1. Kapitel: Verzweiflung und Erleichterung

„Los, Junge, nun mach schon. Das ist doch nur ein wertloser Schlammblüter!" „Nein, Vater, ich kann das nicht. Er ist doch noch nicht einmal erwachsen, er kann uns gar nicht gefährlich werden."„Willst du erst warten, bis er groß genug ist, um dich umzubringen?"„Wir sind Zauberer, er kann uns nicht umbringen, selbst wenn er es wollte..."„Töte ihn. Sofort!"„NEIN!" Schweißgebadet wachte Draco auf. Er brauchte einige Zeit, um zu realisieren, dass er in seinem Bett in Malfoy Manor lag, und nicht, wie in seinem Alptraum, im Verlies stand und von seinem eigenen Vater unter den Imperio gestellt wurde. Nachdem sich Draco wieder beruhigt hatte, stand er auf, rief Zeus, seine wunderschöne schwarze Eule und schickte ihn mit einem Brief weg. Nach diesem Alptraum wusste er endlich, was er zu tun hatte, und er zögerte keinen Augenblick, den Brief, den er schon Tage in seinem Schreibtisch aufbewahrte, abzuschicken.

Jetzt konnte er nur noch hoffen.

Als Zeus endlich ohne den Brief zurückkam, dachte er schon, sein Plan sei geglückt, aber einige Tage später bekam er von seinem Vater mit einem glücklichen Grinsen den Tagespropheten überreicht. „Wir haben es geschafft, mein Junge!"Draco nahm die Zeitung und überflog den Artikel, den seinen Vater so glücklich gemacht hatte:

Harry Potter durch Explosion getötet

Harry Potter, der Junge der lebt, der einst Du-weißt-schon-wen
besiegte, wurde nun

Opfer eines Angriffs von unbekannten Tätern. Vermutet wird,
dass es

sich um ehemalige Anhänger von Du-weiß-schon-wem handelt.
Nachdem bei

der letzten Quidditch- Weltmeisterschaft das dunkle Mal am
Himmel

erschienen ist, scheint dies nun der nächste Streich zu sein.
Muggel

berichteten, dass kurz nachdem die Familie Dursley, die
Pflegefamilie

Harry Potters, von einem Ausflug zurück gekommen war,
erschienen

mehrere verhüllte Gestalten vor dem Haus des Ligusterwegs 4.

Die Muggel beschrieben, dass die Täter lange Stäbe in den
Händen

gehalten hatten und einen merkwürdig klingenden Spruch gesagt
hätten,

bevor das ganze Haus in die Luft flog. "Es ist völlig klar,
dass es

Todesser waren", meint ein Ministeriumsabgesandter, "so viele
Muggel

können sich nicht irren."

Die zwanzig Muggel, die diesen Vorfall sahen, wurden natürlich
einem

Gedächtniszauber unterzogen. "Sie halten es für besonders
witzig",

meint ein anderen Angestellter des Ministeriums und...

Draco ließ den Tagespropheten fallen und hatte Mühe seine Tränen zurückzuhalten. War Zeus nicht schnell genug gewesen? Nein, Harry hatte bestimmt nicht auf ihn gehört. „Prima, Vater!"heuchelte er und lief auf sein Zimmer, wo er sich aufs Bett legte und lautlose Tränen vergoss. Die letzten Tage bis zur Schule verbrachte er in seinem Zimmer, nicht, dass es jemandem gestört hätte, seine Mutter ließ ihn in Ruhe, sie wusste nur zu gut, wie störrisch Malfoys waren, und sein Vater feierte seinen Sieg mit „Freunden". Die Hauselfen mit dem Essen wagte er nicht wegzuschicken, das hätte selbst seine Mutter gewundert.

Am ersten September wurde er von seinem Vater zum Bahnhof Kings Cross gebracht, aber so richtig auf die Schule freuen konnte sich Draco nicht. Immerhin war sein Lieblingsgegner, der Junge, der lebt, nicht mehr da.

Die Zugfahrt verlief wie in Trance. Draco erinnerte sich später an nichts, nicht an das Einsteigen, nicht an Crabbe und Goyle, seine beiden Gorillas, die um ihn herumscharwenzelten, nicht an die Hexe mit den Süßigkeiten und nicht an das Ankommen in Hogwarts. Wie durch einen Nebel tauchten immer wieder traurige Gesichter um ihn herum auf, die dann wieder verschwanden. Komischerweise wirkten Granger und das Wiesel, Harrys beste Freunde, nicht sonderlich traurig, das Wiesel unterhielt sich sogar fröhlich mit seinen Zwillingsbrüdern. Und so was nennt sich Freund, trauert nicht einmal ein bisschen...

