2. Kapitel

Zephyrus (zejuroV)

"Yún! Komm bitte sofort her, ich muß mit dir sprechen!" Der Tonfall ihres Vaters war alles andere als freundlich, und er würde kein "Später" gelten lassen. "Natürlich, Vater. Was ist denn los?" Sie erwähnte nicht, daß sie mit Hōtáru verabredet war und nicht viel Zeit hatte. Zum Glück war sie schon umgezogen.

"Du triffst dich schon wieder mit ihm? Was soll das? Ist bereits das dritte Mal diese Woche."

"Feiertage, Bàba. Tut mir leid; ich hoffe, du wolltest nicht etwas mit uns unternehmen, oder?"

"Darum geht es nicht, Yún. Es geht darum, daß du schön langsam ins Gerede kommst, und ich will das nicht. Es ist eine Schande, wenn er dich dann so ohne weiteres fallen lassen wird, wenn du ihm nicht mehr gefällst. Ich will etwas handfesteres." Yún seufzte so leise, daß ihr Vater es nicht hören konnte. Seit einigen Wochen, eigentlich schon fast nach ihrem ersten Treffen, hatte er auf eine Verlobung gedrängt. "Bàba, ich kann ihn doch nicht dazu zwingen. Dann ist es doch nur noch -"

"Das ist mir egal, Mädchen. Entweder ihr verlobt euch bald, oder du wirst ihn nicht mehr wiedersehen. So einfach ist das. Und damit Schluß!" fuhr er mit erhobener Stimme fort, als sie ihren Mund öffnete. "Ich dulde keine Widerrede!"

Yún schlüpfte in ihre Jacke und seufzte lauter. Alles war viel zu kompliziert. Ja, sie mochte Hōtáru sehr gerne, und sie unterhielten sich auch immer gut, aber verloben? Das war so altmodisch. Er würde es hassen, gedrängt zu werden.

"Sichóu, was ist los? Hast du Kummer?" Ihre kleine Schwester Ziyóu kam aus einem kleinen Zimmer und blickte sie fragend an. Seltsamerweise hatte sie Yún, sofort nachdem sie sprechen konnte, immer "Sichóu", also "Seide" genannt.

"Es ist nichts. Aber wie geht es dir? Ich hoffe, du überanstrengst dich nicht. Herr Kawá ist sehr besorgt, er meint, du lernst nicht mehr so leicht wie früher." "Ach was! Dieser Lehrer hat doch von nichts Ahnung! Aber..." sie grinste verschmitzt. "Du gehst heute wieder mit Suigín aus, oder? Was werdet ihr machen? Erzähl es mir!" fügte sie bittend hinzu. "Ziyóu, du bist zu neugierig. Aber wenn du es unbedingt wissen mußt; vermutlich gehen wir essen." "Ihr seid beide ziemlich verfressen, Sichóu. Würde mich nicht wundern, wenn du bald neue Kleider brauchst. Dann kann ich deine alten haben." "Erstens, ich nehme nicht zu, und zweitens, was würdest du schon mit meinen Sachen anstellen, hmm?" Ziyóu nahm es nicht übel und lachte. "Ich wünsche euch noch viel Spaß."

Gerade als Yún aus der Tür trat, eilte Hōtáru um die Ecke. "Yún-chan! Ich weiß, ich bin schon wieder zu spät! Vergib mir!" Er blieb keuchend stehen und verbeugte sich höflich. "Du siehst unglaublich schön aus." "Du bringst mich in Verlegenheit, Hō-chan. Die Nachbarn könnten uns hören." "Oh, Verzeih mir... aber immer wenn ich dich sehe, vergesse ich alles..."

"Los, wir gehen jetzt lieber, bevor dein ganzer Vorrat an Freundlichkeiten aufgebraucht ist..." Sie war dunkelrot und zog Hōtáru hinter sich her. "Wo sollen wir hingehen?"

