16. Kapitel

Pterosaurus

Káshira wachte am nächsten Morgen früh auf und blieb noch einige Minuten liegen, bevor er schließlich doch aus dem Bett sprang und sich in dem kleinen Raum umsah. Er war nicht der Einzige, den die Sonne geweckt hatte; weder Hotáru noch die Zwillinge waren noch in ihren Stockbetten zu sehen. Nachdenklich packte er seine Sachen und machte sich langsam auf den Weg nach unten, wo er in seine Géta schlüpfte und gerade aus der Tür wollte, als plötzlich eine Stimme hinter ihm erklang. „Ryoki- kun, würdest du bitte auf mich warten? Ich möchte nicht alleine durch den Wald gehen!" Kagamí war aufgetaucht und streifte ebenfalls seine Suríppa ab. „Einige sind ja schon wach." Káshira bemühte sich, ein kleines Gespräch in Gange zu bringen. Mit dem Kleinen hatte er sich eigentlich noch nie richtig unterhalten; seine enorme Klugheit machte ihm direkt Angst. Wenn er da an sich selbst dachte, musste er sich richtiggehend schämen. Mit elf Jahren hatte er sich mehr für sein Fahrrad interessiert als über Dinosaurier oder die Schule nachzudenken. Wirklich peinlich.

„Ja, die Sonne heizt die Luft schon sehr auf. Es ist jetzt schon so heiß..." Kagamí zuckte die Achseln. An Gesprächen war er nicht sehr interessiert.

Auf der Lichtung spielten die Zwillinge begeistert mit einem Gegenstand, den sie mit langen Zweigen piesackten. Káshira schärfte seinen Blick, um das Ding in der Mitte zu erkennen. Es war ein kleiner Dinosaurier, nicht höher als sein Schienbein. Noch bevor er wusste, was er zu dieser Sache sagen sollte, sprang der kleine Saurier auf  Sángo zu und öffnete sein kleines Maul, das aus einer Batterie nadelspitzer Zähne bestand. Sángo schrie gemeinsam mit seinem Bruder entsetzt auf, als plötzlich die Hälfte seines Stockes nur noch aus langen Spänen bestand. Schreiend wichen sie weiter zurück und wurden von dem wütenden Raptor verfolgt.

Kagamí kicherte kalt. „Das ist ein Eoraptor. Aus der Trias; ein Fleischfresser."

„Verdammt!" Káshira begriff die Gefahr, in der die Kleinen schwebten, in seiner ganzen Größe, als aus dem Wald noch drei Dinosaurier brachen und sich zu ihrem wütenden Artgenossen gesellten. „Was sollen wir tun?" „Abhauen." Kagamí drehte sich bereits um und machte sich auf den Weg zum Wagen. Káshira verharrte eine Sekunde ratlos, während die kreischenden Zwillinge der Panik nahe auf ihn zuliefen.

Plötzlich öffnete sich die Tür des Fahrzeugs und Moko trat gähnend aus der Tür, das Gewehr im Anschlag. „Könnt ihr nicht die Tiere in Frieden lassen? Wir sind hier nicht in Disneyworld!" Einige Kugeln, die den Raptoren vor die Beine knallten, vertrieben sie bald. Moko schüttelte ärgerlich seinen Kopf und winkte die Kinder, die sich bereits etwas von ihrem Schock erholt hatten, zu sich. „Los, bewegt euch! Ihr könnt mir beim Frühstückmachen helfen, dann habt ihr wenigstens keine Zeit mehr, irgendwelchen Unsinn anzustellen!"

Káshira schüttelte halb erstaunt, halb ärgerlich seinen Kopf. Diese Kinder... sie hatten sich schnell damit abgefunden, auf einem fremden Planeten gestrandet zu sein. Aber vermutlich hatten sie das Problem in seiner ganzen Tragweite noch gar nicht verstanden.

„Bin wieder da." Als wäre nichts gewesen, trat Kagamí wieder an seine Seite. Káshira schnaubte ärgerlich. „Schämst du dich gar nicht? Du hast die Namarí's im Stich gelassen! Sehr kameradschaftlich war das ja nicht gerade!"

„Wir hätten nichts tun können. Raptoren sehen in uns Fleisch, das ist nun mal nicht zu ändern. Sie hätten uns verletzt und gefressen."

„Trotzdem." Káshira war immer noch böse. „Das gehört sich nicht."

Kagamí zuckte ungerührt die Achseln und verschwand, als sie den Fluß erreicht hatten, hinter einer Biegung.

Káshira warf ihm einen unfreundlichen Blick nach und musste plötzlich grinsen. Neben einem großen Stein saß Hotáru im Wasser und war eifrig damit beschäftigt, seine langen Haare zu entwirren. „Warum schneidest du dir die Matte nicht einfach ab? Wenn es so unpraktisch ist-"

„Ach, ich mag es, damit meine Eltern zu ärgern. Und es gefällt mir irgendwie. Warum, macht es mich noch hässlicher als sonst?"

„Nein, so war das nicht gemeint. Ich dachte nur... aber du pflegst sie sowieso gut. Ein Glück, dass die Regeln in der Schule so locker geworden sind."

„Ja, mit unserer Schule haben wir in dieser Hinsicht wirklich eine gute Wahl getroffen. Sie dürfen eben nicht offen sein, aber das ist ja nicht so schlimm."

Káshira streifte seine Kleider ab und ließ sich neben Hotáru, der dunkelrot geworden war, ins Wasser gleiten. Als er seine Miene sah, musste er lachen. „Was ist los? Du bist irgendwie... hmm, verklemmt, was? Jedenfalls wirst du immer ganz verkrampft, wenn jemand kommt..."

