Elben-Maispizza für Tanya
„Trying to remember Why I was afraid To be myself And let the covers fall away Guess I never had Someone like you To help me fit In my skin" [Avril Lavigne – Naked]
Als wir zurück ins Motel kamen, begann es zu Schneien und Ronnie schimpfte wie ein Rohrspatz über die horrenden Preise der Taxis. Ich grinste nur und schmiss mit zerknüllten Euroscheinen um mich. „Ich weiß gar nicht wo ich sie sonst aufbewahren soll.", rief ich ihr locker zu und erntete einen grantigen Blick von ihr. „Schön für dich wenn du nicht weißt wohin als erstes mit deinem Geld. Aber mich beeindruckt das wenig, Orli." „Den Taxifahrer freuts aber.", entgegnete ich kleinlaut. Irgendwie brachte mich Veronica immer dazu, mich wie ein kleiner, unbedeutender Junge zu fühlen – was ich irgendwie auch war. „Natürlich freut es dieses raffgierige Arschloch...", tobte sie als wir die Treppe hinauf eilten. Anscheinend war sie sauer auf sich und so auch schlecht auf ihre Umgebung zu sprechen. Kaum standen wir aber vor der Zimmertüre, als es sich legte und sie leise herein huschte. Als wir Anja im Bett fanden, so tief schlafend wie ein Sack Kartoffeln, jammerte sie leise und tätschelte ihre Wangen, doch sie rührte sich nicht. Anja war erst sechzehn (gute Güte, elf Jahre jünger als ICH!) und wirkte seltsam blass um die Nase, ihre Augen waren rot umrändert und ihr Atem unruhig. Doch dann begann sie, sich sanft zu rühren und gähnte. Ronnie hielt den Atem an und angelte in der Luft angespannt nach meiner Hand, die ich ihr ergeben reichte. „Anja?", kam es dann leise und das zierliche Mädchen öffnete die Augen schlagartig. „Ja? Vroni?"Allerdings waren ihre Worte Deutsch. Ronnie legte ihr den Finger auf die Lippen. „Schhht. Du musst noch ganz benebelt sein. Und sprich bitte auf Englisch." „Was soll ich machen?", empörte sich Anja, doch sie antwortete sofort in meiner Muttersprache – und das fließender als Ronnie es gestern getan hatte. „Und überhaupt, wieso hast du Legolas mitgebracht?" Sie heftete ihre Blicke auf mich und kullerte – ganz nach Frodo – mit den Augen und ich grinste mein gewinnendstes Elbenlächeln. „Vroni, halluziniere ich oder steht da Orlando Bloom an meinem Bett?", fragte sie dann während ich penetrant weitergrinste und es nicht mehr abstellen konnte. Gott war das peinlich und außerdem tat es nach einer Weile weh. Ich hatte das Gefühl, eine Maulsperre bekommen zu haben. Ronnie rieb sich mit einem Seufzer über die Nase. „Nein, du halluzinierst nicht. Orli, das ist Anja Ludwig. Anja – Orlando Bloom. Bitte fallt nicht gegenseitig in Ohnmacht." Anja reagierte überhaupt nicht Fanlike und ganz anders als ich es mir ausgemalt hatte: Sie sah unter die Bettdecke, und dann zurück auf mich und errötete. „Vroni! Wieso liege ich in Unterwäsche im Bett?" „Weil deine Klamotten voller Kaffee waren und ich keine Zeit hatte mich um dich zu kümmern. Jemand musste mit Tanya ins Krankenhaus. Hast du das mit dem Kaffee und den Tabletten noch mitbekommen?" Sie ging nicht einmal auf Ronnies Worte ein sondern schrie sie an. „Ich trage Unterwäsche! Du lässt Orlando Bloom in unser Zimmer während ich so gut wie nichts trage? Sag mal, bist du noch ganz bei Trost? Ich glaube dir geht's nicht mehr gut, oder? Raus hier! Raus! Sofort!" Ronnie und ich zuckten beide über die Heftigkeit der wieder Erwachten zurück und wir wichen mit erhobenen Händen aus dem Zimmer, während noch einige Flüche folgten, bei denen ich froh war das ich sie nicht verstand – so wie Ronnie errötete. Sie erholte sich schnell und zog mich in die Wohnküche, wo sie mir ein Telefon und ein Telefonbuch in die Hand drückte. „Also, Pizzeria wirst du ja wohl noch lesen können, oder? Bitte ruf irgend eine an – egal welche – und bestell eine Familienpizza mit viel Käse, Schinken und Mais. Bitte. Ich muss mich jetzt um Anja kümmern und mich umziehen." Und so ließ sie mich mit dem vorsintflutlichen Telefonapparat – mit Wählscheibe, man stelle es sich vor, ich dachte die Dinger zierten mittlerweile jedes gute Elektronikmuseum – alleine. Ich stand verdattert da, dann beschloss ich mich wie ein Mann zu benehmen und der Aufgabe Folge zu leisten, die ich bekommen hatte. Fünf Minuten später musste ich dann doch an Ronnies Tür klopfen. Diese öffnete mir schwer atmend – und nur in Schlaghose und BH gekleidet und knurrte: „Was denn, Orli?" Ich hielt ihr errötend das Telefon hin. Seitdem ich Ronnie kannte wurde ich nur noch rot. „Sprich du mit ihm." „Mit wem?" „Dem Besitzer der Pizzeria. Er kann kein Englisch – und ich verdammt noch mal kein Italienisch.", erklärte ich mit leidensvoller Miene. Ronnie entriss mir genervt das Telefon, knallte vor meiner Nase die Türe mit den Worten: „Ich fass es nicht, und so was schimpft sich Elb.", zu, dann hörte ich wie sie halb deutsch, halb italienisch mit dem Pizzabäcker telefonierte und mit erstaunlich langen Worten um sich schmiss. Als sie die Türe wieder öffnete und zum Glück ein Top trug – wie verdammt hatte sie es geschafft sich das Ding während des Telefonierens anzuziehen? – und gab mir den Hörer. „Leg ihn bitte da hin wo er hingehört. Presto!" „Presto?", erwiderte ich fassungslos. „Quick! Swift! Rapid! How ever you will call it! Go on!", war die Antwort und ich trollte mich zurück in die Wohnküche, kleinlaut wie ein geprügelter Hund. Ich benahm mich gar nicht wie sonst... „Und wenn du schon nicht weißt wohin mit deinen Euros, dann bezahl den Pizzaboten und pass auf das er nicht bescheißt."Mit diesen Worten fiel die Türe erneut ins Schloss und ich setzte mich ergeben seufzend auf das mit rosa Blümchen übersäte Sofa. Von wegen Urlaub! Nichts gegen Ronnie, aber wenn sie und ihre beiden Freundinnen wirklich alle drei so ungestüm waren, würde es nicht gerade ein Zuckerschlecken mit ihnen werden. Ich ließ die Vorurteile sinken, als die beiden wieder aus ihrem Schlafzimmer kamen. Anja errötete etwas als wir ins Gespräch kamen, allerdings nicht in dem Maße wie Ronnie gestern an der Bar. Diese schien ziemlich reumütig zu sein. „Bitte entschuldige Orli. Ich war etwas grob zu dir. Ist immer so wenn ich zu gereizt bin. Dummer Charakterfehler. Sei mir nicht böse." „Nein, deswegen bin ich dir nicht böse. Aber wenn du dich noch einmal entschuldigst, dann bin ich böse. Du tust ja so als ob ich... als ob ich ein Balrog wäre oder etwas ähnliches." Anja kicherte. „Ich glaube er hätte