"Warte, nicht so schnell. Ich dachte heute an etwas Besonderes... ich möchte... ich muß dir... etwas Wichtiges sagen..." Hōtáru war ebenfalls rot angelaufen und räusperte sich verlegen. "Aber nicht hier, das ist der falsche Ort." "Na gut, hast du schon etwas im Visier?" "Es gibt ein neues französisches Restaurant. Ich dachte, das wäre passend."

"Französische Küche? Da muß es aber schon etwas sehr Wichtiges sein, worüber du sprechen willst." Ein plötzlicher Schreck durchfuhr sie eisig. "Ob er jetzt schon genug hat?" Fragend blickte sie zu ihm hoch, aber aus seinem Gesichtsausdruck konnte sie nichts lesen. "Es wäre sehr schade, wenn es jetzt schon zu Ende wäre..." sie verstanden sich sehr gut und bevorzugten die selben Dinge, ohne das sie sich aber gegenseitig langweilten. Sie konnten beide stundenlang über verschiedene Themen diskutieren, und um ehrlich zu sein, er war so ziemlich das einzige männliche Wesen, das ihr ein wenig verständlich schien. Die anderen konnte sie nicht besonders gut leiden. Hōtáru hatte zwar einen guten Freund, der sich gerade für ein Jahr im Ausland befand, der schien sich aber eher über sie lustig zu machen.

Hōtáru riß sie aus ihren Gedanken. "Wir sind da. Ich hoffe, das Essen ist gut."

Über dem Eingang prangte die Schrift "La Vague". "Weißt du, was das heißt?" Yún kam sich dumm vor. Aber neben Englisch und Japanisch auch noch Französisch zu lernen wäre zuviel gewesen. "Oh, ich glaube, "Welle" oder "Woge" oder so ähnlich. Ganz sicher bin ich mir ja nicht, aber ich kann die Sprache auch nicht wirklich."

Das Restaurant machte einen hübschen, sauberen Eindruck. Hōtáru stöhnte verzweifelt auf. "Was ist los?" "Bekannte" antwortete er kurz. Da kamen auch schon drei Personen auf sie zu; zwei Jungen und ein Mädchen. Einer von den Jungs war dunkelhaarig und muskulös, der andere ziemlich rundlich. Das Mädchen hatte flammendrotes Haar und einen spitzbübischen Gesichtsausdruck. "Na, sieh einer an, Hōtáru. Auch hier?" Der muskulöse Junge grinste. Das Mädchen ebenso. "Hübsche Begleitung, Hōtáru. Willst du sie uns nicht vorstellen?"

Hōtáru war dunkelrot geworden und wand sich vor Verlegenheit. Wütende Blitze schossen aus seinen Augen, trotzdem bemühte er sich, höflich zu sein. "Yún, das sind Káshira, Moko und Tókui. Sie gehen in meine Schule"; "Káshira, Moko, Tókui, das ist Miß Haiyáng Yún aus Hongkong. Ihr Vater und mein Vater sind Geschäftspartner." "Gehst du immer mit den Töchtern deiner Geschäftspartner essen? Wie nett von dir!" Tókui grinste breit und wandte sich zu Yún, die verschüchtert und stumm daneben stand. "Wir sind zusammen mit Hōtáru im Marineclub. In welche Schule gehst du?" "Oh, meine Schwester und ich haben Privatunterricht."

"Nobel, nobel. Aber die einen haben es, und die anderen nicht, was?" Hōtáru schaltete sich ein. "Als ob du so arm wärst, Tókui. Entschuldigt uns, aber wir würden uns jetzt gerne setzen." "Aber natürlich. Schade, das wir schon einen Tisch haben, sonst hätten wir uns ja zusammensetzen können. Wäre sicher lustig geworden, was?" Káshira grinste in Richtung Yún, die verlegen lächelte. "Na denn, viel Spaß noch! Wir sehen uns ja bald wieder."

