20. Kapitel
Khayáal„Es sind keine guten Nachrichten, die Ihr mir da bringt, General Mosar. Ich hatte auf bessere Ergebnisse gehofft... auch von Major Sākuru und Euch, Hauptmann, hätte ich mehr erwartet... Ihr seid weder in der Lage, eine Schar schwacher Kinder zu finden und vor den Hohenpriester zu bringen, noch einen schwachen Rebellensohn. Ich muß sagen, ich bin ernstlich ein wenig verstimmt..."
Offenbar ruhig und gelassen beendete der König vorerst seine Strafrede und lehnte sich in seinem Sitzkissen zurück, während er seiner Konkubine, die leise auf einer Saùng-Gauk - ähnlichen Bogenharfe spielte, zu lauschen schien. Der vor ihm auf dem Marmorboden kniende General und sein Hauptmann atmeten etwas befreiter auf. Anscheinend nahm der König ihr Versäumnis doch nicht zu schwer; er wirkte friedlich und -
„UNFÄHIGE IDIOTEN!! Wie könnt ihr es nur wagen, nach diesen Fehlern auch noch vor meine Augen zu treten? Seht zu, dass ihr den Sohn des Rebellen sowie diese Kinder auftreibt und dem Hohenpriester ausliefert. Wenn ihr es noch einmal wagen solltet, mit leeren Händen vor mich zu treten, dann werdet ihr euch wünschen, niemals geboren worden zu sein." Wütend schlug er mit der geballten Faust auf die weichen Kissen, während die schwarzhaarige Konkubine ungerührt weiter vor sich hin musizierte und die ganze Aufregung gar nicht zu bemerken schien.
„Hinaus mit euch. Kommt nicht eher wieder, als die Fremden in eurer Obhut sind und auf den Hohenpriester warten. Sonst könnt ihr euch gleich selbst auf die Folterbank legen, denn ich kenne keine Gnade mehr. Geht jetzt!" Das ließen sich General und Hauptmann lieber nicht zweimal sagen. Ehrerbietig verneigten sie sich und wichen rückwärts zur Tür, während sie ständig demütig vor sich hin murmelten. „Shi Huángdì, wir werden Euch nicht enttäuschen... diese Kinder werden wir sofort gefangen haben... Wir danken Eurer Großmütigkeit..."
Verstimmt starrte ihnen der Monarch hinterher und wandte sich dann an seine Konkubine. „Eakeno, geh auch du. Heute ertrage ich keine von eurer Sorte mehr. Ich brauche Ruhe und Frieden."
Still tat die junge Frau, wie ihr geheißen, ergriff ihr Instrument und folgte beiden Soldaten nach draußen, wo sie sich gegen das geschlossene Tor lehnte und einen erbitterten Seufzer ausstieß. „So ist er heute schon den ganzen Morgen. Es ist nicht mehr auszuhalten – General Mosar, würdet Ihr mich begleiten? Ich und die Anderen würden gerne etwas Tee für Euch zubereiten – Ihr wart schon lange nicht mehr hier..." Sie lächelte verschmitzt und zwinkerte.
„Lady Eakeno, einem solchen Angebot kann ich natürlich nicht wiederstehen. Es wäre mir eine große Ehre, mit Euch eine lange Unterhaltung zu führen – wenn es Eure Zeit erlaubt..."
Die schöne Konkubine lächelte nur und schritt schnell voran. Mosar und Matandua hatten Mühe, ihr zu den Frauengemächern zu folgen. Vor einer aufwendig verzierten Türe blieb sie schließlich stehen und klopfte leicht an, bis ihr ein junger Diener öffnete. Kaum hatten die im Inneren sitzenden Personen den General erblickt, ertönte lautes Gelächter, und Mosar wurde, eh er sich's versah, von noch fünf anderen schönen Frauen umringt, allesamt königliche Konkubinen. „Oh, General! Welch Überraschung! Kommt schnell herein! Nur herein!"
Mosar und Matandua wurden in ein duftendes Gemach gezogen, welches über und über von weichen, reichverzierten Sitzkissen aus Samt und Seide übersät war. Die Konkubinen beförderten die Zwei ungeduldig in ihre Mitte und scharten sich erwartungsvoll um die beiden Männer. „Also, berichtet uns, was es Neues gibt! Wir sind ja soo gespannt... aber zuvor – "
Lǐwù, die Älteste der Sechs, zupfte an seinen eisernen Schulterklappen und setzte ein schmeichelndes Gesicht auf. „Ihr sollt es doch bequem haben. Legt bitte Eure Rüstung ab."
„Ja, in diesem eisernen Panzer könnt ihr doch kaum sitzen!" fielen auch die anderen ein.