es dir gesagt wenn er ein Balrog wäre." „Und sie hätte es gesehen.", fügte ich hinzu. Wir plauderten eifrig über dies und das, was mit zwei Mädchen allerdings schon schwerer wurde. Mit Mädchen kann man sich eben nicht über vernünftige Themen unterhalten. Ich hielt mich sowieso für verrückt, es war sonst nicht meine Art mich mit so jungen Girls anzufreunden. Die meisten meiner Bekanntschaften drucksten eher in meinem Alter herum, waren aber dafür noch sehr viel kindischer. Ich bekam von Ronnie jedenfalls Komplimente darüber das ich mir meinen Bart abrasiert hatte – aber ich mit Bart wirkte zu lächerlich neben John. Unsere Unterhaltung, die im Moment über Weta-Workshops, Computerelektronik und Gollum ging wurde vom schrillen Klingeln der Türglocke unterbrochen. Als Gentleman – mehr oder weniger elbisch – ging ich an die Türe und öffnete einem jungen Italiener. Dieser ging mir nur bis zum Schlüsselbein, und in einem munteren Mischmasch aus Deutsch und Italienisch begann er systematisch meine Brust vollzuquasseln und mir die Pizza hinzuhalten. „Äh... what did you say?", fragte ich vorsichtig – um den armen kleinen Kerl nicht gar so zu erschrecken. Ich erschreckte ihn zu Tode. Er sah auf, schriee gellender als ein Mädchen auf und warf den großen Karton Pizza in die Luft. Ich hatte alle Hände voll zu tun um ihn aufzufangen, als Ronnie schon zur Türe gerast kam. „Was zum Teufel ist hier denn los?" Ich rettete die Pizza mit einem uneleganten und sehr unathletischen Hechtsprung, der Italiener verfiel in seine Muttersprache und ein reges Kuddelmuddel begann. Keiner verstand mehr den anderen als auch noch Anja kam und Ronnie zum Teil ihre Flüche mit einer Priese Sindarin würzte. Es dauerte eine Weile bis wir alles auseinander klamüsert hatten. Der Italiener bekam sein Geld und ein Trinkgeld und die Erklärung das ich kein Elb sondern Ronnies älterer Bruder sei und er sich schleichen sollte bevor ich ihm die Nase brechen würde – so ähnlich übersetzte mir Ronnie Anjas Schimpfen – und ich musste mich am Geländer der Treppe im Gang festhalten, als der arme, eingeschüchterte italienische Junge die Treppe hinunter jagte. Als die Eingangstür ins Schloss knallte waren wir uns alle sicher – so schnell kam der nicht mehr in dieses Motel. Als wir es schafften mit dem Gelächter aufzuhören, bemerkte Ronnie trocken: „Alles schön und gut, jetzt müssen wir nur noch ins Krankenhaus bis uns die Pizza abkühlt." Die Pizza war immer noch sehr, sehr heiß als wir aus dem Taxi stiegen. Ich bemerkte das besonders gut an meinen Brandblasen, die ich nun hatte. Oder es war einfach durchgesickertes Fett. Jedenfalls waren meine Handflächen rot und juckten. Aber ich war ein Gentleman und ließ mir das vor den Mädels nicht anmerken. Von außen wirkte das Krankenhaus wie jedes andere auch – grau, trist und langweilig. Im Inneren wurde es allerdings schon interessanter. Hübsche, knallig bunte Bilder hingen an der Wand, ab und zu auch ein paar eigenwillige Fotografien – Mensch, das meiste sah so aus wie der Inhalt eines Fotos von Viggo wenn er wieder total zugesoffen war – und Anja erklärte mir, das die meisten Werke von Patienten stammten. Ich war von diesem Krankenhaus sowieso irritiert. Da ich nun lang genug in L.A. gewesen war und so mehr Krankenhäuser von innen gesehen hatte als mir lieb war – auch nicht immer als Patient – kam mir dieses deutsche Krankenhaus irgendwie seltsam vor. In Amerika gab es kaum einzelne Krankenzimmer, sondern die Patienten wurden in einen großen Saal gebracht, der mit Hilfe von Vorhängen in kleine „Zimmerchen"geteilt wurde. Diese Vorhänge waren meistens grau, graublau oder graugrün. Na da kam Freude auf! Hier in Deutschland gab es einzelne Zimmer, deren Bettenzahl zwischen vier und einem schwankten. Ich war so angetan von den Bildern, das ich oftmals stehen blieb und Anja und Ronnie in dem komplexen Gebäude zweimal fast verlor. „Mensch Orli! Das Krankenhaus ist später auch noch da! Die Pizza wird kalt!", kam es irgendwann von Ronnie, die genervt hinter einer Ecke auftauchte. „Äh, ja natürlich die Pizza. Tut mir leid." „Jetzt hast du es gesagt." „Was?" „Tut mir leid." „Oh."Das verschlug mir für eine Weile die Sprache und blieb im Gang stehen. „Würdest du jetzt bitte kommen?" Ich schien sie jetzt zu nerven. Trotzdem war sie weiterhin lustig. Sie hatte schon wieder ihren roten Schal um den Hals gewickelt als ob sie etwas verbergen wollte. Anja neben ihr trug einen kleinen Strauß Blümchen, den wir im Hotelfoyer stibitzt hatten. Eigentlich verschenkte man nichts geklautes, aber es hatte einfach so Spaß gemacht... Ronnie und Anja sorgten dafür, das wir weiter zügig durchs Krankenhaus kamen und niemand die Pizza sah, die eine verdächtige Geruchsspur hinterließ. Bald hatten wir Zimmer 213 gefunden, in dem Tanya lag. Schon von Weitem erkannte man das Zimmer – ein kleines, aber feines Poster von Elijah – nicht schon wieder der! – hing an der Türe. „Power can be held in the smallest of things.", stand drunter. Ich musste darüber irgendwie grinsen und Ronnie erklärte: „Es war ein stundenlanger Kampf mit Tanya, den Krankenschwestern, dem Stationsarzt und ihrer Zimmernachbarin – denn es ist ein Zweibettzimmer – bis sie die Poster aufhängen durfte. Sie hat sich schlussendlich durchgesetzt und ihre Nachbarin aus dem Zimmer geekelt... naja, eigentlich ist die alleine gegangen. Sie konnte keine Leute leiden die Metal hören."Sie tat so als ob dies das natürlichste der Welt sei und ich nahm es höflicherweise auch mal so hin. Dann rollte Ronnie mit den Augen. „Ach übrigens, es wäre besser du wartest nen Moment bis ich nach dir rufe." „Wieso?", fragte ich dümmlich. „Weil sie sonst noch ein paar Wochen länger im Krankenhaus blieben muss.", erwiderte Anja. „Sie bekommt Beruhigungsmedikamente, aber wir wissen nicht wie diese Medikamente sich mit dir vertragen. Wir müssen sie schonend auf dich vorbereiten."Sie grinste breit. „Gut, ich warte. Aber bereitet schnell, ja? Ich muss mir die Hände waschen." „Ja, du kleiner Jammerlappen.", sagte Ronnie und nahm mir die Pizza ab. Die beiden Mädchen verschwanden im Zimmer. Der knappe Blick den ich hinein werfen konnte erlaubte mir, ein oder zwei weitere Poster zu erkennen. Bald konnte ich jenes fröhliche Quietschen hören, das Frauen fast immer ausstießen wenn sie auf ihre befreundeten Artgenossinnen trafen, darauf