Hōtáru versuchte zu lächeln, was kläglich mißlang. Die drei hatten ihn da ja schön blamiert. Was sie jetzt wohl von ihm denken mochte? "Sie wird mich für den größten Idioten auf Erden halten. Soviel ist sicher." "Sind das Freunde von dir? Du hast mir nie von ihnen erzählt." Yún wirkte nachdenklich. "Ich glaube, sie mögen mich nicht besonders."

"Ach, Unsinn. Abgesehen davon sind das keine Freunde von mir. Wir sind nur Kameraden im Club, und mit Káshira gehe ich in dieselbe Klasse. Wir kennen uns aber ehrlich gesagt kaum. Und ich kann sie ehrlich gesagt auch alle miteinander nicht sonderlich leiden." Káshira am wenigsten, setzte er im Gedanken hinzu, aber das kann ich ihr nicht sagen. Dieser blöde Kerl hat sie angegrinst, und dafür büßt er einmal, das schwöre ich.

In Gedanken versunken, hatte er nicht bemerkt, daß bereits der Kellner vor ihnen stand. "Mademoiselle, Monsieur, sie wünschen?" Hōtáru starrte auf die Karte. "Wähle zuerst, Yún, ja, ich kann mich noch nicht entscheiden."

"Was möchten sie denn trinken?" Yún war eine Sekunde ratlos. Tja, Hōtáru würde sie zwar für ungebildet halten, aber... "Grünen Tee, wenn möglich." "Natürlich, Mademoiselle. Und sie?" Er wandte sich zu Hōtáru. "Das selbe." "Dann bitte ein Huhn Marengo und Crêpe Suzette." "Sehr gerne. Und Monsieur?" "Seezunge Marguery und Belle Hélène, bitte." Der Kellner nickte und entfernte sich. Yún atmete innerlich auf. Wenigstens das war gut gegangen. "In Hongkong war ich ehrlich gesagt noch nie in einem französischen Restaurant. Dafür habe ich die englische Küche bald durch, glaube ich!" "Ehrlich gesagt war ich auch nicht besonders oft Französisch essen. Aber das Restaurant hier ist neu, und ich dachte, es wäre nett..." "Es ist sehr nett von dir, daß du mich immer zum Essen einlädst. Ich meine, das müßtest du ja nicht, nicht wahr? Meine kleine Schwester glaubt, daß wir beide bald mal platzen." "Deine Schwester kümmert sich wenigstens darum, ob du noch lebst oder nicht. Ich glaube, mein Bruder würde nur dann Gefühle zeigen, wenn sein Computer kaputt gehen würde."

Hōtáru hatte ein sehr schlechtes Gefühl im Magen. Yún erschien ihm plötzlich sehr fremd und weit entfernt, als würde sie hoch über ihm schweben. Und er kroch nur auf dem Boden herum. Aus dem Augenwinkel erhaschte er einen zufälligen Blick auf Káshira, der ihn interessiert musterte. "Als ob ich im Zoo wäre!" dachte er verbittert. Der Kellner brachte den Tee. Verzweifelt brach es aus ihm heraus. "Yún, ich muß dich etwas fragen. Kann sein, daß es kindisch oder dumm für dich ist, dann vergiß es einfach, okay?" Sie richtete ihren Blick direkt auf ihn. "Ist dir schon aufgefallen, daß man immer glaubt, man würde manche Leute wirklich gut kennen? Und dann bemerkt man, das sie voller Geheimnisse stecken." Sie seufzte leise auf. "Weißt du, was ich mir wünsche? Daß ich genau wüßte, was die Menschen denken. Wie sie reagieren." Ihr Blick war starr in die Ferne gerichtet, als würde sie im Geiste weit weg sein.

Mit einem Ruck kehrte sie aber plötzlich in die Wirklichkeit zurück. "Nimm nicht ernst, was ich gesagt habe."