„Keine Sorge, meine Rüstung ist meine zweite Haut. Aber Ihr habt recht; in diesen anmutigen Gemächern ist sie wohl fehl am Platz." Mit diesen Worten trennte sich Mosar von seinem Brustharnisch, welches ein kleiner Diener auf einen Wink Eakenos sofort nach draußen trug. Auch Matandua hatte selbiges ohne Aufforderung getan, was sie zu einem ärgerlichen Stirnrunzeln veranlasste. „Wann habe ich dir die Erlaubnis gegeben, dasselbe zu tun wie der ehrwürdige General? Jemand aus dem Volk der Ngardmau kann sich eben einfach nicht benehmen!" „Lady Eakeno, seid nicht zu hart zu mir. Auch meine Rüstung ist nicht leicht." „Schwätzer!" Halb besänftigt wandte die junge Konkubine ihre Aufmerksamkeit wieder Mosar zu, der die Szene amüsiert beobachtet hatte. „Wünscht ihr Tee, General?" Ohne seine Antwort abzuwarten, klatschte Wēnnuǎn leicht in die Hände, woraufhin eine junge Frau erschien, die ein silbernes Tablett mit zwei Teeschalen und einer großen Kanne trug.
„Feinster Hóngchá. Shi Huángdì hat ihn uns bringen lassen... er ist ja sonst so gut zu uns..." Anmutig räkelten sich die schönen Frauen in den weichen Kissen, während Mosar inzwischen unbeeindruckt den pechschwarzen Tee schlürfte, der wirklich eine gute Ernte zu sein schien und sich fragend an Lǐwù wandte. „Was soll das heißen, er ist ja sonst so gut zu Euch? Hat Shi Huángdì sich Euch gegenüber schlecht verhalten?"
Die Konkubinen sahen sich erschrocken an und schwiegen eine kleine Weile. Dann allerdings fasste sich Shōbu als Erste ein Herz und begann leise zu erzählen.
„Nun... der Göttlich Erhabene ist nicht mehr so nett zu uns wie sonst... Früher war er immer sanft und zärtlich, und jederzeit bereit, uns zuzuhören oder mit uns zu sprechen. Aber seit einigen Monaten... wirkt er immer abwesender und übelgelaunter. Sonst gab es für ihn nichts Entspannenderes, als unserer Musik zu lauschen, sich massieren zu lassen oder mit uns zu sprechen. Nebst anderen Dingen natürlich..." Sie lächelte schelmisch. „Aber das nur nebenbei erwähnt... Tatsache ist jedenfalls, dass sich der Göttlich Erhabene sehr geändert hat – und wir alle denken, dass es möglicherweise mit den häufigen Besuchen des Hohenpriesters zu tun haben könnte." „Wir dachten ja zuerst an – hmm, wie soll ich sagen?" steuerte Míithaa leicht errötend bei. „Nun, der Hohenpriester ist ja ein – durchaus – anziehender Mann, und wenn Shi Huángdì etwas Abwechslung braucht, bitte... Aber es war nicht der Grund."
„Nein." Mìfēng traten Tränen in die roten Augen, und sie musste sich abwenden. „Oh, General, ich flehe Euch an, helft Shi Huángdì. Ich kann seine Kälte nicht mehr länger ertragen... sie bricht mir das Herz... schon seit acht Jahren lebe ich hier und diene ihm, und noch nie zuvor war er so wenig Er selbst..." Heftig begann sie zu schluchzen und verbarg ihr Gesicht in den Händen, während ihre Schultern zuckten.
Wēnnuǎn umarmte sie tröstend, während sich Eakeno kopfschüttelnd wieder zu Mosar und Matandua drehte. „Diese Mìfēng... ein wahres Seelchen. Aber nun gut – Ich hoffe, der Tee war nach Eurem Geschmack, General. Nun, es ist schon sehr spät geworden..."
„Wir danken Euch, für diese Einladung und die bezaubernde Bewirtung, allerdings, wie Ihr sagt, Lady Eakeno, es ist schon spät, und wir müssen uns auf die Suche nach dem Rebellen und seinen Beschützern in ihrem seltsamen Gefährt machen – sobald es Neuigkeiten gibt, werden wir sie natürlich mit Euch teilen..." Mit einem leisen Klicken setzte Mosar seine Teeschale ab und erhob sich eilig, während Matandua es ihm pflichtbewusst gleichtat.
„Noch einmal vielen Dank, und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder – " „Nichts zu danken, General. Bringt nächstes Mal ruhig auch Euren Major mit – der Gute muß doch sehr traurig sein, dass er eine Audienz bei unserem König versäumt hat..." Shōbu nickte den Beiden abwesend zu und schob sie hastig zur Tür hinaus. Matandua fing noch ein boshaftes Lächeln von Eakeno auf, dann klappte die Pforte zu, und die zwei Soldaten sahen sich gegenseitig erstaunt fragend an. „Eine recht eilige Verabschiedung" war alles, was Mosar dazu einfiel, und Matandua ärgerte sich. „Diese Konkubinen! Sie haben den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als um den König herumzuschwänzeln und Geheimnisse aus ihm herauszupressen. Ke – "
„Hauptmann." Der junge General hatte sich wieder gefangen und ermahnte seinen Untergebenen mit ruhiger Stimme.