folgten etwa sieben Minuten angestrengte, deutsche Diskussion. Ich hörte „Pizza"ein paar mal heraus und auch „Blümchen"– wie erniedrigend – und das für weibliche Wesen typische Gekicher und Gelächter. Vor der Türe wurde mir langsam langweilig. Ich war kein Mädchen und nicht neugierig – aber über was lachten die? Außerdem glotzten die anderen Besucher mich schon dumm an, weil ich fast bewegungslos mit tief ins Gesicht gezogener Baskenmütze und Schal bis zu den Nasenlöchern aufgetürmt im geheizten Flur stand und keine Anstallten machte einzutreten. Und ich begann mich fürchterlich darüber zu ärgern das ich mir den Schnauzer abrasiert hatte, der bis jetzt die beste Tarnung gewesen war, um mich von den Ring-Fans zu verbergen. Nervös und hibbelig – ganz entgegen meiner Schauspielerei – trat ich von einem Bein aufs andere. Endlich hörte ich Ronnies Stimme: „C´mon, come in Orli. Und reg dich nicht auf, Tanya, ok?" „Orli?", hörte ich eine mir unbekannte Mädchenstimme aus dem Zimmer tönen. „Wieso Orli?" Ich freute mich auf meinen Auftritt – bloß wieso? – riss mir die Mütze herunter und trat ein. Ronnie und Anja standen vor dem Krankenbett Tanyas und verdeckten so zum Teil die zwei geschmackvollen Poster an der Wand, die einzigen Poster übrigens. Eines wo die neun Gefährten dunkel wie Schatten über eine Wiese zogen und ein anderes wo Aragorn, Gimli und Legolas zu dritt posierten und ihre Waffen schwenkten. Beide Poster mussten Tanya gehören. Diese lag, dick mit der Decke eingepackt auf dem Krankenbett, das in eine Sitzende Position umgeklappt worden war. Ihr rechter Fuß war zentimeterdick in weißen Gips gepackt und wurde mit Lederschlaufen leicht schräg gehalten. Ganz nach Ronnies knappen Beschreibung schwankte ihre Haarfarbe zwischen schwarz und rot und sie kaute – genauso wie Veronica und Anja – an einem Stück Pizza herum und schien mich im ersten Moment gar nicht erst zu registrieren. „He Orli, du hast die Tür gefunden.", freute sich Ronnie gespielt und endlich richteten alle drei Girls ihre Blicke auf mich. Tanya hielt im Kauen inne, riss ihre Augen auf und wurde weißer als ihr Bettlaken. Als sie aber nichts sagte – vielleicht lag es auch daran, wenn ich recht überlege, das sie den Mund voll hatte – entwickelte ich mich von meinem Schal, stopfte ihn in meine - ja genau! – Armanijackentasche und hielt ihr schon die Hand hin um mich vorzustellen, als ich bemerkte das sie fettig war. Ich entschuldigte mich dafür und galoppierte ins anliegende Badezimmer um mir die Hände zu waschen. Tanyas Augen waren immer noch genauso groß als ich wieder eintrat, doch sie hatte runter gegessen. Ich trat ans Bett und schüttelte ihr die Hand, während Ronnie vorstellte: „Tanya, das ist Orlando Bloom. Orli – Tanya Peterson. Noch irgend welche Fragen?" Keine Reaktion von Tanyas Seite bis auf ein Schnaufen und dem Kommentar von Anja, das die Beruhigungstropfen „äußerst wirksam" seien. Bitte? Was gaben die in Deutschland ihren Patienten? Morphium? Ich will hier raus! „Äh, Ronnie, guckt sie immer so wenn sie mich sieht?" „Orli, das war eine selten dämliche Frage. Erstens hab ich nicht minder dumm geguckt und zweitens sieht sie dich doch zum ersten Mal." Endlich gab Tanya ein Lebenszeichen von sich. „Die Beruhigungsspritze hat's in sich.", murmelte sie. „Ich halluziniere. Ah, Hallo Orli. Ich kann doch Orli sagen, oder?" Na endlich war sie aus ihrer Trance erwacht. Ich konnte mich daran erinnern das es mir ähnlich ging als ich John, Ian und Chris zum ersten Mal sah – Legenden der Filmgeschichte – und ich gestottert hatte wie ein Schuljunge, etwas das Anja und Tanya nicht nötig hatten. Vielleicht stottern nur Männer. Sofort hatte sie auf Englisch umgeschaltet und sprach fließend. „Jep, kannst du.", erwiderte ich lächelnd. „Gut. Gut. Hm, darf ich ein Stück Pizza anbieten? Ich meine, es sind vierundzwanzig Pizzastückchen, die müssen wir verdrücken bevor ne Krankenschwester kommt."Sie schob mir die Pizza entgegen, die auf einem ausklappbaren Tablett eines Rollnachtkästchens lag und verführerisch roch. „Dann sollten wir aber das Fenster aufmachen, nicht das es jemand riecht.", bemerkte Veronica beiläufig und schnupperte. „Ich mein, sie riecht doch verdächtig nach Pizza." „Wer?" „Na die Pizza natürlich. Orli!"Ronnie lachte. „Was ist denn mit dir los?" „Zuviel Restalkohol.", erwiderte ich halb nuschelnd. Ronnie krähte amüsiert los, gefolgt von den anderen beiden. Pizza essen mit drei Mädchen ist äußerst lustig – besonders wenn man Kohldampf hat, futtert wie ein Hobbit der noch kein Frühstück bekommen hat und gleichzeitig die Fragen von drei Mädchen beantworten muss. Das war wirklich ein anstrengender Job. Tanya unterhielt sich wirklich sehr diskret mit mir, sie fragte nach meiner Arbeit, ob Troja schon fertig sei, wie mir die Ringcon gefallen hätte und so weiter. Anja und Ronnie wechselten nachdenkliche Blicke, bis Ronnie den Kopf schüttelte und Anja mit den Augen rollte. Hatten die beiden mit einer anderen Reaktion ihrer Freundin gerechnet oder wie sollte ich das sehen? „Find ich aber wirklich süß von euch dreien, das ihr hier vorbei seht. Ist ziemlich langweilig hier, die Ärzte haben alle Herr der Ringe gelesen als sie zehn waren und alle Anzeichen von Überintelligenz aufwiesen und nun wissen sie nicht mal mehr wer Gandalf ist und wenn du den Krankenschwestern damit kommst, knallen sie dir dein Frühstück so feste und wütend aufs Tablett das dir die Hälfte ins Gesicht spritzt." „Das ist wirklich unhöflich.", entgegnete ich zustimmend. „Das ist eine Unverschämtheit.", erläuterte uns Tanya mit hochgerissenen Armen. „Ich meine, die sollen ihre Patienten angemessen betreuen und dazu gehören doch einige gepflegte Gespräche dazu, nicht? Allerdings sind die Schwestern auf dieser Station das Phantasieloseste was ich jemals gesehen habe." „Man merkt schon das du noch keinen Kontakt zu Anjas kleiner Schwester hattest, Tanya.", bemerkte Ronnie aus einer Ecke. Maiskörner pappten ihr im Mundwinkel und ich versuchte sie hektisch darauf aufmerksam zu machen – ohne die Hände freizuhaben – aber sie schien es zu Missinterpretieren das ich mit der Zunge über meine Lippen und meine Mundwinkel fuhr und Tanya zog mit einem Hat-der- sie-noch-alle-Blick die Augenbrauen hoch. „Oh, meine Schwester hat Phantasie.", antwortete Anja, die so zu mir saß das sie meine eben gestartete