Hōtáru schluckte. "Du hast recht. Man kennt niemanden wirklich, nicht war? Nur sich selbst." "Oder nicht einmal das." "Yún, ich weiß, das ich in gewisser Weise altmodisch bin... aber ich möchte so gerne, das du meine Verlobte wirst." Er bemerkte ihre aufgerissenen Augen nur zu gut. "Nicht, weil ich dich als meinen Besitz sehen will... das darfst du nicht glauben. Ich... ich glaube, ich brauche einfach das Wissen, daß du da bist... der Tag ist nur lebenswert, weil ich weiß, das ich mit dir reden kann... das ich dir vertrauen kann, Yún... das du mich verstehst.

Das klingt jetzt sehr dumm, aber ich meine es ernst..." "Das war sehr nett von dir... vor allem deshalb, weil auch ich das Gefühl habe, daß du mich auch zu verstehen versuchst... so wie ich dich..." Sie mußte abbrechen und den Kopf senken, da ihre Augen unerklärlicherweise plötzlich ein wenig feucht geworden waren. "Die Verlobung wäre nichts endgültiges. Das ist keine Bindung oder so... es wäre nur eine Art... " "Eine Art Sicherheit für dich?"

Sie hatte den schönen Kopf gehoben und schien zu lächeln. "Ja, warum nicht, Hōtáru Suigín."

Auf ihrem Gesicht erschien ein spitzbübischer Zug. "Meine Eltern werden zwar nicht übermäßig begeistert sein, ebensowenig wie deine, aber ich glaube, das könnte mir fast egal sein. Was meinst du?" Hōtáru wagte ein Lächeln, seine Bauchschmerzen waren beinahe abgeklungen. "Also ehrlich, vor zwei Minuten hatte ich schreckliche Angst, du würdest mir die Serviette über den Kopf hauen und unter Hohngelächter gehen." "Bei jedem anderen hätte ich es getan" meinte sie trocken. "Aber seltsamerweise bin ich mir bei dir sicher, daß du es ernst meinst." Der Kellner erschien mit ihren Tellern. "Huhn Marengo und Seezunge Marguery. Bon appetit." "Danke sehr." Beide waren wieder guter Laune. "Weißt du, was ich glaube? Ich bin so verfressen, das man mich mit einem guten Menü überallhin locken könnte." "Da hast du recht, geht mir genauso. Also schätze ich, wir sollten die Nachricht unserer Verlobung erst nach dem Essen verbreiten. Wenn sich unsere Eltern die Bäuche vollgeschlagen haben, werden sie wenigstens nicht mit Möbeln nach uns werfen." Hōtáru grinste schief. Möbel war noch sanft ausgedrückt.

Während sie ihr Essen verspeisten, warf Hōtáru noch einen raschen Blick zum Tisch seiner Schulkameraden. Sie schienen aber gerade in eine aufregende Diskussion vertieft zu sein, und auf nichts anderes zu achten, was ihn sehr beruhigte.

Nach dem Nachtisch beschloß er gleich zu zahlen. "Yún, hast du Lust, noch spazieren zu gehen? Der Abend ist so schön." "Aber gerne, warum nicht?" Sie lächelte sanft, und er spürte seine Kniekehlen weich werden.

"Was für ein Kitsch! Ich bin doch sonst nicht so. Aber das müssen wohl die Hormone sein..."

In irgendeinem Park blieben sie stehen. "Willst du nicht mehr weiter? Oder was hast du jetzt vor?" "Das" antwortete er schnell entschlossen und gab ihr einen Kuß. "Das hier ist ein öffentlicher Park, da können wir sowas doch nicht machen." Yún war wieder einmal rot geworden, schien aber nicht allzu ärgerlich darüber zu sein. "Ist doch keiner da." "Das ist keine Ausrede." Plötzlich fing sie an zu lachen und nahm seine Hand. "Ich wußte, daß du das tun würdest. Warte auch schon lange genug darauf." Er wirkte perplex. "Ich meine, unsere Verlobung müssen wir irgendwie... hmm... feiern. Was ist? Du siehst aus, als hättest du einen Herzstillstand." Hōtáru hatte sich wieder gefangen. "Nein, es ist nur, weil ich wohl eher ein Ohrfeige erwartet hätte, wenn ich ehrlich sein soll. Aber so ist es mir lieber." Er grinste verlegen. "Du bist genau der selbe Dummkopf wie ich, Hōtáru. Komm, gehen wir nach Hause, die freudige Nachricht verbreiten."

