht da noch?"
"Hm, du scheinst öfter mal verschwunden zu sein. Ist wohl so eine Art Hobby von dir."
"Wie meinst du das?"
"Also das erste Mal bist du vor über 3 Jahren verschwunden. Damals warst du noch Staatsanwalt und hast anscheinend deine Fälle nicht bearbeitet."
"Ach, meinst du das ist ein Grund um abzuhauen? Ich habe ja schon immer angenommen, dass das nicht der richtige Beruf für mich war."
Helen zuckte mit den Achseln. "Jedenfalls hat der Polizist, der wegen deinem Verschwinden ermittelt hat, auch Phoebe befragt, die ihm aber nichts sagen konnte oder wollte, wissen wir wohl beide nicht." Sie warf Cole einen wissenden Blick zu. "In deiner ehemaligen Wohnung hat man ein paar Blutflecken gefunden und in einem Schrank hattest du wohl einen Schrein oder so was eingerichtet, aber sonst gab es keine Hinweise."
"Moment, einen Schrein?"
"Ja, zur Anbetung von wem auch immer, mit so mystischen Sachen und okkultem Zeug."
"Oh Gott, ich habe an so einen Mist geglaubt? Hoffentlich gehörte ich nicht auch zu so einem irren Teufelsanbeterclan wie Deacon und Konsorten."
Helen sah überrascht von den Unterlagen auf. "Deacon ist ein Teufelsanbeter?"
"Habe ich dir das noch nicht erzählt?" Fragte Cole überrascht. "Deacon, Fleisher und die Canterros waren in ihrer Studienzeit als Teufelsanbeterclique verschrieen, aber lass uns darüber besser später reden."
"Na gut." Sie wandte sich wieder dem Zettel zu. "Sie haben jedenfalls nichts herausgefunden. Aber einige Zeit später wurden dann deine Hauswirtin, der Polizist und seine Assistentin getötet."
Cole sah sie erstaunt an. "Steht da, dass ich etwas damit zu tun habe?"
"Nein," Helen schüttelte den Kopf.
"Hm, das hört sich schon irgendwie nach Mafia an, oder nicht?"
Helen sah ihn skeptisch an. "Also ich weiß nicht, wahrscheinlich war es ein Zufall. Die Polizisten haben schließlich noch an anderen Fällen gearbeitet und dass du verschwunden bist war schon einige Zeit her." Sie blickte wieder auf den Zettel. "Sie haben auch nichts spektakuläres über dich in Erfahrung bringen können, denn mehr steht in der Akte nicht. Ich denke nicht, dass die Morde etwas mit dir zu tun hatten." Beruhigte sie ihn.
"Aber Staatsanwalt, Rechtsanwalt, dass ist doch ein Beruf, der zu der Mafia passen könnte."
"Keine Ahnung, aber wenn dir die Mafia den Posten als Staatsanwalt verschafft hätte, dann hätten sie wohl kaum zugelassen, dass du ihn wieder verlierst, weil du deine Arbeit nicht machst." Erklärte sie zuversichtlich und nahm den nächsten Zettel zur Hand.
Davon war Cole nicht ganz so überzeugt, wartete aber ab, bis Helen wieder zu sprechen begann. "Dann ist hier so eine Lappalie, dass du ohne Papiere Auto gefahren bist. Und das nächste Mal bist du dann ca. anderthalb Jahre später verschwunden." Sie sah ihn überrascht an. "Du musst damals steinreich gewesen sein, denn du hattest eine Wohnung in einem der ziemlich teuren Gebäude der Stadt." Sie sah ihn mit einem ironischen Blick an. "Und ich glaube nicht, dass die Mafia dir so schnell verziehen hat, dass du deine Stelle als Staatsanwalt vermasselt hast, um dir als Belohnung dann diese Wohnung zu verschaffen."
"Wirklich? Und warum bin ich dann wieder abgehauen? Und woher habe ich auf einmal das viele Geld gehabt?"
Helen zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, aber du hattest damals anscheinend einen guten Job, Rechtsanwälte können schließlich ziemlich gut verdienen."
"Und vorher habe ich mit Phoebe in dem Haus ihrer Schwestern gewohnt, schon eigenartig, nicht wahr."
Helen kümmerte sich nicht weiter um Coles Überlegungen und blickte wieder auf den Zettel in ihrer Hand. "Als du dann verschwunden bist, hat deine damalige Frau Phoebe jedenfalls eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Und oh...." Sie sah ihn unsicher an.