Zungenaktion nicht bemerken konnte. „Allerdings in Bereichen in der diese Phantasie wenig angebracht ist." „Wie soll ich das jetzt bitte verstehen?" Ich stellte mich heute wirklich blöd. „Nicht so, Orli! Meine Schwester geht in die zweite Klasse!"Auch Anja wechselte zu dem Ist-der-verrückt-Blick und schüttelte den Kopf. Was hatte ich den falsch gemacht? Bitte, sagt es mir, und ich mache alles wieder gut!!! Nun, mittlerweile übertrieb ich es wirklich. „Jedenfalls sind diese Krankenschwestern furchtbar doof. Sie haben mir erst verboten, meine Kette zu tragen. Stellt euch das vor! Aber ich weiß nicht wieso. Ich kenne nur eine Krankenschwester, die den Film gesehen hat und sie sagte: „Das beste an dem Film ist die hübsche blonde Schwuchtel."Na also bitte! Du bist doch nicht schwul Orli, oder?" Diese Frage hatte ich erwartet. War ja klar das sie kommen würde. Irgend jemand fragt mich immer danach. „Die halbe Welt sagt ich bin's, die andere nicht.", entgegnete ich achselzuckend. „Aber ich denke ich hätte es gemerkt wenn ich über Nacht schwul geworden wäre. Und wenn man über zwei Jahre fast nur mit Männern zusammen arbeitet, ist man von seinem eigenen Geschlecht erst mal so genervt, das man sich..." Ich verstummte abrupt und merkte, das ich dabei war geheime Liebschaften auszuplaudern, die überhaupt noch nicht geeignet für diese drei waren. „Ja? Und, und?", fragte Tanya und drei erwartungsvolle Gesichter streckten sich mir entgegen. „Sag schon, Orli." „Ja nix und. Das müsst ihr wirklich nicht wissen." „Spielverderber." „Etepeteteelb." „Flaschenelb." Die drei Antworten waren ziemlich kreativ und ich grinste, begann zu lachen und gluckste vergnügt vor mich hin. Wirklich schade das Lij nicht da war! Diese drei waren dazu geboren um Komiker zu werden. Es hätte meinetwegen stundenlang so weiter gehen können, denn die drei Mädchen hingen an meinen Lippen und ließen sich Anekdoten aus dem Filmgeschehen erzählen. Als ich davon erzählte wie Sean Austin im „Raurossee"in die Glasscherbe getreten war, klingelte plötzlich mein Handy. Automatisch zuckte ich zusammen – genauso wie Ronnie, Tanya und Anja – und hob ab. „Mach das Handy aus!" Tanya und Ronnie kreischten fast gleichzeitig auf und versuchten nach dem Telefon zu hechten, doch Tanya war mit ihrem Fuß ans Bett gefesselt und konnte nur zwei enttäuschte Hopser auf ihrer Matratze machen, was ihr – da sie ihren gebrochenen Knöchel bewegte – einen leisen, aber eigentlich ungirliehaften Schrei entlockte. Ronnie riss mir das Handy aus der Hand und schaltete es ab indem sie den Akku heraus fetzte. Ich konnte gerade noch erkennen das der Anruf von meiner Managerin Amy gekommen war bevor die Anzeige erlosch. „Wir sind in einem Krankenhaus! Du darfst doch hier dein Handy nicht anlassen!", schrie sie förmlich in mein Ohr – danke schön aber auch – und ihre Gereiztheit von vorhin stellte sich erstaunlich schnell wieder ein. „Aber das hat mir niemand gesagt!", gab ich zu meiner Verteidigung von mir. Anja stöhnte. „Ich dachte ihr Engländer könnt auch Piktogramme lesen oder bist du blind?"und Tanya gab ein: „Und Handys muss man ja auch in England ausschalten!", hinzu. „Verzeiht mir bitte vielmals.", errötete ich, während die Mädchen alle drei über meine Blödheit jammerten. „Ich möchte gerne wissen wie viele Leute wegen ihm jetzt halbtot im OP liegen." „Wenn das meine Krankenschwestern rausfinden." „Ich hätte mit mehr Kaffee und Aspirin im Bett bleiben sollen, hier bekommt man ja nur vom zuschauen Kopfweh!" Ich erblühte zu einem ausgewachsenen, roten Feuermelder. „Tut mir leid, Mädels, aber ich muss raus aus dem Krankenhaus und meine Managerin anrufen. Man sieht sich." Ich schüttelte ihnen die Hände und lief aus dem Zimmer. Anja, Tanya und Ronnie schrieen und brüllten mir zwar verzweifelt hinterher, doch die meisten Rufe bekam ich nicht mehr mit. Ich ließ mich auch nicht von den Viggohaften Bildern in den Gängen nicht mehr aufhalten, als ich wie von der wilden Sau gebissen aus dem Krankenhaus rannte. Wie doof konnte ich eigentlich sein oder werden? „Orli! If I were you, I would have kissed her.", sagte Lij zu mir und zog sich das Shirt über die Schultern. „Sag mal, spinnst du? Ich hätte sie doch nicht vor Craig... und wieso überhaupt. Würdest du einfach so ein Mädchen küssen?" „Natürlich.", erwiderte er keck ohne meine Entrüstung so richtig mitzubekommen. „Du hättest aber auch Tanya oder die andere... Anja küssen können." „Nun hör doch auf, Lij! Bitte! Ich bin doch kein Macho. Außerdem sind sie alle noch so jung! Man kann mit ihnen Party machen und sie sind ja alle drei äußerst vernünftig, aber... du erzählst nur Mist, Lij." „Du auch. Seitdem du gestern aus diesem Krankenhaus gekommen bist erzählst du nur von diesen drei Weibern. Miranda hat sich schon beschwert und mir gesagt, sie würde Viggo anrufen, damit er herkommt und dich kuriert." Ich sah lachend auf meinen kleinen, hobbitaugentragenden Freund Elijah hinunter, der über sein Shirt einen Pullover zog. „Kuriert? Soll er mich wohl küssen oder wie?" Lij schlug sich mit der Hand auf den Kopf. „Oh nein. Oh Orli! Du bist ja noch schlimmer als ich." „Bin ich nicht.", rechtfertigte ich mich. „Das kann ich gar nicht sein. Du bist unübertroffen." „Mistkerl." „Vollidiot." „Gut, jetzt sind wir quitt. Aber wenn du dich so nach deinen drei Grazien sehnst, wieso nimmst du sie nicht heute Abend mit zu Chris? Lee hat eine so große Suite, da könnten wir fünf Partys feiern..." Lij griff in seine Hosentasche und förderte ein glitzerndes Feuerzeug – ein Geschenk das er von Sean bekommen hatte – hervor und eine Packung Zigaretten. Er griff so eilig in die Packung das er zwei Glimmstängel heraus zog und es erst merkte als er sie im Mund hatte. „Stell dir vor, die Idee hatte ich sogar auch schon. Aber wie soll ich das anstellen? Ich hab ihre Telefonnummer nicht!" Lij lächelte und sah mir dabei zu, wie ich langsam in meinen Sessel sank. „Du hast aber die Adresse ihres Motels und du hast ihre Zimmernummer. Also bitte, Orli. Stell dich nicht wie fünf. Lad sie ein! Das wird ein Spaß!" „Lij!"Ich sprang sofort wieder vom Sofa auf. „Du bist ein GENIE, hab ich dir das schon mal gesagt?" Elijah blinzelte erschrocken als ich ihn stürmisch umarmte und dabei aus versehen seine Zigarette in die andere Ecke des Raumes beförderte. „Nein!", ächzte er als ich ihn die Luft abdrückte. „Hast du nicht."
