14. Kapitel

Allosaurus

Tókui konnte im ersten Moment nicht einmal schreien. Es war einfach zu kurios, was sie da sah – ein lebendiger Dinosaurier, einfach unmöglich...

Kamomé und Hotáru blickten im selben Moment hoch und entdeckten den Saurier ebenfalls, der auf das Schiff losstürmte und es schon beinahe erreicht hatte. Sekundenlang waren beide wie gelähmt, dann reagierte Aranámi als erste und schob eine Diskette in den Schlitz, auf die sie die Daten speichern ließ. Hotáru konnte vor lauter Schreck nur noch gepreßt flüstern. „Komm... Wir müssen jetzt ganz schnell hier weg... laß die Daten einfach sein, okay?"

„Nein." entgegnete Kamomé gefaßt, obwohl auch ihr der Angstschweiß auf der Stirne stand. „Ich hab's gleich..." Hotáru war sich nicht sicher, was sie tun sollten... wenn sie wegrannten, würde er sie sicher sehen, und irgendwo hatte er einmal gehört, daß Raubsaurier einen nicht erkennen konnten, wenn er still stehen blieb... weil sie nur auf Bewegung reagierten...

Der Saurier war am Schiff angelangt und begann nun, das ohnehin schon zersplitterte Bugfenster vollends einzuschlagen. Es war an der Zeit, etwas zu unternehmen.

„A...Aranámi, wir... sollten wegrennen... ganz schnell..." Die Scherben flogen ihnen um die Ohren, und er fühlte seinen Körper zittern. Er hörte kaum, wie sie ihm antwortete. „Es ist alles gesichert, aber ich... weiß nicht, wohin wir gehen sollen... mit einem Sprung holt er uns ein..."

Wie angewurzelt standen sie da und starrten einem Tier entgegen, das es eigentlich gar nicht geben dürfte – Tókui und Káshira waren bereits verschwunden, sie mußten durch die Tür geflüchtet sein. Sie saßen in der Falle, und keiner konnte ihnen helfen.

Ein dröhnender Schlag ließ das Schiffswrack erzittern und der Gigant drang endgültig ein, wenige Meter von ihnen entfernt. Seine kleinen Augen glitten über den zerstörten Innenraum und blieben an ihnen haften. Er hatte lebendes Fleisch entdeckt, das es wert war, gejagt zu werden...

„Los, Aranámi!" Ohne so richtig zu wissen, was er da eigentlich tat, hatte er ihren Ellbogen gepackt und rannte los, verzweifelt in Richtung Ausgang. Sie mußten über Schutthaufen klettern, denn von der vormaligen Form des Schiffes war kaum noch etwas übrig geblieben. Der Saurier stieß ein Brüllen und aus folgte ihnen, was ihnen die Kraft zu einem Endspurt verlieh. Wenn sie dieses... dieses... Ding... erwischte, würde man nicht einmal mehr ihre Überreste begraben können... bei solchen Zähnen...

„Kamomé! Hotáru!" Sie hatten den Erdboden erreicht, hinter sich den Saurier. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich das Bodenfahrzeug vor ihnen auf und die Luke öffnete sich. „Los, einsteigen, schnell! Das Biest ist euch auf den Fersen!" Von vielen Händen wurden sie in das Innere gezogen und ließen sich keuchend auf den Boden sinken. Während das Fahrzeug beschleunigte und davonfuhr, hörten sie hinter sich das enttäuschte Brüllen des Dinosauriers.

Völlig erschöpft blieben sie auf dem Boden sitzen und Hotáru schloß die Augen. Abgesehen davon, daß sein Kratzer schmerzte, hatte er soeben etwas gesehen, das es nicht geben konnte–  nicht geben durfte...

„Ihr... ihr habt dieses Vieh auf uns gehetzt... ihr hättet gleich weglaufen sollen!" keuchte Kiíchigo entsetzt. Kamomé zischte sie ärgerlich an. „Ich brauchte das Material... und ihr anderen habt euch ja gleich als erste abgesetzt... ein Wunder, daß ihr überhaupt noch auf uns gewartet habt..." „Die Kleinen waren gerade damit fertig, das ganze Gepäck einzuladen, als wir dieses Biest gesehen haben... und Káshira und Tókui dachten, es wäre besser, den Wagen gleich anzustarten, als dabei noch auf euch zu warten... wir wollten euch unterwegs einsammeln, wie wir es ja ohnehin getan haben..." Sachou war noch immer außer Atem.

Hotáru öffnete die Augen. „Kitsuné, bist du da? Geht es dir gut?" Sein kleiner Bruder nickte. „Alles okay." „Gut." Erleichtert schloß er sie wieder und lehnte sich gegen die kühle Metallwand. Eine ganze Weile sprach keiner etwas, der Schock saß noch zu tief.