In der großen Halle allerdings bemerkte er ihn... Harry Potter, der Junge, der lebt; der Junge, der immer noch lebt. Schlagartig erhellt sich seine Mine, als er sich mit Blaise Zabini und Victor Krum an den Tisch setzte. Doch dann... was machte Potter da? Er stand auf und kam zu ihm herüber. Wusste Potter, dass er die Warnung geschickt hatte? Wollte er sich hier, in aller Öffentlichkeit bei ihm bedanken? Aber wie sollte er das herausbekommen haben? Draco senkte den Kopf und überlegte fieberhaft, ob er sich in seinem Brief irgendwie verraten hatte. Nein, das konnte nicht... Dumbledore. Bestimmt wusste er sofort von wem der Brief kam. `Oh, ich könnte ihn...` In diesem Moment hörte er Harry mit Krum sprechen und diesem seine Eule wiedergeben. Natürlich, die Eule. Die saß schon die ganze Zeit auf Harrys Schulter, warum hatte er die nicht gesehen?

„Ja, Potter, erzähl, wie unser aller Held entkommen konnte."Seine Gefühle konnte er immer noch prima verstecken. „Klappe, Malfoy"Niemand konnte seinen Namen so gut zischen wie Potter. Allein dafür, allein um seine Stimme wieder zu hören, war es wert gewesen, die Warnung zu schreiben und so den Plan seines Vaters zu vereiteln.

Noch als Potter sich wieder hingesetzt hatte, starrte Draco ihn immer wieder an. Und zu seiner Überraschung starrte Harry zurück. Erst als das Wiesel etwas zu ihm sagte, drehte er sich weg, schlang schnell sein Essen herunter und folgte den anderen Gryffindor aus der Halle. Was würde Draco dafür geben, ihm zu folgen, ihm alles zu erzählen, aber dann? Würde der große Held ihn nicht auslachen, ihn lächerlich machen und ihn in der ganzen Schule blamieren? Nein, das durfte er nicht riskieren.

Als Blaise ihn fragte, ob er denn endlich mit Essen fertig sei, bemerkt Draco, dass er die Häuserverteilung und Dumbledores Rede gar nicht mitbekommen hatte und sein Essen noch unangerührt vor ihm lag. Dennoch wollte er Zabini und Krum nicht warten lassen und folgte den beiden in die Kerker. Zu niemandes Überraschung waren er und Pansy Parkinson Vertrauensschüler und wussten somit das Passwort. „Drachenaugen"teilte Pansy das Passwort mit, auch die Versammlung der Vertrauensschüler im Zug schien ganz an Draco vorbeigegangen zu sein. Schnell flüchtete er in sein Zimmer, das er mit Zabini teilte. Dieser kam gleich nach ihm herein. „Wir sollten uns ein neues Passwort überlegen, meinst du nicht auch? Pansy scheint das alte herausgefunden zu haben." Draco nickte nur. „Was ist denn mit dir los?"fragte Blaise. „Nichts, alles in Ordnung."„Nun sag schon, hast du dir endlich eingestanden, dass du in ..."„Wie wär's mit Schwertklinge?"unterbrach Draco seinen Zimmerkameraden, bevor dieser noch aussprach, was ihm in den Ferien schmerzlich bewusst geworden war. „Schwertklinge klingt gut. Nehmen wir."Blaise änderte das Passwort und legte sich dann in sein Bett. „Nun erzähl mal, du warst heute schon den ganzen Tag so komisch, und dann in der großen Halle, da warst du wie ausgewechselt. Wenn du da auch noch gelächelt hättest, hätten dich alle für verrückt erklärt. Ultrastarke Stimmungsschwankungen heißen auch für einen Slytherin nichts Gutes."Draco ignorierte ihn, ging ins Bad und legte sich dann in sein Bett. Gut, dass Slytherins Doppelzimmer hatten, in einem Schlafsaal hätte er sich jetzt nicht vor der Antwort drücken können. Er drehte sich um und zog die Vorhänge zu. „Gute Nacht, Zabini."„Nacht, Malfoy." Was Harry jetzt in diesem Moment wohl macht? Wahrscheinlich sitzt er in seinem Zimmer, mit seinen anderen Gryffindor- Freunden und sie machen sich Gedanken, wer ihm den Brief geschrieben haben könnte. Mit seinen Gedanken immer noch bei Harry schlief er ein.