„Ich mag keine Gemeinschaftsbäder, das ist alles." „Warum, hat dich mal jemand ausgelacht?" Káshira grinste anzüglich. Hotáru blitzte ihn ärgerlich an. „Wenn du so weitermachst, kannst du deine Zähne im Wald suchen gehen." „Pah, das kannst du ja mal versuchen." Spontan schlang er den rechten Arm um Hotáru's  Hals und drückte ihn unter Wasser. „Hey, spinnst du? Laß' das gefälligst! Auf so was steh' ich nicht!" gurgelte Hotáru aufgebracht und bemühte sich erfolglos aus dem Griff zu befreien. „Du tust mir weh, Trottel!"

„Pah, laut dem, was man so über dich hört, gefällt dir so was doch total, oder? Und deine arme Verlobte hat auch keine besondere Freude mit dir, soll ich das übernehmen? Tu ich doch gerne..."

„Schwein, wenn du sie anfasst, bist du tot! Ich weiß doch genau, was du mit deinen Freundinnen bis jetzt angestellt hast – du bist ein unsensibler Idiot, der keine Ahnung hat, wie man sich benehmen sollte!" Mit einem heftigen Ruck gelang es ihm, sich aus dem Griff zu befreien. Káshira lachte spöttisch auf. „Ja, sorry, dass ich deinen Benimmkurs nicht mitgemacht habe... aber bei dir hat er wohl auch nicht viel genützt, so wie du dich benimmst... ein Lächeln ab und zu wäre auch nicht schlecht – "

„Wenn ich dich sehe, wird mir schlecht." „Aber, aber, wer wird denn so gemein sein. Ich wollte nur sagen, wie s du aussiehst, wenn du lächelst..." Er lachte boshaft auf.

Hotáru erstarrte und rückte von ihm ab. „Bleib mir vom Leib, du Trottel! Von deinen blöden Scherzen habe ich genug! Und ich hätte gedacht, dass du mich nach so langer Zeit besser kennst, um zu wissen, dass diese Gerüchte totaler Schrott sind! Und das du sie noch selbst verbreitest, ist echt zum Kotzen! Ich hasse Leute wie dich!" Verärgert klomm er aus dem Wasser und schlang das Handtuch um seine Hüften. Die nassen Haarspitzen schlugen in sein Gesicht, als er sich noch einmal zu Káshira umdrehte. „Seit zehn Jahren besuchen wir den selben Club, und du kennst mich nicht ein bißchen." „Du gibst mir auch keine Chance, dich besser kennenzulernen. Eine Auster ist ein offenes Buch gegen dich."

Hotáru schien noch etwas erwidern zu wollen, schüttelte dann aber nur den Kopf und schwieg. Während er seine Kleider überzog, verließ auch Káshira den Fluß. „Bist du jetzt beleidigt? Komm schon, das war doch nicht so gemeint."

„Ach? So was sagst du aber jedes Mal. Da muß doch etwas dran sein, oder?" Hotáru lachte spöttisch und warf seine Jacke über. Gerade als er gehen wollte, hielt ihn Káshira zurück. „Hey, warte noch auf mich." Wider Willen blieb Hotáru stehen und drehte sich um. „Na gut, aber beeil dich. Ich habe keine Lust, hier den ganzen Tag zu verschwenden."

Káshira grinste nur und begann sich anzuziehen. Wie Hotáru hatte er ihre sandfarbene Uniform ausgesucht, die eigentlich für ihren Landaufenthalt in Tomakomai vorgesehen gewesen war. Sie war robuster und weniger auffällig als die blauen Pfadfinderanzüge.

 Hotáru starrte inzwischen ausdruckslos vor sich hin. Er wollte Káshira um etwas bitten, hatte aber schreckliche Angst, dass dieser nur über ihn lachen würde.

„Hey... ich muß... dir etwas... dich um etwas bitten..." Káshira war unterdessen fertig geworden und betrachtete ihn neugierig.

 „Na, was ist denn?" meinte er aufmunternd, als Hotáru lediglich verzweifelt schwieg. „Würdest du dich -  ich... ich meine..." Endlich straffte er entschlossen seine Schultern und wagte mit dem Mut der Verzweiflung den Sprung ins kalte Wasser. „Wenn ich auf diesem Planet hier – äh, na ja, also, wenn ich sterbe oder so – kümmerst du dich dann um Kitsuné? Er ist manchmal so hilflos, weißt du... kommt mit der Welt hier nicht so zurecht – nur mit seinem Computer..."

„Wie kommst du auf die Idee, dass du sterben könntest? Dir passiert nichts, dafür sorge ich schon... Sachou allein wäre ja etwas überfordert, wenn er auf alle aufpassen müsste..."

„Ich will nicht, dass du dich um mich kümmerst, das wäre nur Zeitverschwendung... aber Kitsuné braucht jemanden, der auf ihn aufpasst." Hotáru war sehr ernst geworden und konnte Káshira nicht in die Augen sehen. „Ich glaube, ich... na ja, vergiß' es." „Was?" „Nichts. Der Planet ist nur sehr gefährlich, schätze ich. Sowieso ein Wunder, dass wir so normal sind. Ich meine, eigentlich müssten wir total verwirrt in der Gegend hin- und herrennen und uns heulend fragen, wie wir wieder nach Hause kommen..."