Nach einiger Zeit hielt der Wagen an und Moko streckte seinen Kopf aus der Fahrerkabine. „Ich glaube, hier können wir Pause machen... wir sollten mal klären, wo wir hier eigentlich sind..." Keiner hatte etwas dagegen, im Gegenteil, der Schrecken schien sie eher hungrig gemacht zu haben. „Moko, machst du uns etwas zu essen?" Haná schmeichelte sich an seinen Arm und zog ein unschuldiges Gesicht. „Aber klar doch." Moko lachte erleichtert. „Solange euch der Schreck nicht den Appetit verdorben hat..."

Káshira hatte eine ruhige kleine Lichtung gewählt, auf der sie sich (vermutlich) ziemlich bedenkenlos aufhalten konnten. Nachdem sich jeder einen Platz gesucht hatte, betrachteten sie ihre Umgebung genauer. Soviel man erkennen konnte, befanden sie sich in einem sehr tropisch anmutendem Wald, obwohl... tropisch...

„Das da sind ganz sicher Palmfarne und Kalamiten, die gibt es bei uns nicht." Der sonst so stille Kagamí hatte seinen Mund geöffnet. „Palmfarne wachsen nur in ausgesprochen tropischen Gebieten, also bestimmt nicht in Tomakomai, und Kalamiten sind bereits ausgestorben." „Was ist ein Kalamit?" fragte Hiyokó neugierig. Sie konnte mit dem Begriff nichts anfangen. Kagamí streifte sie mit einem seltsamen Blick. „Kalamiten sind über 30 m hohe Schachtelhalmgewächse, die im Mesozoikum auftraten. Heute allerdings gibt es sie nicht mehr. Von ihnen stammen vermutlich auch die Kohlevorräte – " „Schon gut!" unterbrach sie ihn gereizt. „So genau wollte ich es gar nicht wissen."

„Das ist krank. In den Tropen können wir unmöglich sein... innerhalb einer halben Stunde fliegt man nicht so weit..." Hotáru konnte es nicht fassen. „Vielleicht ist das hier – irgend so ein Vergnügungspark – ach, ich weiß nicht..." Möglicherweise war das hier doch Tomakomai oder eine Insel im Meer... und irgendein steinreicher Spinner hatte sich hier einen Freizeitpark anlegen lassen... „Mit Pflanzen aus der Urzeit? Kaum glaublich." Tókui war skeptisch. „Das hätte man in den Nachrichten garantiert irgendwann mal gehört... da kannst du Gift drauf nehmen – Und abgesehen davon, wie erklärst du dir den Dinosaurier? Der sah für mich verdammt echt aus!" „Es könnte ein Hologramm sein. Ein Roboter... Alles..." Die anderen wirkten skeptisch. „Meint ihr?" Kamomé schaltete sich ein. „Es gibt so gut wie keine andere Erklärung dafür. Aus dem versteinerten Material kann man keine Saurier klonen, das ist nur im Film möglich, und echte gibt es wohl nicht mehr..." „Also kommt wohl wirklich nur ein Freizeitpark in Frage." Kagamí wirkte nachdenklich. „Vielleicht ein Prototyp, der erst in der Versuchsphase ist..."

 „Egal wo wir jetzt sind – es ist ja wohl klar, wem wir das alles zu verdanken haben, oder?" Káshira war auf Streit aus und sprach betont langsam. Tókui hakte ein. „Ja, allerdings. Wenn wir einen etwas... hmm, fähigeren Navigator gehabt hätten, dann – "

Hotáru wurde blaß, und er setzte sich aufrechter hin. „Was soll das heißen?"

„Das weißt du ganz genau." Jetzt wurde auch Sachou aufmerksam und spitzte die Ohren. „Meint ihr, es wäre – hmm, seine Schuld?"

„Klar war es seine Schuld. Wenn der Idiot den Kurs nicht falsch berechnet hätte, und uns statt mitten ins Unwetter daran vorbei geführt hätte, müßten wir uns jetzt nicht den Kopf zerbrechen, wo wir eigentlich sind." Káshiras Stimme wurde messerscharf. „Du kannst dich gerne betroffen fühlen, Navigator."

Hotáru sprang auf. „Das hast du dir jetzt fein ausgedacht, wie? Gebt nur alle mir die Schuld, ist ja so praktisch, was?" Auch Káshira hatte sich aufgerichtet. „Du hast den Kurs bestimmt, und du hast den Sturm übersehen. Nur ein Idiot, der du leider bist, konnte solchen Mist bauen!" „Das nimmst du zurück!" Hotáru fühlte alles Blut aus seinem Gesicht entweichen. „Aranámi und Watarí können dir – " „Deine Unfähigkeit bescheinigen, da hast du völlig recht!" schnappte Káshira wütend und funkelte seinen Gegenüber an. Hotáru gab auf und zuckte entnervt die Achseln.