„Trying to remember Why I was afraid To be myself And let the covers fall away Guess I never had Someone like you To help me fit In my skin" [Avril Lavigne – Naked]
Als wir zurück ins Motel kamen, begann es zu Schneien und Ronnie schimpfte wie ein Rohrspatz über die horrenden Preise der Taxis. Ich grinste nur und schmiss mit zerknüllten Euroscheinen um mich. „Ich weiß gar nicht wo ich sie sonst aufbewahren soll.", rief ich ihr locker zu und erntete einen grantigen Blick von ihr. „Schön für dich wenn du nicht weißt wohin als erstes mit deinem Geld. Aber mich beeindruckt das wenig, Orli." „Den Taxifahrer freuts aber.", entgegnete ich kleinlaut. Irgendwie brachte mich Veronica immer dazu, mich wie ein kleiner, unbedeutender Junge zu fühlen – was ich irgendwie auch war. „Natürlich freut es dieses raffgierige Arschloch...", tobte sie als wir die Treppe hinauf eilten. Anscheinend war sie sauer auf sich und so auch schlecht auf ihre Umgebung zu sprechen. Kaum standen wir aber vor der Zimmertüre, als es sich legte und sie leise herein huschte. Als wir Anja im Bett fanden, so tief schlafend wie ein Sack Kartoffeln, jammerte sie leise und tätschelte ihre Wangen, doch sie rührte sich nicht. Anja war erst sechzehn (gute Güte, elf Jahre jünger als ICH!) und wirkte seltsam blass um die Nase, ihre Augen waren rot umrändert und ihr Atem unruhig. Doch dann begann sie, sich sanft zu rühren und gähnte. Ronnie hielt den Atem an und angelte in der Luft angespannt nach meiner Hand, die ich ihr ergeben reichte. „Anja?", kam es dann leise und das zierliche Mädchen öffnete die Augen schlagartig. „Ja? Vroni?"Allerdings waren ihre Worte Deutsch. Ronnie legte ihr den Finger auf die Lippen. „Schhht. Du musst noch ganz benebelt sein. Und sprich bitte auf Englisch." „Was soll ich machen?", empörte sich Anja, doch sie antwortete sofort in meiner Muttersprache – und das fließender als Ronnie es gestern getan hatte. „Und überhaupt, wieso hast du Legolas mitgebracht?" Sie heftete ihre Blicke auf mich und kullerte – ganz nach Frodo – mit den Augen und ich grinste mein gewinnendstes Elbenlächeln. „Vroni, halluziniere ich oder steht da Orlando Bloom an meinem Bett?", fragte sie dann während ich penetrant weitergrinste und es nicht mehr abstellen konnte. Gott war das peinlich und außerdem tat es nach einer Weile weh. Ich hatte das Gefühl, eine Maulsperre bekommen zu haben. Ronnie rieb sich mit einem Seufzer über die Nase. „Nein, du halluzinierst nicht. Orli, das ist Anja Ludwig. Anja – Orlando Bloom. Bitte fallt nicht gegenseitig in Ohnmacht." Anja reagierte überhaupt nicht Fanlike und ganz anders als ich es mir ausgemalt hatte: Sie sah unter die Bettdecke, und dann zurück auf mich und errötete. „Vroni! Wieso liege ich in Unterwäsche im Bett?" „Weil deine Klamotten voller Kaffee waren und ich keine Zeit hatte mich um dich zu kümmern. Jemand musste mit Tanya ins Krankenhaus. Hast du das mit dem Kaffee und den Tabletten noch mitbekommen?" Sie ging nicht einmal auf Ronnies Worte ein sondern schrie sie an. „Ich trage Unterwäsche! Du lässt Orlando Bloom in unser Zimmer während ich so gut wie nichts trage? Sag mal, bist du noch ganz bei Trost? Ich glaube dir geht's nicht mehr gut, oder? Raus hier! Raus! Sofort!" Ronnie und ich zuckten beide über die Heftigkeit der wieder Erwachten zurück und wir wichen mit erhobenen Händen aus dem Zimmer, während noch einige Flüche folgten, bei denen ich froh war das ich sie nicht verstand – so wie Ronnie errötete. Sie erholte sich schnell und zog mich in die Wohnküche, wo sie mir ein Telefon und ein Telefonbuch in die Hand drückte. „Also, Pizzeria wirst du ja wohl noch lesen können, oder? Bitte ruf irgend eine an – egal welche – und bestell eine Familienpizza mit viel Käse, Schinken und Mais. Bitte. Ich muss mich jetzt um Anja kümmern und mich umziehen." Und so ließ sie mich mit dem vorsintflutlichen Telefonapparat – mit Wählscheibe, man stelle es sich vor, ich dachte die Dinger zierten mittlerweile jedes gute Elektronikmuseum – alleine. Ich stand verdattert da, dann beschloss ich mich wie ein Mann zu benehmen und der Aufgabe Folge zu leisten, die ich bekommen hatte. Fünf Minuten später musste ich dann doch an Ronnies Tür klopfen. Diese öffnete mir schwer atmend – und nur in Schlaghose und BH gekleidet und knurrte: „Was denn, Orli?" Ich hielt ihr errötend das Telefon hin. Seitdem ich Ronnie kannte wurde ich nur noch rot. „Sprich du mit ihm." „Mit wem?" „Dem Besitzer der Pizzeria. Er kann kein Englisch – und ich verdammt noch mal kein Italienisch.", erklärte ich mit leidensvoller Miene. Ronnie entriss mir genervt das Telefon, knallte vor meiner Nase die Türe mit den Worten: „Ich fass es nicht, und so was schimpft sich Elb.", zu, dann hörte ich wie sie halb deutsch, halb italienisch mit dem Pizzabäcker telefonierte und mit erstaunlich langen Worten um sich schmiss. Als sie die Türe wieder öffnete und zum Glück ein Top trug – wie verdammt hatte sie es geschafft sich das Ding während des Telefonierens anzuziehen? – und gab mir den Hörer. „Leg ihn bitte da hin wo er hingehört. Presto!" „Presto?", erwiderte ich fassungslos. „Quick! Swift! Rapid! How ever you will call it! Go on!", war die Antwort und ich trollte mich zurück in die Wohnküche, kleinlaut wie ein geprügelter Hund. Ich benahm mich gar nicht wie sonst... „Und wenn du schon nicht weißt wohin mit deinen Euros, dann bezahl den Pizzaboten und pass auf das er nicht bescheißt."Mit diesen Worten fiel die Türe erneut ins Schloss und ich setzte mich ergeben seufzend auf das mit rosa Blümchen übersäte Sofa. Von wegen Urlaub! Nichts gegen Ronnie, aber wenn sie und ihre beiden Freundinnen wirklich alle drei so ungestüm waren, würde es nicht gerade ein Zuckerschlecken mit ihnen werden. Ich ließ die Vorurteile sinken, als die beiden wieder aus ihrem Schlafzimmer kamen. Anja errötete etwas als wir ins Gespräch kamen, allerdings nicht in dem Maße wie Ronnie gestern an der Bar. Diese schien ziemlich reumütig zu sein. „Bitte entschuldige Orli. Ich war etwas grob zu dir. Ist immer so wenn ich zu gereizt bin. Dummer Charakterfehler. Sei mir nicht böse." „Nein, deswegen bin ich dir nicht böse. Aber wenn du dich noch einmal entschuldigst, dann bin ich böse. Du tust ja so als ob ich... als ob ich ein Balrog wäre oder etwas ähnliches." Anja kicherte. „Ich glaube er hätte es dir gesagt