Sie gaben sich noch einen letzten Kuß, vielleicht, um die Angst zu besiegen, die sich in ihren Herzen trotz- und alledem breitgemacht hatte.

Mama, Papa, ich muß euch etwas Wichtiges sagen." Mißmutig drehten sie den Fernseher ab und sahen ihn an.

"Ich habe mich mit Yún verlobt... mit der Tochter deines Geschäftspartners" fügte er unsicherer hinzu, als er die zuerst ungläubige, dann bedrohlich anschwellende Miene seines Vaters sah. "Diese Haiyáng- Tochter? DIE? Aber Junge! Was hast du dir dabei gedacht? Bist du WAHNSINNIG? SO eine kommt mir nicht ins Haus. Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen." "Aber Liebling, reg dich doch nicht auf. Diese Jugendlieben vergehen schnell, das merkst du schon früh genug, Junge. Das weißt du doch auch, was, Schatz?" Seine Mutter nahm die Sachen gelassen. "Meinetwegen kannst du gerne mit ihr verlobt sein, solange du sie nicht ständig zum Essen herschleppst." "Keine Sorge, Mama. Ich zwinge sie euch nicht auf, ehrlich. Versprochen, Papa," meinte er, zu seinem Vater gewandt. "Du wirst sie so gut wie nie sehen." Sein Vater ließ sich von der Ruhe seiner Frau besänftigen. "Na, wenn du meinst. Aber ich will sie wirklich nicht hier sehen. Und ihre Eltern auch nicht." "Darum mußt du dir keine Sorgen machen. Sie lieben euch genauso heiß wie ihr sie."

"Dann wäre das wohl erledigt; würdest du bitte wieder einschalten?"

Hōtáru verließ seine Eltern mit dem vagen Gefühl, sie hätten etwas anders reagieren müssen. Aber er war vor allem froh darüber, das sie es ohne größere Szene gebilligt hatten.

Bei Yún lief es ähnlich ab, obwohl ihr Vater erleichtert war, daß die Verlobung überhaupt unter Dach und Fach war. "Dann kommen wir wenigstens nicht ins Gerede. Obwohl du schlecht gewählt hast, Mädchen. Aber kommt Zeit, kommt ein anderer. Jugendlieben halten nicht lange." Ihre Mutter sagte nicht sonderlich viel. "Genieße die Zeit, und versäume den richtigen Absprung nicht. Ich weiß ja, daß du ein kluges Mädchen bist."

Als sich die beiden wieder trafen, mußte sie plötzlich lachen. "Ich könnte wetten, das du beinahe dasselbe zu hören bekommen hast wie ich. Unsere Eltern sind sich ähnlicher als sie glauben." "Wenn du "Jugendlieben halten nicht lange" meinst, hast du recht," gab Hōtáru zurück.

"In meiner Schule ist bald ein Volleyballturnier, willst du zusehen?" "Warum nicht? Ist sicher lustig, einen Haufen muskelstrotzender Kerle zu beobachten." "Sie mögen zwar mehr Muskeln haben, aber der Schönste bin dennoch ich;" deklamierte Hōtáru theatralisch. "Wenn du dir da mal nicht zuviel einbildest" versetzte Yún und grinste. "Hast du eigentlich jemanden von der Verlobung erzählt?" "Bis jetzt noch nicht" antwortete Hōtáru, und sein Lächeln erlosch. "Bist du böse?" "Nein, eher dankbar. Ich möchte nicht, das alles auf die große Glocke gehängt wird. So ist es mir viel lieber." "Mir auch. Dann sind wir wenigstens keine Tiere im Zoo." "Deine Assoziationen sind seltsam, aber richtig."