„Hauptsache, du fühlst dich gut! Bitte, bin eben ich an allem schuld. Obwohl du dich dann fragen solltest, warum du uns dann nicht aus dem Schlamassel befreit hast – du bist ja sonst der tolle Superheld – " „Versuch' jetzt ja nicht, abzulenken, sondern gib zu, daß du einen Fehler gemacht hast! Das kommt davon, wenn man die Hälfte der Stunden schwänzt! Du warst einfach zu unfähig, das ist alles!" „Gut, fein." Hotáru drehte sich auf dem Absatz um und marschierte davon. „Mir wäre es auch lieber gewesen, nicht mitzufahren, tut mir wirklich leid, daß ihr euch mit einem Vollidioten wie mir abgeben müßt. Da will ich euch doch wenigstens meinen Anblick ersparen...." Nach wenigen Schritten war er bereits im tiefen Dickicht verschwunden. Sachou sprang auf. „Jetzt warte doch! Káshira- kun hat das nicht so gemeint..." „Laß' doch. Káshira hat ganz recht..." Tókui zuckte die Schultern. „Von dem war auch nichts anderes zu erwarten."

„Das ist nicht ganz richtig; Suigín- kun hat recht." ließ Kamomé leise hören. „Er konnte den Sturm nicht vorhersehen – der Wetterbericht zeigte gute Werte an, und auf dem Satellitenbild war nichts zu erkennen – die Front bildete sich innerhalb weniger Minuten..."

„Trotzdem." Káshira blieb stur. „Er hätte es wissen und sich richtig verhalten müssen."

Die anderen mischten sich lieber gar nicht ein, sondern warteten hungrig, bis ihnen Moko etwas Genießbares vorsetzte. Er ärgerte sich sehr, daß er nur auf Dosen zurückgreifen konnte. „Konservenessen, pah! Aber besser als nichts..."

Hotáru erschien während der ganzen Mahlzeit nicht. Langsam wurde Watarídori unruhig und stand auf. „Ich glaube, ich sehe mal lieber nach, wo er steckt... er hat sicher Hunger..."

„Pah, um den Dummkopf brauchst du dich doch nicht zu kümmern" knurrte Káshira brummig, obwohl er selber ein etwas flaues Gefühl im Magen spürte. So hart hatte er zu Suigín gar nicht sein wollen, aber er war einfach das willkommene Ziel für seinen Ärger gewesen...

Unterdessen saß Hotáru auf einem ausladenden Zweig, lehnte sich an den Baumstamm und bemühte sich, nicht mehr an das Gespräch von vorhin zu denken. Verzweifelt lenkte er sich ab, obwohl es in seiner Kehle schrecklich würgte... - Was hatte Mángetsu gesagt..."Kalamiten gibt es heute nicht mehr.." und doch - dieser Stamm wies Eigenschaften eines Schachtelhalms auf – Verdammt, das hier war ein riesiger Schachtelhalm...

„Hotáru- kun! Bist du hier irgendwo? Bitte, sag' doch was!" Watarí- kun, der ihn suchte. Desinteressiert beugte er den Kopf ein wenig nach unten, dachte aber gar nicht daran, etwas zu antworten. Sollte dieser Idiot doch sehen, wie er ihn fand.

„Da oben bist du ja! Komm' runter!" „Na, mit dem Essen schon fertig? Oder wird etwas kalt, während du hier herumläufst? Ich will dir doch die Freude an einer warmen Mahlzeit am Tag nicht nehmen – du kannst gleich wieder umdrehen – " ätzte Hotáru wütend. Dieser Mistkerl hatte nichts anderes verdient...

„Hotáru- kun! Jetzt sei doch nicht beleidigt! Was hätte ich denn sagen sollen?" Watarí fühlte sich schuldlos. „Du hättest mich vielleicht verteidigen können, wäre doch eine Möglichkeit gewesen, oder? Du warst am Pult neben mir, wir beide bestimmen den Kurs, und wenn du nicht geschlafen hättest, dann..." Er konnte nicht mehr weitersprechen, seine Kehle war zu eng... zu seinem großen Schrecken begannen langsam Tränen aus seinen Augen zu quellen, die über sein Gesicht rollten und sich irgendwo im Kragen verloren.

Watarí merkte nichts. „Hey, die anderen wissen das doch... kein Grund, um jetzt beleidigte Leberwurst zu spielen..." Er lachte unsicher. Hotáru bemühte sich, alle Tränen zu beseitigen und normal zu reden. „Wir sind zwar Freunde, Watarí, aber es gibt eine Sache, die ich an dir hasse..." Er mußte plötzlich auflachen, und aus einem unerfindlichen Grund begann er wie verrückt gleichzeitig zu lachen und zu weinen. „Ich... ich hasse es, wenn du mich im Stich läßt, Watarí- kun, wenn du wieder und wieder so tust, als ob du nie etwas mit mir zu tun gehabt hättest... wenn du so tust, als ob alles nur auf meinem Mist gewachsen wäre, und wenn du mich einfach so ignorierst... und dann sagst du auch noch – du..." Er mußte wieder lachen, obwohl nichts, aber auch gar nichts an der ganzen Sache komisch war –

„Dann sagst du weder, es wäre meine Schuld, oder die der anderen, sondern du ignorierst es, und – , hahaha..." Hotáru lachte, obwohl er am liebsten den Kopf auf seine Arme gelegt hätte um so richtig loszuheulen. Aber dazu hätte er jemanden gebraucht, der ihm tröstend über den Kopf streicheln und ihm ein paar nette Worte zugeflüstert hätte, und so eine Person war Watarí garantiert nicht. Yún hätte sich dazu eher geeignet, aber Yún war nicht hier...