„Wir befinden uns auf dem Hofe des Königs, unkluge Reden könnten sehr leicht gefährlich werden." „Ja, aber – " Matandua wurde rot und senkte verlegen seinen Kopf. „Diese Eakeno – Sie – " „Ja, genau, Konkubine Eakeno." General Mosar grinste anzüglich. „Was ist denn mit Konkubine Eakeno?" „Nichts" würgte der Hauptmann puterrot hervor. „Das sind alte Geschichten. Hier in Asante haben sie nicht die geringste Bedeutung mehr." „Erzählt mir mehr, Hauptmann. Das scheint interessant zu werden..." Ein kleiner Diener bog plötzlich pfeilschnell um die Ecke, ihre Harnische schwer über seiner Schulter tragend. Als er sie erreicht hatte, verbeugte er sich tief und begann hastig zu plappern, während er keuchend nach Luft schnappen musste. „Oh, bitte verzeiht mir, Meister! Ich war gerade damit beschäftigt, sie zu putzen, als ich Euch zurückkommen hörte – verzeiht, dass ich nicht schneller und aufmerksamer war..." „Schon gut" unterbrach ihn Matandua knapp. „Das geht in Ordnung." Der Junge errötete und neigte sich noch tiefer, während er den dunkelhäutigen Mann verstohlen betrachtete. Matandua gab vor, es nicht zu bemerken, und legte hastig seine Rüstung an, ohne die spöttischen Blicke, die Mosar in seine Richtung sandte, zu beachten. Lediglich seine Ohren nahmen einen dunkleren Farbton an, während Mosar dem Jungen gleichgültig einige Münzen in die Hand drückte, die diesen zu wahren Freudensprüngen verleiteten. „Oh, Ihr seid zu gütig, Herren... ich danke Euch, Meister..." „Verschwinde."
Der kleine Diener huschte artig von dannen, nicht ohne dem Hauptmann noch einen bewundernden Blick zugeworfen zu haben, was von diesem mit einem ärgerlichen Seufzen registriert wurde. „Diese Kinder... warum mussten sie auch ausgerechnet welche von den Kleinsten mitnehmen? Dieser Taparahi... kann keine Minute still sitzen..."
„Zurück zu Eakeno. Ihr wolltet mir etwas erzählen..." Matandua bekam wieder einmal rote Ohren und wollte ausweichen. „Oh, General..." „Keine Ablenkmanöver jetzt. Ich warte auf eine Antwort." Mosar's Stimme hatte einen befehlenden Unterton angenommen, der Matandua klar machte, dass seine Geduld zu Ende war... Schweren Herzens zuckte er schließlich ergeben die Schultern und seufzte tief auf. „Also gut, wenn's denn sein muss..."
Sie erreichten das große Eingangstor und traten in den riesigen, sonnendurchfluteten Innenhof, der bis auf einige Stallburschen, die Reitsaurier hin – und herführten, sowie einigen Dienern, die mächtige Saurierhälften und Körbe mit Gemüse und Früchten in Richtung Küche schleppten, völlig leer war.
Matandua hub ergeben zu sprechen an. „Nun, Konkubine Eakeno stammt nicht aus dem selben Volk wie ich, deshalb kann sie sich auch erlauben, mich so zu behandeln. Ich komme aus dem Kriegerstamm der Ngardmau, am nordöstlichen Ende der Insel Tongariro gelegen, und Lady Eakeno stammt von der Insel Tinirau, die gleich neben der unseren liegt, aus dem Volk der Kapahi, die als sehr klug und schön bekannt sind. Unser Stamm und auch alle anderen auf Tongariro mussten den Häuptlingen von Tinirau Tribut zahlen, Muschelgeld und Nahrungsmittel. Das ist der Grund, warum ich immer ein wenig unter Lady Eakeno stehen werde. Es liegt in meiner Geschichte." „Aber jetzt seid ihr nicht mehr auf euren Inseln. Die großen Seefahrer Kuàngwù und Koháku brachten euch hierher, und dies ist euer Neuanfang." „Dennoch, General Mosar." Matandua sah ihm fest in die Augen und schüttelte den Kopf. „Seine Wurzeln kann man nicht so einfach verleugnen. Bis zu meinem Lebensende werde ich immer wieder an mein früheres Leben auf Tongariro denken müssen. Ein völliger Neubeginn ist nicht so leicht." Darauf wusste Mosar nichts zu erwidern; schweigend überquerten sie den Innenhof und schritten langsam durch das große Haupttor, hinter dem ihre Saurier bereits gefüttert und getränkt auf sie warteten.
Unterwegs begegneten sie unerwartet einem ebenso exotisch wie Matandua aussehendem jungen Mädchen, das ihnen lediglich ein kühles Kopfnicken schenkte und sich ohne jegliche Höflichkeitsfloskeln sofort an Mosar wandte. „Prinzessin Asuka wünscht Euch zu sehen. Sie hat soeben erfahren, dass Ihr zu einer Audienz bei Shi Huángdì Nánfēng geladen wurdet... Zweifellos ist sie bereits auf den Weg hierher." Das junge Mädchen verschwand ohne jedes weitere Wort und ließ die beiden Männer wieder einmal perplex zurück.