wenn er ein Balrog wäre." „Und sie hätte es gesehen.", fügte ich hinzu. Wir plauderten eifrig über dies und das, was mit zwei Mädchen allerdings schon schwerer wurde. Mit Mädchen kann man sich eben nicht über vernünftige Themen unterhalten. Ich hielt mich sowieso für verrückt, es war sonst nicht meine Art mich mit so jungen Girls anzufreunden. Die meisten meiner Bekanntschaften drucksten eher in meinem Alter herum, waren aber dafür noch sehr viel kindischer. Ich bekam von Ronnie jedenfalls Komplimente darüber das ich mir meinen Bart abrasiert hatte – aber ich mit Bart wirkte zu lächerlich neben John. Unsere Unterhaltung, die im Moment über Weta-Workshops, Computerelektronik und Gollum ging wurde vom schrillen Klingeln der Türglocke unterbrochen. Als Gentleman – mehr oder weniger elbisch – ging ich an die Türe und öffnete einem jungen Italiener. Dieser ging mir nur bis zum Schlüsselbein, und in einem munteren Mischmasch aus Deutsch und Italienisch begann er systematisch meine Brust vollzuquasseln und mir die Pizza hinzuhalten. „Äh... what did you say?", fragte ich vorsichtig – um den armen kleinen Kerl nicht gar so zu erschrecken. Ich erschreckte ihn zu Tode. Er sah auf, schriee gellender als ein Mädchen auf und warf den großen Karton Pizza in die Luft. Ich hatte alle Hände voll zu tun um ihn aufzufangen, als Ronnie schon zur Türe gerast kam. „Was zum Teufel ist hier denn los?" Ich rettete die Pizza mit einem uneleganten und sehr unathletischen Hechtsprung, der Italiener verfiel in seine Muttersprache und ein reges Kuddelmuddel begann. Keiner verstand mehr den anderen als auch noch Anja kam und Ronnie zum Teil ihre Flüche mit einer Priese Sindarin würzte. Es dauerte eine Weile bis wir alles auseinander klamüsert hatten. Der Italiener bekam sein Geld und ein Trinkgeld und die Erklärung das ich kein Elb sondern Ronnies älterer Bruder sei und er sich schleichen sollte bevor ich ihm die Nase brechen würde – so ähnlich übersetzte mir Ronnie Anjas Schimpfen – und ich musste mich am Geländer der Treppe im Gang festhalten, als der arme, eingeschüchterte italienische Junge die Treppe hinunter jagte. Als die Eingangstür ins Schloss knallte waren wir uns alle sicher – so schnell kam der nicht mehr in dieses Motel. Als wir es schafften mit dem Gelächter aufzuhören, bemerkte Ronnie trocken: „Alles schön und gut, jetzt müssen wir nur noch ins Krankenhaus bis uns die Pizza abkühlt." Die Pizza war immer noch sehr, sehr heiß als wir aus dem Taxi stiegen. Ich bemerkte das besonders gut an meinen Brandblasen, die ich nun hatte. Oder es war einfach durchgesickertes Fett. Jedenfalls waren meine Handflächen rot und juckten. Aber ich war ein Gentleman und ließ mir das vor den Mädels nicht anmerken. Von außen wirkte das Krankenhaus wie jedes andere auch – grau, trist und langweilig. Im Inneren wurde es allerdings schon interessanter. Hübsche, knallig bunte Bilder hingen an der Wand, ab und zu auch ein paar eigenwillige Fotografien – Mensch, das meiste sah so aus wie der Inhalt eines Fotos von Viggo wenn er wieder total zugesoffen war – und Anja erklärte mir, das die meisten Werke von Patienten stammten. Ich war von diesem Krankenhaus sowieso irritiert. Da ich nun lang genug in L.A. gewesen war und so mehr Krankenhäuser von innen gesehen hatte als mir lieb war – auch nicht immer als Patient – kam mir dieses deutsche Krankenhaus irgendwie seltsam vor. In Amerika gab es kaum einzelne Krankenzimmer, sondern die Patienten wurden in einen großen Saal gebracht, der mit Hilfe von Vorhängen in kleine „Zimmerchen"geteilt wurde. Diese Vorhänge waren meistens grau, graublau oder graugrün. Na da kam Freude auf! Hier in Deutschland gab es einzelne Zimmer, deren Bettenzahl zwischen vier und einem schwankten. Ich war so angetan von den Bildern, das ich oftmals stehen blieb und Anja und Ronnie in dem komplexen Gebäude zweimal fast verlor. „Mensch Orli! Das Krankenhaus ist später auch noch da! Die Pizza wird kalt!", kam es irgendwann von Ronnie, die genervt hinter einer Ecke auftauchte. „Äh, ja natürlich die Pizza. Tut mir leid." „Jetzt hast du es gesagt." „Was?" „Tut mir leid." „Oh."Das verschlug mir für eine Weile die Sprache und blieb im Gang stehen. „Würdest du jetzt bitte kommen?" Ich schien sie jetzt zu nerven. Trotzdem war sie weiterhin lustig. Sie hatte schon wieder ihren roten Schal um den Hals gewickelt als ob sie etwas verbergen wollte. Anja neben ihr trug einen kleinen Strauß Blümchen, den wir im Hotelfoyer stibitzt hatten. Eigentlich verschenkte man nichts geklautes, aber es hatte einfach so Spaß gemacht... Ronnie und Anja sorgten dafür, das wir weiter zügig durchs Krankenhaus kamen und niemand die Pizza sah, die eine verdächtige Geruchsspur hinterließ. Bald hatten wir Zimmer 213 gefunden, in dem Tanya lag. Schon von Weitem erkannte man das Zimmer – ein kleines, aber feines Poster von Elijah – nicht schon wieder der! – hing an der Türe. „Power can be held in the smallest of things.", stand drunter. Ich musste darüber irgendwie grinsen und Ronnie erklärte: „Es war ein stundenlanger Kampf mit Tanya, den Krankenschwestern, dem Stationsarzt und ihrer Zimmernachbarin – denn es ist ein Zweibettzimmer – bis sie die Poster aufhängen durfte. Sie hat sich schlussendlich durchgesetzt und ihre Nachbarin aus dem Zimmer geekelt... naja, eigentlich ist die alleine gegangen. Sie konnte keine Leute leiden die Metal hören."Sie tat so als ob dies das natürlichste der Welt sei und ich nahm es höflicherweise auch mal so hin. Dann rollte Ronnie mit den Augen. „Ach übrigens, es wäre besser du wartest nen Moment bis ich nach dir rufe." „Wieso?", fragte ich dümmlich. „Weil sie sonst noch ein paar Wochen länger im Krankenhaus blieben muss.", erwiderte Anja. „Sie bekommt Beruhigungsmedikamente, aber wir wissen nicht wie diese Medikamente sich mit dir vertragen. Wir müssen sie schonend auf dich vorbereiten."Sie grinste breit. „Gut, ich warte. Aber bereitet schnell, ja? Ich muss mir die Hände waschen." „Ja, du kleiner Jammerlappen.", sagte Ronnie und nahm mir die Pizza ab. Die beiden Mädchen verschwanden im Zimmer. Der knappe Blick den ich hinein werfen konnte erlaubte mir, ein oder zwei weitere Poster zu erkennen. Bald konnte ich jenes fröhliche Quietschen hören, das Frauen fast immer ausstießen wenn sie auf ihre befreundeten Artgenossinnen trafen, darauf folgten etwa