Sein Schluchzen, das Watarí für Gelächter hielt, ebbte ab, und er richtete sich auf, wieder völlig gefaßt. „Alles in Ordnung, Watarí- kun. Ich hatte sowieso keinen Hunger..."

Kühl wie immer kletterte er den Stamm hinunter und beide machten sich auf den Rückweg. Watarí wußte nicht, was er hätte sagen sollen, also schwieg er lieber, und Hotáru machte sich Gedanken über ihre derzeitige Situation. Bis sie nicht wußten, wo sie sich befanden, mußte er sich auf jeden Fall um seinen Bruder und seine Verlobte kümmern. Er wollte lieber nicht wissen, was seine – und natürlich auch ihre Eltern mit ihm anstellen würden, wenn einem von beiden etwas geschah... vermutlich brauchte er dann erst gar nicht mehr nach Hause zu gehen.

„Die Vegetation hier ist wirklich seltsam." Watarí hockte sich auf den Boden und zupfte an einer Pflanze herum. „Das sind diese „Palmfarne", oder? Sieht aus wie eine Ananaspflanze... total irre... sieh dir bloß mal den Durchmesser von so einem Blatt an..."

Hotáru bückte sich, um sich das seltsame Gewächs näher anzusehen, als er plötzlich entsetzt zurückschrak. In dieser Pflanze raschelte etwas... Beide hatten sich gerade einige Schritte von dem Farn entfernt, als sich plötzlich ein riesiger Tausendfüßler aus dem Gebüsch wand. Er war sage und schreibe um die zwei Meter lang, eine furchteinflößende Bestie. Die Jungen standen reglos und warteten, bist der Riese im Urwalddickicht verschwunden war. Dann stieß Watarí entsetzt und gleichzeitig erleichtert den Atem aus. „Puh... was... war das? So einen großen Tausendfüßler hab' ich ja noch nie gesehen..." Hotáru wollte seinen Augen nicht trauen. „Das... das könnte zu dem Vergnügungspark gehören... zu einem gestellten Szenario.."

Watarí warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Ja... da könntest du recht haben..." Eilig setzten sie ihren Weg zu den anderen fort. Nicht, daß sich Hotáru darum gerissen hätte, wieder mit ihnen zusammensein zu müssen, aber seine Clubkameraden waren ihm doch lieber als dieser Wald voller seltsamer Tiere. Ob das genetische Manipulationen oder Züchtungen waren? Möglich... eigentlich konnte nur das die einzig richtige Erklärung sein...

Als sie das Amphibienfahrzeug erreicht hatten, spielten die Kleinsten gerade ausgelassen miteinander, und Kamomé untersuchte die Vegetation. Von Káshira, Tókui und Moko war nichts zu sehen, wofür Hotáru sehr dankbar war. Auf weitere Vorwürfe konnte er im Moment gerne verzichten. Gerade als sie bei Kamomé angelangt waren, gesellte sich auch Kagamí zu ihnen. „Die Vegetation hier sieht aus wie aus dem Lehrbuch. Mesozoikum, könnte Jura sein. Kalamiten, Nadelbäume, Palmfarne, Baumfarne. Unglaublich." Ratlos schüttelte sie den Kopf. Kagamí öffnete vorsichtig den Mund. „Der Dinosaurier, der das Schiff angegriffen hat– von dem alle annehmen, es wäre entweder ein Roboter oder ein Hologramm – das war ein Allosaurus, da bin ich mir sicher. Und überhaupt – mir kam der ziemlich echt vor..."

„Unsinn." Kamomé trennte sich von ihrer Pflanze und blickte ihm fest in die Augen. „Du weißt doch, daß man Dinosaurier nicht erschaffen kann. Jedenfalls noch nicht. Und abgesehen davon – jede Fachzeitschrift, nein, die ganze Welt hätte aufgeschrien – sowas kann man nicht geheimhalten - ..." „Und einen derartigen Vergnügungspark? Genauso unmöglich. Das weißt du genausogut wie ich, Aranámi- san." Kagamí blieb stur, obwohl Kamomé bereits ärgerlich die Stirn runzelte. „Worauf willst du hinaus?"

Der kleine Junge zögerte kurz und wies dann zum Himmel. „Wenn du nicht nur auf den Boden, sondern auch in die Luft sehen würdest, dann wüßtest du, daß diese Insel, oder was auch immer, auf gar keinen Fall ein Park ist – sieh dir die ... hmm, Vögel mal genauer an..."

Seinem ausgestreckten Arm folgend starrte Kamomé in den Himmel und erstarrte. Ebenso Hotáru und Watarí wenige Sekunden später.

Die über den Wipfeln kreisenden Schemen entpuppten sich bei näherem Hinsehen als etwas, das Darstellungen in Lehrbüchern sehr ähnlich sah...

„Unmöglich, völlig unmöglich – " hauchte Kamomé ebenso entsetzt wie fassungslos. „Das sieht aus wie... wie..."