Mosar drehte nicht einmal den Kopf. „Ihr seid heute in so erzählerischer Stimmung, Matandua – sagt, was hat es denn mit Heilerin Talingo auf sich? Sie ist ja noch verschrobener als Ihr und Eakeno..." „Heilerin Talingo ist eine von den Ngeraod. Die leben abgeschottet von allen anderen auf einem Geisterberg, der Hinetitama genannt wird... keiner von uns war jemals dort, nur Talingo und Dengei, der Häuptlingssohn, wissen, wie es auf diesem Berg wirklich ist... von dort kamen immer schon die größten Heiler und Magier, und Talingo ist eine von ihnen..." Matandua schüttelte sich, als wäre ihm eine kalte Schauder über den Rücken gekrochen. „Unheimlich sind sie, die von den Ngeraod – sprechen nicht viel, und zaubern, das können sie..."
„GENERAL!" Eine missmutige Stimme, die plötzlich hinter ihnen gellte, brachte beide Soldaten dazu, sich mit einem entsetztem Ruck umzudrehen. Geradewegs auf sie zu eilte die Kronprinzessin des Königreichs Asante, ein junges und zweifellos hübsches Mädchen, wäre da nicht ihre chronisch unzufriedene Miene gewesen. Ein großer Herrerasaurus folgte ihr ergeben bei Fuß, was für einen Fleischfresser eigentlich ziemlich untypisch war und auf den Einfluss einer Shétou hinwies, die das Tier gezähmt haben musste. Die Prinzessin hatte das arme Tier in ein weißes Kleid gezwängt und ihm zu allem Überfluss auch noch einen bunten Turban um den Kopf gewickelt, was sowohl Mosar als auch Matandua zu innerlichen Würglauten veranlasste. Armes Ding. So wie es aussah brachte einem das Leben bei Hofe zwar Futter und Pflege, aber auch große Demütigung.
„Ihr wart bei diesen... diesen Allerweltsliebchen?" Asuka rang heftig nach Luft und stemmte beide Arme in ihre Seiten. „Was habt ihr bei diesen Frauenzimmern zu schaffen? Könnt ihr sie von hier verjagen? Ich habe es ja schon versucht, aber mein Vater ist so unvernünftig... Also?" Sie starrte die Beiden auffordernd an. Mosar bemühte sich, ihr angemessen zu antworten, ohne den Verdacht zu erregen, unhöflich zu sein. Das war gar nicht so leicht.
„Die Konkubinen wollten einige Informationen über unsere Arbeit, Híme - sáma. Sie waren an den Neuigkeiten über diesen Rebellen interessiert – diesem kleinen Shēngyīn – Pteranodon..." „Pah, das kümmert mich doch nicht." Mit einer wegwerfenden Bewegung winkte die Kronprinzessin ab und stürzte sich wieder auf ihr Lieblingsthema. „Ihr wollt mir doch nicht erzählen, diese Weibsbilder würden von so was auch nur die geringste Ahnung haben? Pahaha." Sie lachte verächtlich auf und warf sich in die Brust. „Die sehen doch nur soweit ihre polierten Fingernägel reichen. Das Regieren sollte man meinem Vater und mir überlassen, schließlich werde bald ich die neue Königin, das sollte man nicht vergessen." Selbstzufrieden tätschelte sie ihren Saurier und lächelte Mosar wieder gut gelaunt an; das große Diadem auf ihrer Stirn und die zarten Seidenkleider leuchteten in der strahlenden Sonne, ebenso wie ihre zahllosen Armreifen und Perlenkettchen, die um Hand – und Fußgelenke geschlungen waren. Ihre zierlichen Füßchen steckten in edelsteinverzierten Ledersandalen, die obendrein mit komplizierten Mustern geschmückt waren und sich stark von den Fußbekleidungen der anderen unterschied. Lediglich die Konkubinen konnten sich ähnlichen Luxus leisten, obwohl sie ihren Reichtum zu schätzen wussten – im Gegensatz zur eitlen Asuka.
„General, ich möchte, dass mein Vater diese... diese Dirnen ein für alle Mal hinauswirft und im treuen Gedenken an meine Mutter lebt. Das ist doch kein annehmbarer Zustand..."
„Aber Híme – sáma." Mosar fühlte, dass sich Matandua das Lachen nur noch knapp zu verkneifen vermochte, was er sehr gut nachvollziehen konnte. Die Prinzessin merkte ja gar nicht, was für Peinlichkeiten sie da einfach hinausposaunte. Wäre Mosar nicht so loyal gewesen, hätte er es sehr leicht für seine eigenen Interessen missbrauchen können. „Ich denke, dass sind Dinge, die Ihr mit eurem Vater unter vier Augen besprechen müsst – viel zu privater Natur, als das ein Soldat wie ich berechtigt wäre, sie auch nur zu wissen – und sprecht am besten auch mit den Damen selber, da wird sich doch sicherlich eine Lösung finden lassen. Wenn ihr verzeiht, der Hauptmann und ich sind in Eile." Höflich verbeugten sich die Zwei und traten eilig den Rückzug an, während Asuka noch unschlüssig vor sich hin starrte und am Turban ihres Sauriers zupfte, wobei sie auch manchmal die schuppige Haut erwischte. Myuu quittierte es mit einem winselnden Laut, den sie aber gewissenhaft überhörte. Prinzessin Asuka hatte Wichtigeres zu tun!