"Was ist Helen?" Er sah sie durchdringend an und als Helen immer noch schwieg und ihn zögernd ansah, fuhr er sie an. "Jetzt sag es mir schon, oder ich reiße dir diese Zettel aus der Hand."
Sie seufzte "Sie war schwanger." Sagte sie schließlich leise.
"Was? Sie war schwanger? Und ich hab sie verlassen? Aber .. aber sie hat kein Kind." Gab er ungläubig zu bedenken.
"Vielleicht hat sie es ja verloren." Überlegte Helen und hatte auf einmal ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache, vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn er die ganze Angelegenheit hätte ruhen lassen.
"Oh Gott," meinte Cole entsetzt "Kein Wunder, dass sie mich gehasst hat."
Helen wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
"Meinst du deswegen wollte ich mich umbringen, ich war ja selbst Schuld daran, dass sie nichts mehr von mir wissen wollte. Wieso bin ich nur in so einem Moment abgehauen." Cole sah sie unschlüssig an. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er so etwas hätte tun können, schließlich liebte er sie doch und er war überzeugt, dass er das immer getan hatte.
"Ich weiß es nicht." Helen sah ihn an und fühlte sich unwohl. Vielleicht war es ja gar nicht sein Kind gewesen, ging es ihr durch den Kopf, aber sie behielt diesen Gedanken lieber für sich. Sie blickte wieder auf die Zettel und fuhr sachlich fort. "Als sie sich von dir scheiden lassen wollte, bist du wohl wieder aufgetaucht. Ja und das war es, hier sind noch ein paar Adressen von der Wohnung und deinen Arbeitgebern und ähnliches. Aber als du das letzte Mal verschwunden bist, hat die Polizei anscheinend keine Nachforschungen mehr angestellt oder Cyber hat nichts dazu gefunden. Vielleicht hat es ja niemand gemeldet."
"Kein Wunder!" meinte er schroff. "Wie konnte ich das tun Helen." Cole sah sie fragend an.
"Ich weiß es nicht, vielleicht hattest du ja einen Grund, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du das absichtlich gemacht hast."
"Wer weiß, wahrscheinlich kennst du mich gar nicht." antwortete er düster.
"Du musst mit ihr darüber reden." Stellte Helen fest.
Cole sah sie ungläubig an. "Spinnst du, nie im Leben. Ich habe ihr versprochen die Unterlagen nicht zu lesen, und ich hätte mich wohl besser daran gehalten."
"Aber wenn du es nun schon mal getan hast und weißt, was passiert ist, dann musst du auch mit ihr darüber reden. Sie wird es sowieso irgendwann herausbekommen. Und je später du es ihr erzählst, desto verletzender wird es für sie, das kannst du mir glauben, Cole."
Er fing an zu lachen, "oh, jetzt nennst du mich also schon Cole, hat das irgendwas zu bedeuten?"
"Nein, so heißt du nun mal. Also hör auf damit, da irgendetwas hinein zu interpretieren. Du bist und bleibst mein Freund, so schlimm ist das alles ja nun auch wieder nicht. Du weißt doch noch nicht einmal genau, was passiert ist. Und sie hat dir schließlich vergeben, oder nicht?"
Die zwei horchten auf, als es auf einmal an der Tür klingelte. "Das ist sicher Peter" meinte Cole und stand erleichtert von der Ablenkung auf. Er öffnete die Tür und sah sich Phoebe gegenüber. Er starrte sie erstaunt an.
Phoebe runzelte die Stirn "Na das ist aber keine begeisterte Begrüßung."
"Entschuldige, hallo." Er küsste sie kurz zur Begrüßung und ließ sie in die Wohnung.
"Ich hatte dir heute doch ein Essen versprochen, da das von gestern so daneben gegangen ist. Und ich dachte, ich komme ein bisschen früher vorbei, oder hast du noch etwas anderes vor?" Sie sah ihn fragend an.
Helen, die von weitem mitbekommen hatte, wer da gekommen war, sah sich um und versteckte den Umschlag unter ein paar Zeitungen. Dann stand sie auf und ging auf den Flur hinaus und streckte Phoebe freundlich die Hand entgegen. "Hallo Phoebe" meinte sie mit einem Lächeln. "Nett sie mal zu treffen, ich werde auch nicht mehr lange stören, aber ich muss Cole noch kurz sprechen, okay?" Sie zog ihn mit sich auf den Flur und sah ihn eindringlich an. "Du musst mit ihr darüber sprechen." beschwor sie ihn.