„Pterosaurier. Kein Zweifel. Wenn das da oben Vögel sind, esse ich die Tür von unserem Fahrzeug." Der kleine Junge war sich absolut sicher und nickte bestätigend mit dem Kopf.

Hotáru war wie gelähmt. Zuerst ein fleischfressendes Ungeheuer, und dann noch Flugsaurier– wo waren sie gelandet? „Hey... glaubt ihr vielleicht, das hier ist ein Filmset? Ich meine..." Watarí bemühte sich verzweifelt, eine logische Erklärung zu finden. Kagamí schüttelte verneinend den Kopf. „Du müßtest doch wissen, das die Dinosaurier nicht als Modelle existieren, jedenfalls Pterosaurier in der Luft sicher nicht. Die werden am Computer erstellt und später eingefügt – "

Hotáru mußte sich setzen. „Ich glaube, ich werde total verrückt – wo sind wir hier bloß?"

Plötzlich fiel ihm etwas ein. „Watarí- kun, in deinem Gepäck hast du doch noch die alten Astronomiekarten, auf denen wir üben mußten – mit denen können wir in der Nacht doch ganz einfach bestimmen, wo wir sind! Jedenfalls eine Grobbestimmung, oder?" Zum ersten Mal seit ihrem Unfall fühlte er wieder Hoffnung. Watarí sprang entzückt und enthusiastisch auf. „Na klar doch! Logisch! Warum ist uns das nicht gleich eingefallen! Mit den Karten können wir es schaffen! Du bist ein Genie, Ho- chan!" Stürmisch fiel er ihm um den Hals und lachte befreit auf. Auch Hotáru wagte ein kleines Lächeln. Natürlich, zum Glück hatte sie ihr Senséi mit diesen blöden Karten gedrillt bis zum Abwinken – er und Watarí- kun hatten als Verantwortliche für die Navigation schon beinahe von ihnen geträumt – nie hätte er sich denken lassen, sie würden diesen ganzen Unsinn einmal wirklich brauchen können...

Auch Kamomé wirkte etwas erleichtert. „Ja, natürlich, die Seekarten! An die habe ich gar nicht mehr gedacht..."

„Da fällt mir ein... wo sind eigentlich Hayasé, Harigané und Ryoki?" Kagamí löste seinen Blick von den umherfliegenden Pterosauriern und wandte sich den anderen zu. Kamomé antwortete mit leicht mißbilligender Stimme. „Die drei sind auf den Hügel dort hinten geklettert, weil sie unbedingt wissen möchten, wie diese Insel... oder besser gesagt, unsere Umgebung aussieht... Yumí, Tsutsumí und Ryokis Bruder warten unten auf sie." „Wie lange sind sie schon weg? Und wo ist Kitsuné?" Hotáru machte sich langsam Sorgen um seinen kleinen Bruder. In gewissen Dingen war er noch so unselbständig...

„Soweit ich weiß, vergnügt sich dein Bruder mit seinem Handheld. Um ihn brauchst du dir keine Sorgen zu machen, er ist im Wagen. Der Rest spielt hier draußen herum, du siehst ja selbst." Kamomé begann langsam das Interesse an ihrem Gespräch zu verlieren und wandte sich wieder der Botanik zu. Über ihre schmalen Hände hatte sie sich bereits dünne Handschuhe gezogen, um nicht mit giftigen Pflanzen in Berührung zu kommen.

„Die sind schon seit ca. einer halben Stunde weg, soweit ich weiß" meldete sich Kagamí. „Aber so genau kann ich das nicht sagen, meine Uhr geht nicht mehr – sie muß kaputt sein – "

Aufmerksam geworden griff auch Hotáru nach seinem Handgelenk und drehte das Zifferblatt zu sich. „Mist! Auch im Eimer! Und deine, Watarí- kun?" Kopfschüttelnd klopfte Watarídori auf das Glas. „Stehengeblieben! Verstehe ich gar nicht! Die war echt schweineteuer..."

„Aranámi! Hey, Aranámi- san!" Noch immer in die Blätter einer palmenähnlichen Pflanze vertieft, blickte Kamomé unwillig auf. „Was ist denn jetzt schon wieder? Laßt mich endlich- "

„Kamomé- san, wie spät ist es?" Hotáru achtete nicht auf ihren wütenden Einwurf. Immer noch verärgert sah sie auf ihre Uhr. „Hat den Geist aufgegeben. Bin wohl irgendwie draufgefallen" erwiderte sie nüchtern. „Warum?"

„Weil keine einzige Uhr funktioniert. Jedenfalls unsere vier nicht." „Warten wir erst mal ab, wie es mit denen von den anderen steht. Vielleicht funktionieren die." Damit war für Kamomé das Thema erledigt. Ohne die anderen noch zu beachten, drehte sie sich wieder um und verschwand einige Schritte in den Wald.

„Argh! Ho- kun, du blutest ja..." Zitternd vor Schreck und Ekel wich Watarí einen Schritt zurück und deutete auf seinen Hals. Hotáru folgte seinem Blick und wunderte sich.

Die Flecken waren immer noch feucht und wirkten frisch – als hätte er sich gerade eben verletzt. Aber...