Káshira wurde ebenfalls ernst, während er über seine Worte nachdachte. „Nein, ich glaube, die Situation ist so krass, das wir nichts anderes tun können, als uns normal zu verhalten und das alles wie ein Spiel zu sehen..." „Meinst du?" Hotáru hatte begonnen, ein paar Grashalme, die am Uferrand wuchsen, auszurupfen. „Ich mache mir Sorgen... egal, wie blöd das jetzt klingt, aber trotzdem..." Káshira beugte sich aus einem Impuls heraus zu ihm hinunter und zog ihn vorsichtig an sich. „Was ist los mit dir? Du gibst doch jetzt nicht auf, oder? In den zehn Jahren, die wir uns jetzt kennen, habe ich wenigstens mitbekommen, dass du nie irgendein Gefühl zeigst – jedenfalls nicht dann, wenn es wirklich ernst wird – du bist derjenige, der bei Gefahr kühlen Kopf bewahrt – oder so ähnlich..." Verlegen lachte er ein bißchen und tätschelte seine Schulter. Hotáru schüttelte verzweifelt den Kopf. „Wann war es denn schon jemals ernst? Du irrst dich. Ich bin der Erste, der seine Nerven über Bord wirft und vor der Gefahr davonläuft. Auf mich kann man sich nicht verlassen..."

Káshira wusste nicht, was er dazu sagen sollte. „Das glaube ich nicht" sagte er endlich. „So schlimm wird es schon nicht sein. Wir schaffen es, du wirst sehen. Wir – " „Ich will nach Hause." Hotáru schmiegte sich für eine Sekunde enger an ihn. „In Hachinohe war es zwar fast nicht auszuhalten, aber es war die Erde... da wusste ich wenigstens, wo ich war... was ich zu tun hatte... aber hier... wir wissen nichts..." Káshira konnte die Anspannung in seinem Körper spüren. Aber von einer Sekunde auf die andere veränderte sich sein Verhalten und er erhob sich ruckartig. Als würde er eine Maske aufsetzen, änderte sich Hotáru's Gesichtsausdruck von Verzweifelt zu Unnahbar. Kalt starrte er den immer noch auf dem Boden sitzenden Káshira an. „Wenn du jemandem davon erzählst, dann werfe ich dich den Raptoren vor. Davon gibt es hier ja haufenweise." Verblüfft blickte ihm Káshira hinterher, als er von dannen zog. Für einen Moment hatte Suigín seine Maske fallen lassen... und damit gezeigt, dass er offensichtlich auch nur ein Mensch war...

„Hallo, Ryoki- kun! Schon so früh wach?" Sachou und Moko näherten sich dem Fluß. Beide trugen ebenfalls ihre sandfarbenen Uniformen unter den Armen. „Ja, die Sonne hat mich geweckt." Káshira grinste wieder und ging ihnen ein paar Schritte entgegen. „Gerade haben wir Suigín getroffen... sah aus wie eine unreife Zitrone... grün und sauer..." Moko grinste und Sachou bog sich vor Lachen. „Ja, stimmt! Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass er nie lacht? Ist sicher schon total eingerostet..."

„Hmm..." Káshira lächelte nur schwach, was die beiden anderen etwas erstaunte. „Was ist los?" „Vielleicht... ist er nur einsam?" Kaum hatte er es laut ausgesprochen, als er es auch schon bereute. „Ha, ha... vergesst den Unsinn, okay? Ich bin heute noch nicht so bei mir... brauche was zu essen..." „Das Frühstück ist fertig. Ich hab' die Kleinen dazu eingespannt, das sie arbeiten... sonst ärgern sie wieder irgendwelche Viecher, und ich möchte nicht, das ihnen ein Finger oder das halbe Gesicht fehlt... die sind ja noch so unvorsichtig..."

Moko lachte gemütlich und machte sich auf den Weg ins Wasser. „Das ist wärmer als ein Onsén, kraß! Total das tropische Klima..." „Ja, unglaublich. Es wirkt alles so unreal..." Sachou lächelte Káshira noch einmal zu und folgte Moko mit gerunzelter Stirn in den Fluß. „Heute suchen wir diese Stadt und fragen die Menschen, wo wir hier eigentlich sind... und wie wir hierher gekommen sind..."

Als Káshira wieder die Lichtung erreicht hatte, kam ihm Haná entgegen. „Oh, du bist schon fertig, Káshira- chan... schade..." „Haná, deine Knie sind dreckig..." misstrauisch beäugte er das kleine Mädchen, das leicht errötete, aber seinem Blick tapfer standhielt. „Ooch, ich bin hingefallen... bei den Blättern am Fl – äh, ich glaube, das Essen ist fertig" fügte sie mit veränderter Stimme hinzu. „So was macht man nicht, Haná. Haben dich deine Eltern nicht erzogen?" Schelmisch lächelnd wandte er sich ab und betrat den Wagen. Im Inneren lag Kitsuné lethargisch auf einer Bank und spielte gelangweilt mit seinem Handheld. „Willst du nicht nach draußen? Die anderen sind schon alle fertig." Der kleine Junge hob nicht einmal seinen Blick, sondern schüttelte lediglich den Kopf. „Keine Lust." „Hast du schon etwas gegessen?" „Keinen Hunger." Langsam begann Káshira Hótaru's Besorgnis zu verstehen. „Geht es dir nicht gut? Hast du ein Problem, über das du reden willst?" „Nein." Die Abfuhr war unmissverständlich. Káshira richtete sich ernüchtert auf und schüttelte den Kopf. Na, die Familie Suigín bestand anscheinend aus einem Haufen wortkarger Gefühlskrüppel. Ihre Telefonrechnung dürfte allerdings ziemlich niedrig ausfallen.