Cole schaute zur Seite und meinte genervt. "Ist ja schon gut ich mach es ja."
"Das war nicht sehr überzeugend. Tut mir Leid, aber ich glaube nicht dass du es tust. Dafür kenne ich dich zu gut." Sie sah ihn mit einem ironischen Lächeln an. "Ob nun Kevin oder Cole, du gehst unangenehmen Dingen doch gerne aus dem Weg. Aber wenn du es heute nicht tust, dann wird es nur noch schlimmer."
"Gut ich werde mit ihr darüber reden."
"Fein, sonst werde ich es ihr morgen nämlich sagen." Sie drehte sich um und wollte gehen.
Cole hielt sie fest. "Wie meinst du das?"
"Genauso, wie ich es gesagt habe." Sie wusste, dass sie ihn unter Druck setzen musste. "Du musst es ihr erzählen, wenn du willst, dass sie dir wieder vertraut." versuchte sie es erneut, ihn zu überzeugen.
Er sah sie entrüstet an. "Warum willst du dich unbedingt in mein Leben einmischen, lass es mich doch so machen, wie ich es für richtig halte."
Helen sah ihn zweifelnd an. "Ich habe meine Bedenken, ob du die richtigen Entscheidungen triffst. Wenn du schon mal den Umschlag geöffnet hast, dann musst du auch sofort mit ihr reden. Sie wird es verstehen." Versuchte sie ihn zu überzeugen. "Aber wenn du es herauszögerst, dann wird es nur Probleme geben. Vertrau mir und tu es, sonst tu ich es."
"Das tust du mir nicht an." Meinte Cole überzeugter, als er wirklich war.
"Sei dir mal lieber nicht so sicher." meinte sie "Und noch ein Tipp, erzähl ihr lieber nicht, dass ich den Umschlag geöffnet habe. Also mich würde das stören, wenn ich sie wäre." Helen ging den Gang entlang und verschwand ohne sich noch einmal umzudrehen.
Cole sah ihr hinterher und wusste nicht, was er davon halten sollte. Seufzend drehte er sich um und ging wieder in seine Wohnung, wo er Phoebe im Küchenbereich vorfand, wie sie aus dem Fenster schaute. Wie er sie dort so stehen sah, verfluchte er Helen, es wäre viel einfacher, heute das Zusammensein mit ihr zu genießen und all den Mist zu vergessen. Aber Helen hatte ihm ein schlechtes Gewissen eingeredet. Und obwohl er nicht glaubte, dass sie Phoebe etwas erzählen würde und sich auch nicht vorstellen konnte, wie sie das bewerkstelligen wollte, musste er sich eingestehen, dass sie vielleicht Recht hatte.
Er ging zu Phoebe rüber und umarmte sie von hinten. "Hey."
"Hallo," meinte sie "Ist es okay, dass ich schon so früh gekommen bin?" Sie drehte sich um und sah ihn an. Sie wusste noch nicht so genau, was sie von dieser Helen halten sollte.
"Sicher, ich freue mich immer, wenn du hier bist." Er sah sie strahlend aber etwas unsicher an.
Phoebe blickte forschend zurück. "Aber du hast doch irgendetwas." meinte sie schließlich.
Cole drehte sich von ihr weg und ging auf das Sofa zu, auf dem er sich niederließ. "Ich muss dir etwas sagen." begann er.
"Was?" Fragte sie alarmiert. Sie ging zu ihm rüber und setzte sich neben ihn.
"Ich habe den Umschlag mit den Nachforschungen geöffnet." Erklärte er knapp und warf ihr von der Seite einen kurzen Blick zu.
"Oh verdammt Cole, warum denn das? Du hattest mir doch versprochen es nicht zu tun." meine sie enttäuscht.
"Ich weiß, aber nach der Andeutung deiner Schwester heute und diesem ganzen Mafiakram, da musste ich einfach wissen, was da drinnen steht."
"Was für ein Mafiakram?" fragte Phoebe irritiert.
"Cyber hatte die Theorie, dass ich zum organisierten Verbrechen gehört haben könnte."
"Wie kommt er denn da drauf?" fragte sie überrascht.