Sankhya war auf den ersten Blick überwältigend groß und unglaublich belebt. Manua hatte sie auf den Marktplatz geführt, der vor lauter Obst, Gemüse – und anderen Lebensmittelständen schier überquoll, überall herrschte lautes Geschrei und Feilschen, dass zu einem beinahe unverständlichen Gemisch ineinander floss. Zusätzlich erschwert wurde das Verstehen durch die Tatsache, dass die meisten Händler eine fremde Sprache benutzten, die keines der Kinder verstand, lediglich Kagamí und Kamomé bemerkten, dass es wie Hindi klang. „Na, kein Wunder, wir dachten uns ja gleich, dass Samadhi ein indischer Name ist."
Alle waren von der Vielfalt der angebotenen Waren geradezu überwältigt. An den Buden wurde heftig gefeilscht, winzige Saurier huschten blitzschnell in ihren Schatten hin – und her, um die herabgefallenen Nahrungsmittelreste zu erhaschen, und die unterschiedlichen Gerüche waren geradezu betäubend. An einem Stand konnte man sogar kleine, an den Beinen zusammengeschnürte Saurier erkennen, die bereits bratfertig angeboten wurden. Manua war ein bisschen stolz, als sie das Erstaunen ihrer Schützlinge bemerkte. „Ja, man merkt eben, dass Sankhya eine Handelstadt ist. Hier gibt es die exotischsten Gewürze und Früchte, die von den Seefahrern von weit her zu uns gebracht werden – sie kosten viel, aber für manche Anlässe lohnt es sich wirklich! Morgen zum Beispiel gibt es ein großes Fest im Haus meines Vaters, für das er Wagenladungen teurer Dinge bestellt hat – ich bin ja so gespannt! Leider könnt ihr nicht kommen, da viele Soldaten hier sein werden, verzeiht mir..." Sie blickte ein wenig betreten drein, als sie Kiíchigo's enttäuschte Miene sah, wurde aber gleich von Sachou getröstet. „Das ist ja ganz klar, dass wir uns nicht blicken lassen dürfen, das sieht jeder von uns ein. Wir danken dir sehr für deine Hilfe, Manua, ohne dich wären wir schon längst verloren." „Oh, aber nicht doch." Das schwarzhaarige Mädchen lächelte verlegen und errötete erfreut. „Ich hätte euch doch nicht alleine lassen können, wo ihr doch von weit her kommt und euch in diesem Königreich so gar nicht auskennt..."
„Hört doch endlich auf zu quatschen! Bei diesen Köstlichkeiten läuft einem ja das Wasser im Mund zusammen." Gequält starrten sowohl Moko als auch Káshira auf die prächtigen Früchte, die sie magnetisch anzogen. „Och, nur ein kleines Stückchen von so einer..."
„Hier, ich kaufe euch welche." Überrascht starrten die Beiden auf Manua, die sogleich mit der dicklichen Händlerin heftig zu feilschen begann, um schließlich mit einem großen Korb Obst triumphierend zu ihnen zurückzukehren. „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen, das alles kostet doch sicher viel zu viel..." Aber noch während sie abwehrende Worte von sich gaben, lechzten die Kinder bereits danach, endlich eine dieser Früchte zu probieren. Manua übergab ihnen lachend den Korb und schüttelte belustigt den Kopf. „Jetzt esst mal schön, und dann gehen wir noch in den Tempel. Ich habe schon viel zu lange nicht mehr gebetet – das kommt davon, wenn Mutter einmal nicht hier ist. Sonst ist immer sie es, die mich daran erinnert..."
„Wo ist denn deine Mama?" erkundigte sich Haná schmatzend. Sie hatte gerade in eine dunkelorange Frucht gebissen, die einer Birne sehr ähnlich sah und süß schmeckte. Manua lachte wieder, diesmal etwas trauriger. „Nun ja, Mutter ist wie üblich im Wald oder in den Bergen, so wie mein Bruder. Die beiden sind „Djiibh", also Zungen, sie können mit den Dinosauriern sprechen, was sie auch häufig tun. Euer kleiner Freund ist ein „Aawáaz", ein Saurier, der sprechen kann. Warum die Soldaten gerade nach ihm und euch suchen, ist mir allerdings immer noch ein Rätsel. Aber es kann natürlich daran liegen, dass ihr mit so einem seltsamen Gefährt und diesen komischen Kleidern aus der Fremde zu uns gekommen seid. Wer weiß..."
Sénsō, der seit ihrer Ankunft in Sankhya kaum ein Wort gesagt hatte und nun von Kagamí durch die Stadt getragen wurde, hob seinen Kopf und schnatterte ärgerlich.
„Ich will ja mal hoffen, dass wir bei dir überhaupt sicher sind. Wenn uns dieser General fangen sollte... dann sind wir vermutlich sein Mittagessen."