sieben Minuten angestrengte, deutsche Diskussion. Ich hörte „Pizza"ein paar mal heraus und auch „Blümchen"– wie erniedrigend – und das für weibliche Wesen typische Gekicher und Gelächter. Vor der Türe wurde mir langsam langweilig. Ich war kein Mädchen und nicht neugierig – aber über was lachten die? Außerdem glotzten die anderen Besucher mich schon dumm an, weil ich fast bewegungslos mit tief ins Gesicht gezogener Baskenmütze und Schal bis zu den Nasenlöchern aufgetürmt im geheizten Flur stand und keine Anstallten machte einzutreten. Und ich begann mich fürchterlich darüber zu ärgern das ich mir den Schnauzer abrasiert hatte, der bis jetzt die beste Tarnung gewesen war, um mich von den Ring-Fans zu verbergen. Nervös und hibbelig – ganz entgegen meiner Schauspielerei – trat ich von einem Bein aufs andere. Endlich hörte ich Ronnies Stimme: „C´mon, come in Orli. Und reg dich nicht auf, Tanya, ok?" „Orli?", hörte ich eine mir unbekannte Mädchenstimme aus dem Zimmer tönen. „Wieso Orli?" Ich freute mich auf meinen Auftritt – bloß wieso? – riss mir die Mütze herunter und trat ein. Ronnie und Anja standen vor dem Krankenbett Tanyas und verdeckten so zum Teil die zwei geschmackvollen Poster an der Wand, die einzigen Poster übrigens. Eines wo die neun Gefährten dunkel wie Schatten über eine Wiese zogen und ein anderes wo Aragorn, Gimli und Legolas zu dritt posierten und ihre Waffen schwenkten. Beide Poster mussten Tanya gehören. Diese lag, dick mit der Decke eingepackt auf dem Krankenbett, das in eine Sitzende Position umgeklappt worden war. Ihr rechter Fuß war zentimeterdick in weißen Gips gepackt und wurde mit Lederschlaufen leicht schräg gehalten. Ganz nach Ronnies knappen Beschreibung schwankte ihre Haarfarbe zwischen schwarz und rot und sie kaute – genauso wie Veronica und Anja – an einem Stück Pizza herum und schien mich im ersten Moment gar nicht erst zu registrieren. „He Orli, du hast die Tür gefunden.", freute sich Ronnie gespielt und endlich richteten alle drei Girls ihre Blicke auf mich. Tanya hielt im Kauen inne, riss ihre Augen auf und wurde weißer als ihr Bettlaken. Als sie aber nichts sagte – vielleicht lag es auch daran, wenn ich recht überlege, das sie den Mund voll hatte – entwickelte ich mich von meinem Schal, stopfte ihn in meine - ja genau! – Armanijackentasche und hielt ihr schon die Hand hin um mich vorzustellen, als ich bemerkte das sie fettig war. Ich entschuldigte mich dafür und galoppierte ins anliegende Badezimmer um mir die Hände zu waschen. Tanyas Augen waren immer noch genauso groß als ich wieder eintrat, doch sie hatte runter gegessen. Ich trat ans Bett und schüttelte ihr die Hand, während Ronnie vorstellte: „Tanya, das ist Orlando Bloom. Orli – Tanya Peterson. Noch irgend welche Fragen?" Keine Reaktion von Tanyas Seite bis auf ein Schnaufen und dem Kommentar von Anja, das die Beruhigungstropfen „äußerst wirksam" seien. Bitte? Was gaben die in Deutschland ihren Patienten? Morphium? Ich will hier raus! „Äh, Ronnie, guckt sie immer so wenn sie mich sieht?" „Orli, das war eine selten dämliche Frage. Erstens hab ich nicht minder dumm geguckt und zweitens sieht sie dich doch zum ersten Mal." Endlich gab Tanya ein Lebenszeichen von sich. „Die Beruhigungsspritze hat's in sich.", murmelte sie. „Ich halluziniere. Ah, Hallo Orli. Ich kann doch Orli sagen, oder?" Na endlich war sie aus ihrer Trance erwacht. Ich konnte mich daran erinnern das es mir ähnlich ging als ich John, Ian und Chris zum ersten Mal sah – Legenden der Filmgeschichte – und ich gestottert hatte wie ein Schuljunge, etwas das Anja und Tanya nicht nötig hatten. Vielleicht stottern nur Männer. Sofort hatte sie auf Englisch umgeschaltet und sprach fließend. „Jep, kannst du.", erwiderte ich lächelnd. „Gut. Gut. Hm, darf ich ein Stück Pizza anbieten? Ich meine, es sind vierundzwanzig Pizzastückchen, die müssen wir verdrücken bevor ne Krankenschwester kommt."Sie schob mir die Pizza entgegen, die auf einem ausklappbaren Tablett eines Rollnachtkästchens lag und verführerisch roch. „Dann sollten wir aber das Fenster aufmachen, nicht das es jemand riecht.", bemerkte Veronica beiläufig und schnupperte. „Ich mein, sie riecht doch verdächtig nach Pizza." „Wer?" „Na die Pizza natürlich. Orli!"Ronnie lachte. „Was ist denn mit dir los?" „Zuviel Restalkohol.", erwiderte ich halb nuschelnd. Ronnie krähte amüsiert los, gefolgt von den anderen beiden. Pizza essen mit drei Mädchen ist äußerst lustig – besonders wenn man Kohldampf hat, futtert wie ein Hobbit der noch kein Frühstück bekommen hat und gleichzeitig die Fragen von drei Mädchen beantworten muss. Das war wirklich ein anstrengender Job. Tanya unterhielt sich wirklich sehr diskret mit mir, sie fragte nach meiner Arbeit, ob Troja schon fertig sei, wie mir die Ringcon gefallen hätte und so weiter. Anja und Ronnie wechselten nachdenkliche Blicke, bis Ronnie den Kopf schüttelte und Anja mit den Augen rollte. Hatten die beiden mit einer anderen Reaktion ihrer Freundin gerechnet oder wie sollte ich das sehen? „Find ich aber wirklich süß von euch dreien, das ihr hier vorbei seht. Ist ziemlich langweilig hier, die Ärzte haben alle Herr der Ringe gelesen als sie zehn waren und alle Anzeichen von Überintelligenz aufwiesen und nun wissen sie nicht mal mehr wer Gandalf ist und wenn du den Krankenschwestern damit kommst, knallen sie dir dein Frühstück so feste und wütend aufs Tablett das dir die Hälfte ins Gesicht spritzt." „Das ist wirklich unhöflich.", entgegnete ich zustimmend. „Das ist eine Unverschämtheit.", erläuterte uns Tanya mit hochgerissenen Armen. „Ich meine, die sollen ihre Patienten angemessen betreuen und dazu gehören doch einige gepflegte Gespräche dazu, nicht? Allerdings sind die Schwestern auf dieser Station das Phantasieloseste was ich jemals gesehen habe." „Man merkt schon das du noch keinen Kontakt zu Anjas kleiner Schwester hattest, Tanya.", bemerkte Ronnie aus einer Ecke. Maiskörner pappten ihr im Mundwinkel und ich versuchte sie hektisch darauf aufmerksam zu machen – ohne die Hände freizuhaben – aber sie schien es zu Missinterpretieren das ich mit der Zunge über meine Lippen und meine Mundwinkel fuhr und Tanya zog mit einem Hat-der- sie-noch-alle-Blick die Augenbrauen hoch. „Oh, meine Schwester hat Phantasie.", antwortete Anja, die so zu mir saß das sie meine eben gestartete Zungenaktion nicht