„Keine Panik. Das ist noch von vorhin, du weißt ja. Wegen der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit trocknet es nicht schnell ein. Macht es mir leichter, es herauszuwaschen..."

Watarí schüttelte sich heftig und wich noch weiter zurück. „Ich mag kein Blut."

Manchmal, dachte sich Hotáru, manchmal ist Watarí einfach eine Memme. Und leider allzuoft ist er ein rückgratloser Feigling.

Aranámi tauchte wieder aus dem dichten Gestrüpp auf und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als plötzlich lautes Geschrei ertönte und Kiíchigo totenblaß zu ihnen taumelte. „Da... da sind..." „Was hast du, Kiíchigo?" Entsetzt sprang Hotáru auf und eilte zu ihr, um sie zu stützen. Nicht auch das noch. Wenn ihr etwas zustieß...

„Da... von dem Berg... riesiges Biest... Dinosaurier..." Angestrengt bemühten sich die anderen, aus ihrem zusammenhanglosen Gestammel Sinn herauszufiltern. Schließlich bückte sich Kamomé resolut und gab ihr eine kräftige Ohrfeige, die sie zum Schweigen brachte. „Und jetzt bitte noch mal." Kiíchigo heulte beinahe, gehorchte aber der kalten Stimme und fing an, verständlicher zu reden. „W... wir..., also, Ryoki, Hayasé und Harigané sind auf den Berg da hinten geklettert... u...und auf einmal, da kam so ein riesiges Tier herunter... sah aus wie ein Dinosaurier... so ein Flugsaurier..." Die anderen vier sahen sich bedeutungsvoll an. „Ein Flugsaurier, na sieh einer an. Es war also doch kein Hirngespinst..."

Es raschelte noch einmal, und der Rest der Gruppe gesellte sich zu ihnen. Allen voran die drei wagemutigen Kletterer, dahinter Sachou, Chujitsu und die Kleinen. Sogar Kitsuné hatte es geschafft, sein Spiel beiseite zu legen und aus dem Wagen zu kriechen.

Alle, selbst Káshira, sahen ziemlich bleich aus. Aranámi taxierte sie erbarmungslos. „Was ist geschehen? Tsutsumí kam hier an, einem Nervenzusammenbruch nahe..."

„Äh... wir haben... interessante Neuigkeiten..." Tókuis Stimme zitterte leicht. Als sie Kamomés höhnischen Blick begegnete, strafften sich ihre Schultern, und sie begann langsam zu erzählen, während sich die anderen auf den Boden fallen ließen.

„Also, ihr wißt ja, daß wir uns dazu entschlossen haben, auf den Hügel da zu klettern, um eine bessere Aussicht zu haben. Wenn wir wirklich in einem Freizeitpark wären, hätten wir das von da oben vielleicht sehen können. Knapp vor dem Gipfel konnte man plötzlich sowas wie eine Stadt sehen... nur von ganz ferne, aber ich bin mir sicher, da liegt irgendwo eine Stadt...

Aber, jedenfalls, als wir ganz auf diesem Hügel waren, da stand da ein riesiges Nest... und zwar wirklich riesig..." Sie mußte kurz unterbrechen, um Atem zu holen. „Und als wir uns noch fragen, was kann denn das da für ein Nest sein, also da..." Sie wandte sich hilfesuchend an die anderen. Moko beendete für sie. „Da waren so kleine Babyflugsaurier drin... die hatten zuerst ihre Köpfe eingezogen, aber dann fingen sie an, herumzukreischen... und plötzlich kam da so ein Riesenbiest, muß wohl ihre Mutter gewesen sein... jedenfalls, ich glaube, die wollten uns fressen... Naja, dann sind wir den Berg so schnell wie möglich wieder nach unten gerannt... Das Vieh ist noch eine Weile den Hügel auf – und abgeflogen, aber zum Glück..." Er keuchte entsetzt bei der Erinnerung.

Káshira hatte sich einigermaßen gefaßt. „Egal, wo wir auch sind – ein normaler Freizeitpark, ob von einem reichen Irren gebaut oder auch nicht – ist das auf keinem Fall. Auch wenn das irgendein Scheich oder ein Millionär gebaut hat, das hätte niemals so geheim bleiben können– auf keinen Fall..." „Vielleicht ist es ein geheimes Versuchsgelände!" kreischten die Zwillinge entzückt. Ihnen gefiel diese Idee enorm.

„Buuhuuh... ich will nach Hause! Hier ist es so häßlich..." Haná begann wieder zu heulen. Kiíchigo bemühte sich nach Kräften, sie etwas aufzumuntern. „Hey, das hier ist doch kein häßlicher Wald... das sieht so aus wie im Regenwald in Brasilien... dort gibt es ganz schöne bunte Vögel, weißt du, die kann man Zuhause in einen Käfig stellen oder die Federn steckt man sich an den Hut... und wir könnten doch mal nachsehen, ob wir welche finden..."