„Psst, nicht so frech! Sonst wirft uns Manua- san hinaus!" flüsterten die beiden Zwillinge plötzlich ängstlich und schielten das Mädchen von der Seite her an. Okami und Sángo hatten sich an den Früchten noch nicht sattgegessen und das Allerletzte, dass sie jetzt gebrauchen konnten, war eine wütende Manua. Diese aber lachte nur und tätschelte gutmütig den Kopf des Pteranodon. „Na, bist du wieder hungrig? Ich dachte, die Fische, die du bekommen hast, hätten gereicht!" „Vielfraß!" kicherte Haná spöttisch und streckte Sénsō die Zunge heraus, was ihn ziemlich ärgerte. „Pah, der Fisch war zwar schlecht, aber ich beschwere mich ja nicht – bin ja nicht wie ihr, dass ich alle halbe Stunde was zu futtern brauche. Ich kann mich ja beherrschen!" „Friss und sei still." Eilig stopfte ihm Hotáru einen großen Fisch, den Manua hastig gekauft und ihm in die Hand gedrückt hatte, in den Schnabel. „Man sollte nicht unbescheiden sein."
„Wisst ihr, ich glaube, langsam wird es Zeit, zurückzukehren. Es wird ja schon dunkel... wir waren recht lange hier..." Manua runzelte besorgt die Stirn und mahnte zum Aufbruch. Innerlich murrend, aber doch verständnisvoll, folgten ihr die Pfadfinder rasch, obwohl Kiíchigo und Hiyokó sehr traurig waren, dass sie keine Kleider oder wenigsten hübsche Stoffe gesehen hatten, aber der Lebensmittelbasar an sich nahm so viel Platz ein, dass man einen halben Tag alleine dort verbringen konnte.
Unterwegs passierten sie eine riesige Wand, an der viele Anschläge hingen, die ihnen zuvor gar nicht aufgefallen waren, da sie die Vorfreude auf den Basar viel zu sehr beschäftigt hatte. Neugierig versuchten sie, einige der Botschaften zu entschlüsseln, doch außer Hotáru gelang es keinem, und auch er konnte nicht alles entziffern. „Das hier sieht wie eine königliche Kundmachung aus. Alles kann ich leider nicht lesen, aber... da steht..." Die Übrigen beobachteten gespannt, wie er stumm die Lippen bewegte und sich dann zu Kamomé drehte, was Kiíchigo sauer aufstieß. Mit dieser blauhaarigen Gans unterhielt er sich ja am häufigsten; mit den anderen sprach er fast schon gar nicht mehr. Als wäre sie soo viel klüger.
„Hier steht etwas von „Rebellen", die besiegt wurden, und irgendwelchen Flüchtigen, denen das Heer auf den Fersen ist – und daneben etwas von einer Insel, auf die jemand verbannt worden ist... aber jedenfalls verstehe ich den Sinn der Botschaften nicht. Und die kleineren Nachrichten rund herum kann ich gar nicht lesen, das ist eine andere Schrift."
„Oh, das sind die städtischen Mitteilungen, wie zum Beispiel Feste, Märkte oder anderes. Die königlichen Anschläge haben aber natürlich Vorrang. Jeden Morgen kommt mein schnellster Diener hierher und schreibt die Nachrichten für mich ab, die er dann so schnell er nur vermag zurückbringt, damit ich sie während meiner Morgenmahlzeit in Ruhe lesen kann, so wie das auch alle anderen tun. So ist man immer auf dem neuesten Stand der Dinge, nicht wahr?"
Fröhlich strahlte sie die überwältigten Kinder an und setzte sich wieder an ihre Spitze. „Nun, wir müssen jetzt nach Hause, was? Also, lasst uns gehen, damit wir noch rasch den Tempel besuchen können." Munter sich hin trällernd marschierte sie von dannen, eine verblüffte Schar hinter sich. So lebten also die Reichen in dieser Stadt; nicht zu verachten.
Der Tempel war nicht sehr groß, laut Manua auch nicht sonderlich wertvoll geschmückt oder angesehen. „Meine Eltern lieben ihn, sie haben uns immer hierhin zum Beten gebracht, deshalb bedeutet er mir etwas, aus reiner Sentimentalität."
Die Außenfassade war mit aufwendigen Steingravuren und Statuen verziert, die zwar stark stilisiert waren, aber dennoch verschiedene Typen zeigte. Besonders hob sich das Gesicht einer Frau mit sehr ruhigen Zügen hervor. Auf ihre Fragen hin erklärte ihnen Manua, dass dies eine der Hauptgottheiten der Stadt wäre, die von allen Notleidenden und Hilfesuchenden aufgesucht und um Beistand angefleht würde. „Aber das erzähle ich euch morgen. Unser Religionssystem ist vermutlich ganz anders als bei euch in der Ferne, richtig?"
Wieder am Wohnsitz der Samadhi – Familie angekommen suchten die drei loyalen Diener bereits geflochtene Hängematten heraus, damit sie die Nacht nicht mehr auf dem steinernen Boden des Kellers verbringen mussten.