bemerken konnte. „Allerdings in Bereichen in der diese Phantasie wenig angebracht ist." „Wie soll ich das jetzt bitte verstehen?" Ich stellte mich heute wirklich blöd. „Nicht so, Orli! Meine Schwester geht in die zweite Klasse!"Auch Anja wechselte zu dem Ist-der-verrückt-Blick und schüttelte den Kopf. Was hatte ich den falsch gemacht? Bitte, sagt es mir, und ich mache alles wieder gut!!! Nun, mittlerweile übertrieb ich es wirklich. „Jedenfalls sind diese Krankenschwestern furchtbar doof. Sie haben mir erst verboten, meine Kette zu tragen. Stellt euch das vor! Aber ich weiß nicht wieso. Ich kenne nur eine Krankenschwester, die den Film gesehen hat und sie sagte: „Das beste an dem Film ist die hübsche blonde Schwuchtel."Na also bitte! Du bist doch nicht schwul Orli, oder?" Diese Frage hatte ich erwartet. War ja klar das sie kommen würde. Irgend jemand fragt mich immer danach. „Die halbe Welt sagt ich bin's, die andere nicht.", entgegnete ich achselzuckend. „Aber ich denke ich hätte es gemerkt wenn ich über Nacht schwul geworden wäre. Und wenn man über zwei Jahre fast nur mit Männern zusammen arbeitet, ist man von seinem eigenen Geschlecht erst mal so genervt, das man sich..." Ich verstummte abrupt und merkte, das ich dabei war geheime Liebschaften auszuplaudern, die überhaupt noch nicht geeignet für diese drei waren. „Ja? Und, und?", fragte Tanya und drei erwartungsvolle Gesichter streckten sich mir entgegen. „Sag schon, Orli." „Ja nix und. Das müsst ihr wirklich nicht wissen." „Spielverderber." „Etepeteteelb." „Flaschenelb." Die drei Antworten waren ziemlich kreativ und ich grinste, begann zu lachen und gluckste vergnügt vor mich hin. Wirklich schade das Lij nicht da war! Diese drei waren dazu geboren um Komiker zu werden. Es hätte meinetwegen stundenlang so weiter gehen können, denn die drei Mädchen hingen an meinen Lippen und ließen sich Anekdoten aus dem Filmgeschehen erzählen. Als ich davon erzählte wie Sean Austin im „Raurossee"in die Glasscherbe getreten war, klingelte plötzlich mein Handy. Automatisch zuckte ich zusammen – genauso wie Ronnie, Tanya und Anja – und hob ab. „Mach das Handy aus!" Tanya und Ronnie kreischten fast gleichzeitig auf und versuchten nach dem Telefon zu hechten, doch Tanya war mit ihrem Fuß ans Bett gefesselt und konnte nur zwei enttäuschte Hopser auf ihrer Matratze machen, was ihr – da sie ihren gebrochenen Knöchel bewegte – einen leisen, aber eigentlich ungirliehaften Schrei entlockte. Ronnie riss mir das Handy aus der Hand und schaltete es ab indem sie den Akku heraus fetzte. Ich konnte gerade noch erkennen das der Anruf von meiner Managerin Amy gekommen war bevor die Anzeige erlosch. „Wir sind in einem Krankenhaus! Du darfst doch hier dein Handy nicht anlassen!", schrie sie förmlich in mein Ohr – danke schön aber auch – und ihre Gereiztheit von vorhin stellte sich erstaunlich schnell wieder ein. „Aber das hat mir niemand gesagt!", gab ich zu meiner Verteidigung von mir. Anja stöhnte. „Ich dachte ihr Engländer könnt auch Piktogramme lesen oder bist du blind?"und Tanya gab ein: „Und Handys muss man ja auch in England ausschalten!", hinzu. „Verzeiht mir bitte vielmals.", errötete ich, während die Mädchen alle drei über meine Blödheit jammerten. „Ich möchte gerne wissen wie viele Leute wegen ihm jetzt halbtot im OP liegen." „Wenn das meine Krankenschwestern rausfinden." „Ich hätte mit mehr Kaffee und Aspirin im Bett bleiben sollen, hier bekommt man ja nur vom zuschauen Kopfweh!" Ich erblühte zu einem ausgewachsenen, roten Feuermelder. „Tut mir leid, Mädels, aber ich muss raus aus dem Krankenhaus und meine Managerin anrufen. Man sieht sich." Ich schüttelte ihnen die Hände und lief aus dem Zimmer. Anja, Tanya und Ronnie schrieen und brüllten mir zwar verzweifelt hinterher, doch die meisten Rufe bekam ich nicht mehr mit. Ich ließ mich auch nicht von den Viggohaften Bildern in den Gängen nicht mehr aufhalten, als ich wie von der wilden Sau gebissen aus dem Krankenhaus rannte. Wie doof konnte ich eigentlich sein oder werden? „Orli! If I were you, I would have kissed her.", sagte Lij zu mir und zog sich das Shirt über die Schultern. „Sag mal, spinnst du? Ich hätte sie doch nicht vor Craig... und wieso überhaupt. Würdest du einfach so ein Mädchen küssen?" „Natürlich.", erwiderte er keck ohne meine Entrüstung so richtig mitzubekommen. „Du hättest aber auch Tanya oder die andere... Anja küssen können." „Nun hör doch auf, Lij! Bitte! Ich bin doch kein Macho. Außerdem sind sie alle noch so jung! Man kann mit ihnen Party machen und sie sind ja alle drei äußerst vernünftig, aber... du erzählst nur Mist, Lij." „Du auch. Seitdem du gestern aus diesem Krankenhaus gekommen bist erzählst du nur von diesen drei Weibern. Miranda hat sich schon beschwert und mir gesagt, sie würde Viggo anrufen, damit er herkommt und dich kuriert." Ich sah lachend auf meinen kleinen, hobbitaugentragenden Freund Elijah hinunter, der über sein Shirt einen Pullover zog. „Kuriert? Soll er mich wohl küssen oder wie?" Lij schlug sich mit der Hand auf den Kopf. „Oh nein. Oh Orli! Du bist ja noch schlimmer als ich." „Bin ich nicht.", rechtfertigte ich mich. „Das kann ich gar nicht sein. Du bist unübertroffen." „Mistkerl." „Vollidiot." „Gut, jetzt sind wir quitt. Aber wenn du dich so nach deinen drei Grazien sehnst, wieso nimmst du sie nicht heute Abend mit zu Chris? Lee hat eine so große Suite, da könnten wir fünf Partys feiern..." Lij griff in seine Hosentasche und förderte ein glitzerndes Feuerzeug – ein Geschenk das er von Sean bekommen hatte – hervor und eine Packung Zigaretten. Er griff so eilig in die Packung das er zwei Glimmstängel heraus zog und es erst merkte als er sie im Mund hatte. „Stell dir vor, die Idee hatte ich sogar auch schon. Aber wie soll ich das anstellen? Ich hab ihre Telefonnummer nicht!" Lij lächelte und sah mir dabei zu, wie ich langsam in meinen Sessel sank. „Du hast aber die Adresse ihres Motels und du hast ihre Zimmernummer. Also bitte, Orli. Stell dich nicht wie fünf. Lad sie ein! Das wird ein Spaß!" „Lij!"Ich sprang sofort wieder vom Sofa auf. „Du bist ein GENIE, hab ich dir das schon mal gesagt?" Elijah blinzelte erschrocken als ich ihn stürmisch umarmte und dabei aus versehen seine Zigarette in die andere Ecke des Raumes beförderte. „Nein!", ächzte er als ich ihn die Luft abdrückte. „Hast du nicht."