"Also ist an dieser Theorie nichts dran?" Er sah sie fragend an.
"Stand davon etwa etwas in dem Bericht?" fragte Phoebe zurück und musste zugeben, dass es ja schon fast so etwas ähnliches war.
"Nein, da stand nur, dass ich ständig verschwunden bin." Als sie nichts dazu sagte fuhr Cole fort. "Aber du musst mit mir nicht darüber reden, ich wollte dir nur sagen, dass ich den Brief geöffnet habe." Das stimmte zwar nicht ganz, er brannte darauf, zu erfahren, warum er immer wieder weggelaufen war und was das alles zu bedeuten hatte, doch er wollte sie nicht unter Druck setzen.
"Okay." Sie war wütend auf ihn, dass er sich nicht an ihre Abmachung gehalten hatte und sie fragte sich, was dieser dämliche Computermensch wohl herausgefunden hatte, aber wenigstens hatte er es ihr gleich erzählt. Sie sah ihn an. "Kann ich die Berichte sehen?"
"Klar, Moment." Cole sah sich um, wo hatte Helen die Zettel nur hingetan. "Ich habe sie versteckt, als Helen kam. Wo habe ich sie nur hingelegt?" Er kramte auf dem Tisch herum und fand sie schließlich zwischen den Zeitungen. "Hier." Er reichte sie ihr hinüber.
Phoebe nahm sie entgegen und warf einen Blick darauf. Sie begann zu lesen und stellte erleichtert fest, dass im Grunde nichts allzu auffälliges darin stand Auch wenn sie sich nicht darüber freute, dass er nun einige Details wusste, die dort standen.
"Ich bin also an meinem Geburtstag verschwunden." begann er dann doch wieder zu fragen. Als sie weiter stur auf die Zettel guckte, fügte er hinzu. "Und du hast angenommen, dass ich an meinem Geburtstag Selbstmord begangen habe?" Er konnte das selbst nicht wirklich glauben.
"Ja!" kam die knappe Antwort, ohne dass Phoebe auch nur von dem Bericht aufblickte.
"Na gut, dann nicht." meinte Cole genervt. "Aber eins wollte ich dir noch sagen, es ist mir unbegreiflich, wie ich dich verlassen konnte, als du schwanger warst. Ich verstehe das nicht."
Nun sah Phoebe doch zu ihm rüber. "Cole" begann sie zögerlich. "Das ist alles viel komplizierter als du denkst und ich will einfach nicht darüber sprechen. Es war eine furchtbare Zeit für mich, die ich nur vergessen will. Darum bitte, akzeptiere dass ich dir verziehen habe und dass wir die Chance haben, neu zu beginnen, ohne das hier." Sie warf die Zettel zurück auf den Tisch und sah seinen enttäuschten Blick. "Ich habe das Kind verloren, aber es ist vorbei und niemand kann es mehr ungeschehen machen."
"Wieso kannst du mir das so einfach verzeihen?" wunderte er sich.
Phoebe lachte auf, "So einfach habe ich dir wirklich nicht verziehen. Aber du bist zum Beispiel nicht freiwillig gegangen," denn wir haben dich umbringen müssen fügte sie in Gedanken hinzu. "Was das meiste aber auch nicht viel besser macht."
Cole sah sie skeptisch an. "Es macht mich verrückt, dass ich das alles nicht verstehe." meinte er bitter, er sah sie eindringlich an, sie hatte die Möglichkeit, ihm zu erklären was eigentlich passiert war, aber sie wollte es ganz einfach nicht.
"Glaub mir, du willst es gar nicht wissen." meinte sie kühl, denn davon war sie überzeugt.
"Wie willst du das denn beurteilen?"
"Ich weiß es. Wäre es nicht auch besser gewesen, wenn du diesen Brief nicht geöffnet hättest?" Sie sah ihn fragend an.
Er zuckte mit den Schultern, auf der einen Seite ja auf der anderen nein. Er hatte diese Dinge schließlich getan, und das einzige was er wollte war zu verstehen, warum.
Phoebe sah, wie Cole vor sich hin grübelte. Sie war zwar wütend auf ihn, aber was brachte es ihr, ihn deswegen anzufahren. Sie musste ihn davon abhalten, weiter nach Informationen zu graben, zwar schien es ihr unmöglich, dass er noch mehr in Erfahrung bringen könnte. Aber sie musste ihn dazu bringen, dass er es auch nicht mehr wollte. Sie sah ihn eindringlich an. "Bitte hör auf damit, wir leben doch jetzt. Willst du das kaputt machen?"