Alle waren mehr als dankbar, obwohl ihnen Manua einschärfte, auf keinen Fall den Innenhof zu verlassen. „In meinem Hof seid ihr sicher. Aber wenn euch mein Vater sieht – ich möchte es nicht unbedingt darauf ankommen lassen, das versteht ihr sicher. Die Dusche und sonstige Anlagen befinden sich ebenfalls dort, ihr braucht mein Haus im Grunde also nicht zu verlassen. Seid aber vorsichtig, dass euch die Diener nicht alle sehen, die meisten von ihnen sind sehr schwatzhaft."
Bald rollten sich alle in ihre Decken ein und gähnten herzhaft. Dieser Tag war wieder einmal anstrengend gewesen, aber das war ja auf diesem Planeten nichts Neues. Haná tätschelte noch einmal Omócha, der den ganzen Tag mit Fressen und Schlafen verbracht hatte, auf den schuppigen Rücken. „Du warst ja so brav... obwohl du den ganzen Tag alleine warst..."
Sénsō dagegen kuschelte sich in einen großen Haufen duftenden Heus, dass ihnen von Manua in die Ecke geschüttet worden war, und schwieg verärgert, als ihm Kagamí eine gute Nacht wünschte. „Was ist denn dabei so Besonderes, wenn man mal einen Tag alleine in einem schönen Haus verbringen muss, hä? Ich hatte es noch nie so gut, und trotzdem..."
Kagamí ließ ihn leise vor sich hin schnattern und versetzte ihm noch einen sanften Stüber auf den Kopf, was wieder Nörgeln nach sich zog. „Ach, Sénsō, du bist ja so was von empfindlich. Fang jetzt bloß nicht an zu heulen..."
Hotáru betrachtete die graue Steindecke und drehte sich dann zu Kitsuné, der sich die Decke über den Kopf gestülpt hatte, als wollte er die übrige Welt aussperren, was er ihm nicht verdenken konnte. Schön langsam wurde es nämlich wirklich zuviel, ständig mit der Gruppe auf unbekanntem Terrain herumzulaufen. Nicht, dass es nicht interessant gewesen wäre – aber trotz – und alledem wäre es ihm lieber gewesen, zuhause vor dem Fernseher zu sitzen und sich irgendeine schwachsinnige Sendung anzusehen; Dinge, die er kannte, und nicht „Hurra, gestrandet auf einem fremden Planeten."
„Manua- san." Haná's quengelnde Stimme erklang gerade in dem Augenblick, in dem sich das Mädchen endgültig aus dem Keller entfernen wollte. Seufzend drehte sie sich noch einmal um und lächelte den kleinen Quälgeist müde an. „Was ist denn?"
„Kann nicht einschlafen, wenn ich keine Geschichte höre." Ihre Unterlippe schob sich bereits gefährlich vor, was vor allen die Zwillinge mit Besorgnis erkannten. Das letzte, das sie jetzt noch wollten, war ein Heulanfall. „Oh, ja, Manua- san, erzähl' uns doch noch eine Geschichte." „Aber – " Moko empfing einen heftigen Rippenstoß von Tókui, die den Ernst der Situation ebenfalls begriffen hatte. „Klappe, hast du verstanden? Entweder eine zehn – Minuten – Story, oder die Kleine heult sich die Seele aus dem Leib. Willst du heute noch schlafen?" „Ja, ja, schon gut", murrte Moko und drehte sich in seiner Matte, die sich bereits heftig ausbeulte, zur Seite. „Aber macht es kurz."
„Na ja, was soll ich dir da erzählen? Darin bin ich nicht so gut. Aber ich kann dir eine Ballade vorsingen, wenn du möchtest." Unschlüssig hatte sich Manua zu Haná gesetzt und strich ihr leicht über die Stirn. Haná erwog die Vor – und Nachteile, woraufhin sie sich schließlich für die Ballade entschloss, wofür Manua wiederum erst ihr Instrument holen musste, was einige Zeit kostete. Hotáru und Kamomé sahen sich kurz in die Augen und nickten dann synchron. Diese kleinen Gören waren wirklich das letzte.
„So, da bin ich wieder. Ich hoffe, ich war nicht zu lange weg..." trällerte Manua rührig, während sie sich wieder an Haná's Mattenrand setzte. In der rechten Hand trug sie ein Instrument, dass einer Sitar sehr ähnlich sah und auch so klang.
Langsam begann sie die Saiten zu schlagen und dazu eine lange, traurige Ballade über eine verschwundene Prinzessin zu singen, deren Körper nun im kalten, dunklen Meer bei den versunkenen Schätzen der Götter lag. Hiyokó schüttelte sich vor Abscheu, während Kagamí lediglich einen spöttischen Laut ausstieß.
„Keine Sorge, die hat sich doch sicher schon zersetzt und schimmelt vor sich hin..."