Chujitsu trampelte die Stiege nach unten und bremste abrupt, als er seinen Bruder und Kitsuné im Aufenthaltsraum sah. „Ach, du bist schon fertig, Káshira? Cool. Ich gehe jetzt zum Fluß, gehst du mit, Kitsuné- kun? Du bist ja auch noch im Schlafanzug." „Nein, keine Lust." „Ach, sei kein Spielverderber, ich hole deine Sachen für dich, ja? Es ist so schön warm!" Schon war er wieder nach oben verschwunden und ließ einen verdutzten Káshira zurück. Na, vielleicht konnte ja sein Bruder den Kleinen aus seiner Gleichgültigkeit reißen. Zum Glück schien Chujitsu das alles besser zu verkraften. Er war ja schon immer eine Frohnatur gewesen.

Eifrig erschien sein Bruder wieder und zog den widerstrebenden Kitsuné mit sich. „Komm, es wird langsam Zeit, dass wir fertig werden..." „Laß' mich gefälligst in Ruhe..." Ihre Stimmen verklangen in der Ferne, und Káshira wollte auch gerade wieder nach draußen gehen, als plötzlich ein spitzer Schrei erklang. „IIIIh!!! Ein MONSTER!!!" Kiíchigo stürmte mit wehendem Pyjama die Treppe nach unten und in seine Arme. „Ein KÄFER!!! SOOO riesig! Aah! Er hat mich beinahe GEFRESSEN!!!" Hinter ihr schlenderte Kagamí pfeifend nach unten. In seiner Hand trug er einen schwarzen Käfer, der mindestens einen halben Meter maß. „Den muß ich Kamomé- san zeigen. Das wird sie interessieren..." Zu Kiíchigo gewandt meinte er nur kühl „Wer so lange schläft, dass sogar schon die Käfer denken, da liegt ein Stück Aas, der ist selber schuld!" und verschwand aus der Tür. Kiíchigo keuchte entsetzt und ärgerlich zugleich. „Dieses KIND ist nicht normal! Als ich aufwachte, stand er über mir und schwang seinen Besen... und auf der Decke lag der Monsterkäfer, er hätte mich fast erschlagen... Hier ist wohl keiner normal, was?" „Auf den Schrecken brauchst du doch einen kleinen Ku..." lüsternd grinste er sie an. Erzürnt stieß sie ihn zur Seite. „Was erlaubst du dir eigentlich? Ich bin immerhin verlobt... und ich bin keins der Mädchen, das sich herumreichen lässt..." Lachend ließ Káshira sie los und packte sie an der Hand. „Los, wir wollen etwas essen. Ich bin schon halb verhungert!" „Ich bin noch im Nachthemd. Also wirklich!" Kiíchigo befreite ihren Arm und wanderte wieder nach oben. „Hiyokó und ich gehen und waschen uns jetzt. Bitte, kannst du dafür sorgen, dass noch etwas zu essen übrig bleibt?" „Klar doch. Tu' ich doch gerne..." Die beiden Mädchen zogen eifrig miteinander schwatzend ab. Anscheinend hatten heute alle vor, ihre Landuniformen zu tragen.

Hotáru und Kamomé saßen stumm nebeneinander auf einem am Boden liegenden Baumstumpf und hielten eine Tasse Kaffee in der Hand. Sie wirkte noch unnahbarer als sonst und hatte die Nase tief in ein dickes Buch vergraben, ohne ihre Umwelt zu registrieren.

Hotáru dagegen starrte reglos vor sich hin und rieb geistesabwesend seinen Knöchel. Das Klima tat der Narbe offensichtlich nicht gut.

Káshira beobachtete die beiden und konnte ein spöttisches Grinsen kaum unterdrücken. Die zwei waren schon ein skurriles Paar...

Moko hatte einen Campingkocher aufgestellt und so einen provisorischen Herd errichtet, auf dem er Kaffee und Misosuppe zubereitet hatte. Die Zwillinge aßen gerade ihre dritte Portion und kicherten, als sich Káshira eine Schale schnappte und sie mit der Suppe füllte. „Da haben wir mitgeholfen und mit Moko gekocht! Schmeckt gut, was? Aranámi und Suigín haben zwar noch nichts gegessen, aber schon jeder zwei Tassen Kaffee getrunken!" Aufgeregt kicherten sie noch eine Weile und widmeten sich dann wieder ihrem Essen.

Die Pfadfinder trudelten der Reihe nach ein und füllten Suppe in ihre Schalen, während sie sich über ihre Situation unterhielten. „In der Ferne war ein großer Dino, der hat Fische aus dem Fluß gefressen... hatte solche Angst..." „Komm, setzen wir uns gleich auf die Wiese, aber Vorsicht... hier gibt es ganz große Insekten..." „Glaubst du, wir kommen wieder heim? In der Nacht habe ich so ein Heulen gehört... die Dinosaurier waren – äh, sind doch ziemlich groß, oder? Ich hab' Angst..."

Kamomé klappte ihr Buch mit einem Knall zu und stand abrupt auf. „Ich mache mir Sorgen, Suigín" meinte sie ausdruckslos. „Keine Ahnung, wie wir von hier wieder wegkommen sollen... aber sag es den anderen nicht." „Nein." Hotáru nickte beherrscht. „Das dachte ich mir schon." „Ja." Das war alles. Kamomé stellte ihre Tasse zum restlichen Geschirr und war gerade im Begriff, wieder in den Wagen zu steigen, als plötzlich lautes Rauschen erklang und ein heftiger Windstoß die Palmfarne erschütterte. „Was... was ist das? Ein Sturm?" Sachou ging in Deckung und kreuzte die Arme erschrocken vor dem Gesicht. Watarí keuchte entsetzt und klammerte sich reflexartig an Hotáru, der wiederum nach Kitsuné suchte. Wo steckte der Kleine bloß?