Er schüttelte den Kopf.
Phoebe wollte den Briefumschlag vom Tisch nehmen, um ihn in den Mülleimer zu werfen, als ihr Blick auf einen anderen Aktenordner fiel. "Was ist das denn?" fragte sie.
Cole blickte ebenfalls auf den Tisch und meinte "Ach das ist die Akte von den Canterros."
"Von den Canterros," Phoebe nahm sie und sah sich die Zettel darinnen an. "Hm, weißt du mittlerweile schon was sie zu bedeuten haben."
"Ja, so in etwa, Helen hat mir ein Gespräch mit einer Frau vom Bauamt verschafft."
"Und sie konnte dir weiterhelfen?" fragte Phoebe während sie sich immer noch die Zettel anschaute.
"Ja, ich wollte herausfinden, welche Grundstücke die Canterros besitzen. Und sie konnte es mir sagen." Es lenkte ihn ab, wenn er mit Phoebe über dieses Thema redete, und wer weiß, vielleicht sammelte er sich ja ein paar Pluspunkte bei ihr, wenn er ihr davon erzählte. Und sie wurde gesprächiger. Doch bei diesem Gedanken musste er lächeln, denn bisher hatte diese Theorie noch nie funktioniert. Aber was sollte es, er hatte in dieser Beziehung nichts zu verschweigen, und vielleicht konnte sie ihm sogar weiterhelfen. "Es besteht die Möglichkeit, dass die Canterros sich ein unterirdisches Labor gebaut haben."
"Ein unterirdisches Labor?" Sie schaute erstaunt auf.
"Ja, das haben sie jedenfalls geplant." Er nahm ihr die Akte aus der Hand und suchte nach dem Zettel mit der Zeichnung von Paula, den er ihr reichte. "Hier, dort könnte es sein. Sie wollten es anscheinend bauen, um dort im Geheimen Experimente durchzuführen."
"Experimente? Was für Experimente?"
"Sie haben da zum Beispiel ein Mittel erforscht, dass jemandem die Erinnerung nehmen kann. Trisha nimmt an, dass es ihr verabreicht wurde und ich denke Debra White hat es auch bekommen. Das würde zusammen passen, derjenige hätte dann schon lange verschwunden sein können, nachdem er es ihr gegeben hat. Darum haben wir auch nichts mehr von ihm gesehen, als wir in dem Haus ankamen. Aber weißt du noch, ich habe doch diese grüne Flüssigkeit auf dem Boden entdeckt."
Phoebe nickte und ihre Gedanken überschlugen sich. Sie wusste genau, dass Quasta den Frauen das Mittel gespritzt hatte. Aber war es wirklich möglich, dass die Canterros die Substanz so weit erforscht hatten, dass sie sie ohne Hilfe von Dämonen herstellen und benutzen konnten? "Woher weißt du das mit den Forschungen?" fragte sie deshalb.
"Trisha hat es in den Papieren, die wir haben mitgehen lassen, gefunden."
"Trisha? Kennst du sie schon so gut?"
Cole lächelte sie zufrieden an, als ihm etwas anderes einfiel "Sag mal, als du Helen aus diesem Lagerhallenbüro geholt hast, warum kann sie sich nicht daran erinnern? Sie weiß noch nicht einmal, wie sie in ihr Büro gekommen ist."
"Du meinst doch nicht etwa ich hätte ihr so ein Mittel gegeben?" Sie sah ihn empört an.
"Merkwürdig ist es schon, dass musst du zugeben." Gab er zu bedenken und sah sie skeptisch an.
"Ich habe sie wohl eher davor gerettet, solch eine Spritze zu bekommen." meinte Phoebe wütend.
"Ach, ich vergaß, du und deine Schwestern habt ja das hehre Ziel die Welt zu retten."
"Genau so ist es. Aber lass uns jetzt gehen." Sie stand auf, sie hatte keine Lust sich eine Erklärung dafür auszudenken, wieso Helen nicht wusste, wie sie ins Zeitungsgebäude gekommen war. Sie sah Cole auffordernd an. "Ich finde wir sollte unsere Zeit nicht damit verbringen, schließlich ist Wochenende und wir wollten doch essen gehen."
"Ach, am Wochenende rettest du keine Frauen in Not?"