Einträchtig und einigermaßen beruhigt zogen beide davon. „Kiíchigo! Geh' nicht zu tief in den Wald!" rief ihr Hotáru noch nach. „Ja, ja! Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen!" gab sie etwas eingeschnappt zurück, bevor sie, inzwischen zusätzlich begleitet von den Zwillingen, die auch Vögel haben wollten, zwischen dicken Farnblättern verschwand.

„Machst dir wohl Sorgen um sie, hmm?" grinste ihn Káshira spöttisch an. Hotáru öffnete wütend den Mund, um etwas zu entgegnen, wurde aber von ihm daran gehindert. „Könntest du mir mal helfen? Ich... ich hab' wohl ein paar Schrammen abbekommen..." „Kann das nicht jemand... ach, was soll's..." Halb ärgerlich, halb gerührt half ihm Hotáru auf die Beine und marschierte mit ihm in den Wagen. „Ich bin nicht deine Krankenschwester..."

Káshira grinste schief und streckte seinen rechten Arm aus. „Tut weh..." Hotáru erschrak, als er die große Schürfwunde sah. „Auf dem Knie ist noch so eine..." „Idiot. Warum hast du nicht gewartet, bis ich wieder da war? Ich wäre auf den Hügel geklettert, wenn du etwas gesagt hättest." Ruhig begann er, die Wunden auszuwaschen, um sie dann zu desinfizieren. Káshira beobachtete ihn und beugte sich dann schnell entschlossen nach vorne. „Was ich vorhin gesagt habe, tut mir leid... das war nicht so gemeint. Ich war nur so..." „Schon gut. Es war ja ganz richtig, was du gesagt hast – der Navigator ist für den Kurs verantwortlich. Aber ich hoffe, Watarí und ich können unsere Position durch die Astronomiekarten wenigstens so einigermaßen bestimmen. Das haben wir im Unterricht ja oft genug durchgekaut..."

Während er sich um das Knie kümmerte, betrachtete ihn Káshira mit einem seltsamen Blick. „Du hast dich verändert, Suigín. Du bist nicht mehr wie früher..." „Du irrst dich." Hotáru erhob sich ruckartig und starrte ihn für einen kurzen Moment an. „Menschen wie ich ändern sich nie... ich war noch nie anders."

Als er aus der Tür verschwunden war, barg Káshira sein Gesicht in den Händen und stöhnte. Idiot. Was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, so mit Suigín zu reden? In letzter Zeit sprach er seine Gedanken viel zu oft laut aus – ob Hotáru wirklich statt ihm auf diesen Hügel geklettert wäre? Aber warum sollte er? Und abgesehen davon war sein Knöchel angeschlagen. Und trotzdem hatte er dieses Angebot gemacht...

Hotáru bekam langsam Hunger, obwohl sich sein Magen nicht gut anfühlte, schließlich hatte er seit Mittag nichts mehr gegessen. Andererseits bemühte er sich beinahe verzweifelt, nicht an die Situation zu denken, in der sie sich gerade alle befanden – vermutlich im persönlichen Vergnügungspark eines reichen Irren, der Roboter von Dinosauriern anfertigen ließ. Die Kinder dachten zum Glück nicht allzuviel nach, sondern spielten lieber. Was Kitsuné dachte, war unklar. Hotáru hatte manchmal den Verdacht, daß sein kleiner Bruder viel mehr wußte oder zumindest erahnte, als es den Anschein hatte. Kitsuné mochte zwar manchmal hilflos wirken, aber der Schein konnte trügen.

Kiíchigo war inzwischen wieder zurück und gesellte sich zu ihm. „Hotáru, ich muß mit dir reden. Es ist wirklich wichtig." Erstaunt ließ er sich von ihr mitziehen und setzte sich neben ihr in den Schatten eines Baumes. „Also... es sollen ja nicht gleich alle hören, aber... es ist ganz wichtig." Kiíchigo flüsterte geheimnisvoll und wirkte ebenso aufgeregt wie verlegen.

„Was willst du?" Hotáru hoffte bloß, daß nicht auch sie noch mit Vorwürfen daherkommen würde. Einmal hatte ihm gereicht. „Okay... bevor ich weggefahren bin, habe ich Tsurú, Namakó und Sumómo versprochen, das wir... äh, das wir miteinander... du weißt schon..." Bedeutungsvoll blickte sie ihm in die Augen. Er begriff nicht. „Was? Was meinst du – oh – " Hotáru verstummte entsetzt und wurde rot. „Nein, das nicht. Bitte nicht."

„Doch, klar. Wir sind jetzt immerhin seit fast eineinhalb Jahren verlobt, ich bitte dich... es wird Zeit, und ich habe gewe – äh, ich meine, wir haben es uns versprochen..." Kiíchigos Wangen färbten sich zartrosa. „Du wirst doch nicht kneifen..."

Hotáru fühlte sich hilflos und verzweifelt. „Kiíchigo, nein, bitte, schon gar nicht auf einem Ausflug. Und ich... ich kann jetzt nicht..." „Bist du ein Mann oder nicht?" Ihre Augen funkelten. „Zu deiner Information: bevor ich mich mit dir verlobt hatte, kursierten sowieso schon Gerüchte, das du... naja, vom anderen Ufer bist... und trotzdem habe ich dich – äh..."