Mit einem lauten Knall segelte etwas vom Himmel und prallte dröhnend auf den Boden. Staub wirbelte auf und der improvisierte Herd kippte dröhnend zur Seite. Dann herrschte sekundenlang atemlose Stille, bis die Kinder es wagten, hustend und jammernd wieder aus ihren Verstecken zu kriechen und sich vorsichtig dem Gegenstand auf der Erde zu nähern. Reglos lag dort ein riesiger Flugsaurier, der nur noch schwach mit den Flügeln zuckte, die mehrmals gebrochen schienen. Sein Kopf ruhte seitlich in einer sich stetig vergrößernden Blutlache, die kalt schimmernden Augen gebrochen und halb geöffnet. Der Schnabel öffnete sich zu einem gequälten Aufschrei; aber kein Laut löste sich mehr aus seiner Kehle. Stumm verschied er ohne Trost aus einer feindlichen Welt. Sprachlos bildeten die Pfadfinder einen Kreis um den zerbrochenen Körper und wussten nicht, was und ob sie etwas sagen sollten.

„Da... da bewegt sich noch etwas..." Zitternd vor Schock und Abscheu wies Tókui auf den linken Flügel des Giganten, unter dem etwas hervorzukriechen versuchte.

Beherzt traten Káshira und Moko hinzu und hoben den zerschmetterten Flügel nach oben. Selbst die kleinen Zehen, die hervorragten, waren zusammengekrampft und bluteten heftig; darunter regte sich ein kleines Tier. Mit einem Aufschrei sprangen die beiden zurück, prallten gegeneinander und stürzten zu Boden.

Kalt ihren Kopf schüttelnd drängte Kamomé hinzu und hob nun selbst den Flügel an, unter dem sie einen kleinen Flugsaurier hervorzog. „Angsthasen" warf sie den Jungen verächtlich hin, die keuchend am Boden saßen. „Habt sogar vor einem Baby Angst."

Káshira streckte ihr wütend die Zunge heraus. „Klappe, Aranámi! Jetzt kannst du ja die Starke markieren, wir haben ja Vorarbeit geleistet!" „Auf den Hintern zu fallen ist keine Vorarbeit." Zu aller Erstaunen begann sie plötzlich hellauf zu lachen. „Hahaha! Ihr solltet euch mal sehen! Schade, dass es hier keine Kameras gibt!"

Hotáru trat still zu Káshira und streckte seine Hand aus. „Los, steh auf, oder willst du hier ewig sitzen bleiben? Das ist ja nur ein Junges. Also, keine Angst..." Verlegen und ärgerlich griff Káshira danach, hochrot im Gesicht. „Es hätte ja was Gefährliches sein können..."

„Ja, klar, du großer Held." Trotz der boshaften Antwort lächelte Hotáru scheu und zog ihn hoch.

Kagamí hatte den kleinen Saurier inzwischen in Gewahrsam genommen und marschierte mit ihm auf den Arm in den Wagen. Die Zwillinge und Haná schlossen sich ihm an und verschwanden ebenfalls laut schnatternd im Fahrzeug.

Nachdem sich die Tür geschlossen hatte, starrten sich die übrigen Pfadfinder wortlos in die Augen. „Sehen wir uns den Leichnam mal genauer an, jetzt, wo die Kleinen weg sind..."

„Okay." Tókui und Káshira drehten den Pteranodon vorsichtig auf den Rücken. Watarí schnaubte entsetzt auf und packte Hotáru's Arm. „Da... das sind ja Pfeile...!!"

„Die Stadt... dort gibt es sicher auch Soldaten... Ob sie hier herkommen? Offensichtlich haben sie ihn gejagt..." Sachou schüttelte sich heftig vor Furcht und Ekel. Tókui bemerkte es und grinste geringschätzig. „Angsthase..."

„Seid mal still! Hört ihr das?" Káshira war ernst geworden und hob warnend den Arm, während alle angestrengt zu lauschen begannen. In der Ferne konnte man Laute erkennen, die zu geordnet waren, um die üblichen Geräusche dieses Waldes zu sein... entweder eine Herde Dinosaurier, die sich untereinander verständigten, oder – Menschen. Dinosaurier konnten keine Pfeile hergestellt haben.

„Los, zurück ins Auto" zischte Káshira beinahe lautlos. „Ich möchte nicht mehr hier sein, wenn die Geräuschursache erst mal auf dieser Lichtung ist..."

Keiner der Pfadfinder widersprach, im Gegenteil; verstört und wachsam wichen sie in Richtung Fahrzeug und bemühten sich, keinen Laut von sich zu geben... die Geräusche schwollen rasch lauter und bedrohlicher an.

Als sie schließlich das Innere erreicht hatten, schlossen sie behutsam die Tür und lehnten sich aufatmend dagegen. Dieser Dschungel barg abgesehen von den Raubsauriern noch eine große Gefahr in sich: die Menschen. Die Einwohner dieses Planeten würden vermutlich keine Skrupel haben, Fremde wie sie als bedrohliche Eindringlinge zu sehen und anzugreifen. Und mit solchen Pfeilen, wie primitiv auch immer, war nicht zu spaßen.

„Wo ist mein Gewehr?" Káshira wirkte entschlossen, sich der Gefahr entgegenzustellen. „Wir sehen uns mal an, wer da kommt. Und wenn es uns nicht gefällt, dann können wir uns verteidigen." „Sollten wir nicht lieber erst mal reden?" fragte Moko langsam und mit deutlichem Widerwillen in seiner Stimme. „Mir gefällt der Gedanke nicht, Menschen mit einem Gewehr in der Hand zu begrüßen... immerhin sind wir die Eindringlinge..."