"Doch wenn es nötig ist, dann rette ich sie auch am Wochenende. Aber im Moment sieht es nicht so aus, als bräuchte eine von ihnen Hilfe. Also lass uns die Zeit nutzen."
Cole sprang auf und ging ihr hinterher. "Wie du meinst," meinte er und seine Laune hatte sich gleich um ein vielfaches gebessert.
Als sie in Phoebes Auto saßen, fragte Cole "Und wo fahren wir hin?"
"Lass dich überraschen" meinte Phoebe die sich auch wieder besser fühlte. Sie würden es schon schaffen, die Schatten der Vergangenheit zu vertreiben, davon war sie weiterhin überzeugt. Zu ihrem Verdruss klingelte gleich darauf das Telefon. Es war Piper, die ihr mitteilte, sie solle sofort zur Deacon Waffenfabrik kommen. Phoebe warf Cole einen genervten Blick zu. "Das war Piper, sie will mich vor der blöden Deacon Fabrik treffen."
"Also doch kein Wochenende für die Weltretterinnen?" fragte Cole leicht amüsiert.
"Nein leider nicht, aber ich hoffe mal, es wird nicht lange dauern." Da sie keine Veranlassung sah, Cole nicht mitzunehmen, fragte sie ihn. "Ist es weit von hier?"
Cole schüttelte den Kopf. "Nein, nur ein paar Blocks."
Als sie kurze Zeit später vor dem hinteren Teil des Fabrikgeländes ankamen, hielt Phoebe an und öffnete die Tür. Sie beugte sich zu Cole herüber und meinte "Du wartest hier so lange, okay? Es wird nicht lange dauern." Sie stieg aus und drehte sich um, doch zu ihrer Verwunderung stand Cole auf der anderen Seite des Autos.
"Ich dachte wir hätten keine Geheimnisse mehr voreinander." Erklärte er ihr mit einem Grinsen.
"Ach wirklich? Das ist mir neu!" murmelte Phoebe leise und schaute ihn genervt an. Sie fragte sich, wie sie ihn davon abhalten konnte, mitzukommen. Ein paar Meter entfernt sah sie Piper und Paige stehen. Sie seufzte und entschied sich dafür keine Diskussion anzufangen, wenn er mitkommen wollte, dann sollte er es eben tun, sie glaubte nicht, dass er hier irgendetwas interessantes aufschnappen konnte. Sie ging auf ihre Schwestern zu und merkte, wie Cole ihr folgte.
"Was ist los." fragte sie als sie bei Piper und Paige angekommen war.
"Deacon ist verschwunden." Erklärte Piper, ohne Cole weiter zu beachten. "Ich sollte ihm den Brief seiner Frau vorbeibringen und als ich ankam war er nicht da. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er freiwillig gegangen ist. Kannst du dich mal umsehen, vielleicht findest du ja heraus, was geschehen ist."
"Sicher, wo wollte er auf dich warten."
"In seinem Büro." Piper ging auf den Zaun zu.
"Moment." meinte Cole. "Wollt ihr dort etwa einbrechen?"
"Nein." erwiderte Piper. "Er wollte nicht, dass jemand mitbekommt, dass ich vorbeikomme. Also hat er das Tor dort aufgelassen." Sie zeigte auf ein Tor, das einige Meter entfernt zu finden war.
"Und die Hunde?"
"Was für Hunde? Vorhin waren jedenfalls keine da. Wenn es welche gibt, dann werden sie sicher erst Abends herausgelassen." Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu. "Aber wenn du Angst hast, dann kannst du gerne hier bleiben."
"Keine Sorge, das lass ich mir nicht entgehen."
Sie betraten das Gelände und gingen auf das Hauptgebäude zu. Auf ihrem Weg begegneten sie weder einem Mensch noch einem Hund. Die Hintertür des Hauptgebäudes war ebenfalls angelehnt. Sie betraten das Haus und gingen einige Stockwerke hoch, bis sie das Büro von Michael Deacon betraten. Das Licht brannte noch und alles sah ganz friedlich aus. Phoebe begann ihm Raum auf und ab zu gehen und berührte einige Gegenstände. Piper und Paige beobachteten sie, während Cole sich auf den Schreibtisch setzte und sich mit dem Telefon beschäftigte.
"Tut mir Leid, nichts." meinte Phoebe als sie nach einiger Zeit immer noch keine Vision bekam. "Vielleicht ist er ja doch nach Hause gegangen."