Hōtáru drehte sich plötzlich zu ihr um und packte sie an den Schultern. "Ich wäre schon gestorben ohne dich, fürchte ich. Du bist so... so perfekt... du machst immer alles richtig..." "Unsinn, das bildest du dir ein. Für mich wirkt es eher so, als würdest du immer alles richtig machen... und ich hinke hinterdrein..." Hōtáru zog sie heftig an sich und hielt sie einige Sekunden fest. "Dann sind wir beide perfekt, hat auch seine guten Seiten..." Er ließ sie plötzlich los und lächelte. "Weißt du, was ich glaube? Für eine Ehe sind wir beide nicht geschaffen. Aber ich würde gerne dein Freund bleiben... wenn du erlaubst..." "Was redest du da eigentlich daher? Ob ich es erlaube? Die Frage ist wohl eher, ob wir uns beide in dieselbe Richtung entwickeln... Ob wir uns in ein paar Jahren, oder Monaten, noch verstehen... manchmal habe ich Angst, du würdest jemand anderen finden, der dich besser versteht... und ich bleibe allein zurück..."

Stumm gingen sie eine Weile nebeneinander her und starrten in verschiedene Richtungen. "Eigentlich sollten wir in Liebesschwüren schwelgen und uns gegenseitig erklären, wie schön wir doch sind. Aber irgendwie geht das nicht wirklich." "Du hast recht. Ich meine, nicht, das du nicht schön wärst... aber das weißt du ja. Es ist nur, daß ich als kleiner Junge immer gedacht habe, es würde eine Art absolute Liebe geben. Aber ich weiß nicht... wie definiert man Liebe überhaupt?" Yún setzte sich auf eine Parkbank. "In den meisten Fällen dürfte Liebe wohl eher von den Hormonen gesteuert werden... deshalb flaut sie auch nach einigen Jahren ab."

 "Was heißt - Jahre? Meistens sind es Monate." "Glaubst du denn, das sich deine Eltern lieben? Jetzt noch, nach der ganzen Zeit?"

 "Nein. Sie leben lediglich in einer Zweckgemeinschaft. Und deine?" "Was glaubst du wohl?" Beide lachten. "Warum sollte es auch länger halten als ein paar Monate? Die Liebe an sich dient sowieso nur der Arterhaltung. Das ist von der Natur nun mal so vorgesehen." "Weißt du, was ich an dir so sehr mag, Hōtáru? Du versuchst nicht zu täuschen, weder mich noch dich selbst." "Ich versuche eben, die Dinge so zu sehen, wie sie sind." "So wie ich. Und deshalb glaube ich, daß unsere Freundschaft länger halten könnte... weil wir uns keine Illusionen zu machen versuchen... ich bemühe mich sehr..."

Hinter ihnen tauchte plötzlich eine kleine Gestalt auf. "Sichóu! Hōtáru! Hey, wartet mal! Kommt ihr mit mir mit?" " Ziyóu, was soll das? Wie grüßt man brav?" Ihre kleine Schwester strahlte über das ganze Gesicht und verbeugte sich. "Hallo, hallo! Wie geht es euch?" Yún wurde rot. "Meine schreckliche kleine Schwester." "Also, ich finde sie süß!" Hōtáru nahm Ziyóu auf den Arm und ließ sie auf seinen Schultern reiten. "Wo gehst du hin?" "Kommt ihr mit mir in die Eishalle? Mama hat erlaubt, das ich heute allein gehen darf. "Also..." Yún starrte Hōtáru ratlos an. "Warum nicht? Ich würde gerne sehen, wie gut du eigentlich bist." "Dann los! Trägst du mich, Onkel?" "Onkel? Was soll denn das schon wieder?" Auch Yúns Ohren waren rot geworden.

In ihrem dunklen Herbstkleid sah sie wunderschön aus. Ziyóu lachte dreckig und klammerte sich an den Schultern des soeben zum "Onkel" ernannte Hōtáru. "Los, gehen wir endlich, Schwester Sichóu! Dann macht ihr nichts Verbotenes." Beiden blieb der Mund offen stehen.