„Die wissen aber nicht, dass wir harmlos sind. Und Soldaten schießen vermutlich sofort, ohne erst lange zu fragen. Káshira- kun hat recht. Wir brauchen die Knarre." Tókui wirkte beinahe ebenso begeistert wie beunruhigt. „Ich helfe dir, sie zu holen." Eifrig wollte sie bereits auf und davon stürmen, als sie Káshira mit einem verlegenen Lächeln zurückhielt. „Ich muß euch was beichten..." Tókui blickte ihn plötzlich alarmiert an. „Sag' bloß nicht, dass du..." „Doch." Er grinste wieder und wirkte wie ein kleines Kind, das bei einer Dummheit ertappt worden war. „Na ja, die M16A2 ist nicht die einzige – ähm, hmm, na ja, - Waffe, die ich mitgenommen hab..."

Sachou wurde aufmerksam und starrte ihn entgeistert an. „Noch mehr? Was soll denn das heißen? Du hältst dich wohl wirklich nur dann an die Schulregeln, wenn es dir gerade mal so in den Kram passt, was? Was denkst du eigentlich, wo du hier bist? Das ist kein Militärspiel! Du kannst nicht einfach scharfe Feuerwaffen mit an Bord bringen... jemand hätte sich verletzten können!" Als er auf Káshira zutrat, wirkte er zum ersten Mal wirklich wütend und sah richtiggehend beängstigend aus. „Wenn jemandem hier auf diesem Schiff etwas passiert, nur weil du ein Waffenfetischist bist, dann kannst du was erleben, das schwöre ich dir..."

„Pah, keinen Aufstand! Sei mir lieber dankbar, jetzt siehst du ja, dass wir sie brauchen..."

Sachou wollte etwas Wütendes erwidern, wurde aber von Tókui davon abgehalten, die sich an Káshira's Arm gehängt hatte und ihn ungeduldig mit sich zog.

 „Sachou- kun, du redest zuviel. Es wird schon nichts passieren, und die Soldaten oder wer auch immer kommt, warten nicht..." „Ja, aber – hey!" Ärgerlich starrte Sachou ihnen nach, als sie nach oben eilten, ohne ihn noch zu beachten. Káshira drehte sich am oberen Ende der Treppe noch einmal um. „Suigín, Ukí, los, kommt auch mit!"

Zu Watarí's Verwunderung folgte ihm Hotáru, ohne ein Wort zu sagen. Kopfschüttelnd stieg er hinter seinem Freund die Treppe in den Jungenschlafsaal empor und wunderte sich über dessen Ruhe. Normalerweise hätte sich Hotáru garantiert über Káshira's Ton geärgert und ein paar spitze Bemerkungen abgelassen.

Bei den Stockbetten angekommen bildeten die drei einen Halbkreis um Káshira, der verschwörerisch lächelnd auf dem Boden kniete und den Reißverschluß seines Seesackes mit einem Ruck öffnete. Auf den ersten Blick war der Beutel wie jeder andere mit Unterwäsche und persönlichen Utensilien gefüllt; allerdings besaß er einen doppelten Boden, den Káshira zur Seite klappte und dem Hohlraum zwei weitere Gewehre entnahm. „Ohne die kann ich nicht verreisen." „Du bist verrückt, Ryoki- kun." Ruhig hockte sich Hotáru neben ihm auf den Boden und nahm ihm eine der Waffen aus der Hand. „Beweisen sie dir deine Männlichkeit? Einen anderen Grund kann ich mir nicht vorstellen..." „Klappe! Du verstehst das ganz falsch!!" Seine Ohren hatten sich bereits dunkelrot verfärbt, was Hotáru mit kundigem Blick registrierte. „Klar doch. Ich muß es wohl falsch verstanden haben..." Spöttisch lächelnd erhob er sich wieder, während er das Gewehr allerdings in der Hand behielt. „Gib wieder her. Das ist was für echte Männer..." „Ach ja? Dann darfst du es aber nicht benutzen." „Hört sofort auf, euch zu streiten, ihr unreifen Idioten! Káshira, du hältst die Klappe, wenn ich noch einmal einen Machospruch höre, dann probiere ich an dir aus, wie das Teil funktioniert, und du, Hotáru, wenn du weiterhin wie eine mit Gift gefüllte Schlange herumläufst, dann wirst du noch mal an deiner eigenen Bosheit sterben." Tókui schnaubte ärgerlich und drückte Káshira die letzte Waffe in die Hand. Die M16A2 hielt sie bereits fest in der Hand und schien nicht geneigt, das Gewehr jemand anderem zu überlassen.

„Und ich?" meinte Watarí schüchtern und duckte sich, als er von Tókui ärgerlich angeherrscht wurde. „Du und Suigín teilt euch natürlich eine, du Trottel! Kannst du nicht mitdenken? Wie hast du es bis jetzt durch die Schule geschafft? Hoffnungslos..." Aufgebracht schnaubend versetzte sie Káshira noch einen leichten Stoß in den Rücken und verschwand aus der Tür in Richtung Dachluke. Die Jungen starrten ihr sprachlos nach und fingen sich erst nach einiger Zeit wieder so einigermaßen. „Diese... diese Hayasé – unglaublich..." Watarí schnappte ungläubig nach Luft und ärgerte sich maßlos, als Káshira zu lachen begann. „Ja, so ist sie eben immer... die ist mehr Mann als so mancher hier, der das von sich behauptet..."

„Sprichst du von dir?" Hotáru verzog bei diesen Worten nicht einmal sein Gesicht. „Gehen wir jetzt, ja?" „Du kannst ja gar nicht schießen, Hotáru. Das Gewehr gib lieber Ukí, der hat wenigstens Kraft genug, um es zu halten." Káshira blitzte ihn boshaft an, wurde aber von Hotáru kalt ignoriert, der es vorzog, darauf gar nicht zu antworten. Watarí mischte sich lieber gar nicht ein, sondern drängte nur schweigend an ihm vorbei, immer hinter Hotáru her.

