Liebe
Heute war der Tag deiner Krönung, und es war ein Tag des Glücks und der Freude für uns alle, sogar für mich. Arwen ist zu dir zurück gekehrt und mein Herz schlug laut in meiner Brust, als ich euch zusammen sah, nicht vor Eifersucht oder Schmerz sondern vor purer Freude. Euer Glück war ansteckend und ergreifend, und ein jeder, der die Ehre hatte, dieser wundervollen Wiedervereinigung zusehen zu dürfen, muss genauso empfunden haben.
Für Gondor und die Menschheit war dies ein großer Tag, denn der rechtmäßige König kehrte auf den Thron zurück. Du bringst den Menschen wieder Hoffnung und Zuversicht, die sie lange verloren glaubten. Doch die dunklen Zeiten liegen hinter uns allen, der Feind ist besiegt und Frieden kehrt wieder ein in Mittelerde – eine neue Zeit bricht an voller Glück, und du wirst die Menschen dort hin führen. Gondor könnte keinen würdigeren König haben als dich.
Und dass auch du dein persönliches Glück wieder gefunden hast, erfüllt mich mit Freude. Als ich sah, wie ihr euch in den Armen lagt, spürte ich Tränen in meinen Augen, denn noch nie habe ich eine so tiefe, überwältigende Liebe erstrahlen sehen, wie die eure.
Es ist die Art Liebe, nach der ich mich selbst gesehnt habe, und die ich schon für unmöglich hielt, bis ich sie schließlich fand.
Es hat eine Zeit gegeben, in der ich fast meine Freude am Leben verloren hätte. Es ist noch nicht lange her, doch es erscheint mir fast wie aus einem anderem, längst vergangenen Leben, da ein zarter Schleier aus purer Wonne diese Erinnerungen verhüllt.
Ich weiß noch, wie sehr ich weinte, wie grausam mir alles vorkam, als du mich zurück wiest, doch ich vermag fast nicht mehr zu sagen, warum. Damals dachte ich, ich liebte dich. Es war überwältigend und stark, dieses Gefühl, das mich jeden Morgen ergriff, wenn ich erwachte, wenn du mein erster Gedanke warst, und ebenso der letzte, wenn ich mich abends bettete und langsam in den Schlaf weinte, weil ich es nicht ertragen konnte, nicht von dir geliebt zu werden. Es kam mir damals so echt vor, so mächtig und richtig, doch jetzt muss ich schmunzeln, wenn ich mich erinnere. Fast albern erscheint es mir.
‚Nur ein Schatten und ein Gedanke', sei es, den ich liebte, hattest du damals gesagt, und ich habe dir nicht geglaubt, wollte es nicht wahr haben. Ich war wütend auf dich, verletzt und gebrochen. Eine Zeit lang habe ich dich sogar dafür gehasst, dass du mich benutzt hast, mich in dieser einen Nacht genommen hast, wohl wissend, dass ich dich liebte. Ich habe dir verziehen, denn es scheint mir nicht mehr wichtig. Damals jedoch, glaubte ich dich zu lieben und doch fing irgendwann die Illusion an zu zerbrechen, bis nun nur noch ein paar verstreute Scherben von ihrer Existenz zeugen, und auch diese werden verschwinden, hinfort gewischt von einer Gewissheit, die von Tag zu Tag stärker wird – die Gewissheit, dass ich Faramir liebe, und er mich.
Er ist so anders als du. Auch Stärke und Mut sind sein eigen, doch sein Wesen ist gänzlich anders als das deine. Ich glaube fast, was mich an dir so anzog, war deine geheimnisvolle, nie gänzlich durchschaubare Ausstrahlung, der Reiz des ungewissen, in dem ich zu ertrinken drohte, als ich mich blind hinein warf, zu blind und zu gefangen in meiner eigenen Besessenheit, dass ich die Wahrheit sehen konnte.
Doch wenn ich nun Faramir anblicke, sehe ich die Wahrheit. Ich sehe nicht mehr Dunkelheit sondern reines Licht, das selbst in meinen Nächten, die mir früher eine Qual waren, über mir strahlt und jegliche Düsterheit aus meinem Geist schwinden lässt, die Schatten der Vergangenheit allmählich verjagt, bis nur noch Sonneschein da ist, nur noch Freude.