„Danke" antwortete Hotáru trocken. „Tut mir leid, wenn du so jemanden nehmen mußtest – aber du dürftest ja diese Gerüchte aus dem Weg geräumt haben..."

„Du Idiot mußtest ja bei diesem Hachí auftauchen und auch noch übernachten! Ich war platt, als ich das gehört habe – der Kerl, der es mit einem anderen – "

„Sei still, Kiíchigo! Du gehst zu weit!" Überrascht starrte sie ihn an. Hotáru war zornbebend aufgesprungen und stellte sich vor sie hin. „Über Hachí- kun hast du gar nichts zu sagen, klar? Und wenn er mit einem Mann zusammen ist, na und? Es geht dich nichts an..."

„Es ist widerlich." Kühl erhob sie sich und drehte sich nach einigen Schritten noch einmal um. „Also, überleg' es dir. Es wäre... langsam an der Zeit."

Hotáru seufzte ärgerlich. Das hatte ihm ja gerade noch gefehlt. Kiíchigo, die, so wie er sie kannte, garantiert vor ihren Freundinnen herumgeprahlt hatte, das sie auch einen vermeintlich „fehlgeleiteten" wie ihn auf den „rechten Weg" führen konnte... soo hübsch, wie sie nun mal war...

Eigentlich war es tragisch – nur weil er einige Zeit keine Freundin vorzuweisen gehabt hatte, nahmen alle sofort an, er würde auf Männer stehen. Typisch.

„Alle wieder da? Kommt mal her, bitte, wir haben etwas Wichtiges zu besprechen! Los, beeilt euch, kommt her!"

Moko trommelte alle Pfadfinder in der Mitte der Lichtung zusammen. Neben ihm standen Sachou und Kamomé, wobei Sachou äußerst verwirrt und Kamomé auf eigenartige Weise zufrieden wirkte. Auch Kagamí, der sich bereits im Gras niedergelassen hatte, trug diesen Ausdruck im Gesicht.

Als sich endlich auch der letzte der Kleinen hingesetzt hatte, fing Sachou mit ernster Miene zu sprechen an. „Also, hört mal alle her! Aranámi und Mángetsu haben euch etwas zu sagen! Es geht um die seltsame Vegetation hier, die, wie ihr sicher alle längst bemerkt habt, keineswegs zu Tomakomai, unserem eigentlichen Ziel paßt..."

„Los, kommt endlich zur Sache! Ich habe keine Lust, hier den ganzen Tag zu verbringen!" warf Tókui gelangweilt ein. Sachou wurde rot und räusperte sich. „Äh... also, na gut..."

„Die Sache ist die." Kamomé klang nüchtern wie immer. „Nach eingehender Beratung sind Mángetsu und ich zu dem Schluß gekommen, daß wir es hier mit Vegetation aus dem – Jura –  zu tun haben..." Lautes Stimmengemurmel unterbrach sie. „Blödsinn..." „Was ist Jura eigentlich?" „Aranámi spinnt..." „So ein Unsinn..." „Ich will heim..."

„Das ist die Wahrheit!" Kagamí war inzwischen aufgesprungen und stellte sich unterstützend neben Kamomé. „Seht euch doch nur um! Was ich am Anfang gesagt habe! Schachtelhalme und Palmfarne! Seht ihr das denn nicht?"

Die Pfadfinder schüttelten halb entsetzt, halb ungläubig ihre Köpfe. Káshira erhob sich plötzlich ebenfalls. „Vielleicht ist das hier nur ein – was weiß ich, geheimes Projekt oder so... durch den Sturm könnten wir irgendwo anders auf Tomakomai angekommen sein, wo sie gerade versuchen, ausgestorbene Pflanzen in einem Urzeit – Szenario anzusiedeln oder so – diewahrscheinlichste Erklärung! Die meisten von euch denken vermutlich auch an einen Vergnügungspark. Möglich! Aber ich tendiere eher zu einem Forschungsprojekt. Von einem Park hätten wir doch schon gehört, oder?" Er unterbrach sich kurz und warf einen Seitenblick auf Hotáru, der seine eigenen Füße betrachtete und keinen ansah. „Hotáru- kun hat sich ebenso wie Watarí- kun dazu bereit erklärt, am Abend mit Hilfe ihrer Astronomiekarten unsere Position zu bestimmen. Also, keine Angst oder so. Spätestens heute Abend werden wir genau wissen, wo wir sind, okay?"

Aufmunternd grinste er in die Runde. Der Großteil blickte zwar noch skeptisch, wirkte aber beruhigt. Selbst Haná hatte aufgehört zu schniefen. Lediglich Kamomé, Kagamí und Hotáru, ebenso wie Kitsuné, schienen noch zu zweifeln. Auch Chujitsu blickte nicht sonderlich beruhigt drein.

„Also dann, es ist ja nicht mehr lange bis zum Abend" warf Sachou beruhigend ein. „Dann sehen wir schon weiter. Es kann ja nicht so schlimm sein, bei den vielen Satelliten!"