Die vier Schützen verteilten sich nebeneinander längsseits der engen Öffnung und warteten ab, die Waffen im Anschlag. Die Geräusche aus dem Dickicht waren um vieles lauter geworden; es war bereits möglich, Stimmen voneinander zu unterscheiden.

„Das müssen wirklich Soldaten sein... schießt erst, wenn die uns angreifen. Und auf keinen Fall auf die Menschen, klar?" wisperte Tókui leise. „Natürlich." Für die anderen war das ohnehin logisch. Mörder wollten sie ja nun doch nicht werden.

Schweigend warteten die Pfadfinder im Fahrzeug verschanzt ab. Jeden Moment musste die Truppe die Lichtung erreichen und das Gefährt entdecken...

Gerade als die Soldaten aus dem Dickicht brachen, ließ ein dröhnender Schuß die Luft erzittern. Beide Seiten hielten für Sekunden vor Schreck erstarrt die Luft an, dann allerdings brüllte der Truppenführer einen scharfen Befehl, und die Soldaten lösten ihre Saurier.

„Los, weg hier! Fahr weg!!" Káshira brüllte entsetzt und wütend zugleich nach unten in den Wagen, der sich daraufhin so ruckartig in Bewegung setzte, dass die Vier brutal gegeneinander prallten und nach hinten kippten. „Au! Aua, verdammt!" „Du tust mir weh!" Wütend rappelten sie sich wieder auf und starrten einander an. Hotáru war gegen Tókui geprallt und hatte sich den Rücken angeschlagen, Káshira hatte mit beiden Knien unsanft Bekanntschaft mit dem harten Boden geschlossen und klagte laut den Wänden sein Leid. Watarí rieb seinen Arm, den er bei seinem Sturz zwischen Gewehr und Boden eingeklemmt hatte, und kroch stöhnend zu Hotáru, der es immer noch nicht geschafft hatte, sich aufzurappeln. Tókui hockte indessen schreckensbleich an die Wand gelehnt und atmete stoßweise, um sich wieder zu beruhigen. „Trottel! Idiot! So was Dummes!!! Womit habe ich das nur verdient??" Schuldbewusst hörte Káshira auf zu wimmern und schniefte noch einmal mitleidheischend. „Sorry..." „Musstest du denn unbedingt herumballern? War ja wieder nötig..." Keuchend schaffte Hotáru es schließlich doch, wieder auf die Beine zu kommen. „Warum..." „Diese – Biester – die... haben es... der Luftzug hat mich... ich dachte doch..." Káshira wirkte den Tränen nahe und rieb sich kurz über die Augen. „Dachte, die würden... ich wusste doch nicht, was das war – da war nur so ein Luftzug..." „Schon gut. Ist ja nichts passiert..." Watarí wollte eigentlich nur beruhigend eingreifen, wurde aber plötzlich von allen Seiten angebrüllt. „Klappe..." „Halt den Mund, Ukí..." „Kannst du zur Abwechslung auch mal was Kluges sagen, Watarí?" Verstört klappte er seinen Mund wieder zu und beschloss zur Vorsicht lieber zu schweigen. Im Moment schien das noch am sichersten zu sein.

„Ich war ja nicht der einzige, der geschossen hat! Ich weiß genau, dass einer von euch beiden genauso den Finger zu locker am Abzug hatte!" Káshira hatte seine Gedanken wieder etwas geordnet und starrte die übrigen Drei wütend an. „Los, sagt mal gleich, wer das sonst noch war!"

Für lange Sekunden antwortete keiner, sondern alles starrte auf den Boden. Dann gab sich Hotáru einen Ruck. „Na gut, okay, ich – " „Ich hab' auch" warf Tókui kleinlaut und verlegen ein. „Also, jeder mit einer Waffe, ja? Na, dann hätten wir ja gleich drei Schuldige!"

„Fein" warf Watarí schließlich trocken ein. „Dann wäre das ja geklärt." Wieder schwiegen sie sekundenlang und brachen schlußendlich in lautes Gelächter aus. „Haha, na ja... kann man nichts machen..." Tókui kratzte sich verlegen am Kopf. „Vergessen wir das am Besten. Ist ja sowieso nicht mehr zu ändern!" „Ja... tut mir leid." „Mir auch. Ich war zu schreckhaft."

Peinlich berührt lächelten sich die vier Schützen an und machten sich wieder auf den Weg nach unten, wo sie nicht gerade mit Jubel empfangen wurden.

„Na toll! Gut gemacht!" ätzte Moko schadenfroh und grinste. Sachou dagegen wirkte plötzlich, als hätte er einen Spazierstock verschluckt, und starrte sie ärgerlich an. „Ihr hättet wenigstens ein paar Nerven beweisen können! Habt ihr jemanden getroffen?" „Nein" antwortete Káshira ärgerlich und schnitt ihm eine Grimasse. „Wer selber nichts gemacht hat, sollte lieber still sein!" So ging es noch eine Weile munter weiter; keiner der Vier hatte in diesen Minuten viel zu lachen. Ziemlich kleinlaut schlichen sie schließlich in den Schlafsaal und warfen Káshira die Waffen auf sein Bett. „So, da hast du! Tolle Vorstellung!" „Selber schuld" erwiderte er trocken. „Ihr hättet auf euch selber aufpassen können." „Ja, nachher ist man immer klüger."

„Trottel." Hotáru beendete ihre fruchtlosen Gespräche abrupt. „Hast du eigentlich vergessen, dass ich schon seit fünf Jahren bei den Sportschützen bin?" „Ach... ach ja..." Káshira wurde nachdenklich. „Trotzdem..."