"Ich habe Leo vorbei geschickt, damit er nachschaut, aber ich kann mir das nicht vorstellen. Als ich ihn angerufen habe, war er ganz aufgeregt und wollte den Brief seiner Frau unbedingt sofort haben."
"Nach deinem Anruf hat er jedenfalls noch Jared Canterro angerufen." Teilte ihr Cole mit, und schaute die Schwestern an "Vielleicht hat er sich ja mit ihm verabredet."
"Woher weißt du das?" Fragte Piper skeptisch.
Cole zeigte auf das Telefon. "Die Anrufe sind hier gespeichert."
"Zeig her." Phoebe trat neben ihn und schaute auf das Telefon. "Stimmt" meinte sie und schaute zu ihren Schwestern rüber. "Vielleicht hast du dir ganz unnötig Sorgen gemacht und er wollte sich noch beruflich mit Canterro treffen." wandte sie sich an Piper. "Mich würde nur interessieren, ob er Canterro im Büro oder privat angerufen hat."
"Kein Problem" meinte Cole und holte sein Portemonnaie hervor. Er schlug es auf und zog nach kurzer Zeit eine Karte hervor. Er blickte auf die Anzeige am Telefon und teilte Phoebe dann mit. "Es scheint als habe er ihn im Büro bei der Rüstungsfirma angerufen." Er zeigte ihr die Karte. "Die Hauptnummer ist die selbe, wie die der Personalabteilung, nur die Durchwahl ist anders."
Phoebe schaute sich erstaunt die Karte an. "Woher hast du die denn und was willst du damit?"
"Falls ich mich wieder erinnere, dann kann ich mich dort als Anwalt bewerben." Teilte Cole ihr zufrieden mit.
Sie schaute ihn kopfschüttelnd an, als sie im Raum plötzlich ein bläuliches Leuchten sah. Oh nein, dachte sie sich und schaute entsetzt auf die Stelle, wo Sekunden später Leo erschien. "Also Zuhause ist er auch nicht." Teilte er Piper mit.
Cole starrte ihn ruhig an. Zu seiner eigenen Überraschung wunderte er sich nicht allzu sehr über Leos ungewöhnliches Erscheinen. "Hm," meinte er verwirrt "Warum schockiert mich das jetzt nicht richtig?"
"Weil du es schon kennst." erwiderte Phoebe, froh, dass er so gelassen reagierte.
"Ach tatsächlich!" Er starrte immer noch in Leos Richtung. Es mochte ja sein, dass er dieses Erscheinen als Cole gekannt hatte, aber der hatte auch einen mystischen Schrein in seiner Wohnung gehabt. Doch als Kevin empfand er diese ganze Angelegenheit als extrem merkwürdig und unrealistisch.
"So kann man sich an verschiedene Orte teleportieren." Versuchte Phoebe es ihm logisch zu erklären, während die anderen immer noch schwiegen.
"Nun wie praktisch, so habt ihr Helen auch zurück in ihr Büro gebracht, nicht wahr? Kein Wunder, dass sie sich nicht mehr daran erinnern kann." meinte er lockerer als er sich eigentlich fühlte "Kannst du das auch?" wandte er sich wieder an Phoebe.
"Nein kann ich nicht."
"Aha und konnte ich es?" Er sah sie fragend an, doch Paige fand ihre Stimme wieder und antwortete für Phoebe. "Nein, ganz sicher nicht." Sie wollte ihr teleportieren auf keinen Fall mit Coles dämonischen Erscheinen in Verbindung bringen.
Cole blickte Paige interessiert an. "Ach das können dann also nur die extra Edlen, oder was?" Irgendwie hatte er so ein Gefühl als hätte er so etwas ähnliches gekonnt.
Paige zuckte mit den Achseln, sie hatte keine Lust, darauf zu antworten.
"Denn du kannst es doch auch, nicht wahr?"
Jetzt sah sie ihn erstaunt an. "Woher weißt du das?"
"Oh, ganz einfach, Peter konnte nicht verstehen, wie du aus einer verlassenen Sackgasse verschwinden konntest," er schaute sie triumphierend an. "Er wird sich freuen, zu erfahren, dass es nicht seine Schuld war, dass du ihm entkommen bist, er war deswegen schon ziemlich deprimiert."