„So, genug für heute. Ihr müsst jetzt schlafen; morgen werde ich euch berichten, ob es Neuigkeiten über die Soldaten gibt. Vielleicht hören sie ja bald mit der Jagd nach euch auf." Leise verließ die junge Frau den Keller, nachdem sie Haná sanft über die Stirn gestrichen hatte und die Decke ordentlich um die Zwillinge herum festgestopft hatte. „Schlaft schön!" hauchte sie noch einmal gedämpft, dann fiel die Kellertür hinter ihr zu, und die Pfadfinder starrten in die beinahe stofflich wirkende Dunkelheit.
Moko und Tókui gehörten neben den Zwillingen zu den Ersten, die der Schlaf übermannte; die Restlichen folgten bald, einzige Ausnahme wie immer Hotáru, den es irgendwann nach stundenlangem Wachliegen zu dumm wurde. Vorsichtig, um niemanden zu wecken, hievte er sich aus seiner Hängematte und schlich in den Innenhof, die Türe vorsichtig hinter sich schließend. Die Luft war hier draußen unbestreitbar besser und angenehmer als in dem stickigen Kellerloch; und keine steinerne Decke konnte den funkelnden Sternenhimmel ersetzen, obgleich Hotáru keines der Sternbilder auch nur im Geringsten bekannt vorkam.
Still setzte er sich in eine Ecke des Hofes, nahe der Außenmauer, um die laue Brise und den noch von der Hitze des Tages aufgeheizten Sand zu genießen und dabei die fremden Sternenformationen zu betrachten. Er hätte nicht sagen können, wie lange er in der samtigen Dunkelheit saß und den Weg der zwei Monde über den Himmel beobachtete, als er plötzlich ein verstohlenes Geräusch von der Kellertüre her vernahm. Vorsichtig drückte er sich noch fester in die Ecke, um unsichtbar zu werden, und verfluchte leise seinen grauen Schlafanzug. Er musste ja buchstäblich leuchten.
„Suigín?" Leise wisperte eine bekannte Stimme seinen Namen. „Was tust du hier?" „Nichts." Hotáru hatte Káshira erkannt und entspannte sich ein wenig. „In dem Loch wollte ich nicht bleiben." „Ich konnte sehen, dass deine Matte leer ist, da wollte ich wissen, was du tust." Behutsam kroch Káshira ebenfalls zur warmen Außenmauer und ließ sich mit einem tiefen Aufseufzen neben Hotáru zu Boden fallen. „Uff... du tust wohl nie das, was andere machen, oder? Ein komischer Kauz, das bist du." Unvermittelt kuschelte er sich an Hotáru, was diesen ziemlich rot werden ließ... ein Glück, dass solche Dinge in der Schwärze dieser Nacht verborgen blieben...
Während er seinem dösenden Clubkameraden vorsichtig eine Hand auf den Rücken legte, kam Hotáru ganz unvermittelt Yún in den Sinn. Auf diesem Planeten konnte er nicht einmal ihr Grab besuchen. Ihre Reinkarnation fand nicht hier statt. Nichts fand hier statt, nur ihr Umherirren in einer fremden Welt, ohne wirklichem Ziel. Wie sollten sie denn jemanden finden, der sie wieder zurück auf ihren Planeten schicken konnte? Sie wussten ja nicht einmal, wie sie hierher gelangt waren.
„Hey, Hotáru." Abrupt hatte Káshira seinen Kopf gehoben und starrte ihn an. „Was ist?"
„Weißt du, was ich jetzt gerne machen würde?" Der braunhaarige Junge räkelte sich faul und schmiegte den Kopf noch enger an ihn. „Ich würde gerne mit dir in eine Sushi – Bar gehen und lange mit dir reden... ist dir schon aufgefallen, dass wir uns zwar schon seit unserer Grundschulzeit kennen, aber noch nie – richtig – miteinander geredet haben? Immer nur irgendwelche Lappalien oder Streit. Aber ich weiß fast gar nichts über dich."
Hotáru lächelte verlegen und begann gedankenverloren seinen Rücken zu streicheln. „Was willst du denn wissen?" „Ach, ich weiß gar nicht. Was du magst, oder nicht magst, wie dir das Leben gefällt. Vieles." „Ich bin zu langweilig. Bei mir tut sich nicht viel, Nichts, dass man erzählen könnte. Aber wenn wir wieder auf der Erde sind, kannst du mich ja mal einladen, wenn du willst." „Hmm... wird gemacht." Káshira begann wieder einzunicken und rollte sich zusammen. Hotáru starrte die zwei Monde an und wunderte sich. Seit wann interessierte sich Káshira für ihn, und warum war er so nett? Diese Nacht hatte es in sich; es musste an den Sternen liegen.
Irgendwann, als der Himmel bereits graue Streifen zeigte, entschloss sich Hotáru, nun doch endlich in den Keller zurückzukehren. Er zog den fest schlafenden Káshira hoch und trug ihn so gut er konnte in ihren Unterschlupf zurück. Ein paar Stunden blieben ihnen ja immerhin noch, und die wollte er gerne mit ausgestrecktem Rückgrat verbringen. Das Erwachen nach seiner letzten unbequemen Nacht auf dem Schiff war ihm noch allzu gut in Erinnerung.