„Jetzt hört endlich auf, euch wie ein altes Ehepaar zu benehmen! Da muß man sich ja direkt schämen!" Tókui schlug heftig mit der Hand auf das Bett, auf dem sie sich niedergelassen hatte. Beide wurden tiefrot und konnten keinem in die Augen blicken. „So ein Unsinn, sag' das ja nicht noch einmal..." „Spinnst du? Ehepaar? Pah, wenn ich könnte, würde ich den Kerl aus dem Fenster schmeißen..." „Ach ja? Am liebsten wäre es mir, wenn du mal unter dem Auto stehen bleibst – und unter die Räder kommst..." „Pah, bin ja nicht so blöd wie du..."

Tókui schüttelte halb verzweifelt, halb belustigt den Kopf. „Na, da muß ja was Wahres dran sein, wenn ihr euch so aufregt..."

Moko hatte den Wagen unterdessen aus dem Dschungel gelenkt und befand sich nun in einer sandigen Ebene, die auf der rechten Seite von einer niedrigen Hügelkette gesäumt wurde.

„So, das hätten wir fürs Erste mal geschafft... Glück gehabt! Noch mal davongekommen..."

Tókui atmete erleichtert auf. „Puh... gut so. Am besten, wir steigen wieder aus und sehen uns ein bißchen um... die erste Begegnung mit Menschen hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt." „Ein Wunder, dass hier echte Menschen wohnen... ich hätte Aliens erwartet..." Sángo wirkte etwas enttäuscht. „Grünäugige Männchen mit gelber Haut, oder was? Haha..."

Okami lachte seinen Bruder spöttisch aus. „Trottel! Hör sofort auf zu lachen!" „Hihi! Selber schuld!" Die Zwillinge zankten sich in dieser Art und Weise noch einige Zeit lang, während die anderen schweigend auf den beiden Bänken an den Seiten des Wagens saßen und gedankenverloren in die Luft starrten.

Kagamí beschäftigte sich unterdessen mit dem kleinen Flugsaurier, der sich verschreckt im Raum umsah. Kamomé setzte sich zu ihm. „Na, wie geht es ihm? Ist er verletzt?"

„Nein. Aber einen Schock könnte er haben. Schade, dass so ein Tier nicht sprechen kann... das würde einiges leichter machen. Wir könnten – " „Hey, ihr Faulpelze! Was ist nun? Wir hocken jetzt wirklich schon lange genug hier drin! Also, wer geht mit raus und sieht sich mit uns Dreien um?" Káshira blickte fragend in die Runde. Natürlich meldete sich keiner.

„Na kommt schon, ihr Angsthasen! Wirklich keiner?" Stumm schüttelten alle ihre Köpfe und mieden seinen Blick. „Hey, hier sind sicher keine Soldaten! Und vielleicht treffen wir auf etwas freundlichere Menschen, die uns nicht gleich an den Kragen wollen..." Keine Reaktion. Entnervt gab Káshira schließlich auf. „Na gut, dann eben nicht. Wir bemühen uns, bald wieder hier zu sein, okay?" „Passt auf euch auf" gab ihnen Sachou noch auf den Weg mit. „Bitte, seid sehr vorsichtig." „Klar doch." Tókui grinste aufmunternd und stieg hinter den beiden anderen aus dem Wagen. „Sind wir doch immer."

Sachou folgte ihnen besorgt mit den Augen, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Dann wandte er sich mit einem Aufseufzen wieder an die anderen. „Also, dann... wir könnten auch aussteigen und etwas zu essen machen. Moko, würdest du bitte..." „Klar doch. Ihr helft mir, ja?" Alle nickten zustimmend und halfen, den Herd aufzubauen. Hunger hatte eigentlich jeder, außer –

„Du bist so blaß, Kitsuné. Ich mache mir Sorgen um dich. Ißt und schläfst du genug? Das musst du tun. Sonst – " „Du solltest mal in den Spiegel sehen. Du siehst auch von Tag zu Tag schlechter aus." Kitsuné ließ seinen verblüfften großen Bruder einfach stehen und setzte sich weit entfernt von den anderen auf den Boden, ohne jemanden zu beachten oder sich zu unterhalten.

„Komm, setz' dich zu uns, Suigín- kun. Wir unterhalten uns gerade über den Pterosaurus." Kamomé's kühle Stimme erklang direkt neben seinem Ohr und erschreckte ihn heftig. „Oh, oh, Aranámi- san... äh, ich verstehe nichts von Paläontologie... lieber nicht..." „Ach, komm' schon. Du wirst doch im Unterricht wenigstens ein bißchen aufgepasst haben, oder?" Hotáru ließ sich breitschlagen. „Na gut..."

Während Moko mit den Kleinen schnell etwas zu essen zubereitete, setzte sich Hotáru zu Kamomé, Sachou und Watarídori, die sich um Kagamí, der den Pterosaurus in den Armen hielt, geschart hatten. „Und? Was meint ihr?" Watarí blickte erwartungsvoll auf die anderen, die den Saurier ebenfalls einer genauen Inspektion unterzogen.

„Ein Pteranodon. Eigentlich im Jura beheimatet, lebte vorwiegend am Meer, Fischfresser. Auf diesem – hm, Planeten, scheinen die drei Perioden ineinander überzugehen. Die Raptoren waren aus der Trias, soviel ist sicher. Und der Allosaurus und dieser Pteranodon – " 

„Ich heiße Dokuritsu-Sénsō, nicht Pteranodon!" quiekte plötzlich eine durchdringende hohe Stimme. Einige Sekunden lang herrschte entsetzte Stille, dann erbleichten die Pfadfinder vor Schreck und Kagamí schleuderte den Saurier mit spitzen Finger weit von sich.