"Nein Cole, du kannst es Peter nicht sagen, du wirst es für dich behalten." meinte Phoebe eindringlich.
"Ach, werde ich?" Er sah sie herausfordernd an.
"Ja!" Sie sah herausfordernd zurück. "Ich werde nicht zulassen, dass du daraus eine Story machst."
Cole sah sie bedauernd an "Wie sollte ich denn daraus eine Story machen? Was sollte ich da denn bitte schreiben, so dass mich niemand für verrückt erklärt?"
"Ich dachte du bist Journalist, da fällt dir doch bestimmt etwas ein." erwiderte sie beleidigt.
"Hört auf ihr zwei," mischte sich Piper nun ein. "Wir sollten lieber zum eigentlichen Problem zurückkommen. Also ich glaube nicht, dass sich Deacon einfach so aus dem Staub gemacht hat, und vorher noch das Tor und die Tür zu diesem Gebäude offen gelassen hat. Das ist doch völlig unlogisch. Wenn er zu einer Verabredung mit Canterro wollte, dann hätte er doch wenigstens sein Büro abgeschlossen."
"Naja das hätte ihm aber auch nicht viel genutzt." meinte Cole sarkastisch.
"Aber das konnte er doch nicht wissen." Erklärte Piper nachdenklich.
"Was kümmert euch der dämliche Deacon überhaupt?" fragte Cole nun, "was hat er denn getan, dass ihr ihn unbedingt retten müsst?"
"Ich gebe es ja nicht gerne zu," meinte Paige und schaute Piper nachdenklich an. "Aber da muss ich Cole ausnahmsweise mal recht geben, denn das frage ich mich auch schon die ganze Zeit."
Piper zuckte mit den Schultern. "Ich weiß auch nicht, ich habe das Gefühl als stecke noch etwas anderes hinter der ganzen Sache." versuchte sie zu erklären.
"Vielleicht sollten wir einfach mal in Canterros Büro nachschauen, ob er sich dort aufhält." schlug Phoebe vor.
"Oder wir rufen mal an." meinte Cole und drückte auf die Wahlwiederholung. Doch am anderen Ende sprang nur der Anrufbeantworter an.
"Das heißt gar nichts," meinte Paige, "vielleicht hat er das Telefon während seines Gesprächs mit Deacon ja abgestellt."
"Möglich." erwiderte Piper und schaute auf die Uhr. "Aber seine Verabredung mit mir war vor zwei Stunden, selbst wenn er sich mit Canterro getroffen hat, langsam müsste er doch wieder zurück sein."
"Könnte er nicht mal schnell vorbeifliegen." schlug Cole vor und wies dabei auf Leo.
"Das geht nicht so einfach," erklärte Phoebe, "er könnte dabei erwischt werden."
Cole warf ihr einen Blick zu, der ihr zu verstehen gab, dass ihm das ziemlich egal war.
"Aber er hat schon Recht, wir werden zuerst einmal bei der Rüstungsfirma vorbeischauen, und wenn er dort nicht ist, dann sehen wir weiter." Sie wandte sich wieder an Phoebe. "Ihr könnt ruhig gehen, wir schaffen das schon."
"Bist du sicher?" fragte Phoebe und als Piper nickte, griff sie nach Coles Hand und zog ihn mit sich aus Deacons Büro.
Doch kurz darauf im Teppenhaus wandte Phoebe sich an Cole und meinte "Wartest du hier einen Moment." Sie wartete seine Antwort gar nicht erst ab und ging alleine zurück in das Büro. Ihre Schwestern und Leo schauten sie erstaunt an.
"Leo, meinst du etwas Vergessenspulver würde nutzen?" fragte Phoebe unschlüssig, doch dieser schüttelte den Kopf.
"Nein Phoebe, durch seinen programmierten Gedächtnisverlust ist Cole gegen den Einsatz unseres Pulvers leider immun."
Phoebe nickte, sie hatte so etwas geahnt. "Okay, dann kriege ich es auch so hin." meinte sie zuversichtlicher als sie wirklich war. Doch wahrscheinlich war es besser Cole wenigstens einen Teil ihres Lebens zu erklären, als ständig lügen zu müssen. Ihr fiel nur einfach noch keine passende Erklärung ein, auf die er gelassen reagieren konnte ohne ständig weiterzufragen. Sie ging zurück zu Cole und schweigend machten sie sich auf den Weg zurück zu Phoebes Auto.