Auch dies war nicht immer so, und nicht nur du warst der Grund dafür. So viel Leid habe ich schon erlebt in meinem noch jungen Leben, so viele sah ich sterben, nicht zuletzt meinen Onkel, den ich liebte wie einen Vater. Sein Verlust schmerzt mich noch immer, und oft steigen noch die Tränen in meine Augen, wenn ich an ihn denke, wenn ich wieder sehe, wie er zerschmettert unter seinem Pferde lag und mich ein letztes Mal anblickte – ein letztes Mal meinen Namen sprach – bevor sein Geist sich von seiner sterblichen Hülle trennte, um in die Hallen seiner Väter einzukehren. Ich frage mich, ob er von irgendwo auf mich herab blickt, ob er sehen kann, dass sein Wunsch in Erfüllung ging, dass ich wieder lächele, und nicht Schmerz mich mehr beherrscht. Ich hoffe, er weiß es.
Und dennoch bin ich nicht die Einzige, die den Tod ihrer Lieben verschmerzen musste. Faramir erging es ähnlich, denn er hat Bruder und Vater verloren. Doch was er mir über Denethor berichtete, ließ mich erschaudern. Wie kann ein Vater so grausam zum eigenen Kinde sein? Wie sehr hat Faramir darunter leiden müssen, dass er nie ausreichend zu sein schien in den Augen seines kaltherzigen Vaters? Er hat viel seines Vertrauens dadurch verloren. Der Tod seines geliebten Bruders Boromir muss ihn noch mehr geschmerzt haben, und ich kann es mir vorstellen, denn auch mich verbindet eine tiefe Liebe zu dem meinen. Hätte ich ihn in diesem Krieg verloren… ich möchte gar nicht daran denken. Faramirs Wunden werden lange brauchen, bis sie vollständig geheilt sind, doch ich werde versuchen, ihm dabei zu helfen, so wie er die meinen lindert.
Wenn ich in sein Antlitz schaue, spüre ich sie nicht mehr. Es ist, als könnte sein liebevolles Lächeln jegliche schlechten Empfindungen einfach auslöschen. Seine starken Arme spenden mir Trost und geben mir Geborgenheit, etwas das ich bei dir nicht spürte.
Er ist wirklich so anders als du – zumindest zu mir.
Ich hatte es schon kaum für möglich gehalten, hatte geglaubt, es gäbe nur die zügellose und wilde Form der körperlichen Liebe, doch es gibt so viel mehr. Es gibt lange, süße Küsse voller Zärtlichkeit und Sehnsucht, sanfte Berührungen, die Schauer über meinen gesamten Körper senden, Blicke voller Liebe und Umarmungen, die mir Vertrauen und Geborgenheit schenken, und wenn wir uns lieben ein überwältigendes Glücksgefühl, das mich im tiefsten Inneren erbeben lässt bis alles um mich herum versinkt und ich nur noch eine erfüllende Wärme wahrnehme, die sich von meinem Herzen ausbreitet. Und stets ist sie gegenwärtig, seine Liebe zu mir. Immer sehe ich sie, wenn ich ihn anblicke, spüre sie, wenn er sanft meine Hand ergreift oder mir eine Haarsträhne behutsam aus dem Gesicht streift. Und diese Liebe ist echt, sie ist wahr, keine Illusion, kein Traum, sondern unabänderliche Wirklichkeit.
Ich habe sie endlich gefunden, und nie wird sie mich verlassen, solange Faramir an meiner Seite ist. Endlich kam die Liebe auch zu mir.
ENDE
A/N: Ich hoffe, dass euch die Geschichte gefallen hat. Wenn ja, dann sagt es mir bitte (Und wenn nicht, könnt ihr das ruhig auch sagen g).
Der letzte Teil wurde etwas kürzer, aber mir ist nichts mehr eingefallen, das Eowyn noch denken kann, ohne dass ich mich wiederholt hätte.
